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Albano saß am Gestade des Meeres, sein Haupt an die Felsen gelehnt. Still und einsam war der Platz, den er vor allem liebte; denn seine Seele war betrübt, und er floh die Freuden des Lebens.
Langsam ging die Sonne hinab und senkte ihr rötliches Antlitz in die schimmernde Flut.
Da verhüllte Albano sein Gesicht und rief: »Wehe mir, so sinkt auch mir des Daseins freundlichste Sonne in Nacht und Grab! Treulose Idala, war nicht dein Blick die Leuchte meines Lebens? Warum verstößt du in die Nacht banger Schwermut das Herz, das dich liebte wie keines auf Erden?«
Jetzt blitzte noch einmal der erlöschende Strahl der Sonne empor. Leise zitterte auf den Wellen der Widerschein des scheidenden Lichts, doch bald verdämmerte er in die Farbe der Nacht, so daß jede Spur des glänzenden Lebens verschwand.
»Welche schnelle Veränderung!« seufzte Albano. »Ach, nur zu bald sind die Bilder des Lebens entzaubert, wenn das Licht versinkt, das ihnen die Farbe lieh! Welche Totenstille umher! So schweigt es in den Tempeln, aus denen die Götter entflohen.«
Kalt wehte der Wind von dem Meere herüber, und bleiche Dünste ballten sich im Zwielicht zu abenteuerlichen Formen zusammen und wallten einher wie die Geister der Nacht.
Da kam ein heftiger Schauer über Albano, und er blickte düster um sich und sprach: »Seid ihr auch schon da, ihr Unholde der alten Nacht, du Unmut und Furcht, und du unseliges Mißtrauen? Ha, wie es Tag war, da kannte mein Herz euer schwarzes Gefolge nicht und ich verspottete eure Gewalt. Aber nun kommt ihr, um euch an mir zu rächen, denn das Herz, das die Liebe flieht, fällt euch ohne Rettung anheim!«
So sprach Albano am Gestade des Meeres, und sein Auge war düsterer als der finstere Schleier der Nacht und sein Herz unruhiger denn die Wogen des Meeres.
Endlich gingen die Sterne hinter den Wolken hervor und blickten freundlich herab und beleuchteten die Wellen, und sie stiegen auf und nieder in milder Verklarung.
Langsam verzog sich der Nebel, von den wehenden Lüften verjagt, endlich rollte der letzte Vorhang empor, und der Sternendom strahlte in seiner ruhigen Majestät zur Erde hernieder.
Immer unbedeutender wurde die Gestalt der Erde, je mehr sich die glänzende Höhe entfaltete; immer tiefer versank der Aufenthalt irdischer Schmerzen vor dem Anblick des unermeßlichen Sternenraumes.
Da wurde es stiller in Albanos Herz, und seine Klage erstarb. Nachdenkend verweilte sein Blick auf den rollenden Globen, und eine tröstende Hoffnung kam in des Verlassenen Seele. Mit leiser Reue gedachte er seines leidenschaftlichen Strebens nach vergänglichem Gut und erkannte die Nichtigkeit jedes irdischen Wunsches für die Spanne Zeit, die wir das Leben nennen, und die doch beim Anblick des Unermeßlichen gleich einem flüchtigen Augenblick erscheint.
»Nein,« rief er, »ich will nicht mehr trauern! Diese Sterne lehren mich eine neue Freudigkeit! So gewiß dieser unendliche Raum ein Reich des wirksamsten Lebens ist, so gewiß wird dort die Liebe ihren Tempel und das Herz sein Vaterland finden!«
*
So sprach Albano, und eine selige Ruhe kam über ihn. Immer leiser brachen sich die Wellen an dem Felsufer, immer schmeichelnder umspielte ihn die säuselnde Luft; er schlief ein.
Da trat im Traum ein hoher Engel zu ihm, der betrachtete ihn mit freundlichen Augen, und sein Angesicht war hell und leuchtend wie die Sonne, und er sprach zu Albano: »Siehe, ich bin's, der dich emporführt in die Räume des Lebens! Willst du dich mir, der himmlischen Liebe weihen?«
Da breitete Albano seine Arme aus und rief: »O du heiliger Bote des Lichtes, was soll ich tun, mich deiner Huld zu versichern?«
Da sprach der Engel: »Werde der Sonne ähnlich, liebe, beglücke wie sie!«
*
Da erwachte Albano; noch bebte in seinem Herzen die Seligkeit des Traumes nach, noch sah er den Lichtglanz der himmlischen Erscheinung vor seiner Seele.
Freudig erhob er seinen Blick dem erwachenden Tage entgegen. Eben stieg die Sonne in voller Pracht hinter dem Felsen empor. Majestätisch erhob sich ihr Angesicht, die Bahn ihres Wirkens überschauend. Licht und Freude verkündete ihre beglückende Ankunft.
Aber Albano stand auf von dem nächtlichen Lager und sank auf sein Angesicht und betete an.
Und der Aufgang der Sonne wurde für ihn der Aufgang eines neuen Lebens, denn die höhere Liebe erwachte in seiner Seele. Und er ging hinab in das Land und forschte nach den Tränen des Jammers und übte fromme Taten der Milde, der himmlischen Huld.
Und die Menschheit wurde fortan seine Liebe – und seine Hoffnung die schöne Verheißung des Engels.