Fouqué, Friedrich Baron de la Motte
Die wunderbaren Begebenheiten des Grafen Alethes von Lindenstein
Fouqué, Friedrich Baron de la Motte

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Drittes Kapitel

Aehnliche Gespräche, als das eben erzählte, fielen seit dieser Zeit öfters zwischen Yolanden und Alethes vor. Durch den Reiz der schönen Frau geblendet, durch die glänzenden Aussichten, welche sie ihm oftmals, obzwar noch in ungewisser Gestaltung zeigte, gelockt, gab ihr Alethes immer willig'res Gehör; ja, er fing an, sich ihr durch eine unentrinnbare Bestimmung verbunden zu glauben. Daß sein inn'res Leben sich nie von dieser Erscheinung hatte losmachen können, wie auch, daß ihn sein Geschick, im entscheidenden Augenblick ganz ohne ihr Zuthun, ihr immer wieder entgegen geführt hatte – daraus schöpfte er den Glauben, dieses schöne Bild gehöre seinen Tagen an, als leitendes Gestirn, und fühlte diesen Gedanken durch sein in gewaltiger Liebe aufquillendes Gefühl unaufhörlich bestätigt. Sie gewann zuletzt eine solche Macht über ihn, daß sie ihm endlich ihre Entwürfe ganz unverholen darlegen durfte: er möge in kaiserliche Kriegs- und Staatsdienste treten; der Weg sey schon geebnet, der ihn in dieser Laufbahn zum Range eines regierenden Fürsten erheben solle. Zugleich setzte sie ihm klar auseinander, wie er von Stufe zu Stufe steigen müsse, um mit Sicherheit an das Ziel zu gelangen. Alethes aber schauderte vor ihr zurück. Yolande, sagte er, ein Geist bist Du, der Gewalt über mich hat, das ist allen Zweifels baar, – aber ob zum Bösen oder zum Guten – wer weiß es?

Sie stand vom Ruhebett auf, wo sie ihm gegenüber gesessen, und stellte sich himmlisch lächelnd vor seinen Stuhl hin, worauf sie nach einem kurzen Schweigen sagte: nun hast Du mich doch wohl genugsam betrachtet, Liebling, um zu wissen, ob ich aus leuchtenden oder finstern Regionen zur Dir abgesandt bin.

Schmerzlich und liebevoll seufzend, entgegnete er: man sollte es freilich wissen, auch wenn man Dich nur flüchtigen Blickes beschaut hätte. Und kann ich's läugnen, daß mir diese Bildung, vom ersten Augenblick unsres Zusammentreffens an, verkündete: ich bin Dein guter Genius! – Dennoch willst Du mich auf Wege führen, die ein lenkender Richter in meinem Busen scheut, wie das höllische Feuer. Was? Alethes in den kaiserlichen Dienst? Dort mitwirken zur Befestigung einer Macht, die unterdrücken will, was Glaube, Stamm und Ueberzeugung mir empfehlen?

Du hast ja die Geschichte Herzog Morizens von Sachsen gelesen, sagte Yolande sehr ernst. Als er Churfürst worden war, verstand er's, das Schwerdt zu wenden, die Spitze nach dem Despoten zurück.

Wie sollt' ich aus meiner ganzen Handlungsweise fallen! rief Alethes. Freundlich thun, wo mir's im Herzen brennt vor Zorn. Gott behüte mich und seine heiligen Engel! Mein öffentlicher Lebenslauf umfaßte bis jetzt den rüst'gen Krieg, oder Geschäfte, wo es mit Ernst, Verschwiegenheit und glühendem Eifer abgemacht war. Was Du mir anmuthest, ist wider mich selbst.

Erkanntest Du nicht Deinen Genius in mir? sprach Yolande. Du mußt nicht eigensinnig zurücke bleiben wollen, wo ich Dir voranschwebe, und es eben im steilsten, mühsamsten Ringen dem Gipfel zugeht. Du sollst ja wieder zurück in Deinen offnen Treumuth, aber erst den Blitz in Deine Hand, um alle Falschheit zu zerstäuben. Hinauf, Alethes! Yolande winkt, und des Vaterlandes Heil! – Denn das wirst Du schaffen, redete sie mit schmeichelnder Stimme und Bewegung weiter, sobald Du stehst, wo ich Dich hin haben will, und wo Du hin gehörst. Dann wandle Du nach eigner Ansicht; dann ist mein Walten aus. Demüthig folg' ich Dir, dem Sieger, nach, durch Bahnen, die des Weibes schärfster Blick nicht überschau'n kann. Jetzt aber folg' Du mir. Das Schwerdt Dir in die Hand zu drücken ist mein Amt. Ich weiß, wo die bezauberte Klinge liegt, und will sie lösen von den argen Mächten, und sie dem Helden geben. Es folgten ja sonst wohl gewalt'ge Ritter dem Rathe kleiner, misgestalter Zwerge, um dergleichen zu gewinnen. Du wirst doch lieber mir, der schönen Herrin, nachgehn.

Sie hatte sich halb knieend seinem Sessel angeschmiegt, und sah mit unbeschreiblicher Lieblichkeit zu ihm empor. Er ward mit fortgerissen auf den süßen Wogen ihrer Bitten und ihrer herrlichen Verheißungen, und seit dieser Stunde ging er in all' ihre wundersamen Entwürfe ein.

Vielfache Geschäfte, und solche, die seiner ganzen bisherigen Lebensweise entgegen waren, zogen sich jetzt über Alethes zusammen. Briefe wurden abgesandt und kamen, schlauen, vieldeutigen Inhalts, kluge Staatsmänner betraten das Schloß und wurden glänzend, aber herzlos empfangen, während sie auf die schwachen Seiten lauerten, durch welche dem Graf oder der Gräfin beizukommen sey. Vor Yolandens Scharfblick jedoch erlagen ihre künstlichsten Anstrengungen; sie ging aus jeglichem Kampfe dieser Art als Siegerin hervor, und ihre Pläne breiteten sich herrschend aus, und gewannen mit jedem Tage festre Wurzel. Wer aber vordem mit Alethes für deutsche Freiheit und Ehre verbunden gewesen war, ward irr' an ihm, und wandte sich trüben Muthes von ihm ab. Wenn er sich dadurch verletzt fühlte, wußte Yolande seinen Blick alsbald auf die herrliche Zukunft zu richten, wo er glänzend und hülfreich vor seinen Freunden aufgehn würde, wie ein mächtiges Gestirn; um so erfreulicher, je hoffnungslosre Dunkelheit die Gegend seiner Erscheinung umlagert habe. Er schritt fort auf der ungewohnten Bahn, nicht freudig, aber doch nicht unbehaglich im Gefühl seiner wachsenden Gewandtheit und Kraft.

Ueber die Weichheit, welche Yolande früher an ihm gescholten hatte, konnte sie zu dieser Zeit keine Klage führen. Durch stätes Aufmerken auf sich und Andre, durch stätes Hinblicken auf das Eine große Ziel, war Vieles, was ihn sonst bewegt hatte, wie gar nicht mehr für ihn da. Gewalt'gen Arms beschirmte er seine Güter, aber der Einzle sprach nicht zu ihm, wenn er nicht mußte. Die mehrsten Vorstellungen wurden schriftlich eingereicht, und Alles ging deshalb einen um so festern und regelmäßigern Gang.

Es geschah um diese Zeit, daß Yolandens Entwürfe, die man jetzt auch fast mit eben so vielem Rechte Alethes Entwürfe nennen konnte, Beider Anwesenheit in einer andern Gegend erforderlich machten. Das Schloß Yolandens, wo Alethes sie zum erstenmale sah, hatte dazu eine günstige Lage, und es schien wohlgethan, für einige Monden dorthin zu ziehn. Zwar zeigte sich ein seltsames Widerstreben gegen diese Maaßregel in Yolandens Gemüth. Doch mußte sie das Vortheilhafte derselben erkennen, und gab also ihre Einwilligung dazu. Man sandte den finstern Using, den überhaupt seine Brauchbarkeit neuerdings in Alethes Gunst gehoben hatte, für die Anordnung des Nöthigsten voraus, und brach einige Tage nachher mit dem größten Theile der Hofhaltung auf.


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