Joseph Smith Fletcher
Das Teehaus in Mentone
Joseph Smith Fletcher

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14

Chaneys Detektivinstinkt wollte ihn zuerst veranlassen, in Monte Carlo zu bleiben und die dortige Polizei über den Mord an Mr. Samuel Watkinson zu befragen, aber da mehrere Jahre seitdem verstrichen waren und niemand den Namen des verschwundenen Crowther mit dem Mord in Zusammenhang gebracht hatte, entschied er sich dafür, keine Zeit mit dieser Sache zu verlieren. Das Nächstliegende für uns war jetzt, nach Paris zu fahren und dort zu versuchen, weitere Nachrichten über Mrs. Crowther im Hotel Mauriac zu bekommen. »Wahrscheinlich«, meinte Chaney, »ist sie direkt von Paris nach London gefahren; dann wollen wir also nachforschen, was sie in Paris getan hat.« Auf der Fahrt nach Paris begann Chaney, mir über die Identität von Crowther seine Gedanken mitzuteilen.

»Es ist zwecklos, zu leugnen, daß wir beide dasselbe dachten, Camberwell«, bemerkte er. »Ich will unsern Gedanken gleich als Frage aussprechen: Ist Paley Crowther?«

»Darüber habe ich auch schon nachgegrübelt!«

»Ich komme von dieser Vorstellung einfach nicht mehr los«, fuhr er fort. »Gehen wir mal ruhig von dieser Annahme aus. Angenommen also, Mrs. Crowther fuhr von Paris nach London in der Absicht, ihren Mann zu finden; angenommen, sie erkannte ihn – zufällig, wenn Sie wollen – in Paley wieder und fand heraus, daß Paley der Vertraute und Privatsekretär von Lord Cheverdale, dem Besitzer der ›Morning Sentinel‹, war. Nehmen wir weiter an, sie erfährt, daß der Redakteur der ›Sentinel‹ ihr alter Freund oder Bekannter Hannington aus Milthwaite ist! Was ist da natürlicher, als daß sie ihm ihre Sorgen mitteilt und ihre Papiere zu ihm bringt? Hannington, der, wie wir von allen Seiten gehört haben, ein reiner Idealist war, besonders wenn er glaubte, daß jemandem Unrecht geschehen sei, beschließt, der Frau, die seine Hilfe sucht, Gerechtigkeit werden zu lassen. Auf seinen Rat läßt sie ihre Heiratsurkunde bei ihm. Andere Papiere steckt er in seine Tasche und macht sich auf den Weg, etwas zu unternehmen. Aber was? Wir wissen, daß er zu Mr. Crayes Wohnung ging. Er beabsichtigte wahrscheinlich, sich zuerst an Mr. Craye zu wenden, da er ja wußte, daß Craye Lord Cheverdales geschäftlicher Direktor und der zukünftige Gatte von Miß Chever war; aber er fand Craye nicht zu Hause und machte sich daher auf den Weg nach Cheverdale-Haus. Und jetzt . . . angenommen, er begegnete Paley auf dem Grundstück? Nehmen Sie es einmal an?«

»Gut«, sagte ich. »Und was dann?«

»Was dann? Das ist es ja eben!« rief er aus. »Wir wissen, daß Hannington begeisterungsfähig, schnell entschlossen, impulsiv war. Angenommen, daß er beim Anblick Paleys sofort mit seiner Entdeckung über Paleys oder Crowthers Treulosigkeit herausplatzte und natürlich noch die Drohung hinzufügte, alles sogleich Lord Cheverdale mitzuteilen liegt da nicht die Vermutung nahe, daß Paley ihn auf der Stelle tötete?«

»Aber, Chaney, das ist ja alles nur Annahme!« wendete ich ein.

»Es ist aber keine bloße Annahme, daß Paley unmittelbar nach der Entdeckung des Mordes fortging und bis halb vier Uhr von Cheverdale-Haus wegblieb«, erwiderte er rasch. »Das ist Tatsache! Wo war er? Was hat er gemacht?«

»Chippendales Aufgabe!« meinte ich.

»Ja, ja«, erwiderte er. »Ich hoffe, Chippendale wird seine Sache gut machen. Wenn er bis zum Zeitpunkt, wo wir zurück sind, nichts herausgefunden hat, muß ich die Angelegenheit selbst in die Hand nehmen. Wir müssen wissen, wo Paley während dieser Zeit seiner Abwesenheit von Cheverdale-Haus gewesen ist. Eins weiß ich schon jetzt: er hat in dieser Zwischenzeit genügend Spielraum gehabt, nach Little Custom Street zu gehen, die Frau dort zu ermorden, ihr Zimmer zu durchsuchen und wieder zurückzukehren. Aber wie dem auch sei, wir wollen jetzt sehen, was wir in diesem Hotel Mauriac herauskriegen können!«

Das Hotel Mauriac war, wie sich bald zeigte, eines der neuen Luxushotels, die gerade in den letzten Jahren in den Champs Elysées entstanden sind. Es war – wie Chaney meinte – viel zu groß für Leute wie ihn, aber da wir ja nur zwei oder drei Tage in Paris bleiben wollten und nicht unser eigenes, sondern Lord Cheverdales Geld ausgaben, nahmen wir dort Zimmer und wurden sogleich in sehr luxuriösen Räumen untergebracht. Kurz nach unserer Ankunft unterhielten wir uns bereits vertraulich mit einem Geschäftsführer, der nicht nur sympathisch, sondern auch überraschend hilfsbereit war.

»Es ist noch nicht lange her, daß Mrs. Crowther uns verließ«, sagte er in einem sehr guten Englisch. »Sie ging ziemlich plötzlich hier weg und fuhr nach London in Privatangelegenheiten. Natürlich kannte ich sie, da sie ja eine unserer Angestellten war. Aber hier im Hotel ist ein Mann, der Ihnen, meine Herren, viel mehr über Mrs. Crowther mitteilen kann, nämlich Mr. Labatte, der Friseur. Labatte lebte in seinen jungen Jahren in England, um die Sprache zu erlernen, und heiratete eine Engländerin. Ich weiß, daß Mrs. Crowther M. und Mme. Labatte oft in ihrer Wohnung irgendwo draußen im Viertel von Neuilly besuchte. Labatte wird Ihnen sicherlich mit Freude alle Auskünfte geben, soweit er dazu imstande ist. Sie werden ihn jetzt in seinem Geschäft im Erdgeschoß des Hotels finden.«

Wir gingen ins Erdgeschoß und fanden dort wirklich M. Labatte, den Friseur, der noch in den besten Jahren war und, nach seinem eigenen Haar, Schnurrbart und Bart zu schließen, ein erstklassiger Vertreter seiner so überaus nützlichen Kunst sein mußte. Er hatte gerade nichts zu tun, wir stellten uns ihm vor und zogen ihn ins Vertrauen. Von dem Mord an Mrs. Crowther hatte er nichts gehört und war entsetzt; seine Frau – so versicherte er uns – würde untröstlich sein.

»Wir sehen nicht viel englische Zeitungen, meine Herren«, bemerkte er. »Aber selbst wenn wir diese schreckliche Nachricht gelesen hätten, wäre es uns nicht in den Sinn gekommen, den Namen von Mrs. Clayton mit Mrs. Crowther, die wir kannten, in Verbindung zu bringen. Nach allem, was Sie mir sagen, ist sie es – o nein, ich habe nicht den geringsten Zweifel.«

»Kannten Sie Mrs. Crowther gut, Mr. Labatte« fragte Chaney.

»O ja, sehr gut, mein Herr. Aber meine Frau kannte sie noch besser. Ich war als junger Mann in einem erstklassigen englischen Friseurgeschäft in Harrogate und heiratete dort meine Frau, die, wie Mrs. Crowther, aus Yorkshire stammte. Daher hatten die beiden viel Berührungspunkte. Mrs. Crowther teilte meiner Frau manche ihrer Sorgen mit, auch ihre Geheimnisse, glaube ich.«

»Wäre es möglich, Madame Labatte zu sprechen?« fragte Chaney. »Es handelt sich hier um eine sehr ernste Angelegenheit.«

Monsieur Labatte überlegte. Heute war Samstag – morgen war er also frei. Wenn die Herren ihnen die Ehre geben würden, sie morgen nachmittag in ihrer Wohnung aufzusuchen – hier die Adresse – würde er seine Frau vorbereiten.

Am folgenden Nachmittag fuhren wir nach Neuilly hinaus und standen bald Madame Labatte gegenüber. Trotz ihres eleganten Pariser Kleides und ihrer französischen Aufmachung war kein Zweifel, daß sie noch immer Engländerin und eine typische Yorkshire-Frau war.

»In meinem Leben habe ich noch keinen solchen Schreck bekommen wie gestern, als Henry nach Hause kam und mir erzählte, daß Mrs. Crowther in London ermordet worden ist!« sagte sie, nachdem die feierliche Vorstellung vorüber war. »Es ist ja noch gar nicht so lange her, daß sie Paris verlassen hat. Sind die Herren ganz sicher, daß diese Mrs. Clayton, von der Sie sprechen, die Mrs. Crowther ist, die hier im Hotel Mauriac war?

»Ich fürchte, daß es da gar keinen Zweifel« gibt!« erwiderte Chaney. »Wir haben diese Tatsache als unbestreitbar festgestellt.«

»Dann wette ich meinen Kopf, daß dieser Nichtsnutz von Mann seine Hand im Spiel hat!« rief Madame Labatte heftig aus. »Ich weiß genug von ihm, um ihm jede Schlechtigkeit zuzutrauen!«

»Sie besaßen Mrs. Crowthers Vertrauen, Madame?« fragte Chaney.

»Mrs. Crowther und ich waren eng befreundet«, erwiderte Madame Labatte. »Ich habe mich oft gewundert, daß ich gar nichts mehr von ihr hörte, seit sie Paris verlassen hatte und nach London gegangen war. Natürlich las ich in den Zeitungen, daß eine Mrs. Clayton in ihrer Wohnung in London ermordet worden war, aber ich legte dem keine Bedeutung bei und brachte keinen Augenblick diesen Mord mit Mrs. Crowther in Verbindung. Ja, wir waren gute Freundinnen während der ganzen Zeit, in der sie im Hotel Mauriac war. Sehen Sie, dort lernte sie meinen Mann kennen, und da er in Harrogate gelebt hatte, merkte er gleich, daß sie aus Yorkshire war. Ich bin nämlich auch aus Yorkshire, und so brachte er sie zu mir. Sie kam aus Milthwaite; das ist gar nicht weit von meiner Heimat. Auf diese Weise wurden wir gute Freunde – sie kam regelmäßig zu uns und erzählte mir viel von ihren Sorgen.«

»Was zum Beispiel?« fragte Chaney.

»Sie erzählte mir alles über ihre Ehe. Wie Crowther hinter ihr her gewesen war und sie zur Heirat überredet hatte. Natürlich entdeckte sie bald, daß nicht sie es war, die er wollte, sondern nur ihr Geld. Bevor sie heirateten, hatte er vorgegeben, daß es ihm sehr gut ginge, daß er ein gutes Geschäft hätte; nach der Heirat aber entdeckte sie bald, daß er überhaupt kein Geschäft und auch kein Geld hatte. Er war eben einer von den Burschen, die von ihrer Gerissenheit leben. Und dann war sie auch noch dumm genug, ihr Geld aus der Baugesellschaft, in der es gut und sicher angelegt war, herauszunehmen und es ihm auszuhändigen – natürlich auf Nimmerwiedersehen! Aber sie kam erst nach und nach dahinter; zuerst glaubte sie, er wäre ein tüchtiger, junger Mensch, der Ideen und Pläne im Kopf hatte, und so ließ sie sich von seinem ersten Plan überzeugen, nach Mentone zu gehen und dort ein Café oder Restaurant oder so etwas Ähnliches aufzumachen, besonders für Engländer und Amerikaner. Das taten sie dann auch, es zahlte sich aber nicht aus, wie jeder, der etwas davon versteht, ihnen hätte voraussagen können.«

»Wir kommen gerade von Mentone«, sagte Chaney. »Wir haben das Lokal gesehen.«

»Dann wissen Sie ja sicherlich alles Nähere darüber«, erwiderte Madame Labatte. »Aber sind Sie auch nach Monte Carlo gefahren . . .

»Ja, wir waren in der Pension Hagill«, antwortete Chaney.

»Dann haben Sie sicher auch gehört, wie Crowther sie dort verlassen hat. Aber vielleicht sagten Ihnen die Inhaberinnen – sind es nicht zwei unverheiratete Damen? vielleicht sagten Ihnen die nicht alles, was Mrs. Crowther mir erzählt hat. Über die Geldsachen, meine ich. Als Crowthers nach Monte Carlo gingen, war noch eine ganz hübsche Summe von Mrs. Crowthers Geld übrig, und sie hatte auch eben erst eine Erbschaft von einigen hundert Pfund bekommen, aber das lag alles auf Crowthers Namen in Monte Carlo. Und Crowther begann dort zu spielen, natürlich mit ihrem Geld. Aber sie erfuhr nie, ob er gewonnen oder verloren hatte. Er wollte es ihr nie sagen. Und dann ganz plötzlich ging er eines Morgens zur Bank, hob das Geld, das noch da war, fast bis auf den letzten Penny ab, verschwand spurlos und ließ sie beinahe mittellos zurück. Von den Bankleuten erfuhr sie, was er mitgenommen hatte. Wissen Sie, wieviel das war?«

»Miß Wakeman sprach von ungefähr 1100 Pfund«, erwiderte Chaney.

»Ungefähr soviel war es«, stimmte Madame Labatte zu. »Ihr Geld – das arme Ding! Und da sie nie mehr ein Wort über ihn hörte, mußte sie anfangen, sich ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Sie war einige Zeit in Monte Carlo, dann kam sie ins Hotel Mauriac als Beschließerin. Sie war sehr anspruchslos und ersparte sich ein hübsches Sümmchen; was für ein Jammer, daß sie dann nach London ging!«

»Gerade das ist es, was wir von Ihnen wissen wollen, Madame«, unterbrach sie Chaney. »Sie sind wahrscheinlich der einzige Mensch, der uns sagen kann, warum sie nach London ging. Warum tat sie das?«

Madame Labatte warf ihrem Gatten einen Blick zu. »Oh«, sagte sie, wieder zu Chaney gewendet. »Darüber wissen wir Bescheid! Darauf wollte ich gerade kommen. Obwohl es Mrs. Crowther klar war, daß er sie abscheulich behandelt hatte, wollte sie wissen, wohin ihr Mann gegangen war. Nicht etwa, weil sie ihn zurückhaben wollte, sie wollte nur wissen, ob er noch lebte oder gestorben war; manchmal dachte sie, daß er vielleicht im Krieg gefallen sei. Aber sie hörte nie ein Wort von ihm, seitdem er in Monte Carlo verschwunden war. Und dann ereignete sich ganz plötzlich etwas – mein Mann und ich, wir wissen schon, was es war!«

»Wir möchten das auch gerne erfahren, Madame«, meinte Chaney.

»Ich bin gerade dabei, es Ihnen zu erzählen«, sagte Madame Labatte. »Eines Tages, kurz bevor sie Paris verließ und nach London fuhr, kam Mrs. Crowther ganz unerwartet zu uns; sie war sehr aufgeregt. Sie sagte, ihr Mann sei die vorige Nacht im Hotel Mauriac gewesen – sie habe ihn gesehen; er müsse jetzt in sehr guten Verhältnissen sein – habe eins der schönsten Appartements im Hotel. Und sie habe ihn auf seltsame Weise wiedererkannt. Sie sei an der offenen Tür seines Schlafzimmers vorübergegangen, – und da habe er gerade – noch in Unterwäsche im Zimmer gestanden und Gymnastik getrieben, während ein Kellner, der die Tür weit offengelassen hatte, das Kaffeegeschirr heraustrug. Sie konnte nur einen Blick auf ihn werfen, aber sie erkannte ihn doch. Und wissen Sie, woran?«

»Nein«, sagte Chaney. »Woran denn?«

Wieder sah Madame Labatte verständnisinnig ihren Mann an.

»Sie hat es uns erzählt«, fuhr sie fort; »Crowther hatte auf seinem linken Arm eine höchst ungewöhnliche Tätowierung, ein Muster, das um den ganzen Arm herumging wie ein Armband, einen schwarzen Drachen darstellend. Sie sah das und wußte Bescheid!«

»Und was hat sie getan?« fragte Chaney.

»In dem Augenblick nichts«, erwiderte Madame Labatte. »Sie war zu bestürzt; während des Vormittags sah sie dann die Hotelliste durch, fand aber, daß er abgereist war; er hat nur die eine Nacht dort verbracht. Natürlich fand sie auch den Namen.«

»Seinen richtigen Namen?« fragte Chaney.

»Nein, irgendeinen anderen, aber sie wollte uns nicht sagen, welchen«, antwortete Madame Labatte. »Das wollte sie für sich behalten – denn es war ganz klar, daß er jetzt ein großer Mann war. Und sie erklärte sofort, daß sie nach England fahren und auf ihren Rechten bestehen werde. Wie Sie wissen, fuhr sie ja auch.«

»Sie sagte«, bemerkte jetzt Monsieur Labatte, »daß sie einen einflußreichen Freund dort habe, der ihr helfen werde.«

Madame Labatte seufzte.

»Das muß der Zeitungsredakteur gewesen sein«, meinte sie. »Ach, Sie brauchen mir nichts zu erzählen – dieser Lump von Crowther steckt hinter dem ganzen Unglück! Nach allem, was sie mir von ihm erzählte, war er ein Teufel an Schlauheit und hart wie Stein! Ein grausamer, kaltherziger Mensch.«

Wir unterhielten uns noch eine Weile mit M. und Mme. Labatte, erfuhren von ihnen noch den ungefähren Zeitpunkt von Crowthers Besuch im Hotel Mauriac, kehrten dann dorthin zurück und überprüften sorgfältig die Hotelliste. Es war ergebnislos: wir konnten nicht einen einzigen Namen finden, der für uns in Frage kam. Aber durch Vermittlung des Geschäftsführers konnten wir mit dem Etagenkellner sprechen, der damals Crowther bedient hatte. Er war in der Lage, uns zwei Einzelheiten anzugeben: Erstens hatte auch er die sonderbare Tätowierung bemerkt; zweitens konnte er uns die Nummer des Appartements sagen, das Crowther für die eine Nacht bewohnt hatte. Wir nahmen noch einmal die Liste vor und fanden den Namen, aber auch er sagte uns nichts. Der Name war: F. Charlesworth, London.

Am nächsten Tage fuhren wir mit dem Mittagszug von der Gare du Nord nach. London. Gegen Abend kamen wir nach Dover und kauften uns dort Abendblätter, als wir in den Zug nach Victoria Station stiegen. Das erste, was ich in meiner Zeitung erblickte, war ein Bericht in auffallend großen Buchstaben, der über die ganze Seite lief:

Der Doppelmord in Little Custom Street
Eröffnung der Untersuchung

Ich hatte kaum diese Schlagzeile gelesen oder besser gesagt, kaum einen Blick darauf geworfen, als ein scharfer Ausruf von Chaney mir verriet, daß er einen ähnlichen Bericht in seiner Zeitung gefunden hatte.

»Mein Gott, Camberwell« sagte er entsetzt, »die Portiersfrau in Little Custom Street ist ermordet worden! Und zur gleichen Zeit ein Hindu-Bursche, der dort seine Wohnung hatte, Wohnung Nummer 10. Was in aller Welt . . .«

Aber ich suchte schon in meiner Zeitung. Da stand es bereits. Ich verglich: Mrs. Goodge – jawohl, Mr. Mechta – richtig. Beide durch Schläge mit einer schweren, stumpfen Waffe auf den Kopf getötet. Genau wie Hannington und Mrs. Crowther getötet worden waren.

Chaney und ich starrten einander einen Augenblick schweigend an. Wieder standen wir vor einem Mord. Und wieder . . .

»Es hat keinen Zweck, sich den Kopf zu zerbrechen, Camberwell«, sagte Chaney plötzlich. »Besser, wir machen uns mit den Tatsachen vertraut. Hier ist ein vollständiger Bericht über die Totenschau, die heute stattfand, und die, wie ich sehe, schließlich auf Verlangen der Polizei auf vierzehn Tage später vertagt wurde. Wir haben dieses Abteil für uns«, fügte er hinzu, als der Zug sich in Bewegung setzte, »und zwei Stunden Zeit bis London. Ist in Ihrer Zeitung auch ein vollständiger Bericht? Lesen Sie ihn genau durch, wir wollen dann darüber sprechen.«

Der Bericht über das Verfahren vor dem Totenbeschauer stand fast wörtlich in meiner Abendzeitung; ich schnitt ihn später heraus und klebte ihn in unser Aktenbuch, und ich gebe jetzt einen gekürzten Auszug aus diesem Bericht, der eine ganz ausführliche Erzählung des Vorgefallenen enthielt: Die Untersuchung der Leichen von Mrs. N. Goodge, Portiersfrau in Minerva-Haus, Little Custom Street, und von Mr. Rao Mechta, einem jungen Hindu, gleiche Adresse, die man am letzten Donnerstag um Mitternacht unter Umständen, die auf Mord hinweisen, tot aufgefunden hatte, wurde von Mr. A. B. Cardyke, Totenbeschauer für Westminster, heute morgen um 9 Uhr 30 eröffnet. Mr. Cardyke tagte mit einer Kommission, das Ministerium des Innern war vertreten durch Mr. Meredith Tankersley, die Verwandten von Mr. Mechta, einem Studenten der Rechte, hatten H. C. Wellerman entsandt. Es war eine dicht gedrängte Menge im Zuhörerraum, da das Interesse an dem Fall durch die Tatsache erhöht wurde, daß ein früherer Mord, nämlich der an Mrs. Clayton, erst vor kurzem auf ähnliche Weise im selben Haus und unter denselben geheimnisvollen Umständen geschehen war.

Der Richter wendete sich, nachdem er seinen Platz eingenommen hatte, an die Kommission und wies auf diesen Umstand hin. Es bestehe noch ein leiser Zweifel, sagte er, ob die beiden Personen, Mrs. Goodge und Mr. Mechta, deren Todesursache jetzt zu untersuchen sei, um dieselbe Zeit und von derselben Hand ermordet worden seien, es dränge sich einem aber unwillkürlich die Erinnerung auf, daß erst vor kurzem eine Frau, die man zuerst nicht kannte, dann aber als eine Mrs. Clayton feststellte, unter ähnlichen Umständen im selben Haus ihren Tod gefunden habe. Ebenso werde man daran erinnert, daß in derselben Nacht, in der Mrs. Clayton ihren Tod fand, Mr. Hannington, der Redakteur der ›Morning Sentinel‹, den Mrs. Clayton am Nachmittag in seinem Büro aufgesucht hatte, seinen Tod auf Lord Cheverdales Grund und Boden in Regents Park gefunden habe. Alle vier, Mr. Hannington, Mrs. Clayton, Mrs. Goodge und Mr. Mechta, seien auf die gleiche Weise ermordet worden – durch Schläge mit einem schweren, stumpfen Instrument auf den Kopf, und der Verdacht sei unmöglich zurückzuweisen, daß diese Morde von derselben Hand begangen worden seien. Was nun den Tod von Mrs. Goodge und Mr. Mechta anbetreffe, scheine folgendes festzustehen: Mrs. Goodge war Portiersfrau im Minerva-Haus, Little Custom Street, das in zwölf Wohnungen aufgeteilt ist. Eine von diesen Wohnungen, Nr. 10, war seit einiger Zeit von zwei jungen Hindus bewohnt, Mr. Rao Mechta und Mr. Ayyar Ghose, die in London Jura studierten. Letzten Donnerstag abend waren Mr. Mechta und Mr. Ghose außer Haus und kehrten erst etwa um halb zwölf nach Little Custom Street zurück. Aus einem bestimmten Grund wünschten sie ihr Frühstück am nächsten Morgen zu einer ungewöhnlich frühen Stunde. Mr. Mechta ging also sofort in das Kellergeschoß hinunter, wo Mrs. Goodge wohnte, um mit ihr darüber zu sprechen. Mr. Ghose ging in seine Wohnung Nummer zehn hinauf in der Erwartung, daß Mr. Mechta ihm in ein paar Minuten folgen werde. Mr. Mechta jedoch kam nicht. Mr. Ghose wartete beinahe bis Mitternacht, dann ging er hinunter, um zu sehen, was mit seinem Freund geschehen sei. Am Fuß der Treppe, die zum Kellergeschoß führt, fand er Mr. Mechta tot auf dem Boden liegen, und in der Küche oder dem Wohnraum der Portierswohnung fand er Mrs. Goodge ebenfalls tot. Er rannte aus dem Haus, rief einen Polizisten und telefonierte nach einem Arzt, der, wie sich dann herausstellte, schon damals zur Leiche von Mrs. Clayton gerufen worden war. Der Arzt sagte aus, daß in diesen beiden Fällen die Todesursache genau dieselbe war, die er im Falle der Mrs. Clayton festgestellt hatte, nämlich Schläge mit einer stumpfen, schweren Waffe auf den Kopf, und daß der Tod auf der Stelle eingetreten war. Nach diesem Befund müsse man zu der Schlußfolgerung kommen, daß Mrs. Goodge irgendwo denselben Mann gesehen und wiedererkannt habe, den sie in der Nacht des Mordes an Mrs. Clayton das Haus verlassen sah, daß sie sich ihm dann näherte und ihn beschuldigte (über diesen Punkt werde der Beweis noch erbracht werden), daß er sie dann in das Kellergeschoß begleitete, wahrscheinlich unter dem Vorwand, ihr Stillschweigen zu erkaufen (auch über diesen Punkt werde der Beweis erbracht werden), daß er sie dort ermordete und daß Mr. Mechta, der gerade hereinkam, als der Mörder noch im Wohnraum seines Opfers war, dasselbe Schicksal erlitt. Bis jetzt, so schloß er, sei es der Polizei nicht gelungen, irgendeine Spur zu finden; ebenso sei die Person des Mörders noch in Dunkel gehüllt.

Der Beweis der Identifizierung war im Fall von Mrs. Goodge von ihrer Tochter erbracht worden und in Mr. Mechtas Fall von seinem Bruder, Mr. N. P. Mechta, einem Studenten der Medizin in Kings College Spital.

Mr. Ayyar Ghose antwortete auf Befragen des Richters, daß er Student der Rechte sei und zur Zeit bei einem Anwalt Cyrill Partmore in Lincolns Inn studiere, wo auch Mr. Rao Mechta gearbeitet hatte. Sie waren zur selben Zeit zu Mr. Partmore gekommen und dadurch Freunde geworden. Im Anfang ihrer Bekanntschaft hatte jeder sein eigenes Zimmer, sie entschlossen sich aber bald, eine Wohnung zu nehmen, und hatten dann einige Zeit bis zu Mechtas Tod zusammen in Nummer 10 im Minerva-Haus, Little Custom Street, gewohnt. Sie nahmen dort nur ihr Frühstück, alle anderen Mahlzeiten aber außerhalb ein. Mrs. Goodge versah die Aufwartung und brachte ihnen das Frühstück. Sie wohnten bereits dort, als Mrs. Clayton in der Wohnung Nummer 12 ermordet wurde. Nummer 12 lag gerade über Nummer 10. Sie hatten aber in der Nacht des Mordes an Mrs. Clayton nichts Störendes in Nummer 12 vernommen – auch erst am Abend des nächsten Tages vom Mord erfahren, als ihnen Mrs. Goodge bei ihrer Rückkehr davon erzählte. In der Mordsache Mechta und Goodge sagte Mr. Ghose aus, daß er und Mr. Mechta an dem Abend des Donnerstag, der der Untersuchung voranging, zuerst in ihrem Lieblingsrestaurant gegessen hatten und dann ins Haymarket-Theater gegangen seien. Nach dem Theater begaben sie sich direkt nach Hause. Die Haustür in Little Custom Street war wie gewöhnlich offen; er erinnerte sich nicht, daß sie jemals geschlossen war. Er hatte gehört, daß es seit dem Tod von Mrs. Clayton Aufgabe von Mrs. Goodge war, die Tür jeden Abend zur bestimmten Stunde zu schließen, denn es wurde von den Bewohnern des Hauses, die später kamen, erwartet, daß sie ihre eigenen Schlüssel benützten; er hatte aber nie bemerkt, daß Mrs. Goodge ihrer Pflicht je nachgekommen wäre, weder vor noch nach Mrs. Claytons Tod. Er und Mr. Mechta waren oft bis zwölf und ein Uhr aus, und die Tür war immer offen. Weiter sagte Mr. Ghose, daß er und Mr. Mechta, nachdem sie an besagtem Donnerstag nachts ins Haus gekommen waren, sofort zu ihrer Wohnung hinaufgingen. Sie hörten nichts Verdächtiges unten im Haus, kein Geräusch eines Kampfes oder ähnliches; das ganze Haus war vollkommen still. Gerade als sie am Treppenabsatz ihrer Wohnung angekommen waren, erinnerte sich Mechta plötzlich, daß sie sich vorgenommen hatten, den nächsten Tag auf dem Land zu verbringen; sie wollten einer Fuchsjagd in Buckinghamshire beiwohnen, was sie noch nie gesehen hatten, und wünschten daher ihr Frühstück früher als gewöhnlich. Mechta stieg also die Treppen wieder hinunter, um Mrs. Goodge Bescheid zu sagen. Er, der Zeuge, ging in die Wohnung. Er nahm an, daß Mechta in wenigen Minuten nachkommen würde. Mechta jedoch kam nicht. Einige Zeit verstrich; schließlich, nachdem der Zeuge eine halbe Stunde gewartet hatte, ging er selbst hinab, um nach seinem Freunde zu sehen. Alles war vollkommen ruhig. Er sah und hörte nichts auf dem Weg zwischen seiner Wohnung und der Halle, traf auch niemanden auf der Treppe. Als er jedoch die wenigen Stufen zum Kellergeschoß hinunterstieg, sah er Mechta am Fuß der Treppe liegen. Er eilte zu ihm, rief Mechta bei Namen und rüttelte ihn an der Schulter. Mechta war tot. Im Vorraum, am Fuß der Treppe, die zum Erdgeschoß führt, brannte wie gewöhnlich das elektrische Licht, die Tür von Mrs. Goodges Wohnzimmer stand weit offen, auch hier brannte das elektrische Licht. Er betrat das Wohnzimmer und sah Mrs. Goodge vor dem Schrank, der in einer Nische an einer Seite des Kamins stand, liegen; die Schranktür war halb offen. Auch die Frau war tot. Er rührte sie aber nicht an, bemerkte jedoch, daß sie in der rechten Hand etwas hielt, das wie Stücke zerknitterten Papiers aussah. In dem sicheren Gefühl, daß sie und Mechta überfallen und ermordet worden waren, rannte er die Stufen hinauf und aus dem Haus, um nach einem Polizisten zu suchen, und fand einen Wachtmeister und einen Schutzmann an der Ecke von Little Custom Street. Die beiden gingen sofort mit ihm zurück.

Mr. Tankersley stellte jetzt an Mr. Ghose einige Fragen.

»Kannten Sie Mr. Rao Mechta gut? Sie trafen sich wohl zuerst in Mr. Partmores Vorlesungen?«

»Ja, wir kannten uns sehr gut.«

»Schenkte er Ihnen sein volles Vertrauen?«

»Ja, ich glaube schon! Wir waren eng befreundet!«

»Wissen Sie. ob er irgendwelche Feinde hatte?«

»O nein, das glaube ich nicht. Ich bin sicher, er hatte keine, er war sehr ruhig und sanft.«

»Wissen Sie, ob er in der betreffenden Nacht viel Geld bei sich hatte?«

»Nein, das glaube ich nicht. Höchstens so viel wie ich, ein paar Pfund.«

»Hat man ihm geraubt, was er bei sich trug?«

»Ich glaube nicht. Die Polizei hat seine Kleider untersucht.«

»Wir überlassen also diese Frage der Polizei. Als Sie Mechta fanden, wo lag er da?«

»In dem kleinen Vorraum, am Fuß der Treppe, die zum Kellergeschoß führt.«

»In welcher Stellung?«

»Er lag mit dem Gesicht auf dem einen Arm . . .«

»Mit dem Gesicht nach unten?«

»Ja, mit dem Gesicht nach unten. Sein Kopf ruhte auf dem einen Arm. Der andere, der rechte, war ausgestreckt.«

»Jetzt, Mr. Ghose, kommt eine sehr wichtige Frage: die Tür des Wohnzimmers war, wie Sie uns schon gesagt haben, offen. Lag nun Mr. Mechta mit dem Kopf in der Richtung zur Tür oder in entgegengesetzter Richtung?«

»In entgegengesetzter. Sein Kopf lag in der Richtung auf den Fuß der Treppe.«

»Haben Sie daraus irgendetwas geschlossen, Mr. Ghose?«

»Damals nicht, ich war zu aufgeregt. Aber später wohl.«

»Und was war das?«

»Daß Mechta in den Wohnraum kam, Mrs. Goodge dort erschlagen vorfand, sich ihrem Angreifer gegenübersah, sofort die Flucht ergriff, aber verfolgt und im Vorraum selbst niedergeschlagen wurde.«

»Hier ist ein Plan vom Vorraum, Mr. Ghose, zeigen Sie doch der Kommission, wo Mr. Mechtas Leiche lag, als Sie sie fanden.«

Der Zeuge machte mit dem Bleistift zwei Striche auf dem Plan, die zeigten, daß Mechta mit dem Kopf gerade unter der ersten Treppenstufe, mit den Füßen aber in der Richtung auf die Tür des Wohnraumes gelegen hatte.

»Hier ist ein anderer Plan – der vom Wohnraum; alle Möbelstücke sind, wie sie standen, eingezeichnet. Zeigen Sie uns bitte, wo die Leiche von Mrs. Goodge lag.«

Der Zeuge zeichnete auch auf diesem Plan die Stelle an.

»Mrs. Goodge lag also mit dem Kopf zum Schrank und mit den Füßen zum Tisch in der Mitte.«

»Ja, wie ich es eingezeichnet habe.«

»Waren Sie auch sicher, daß die beiden, Mr. Mechta und Mrs. Goodge, tot waren, als Sie sie fanden?«

»O ja, ich war ganz sicher. Sie waren beide tot.«

Mr. Wellerman hatte keine weitere Frage zu stellen, und der nächste Zeuge wurde gerufen.

Charles Arthur Swinford sagte aus, er sei Wachtmeister der Metropolitan-Polizei-Abteilung und habe mit dem Schutzmann Knottinglay an der Ecke Little Custom Street und North Pontington Street gestanden, als der letzte Zeuge auf sie zu gerannt kam und ihnen sagte, daß im Minerva-Haus, Little Custom Street, ein Doppelmord geschehen sei. Er erinnerte sich, daß dieses das Haus war, in dem die unbekannte Frau die später als Mrs. Clayton festgestellt wurde, ermordet worden war. Er und Knottinglay gingen sofort mit Mr. Ghose in das Haus und ins Kellergeschoß hinunter. Am Fuß der Treppe fanden sie Mr. Mechtas Leiche in der Lage, wie sie eben Mr. Ghose beschrieben hatte; im Wohnraum aber die Leiche von Mrs. Goodge. Mr. Ghose erzählte ihnen in aller Eile, wie er beide gefunden habe. Er sandte sofort Knottinglay aus, um Hilfe zu holen, die auch sehr schnell kam. Auf Anordnung des Inspektors untersuchte er die Kleider von Mr. Mechta. Nichts wies darauf hin, daß Raub die Mordveranlassung gewesen war. Mr. Mechta hatte in seinen Taschen einen Betrag von sechs oder sieben Pfund; eine goldene Uhr mit Kette und ein wertvoller Ring waren unberührt. Mrs. Goodge aber hielt in ihrer rechten Hand fünf Fünf-Pfundnoten der Bank von England fest umklammert. Er und der Inspektor kamen auf Grund des Augenscheines zu dem Schluß, daß Mrs. Goodge gerade im Begriff gewesen war, diese Noten im Schrank, dessen Tür nur angelehnt war, einzuschließen, und daß sie dabei niedergeschlagen wurde.

»Was veranlaßte Sie zu dieser Schlußfolgerung?« fragte der Richter.

»Das Ergebnis weiteren Suchens, Sir. Neben der linken Hand der Toten fanden wir ein Bund kleiner Schlüssel und auf dem oberen Regal des Schrankes, in eine Ecke geschoben, einen altmodischen Teebehälter, zu dem ein Schlüssel des Bundes paßte. In dem Teebehälter waren drei Fächer. Im mittleren lagen verschiedene Schatzscheine, Pfundnoten, Zehnschillingnoten, etwa sechzehn bis siebzehn Pfund im ganzen. Wir kamen zu der Schlußfolgerung, daß Mrs. Goodge hier ihre Ersparnisse oder ihr Geld aufhob, und daß sie gerade im Begriff war, die Noten der Bank von England hineinzulegen, die wir dann zerknittert in ihrer rechten Hand fanden, und daß sie dabei von rückwärts niedergeschlagen worden war.«

»Sie fanden die Leiche von Mrs. Goodge in der Stellung, wie sie der letzte Zeuge angegeben hat?«

»Genau so, Sir, Sie lag mit dem Kopf ein oder zwei Meter von der Schranktür entfernt und mit den Füßen dicht am Tisch in der Mitte. Ich bemerkte, daß die Lage genau die gleiche war wie die des Mannes draußen im Vorraum. Beide lagen mit dem linken Arm unter dem Kopf, während der rechte ausgestreckt war.«

»Und beide waren tot, als Sie zu ihnen kamen?«

»Jawohl, Sir. Nach meinen Erfahrungen würde ich sagen, daß sie schon seit einer halben bis dreiviertel Stunde tot waren.«

Mr. Tenkersley stellte einige Fragen an den Wachtmeister.

»Waren irgendwelche Zeichen eines Kampfes im Wohnraum von Mrs. Goodge zu bemerken?«

»Gar keine!«

»Keine Stühle umgeworfen oder ähnliches?«

»Nichts dergleichen, Sir. Der Raum war blitzsauber und in peinlichster Ordnung.«

»Hat einer von Ihnen das Zimmer nach Papieren, Fingerabdrücken und so weiter untersucht?«

»Die Detektive nahmen die Fingerabdrücke ab, Sir. Auf Anordnung meines Inspektors durchsuchte ich alle Stellen, die in Frage kamen, nach Dokumenten und Briefen, aber ohne Ergebnis.«

»Jetzt möchte ich eine recht genaue Antwort auf folgende Fragen haben: Konnten Sie in der Nachbarschaft herausbekommen, ob Mrs. Goodge nach dem Mord an Mrs. Clayton über größere Geldmittel verfügte als gewöhnlich?«

»Was bezweckt diese Frage, Mr. Tenkersley?« unterbrach ihn der Richter.

»Folgendes«, erwiderte Mr. Tenkersley. »In der Nachbarschaft geht nämlich das Gerücht, daß Mrs. Goodge seit dem Mord an Mrs. Clayton von interessierter Seite Schweigegeld erhalten hat. Ich möchte von dem Zeugen erfahren, ob er Beweise dafür gesammelt hat, daß Mrs. Goodge in letzter Zeit mehr Geld als gewöhnlich hatte.«

»Ich habe eine Reihe von Nachforschungen darüber angestellt«, sagte der Zeuge, »ebenso die Detektive; wir können aber keinen Anhaltspunkt dafür finden, daß Mrs. Goodge auffallend viel Geld hatte. Niemand in der Nachbarschaft hat dafür auch nur den geringsten Beweis.«

»Sie sagen, Sie hätten 16 oder 17 Pfund in dem Teebehälter gefunden?«

»Die genaue Summe war 16 Pfund, zwölf Schilling und Sixpence. Zwölf Pfund und Sixpence waren in einem anderen Fach . . .«

»Und außerdem waren da noch fünf Banknoten zu fünf Pfund, die sie zusammengeballt in der rechten Hand hatte.«.

»Ja.«

»Wo sind diese Noten?«

»Der Detektiv nahm sie in Verwahrung.«

»Wissen Sie, ob man etwas unternommen hat, die betreffenden Nummern festzustellen?«

»Das kann ich nicht sagen; darauf können die Detektive Antwort geben.«

»Nur noch eine Frage, Wachtmeister, – ich nehme an, Sie stellten sorgfältige und erschöpfende Nachforschungen darüber an, ob irgendeine verdächtige Person gesehen wurde, die in dieser Nacht Minerva-Haus in Little Custom Street betreten oder verlassen hat? Haben Sie etwas darüber erfahren?«

»Nicht das geringste, Sir. Wir haben sehr genaue Erhebungen gepflogen, aber nichts gehört. Wir konnten niemanden ausfindig machen, der Mrs. Goodge in dieser Nacht nach Hause kommen sah. Es steht fest, daß sie etwa um zehn Uhr dreißig oder zehn Uhr fünfundvierzig aus war, aber niemand hat sie zurückkommen sehen. Auch hörte keiner in der Etage über ihr das geringste Geräusch aus ihrer Wohnung heraufdringen.«

Josef Knottinglay, Polizist, bestätigte die Aussage des letzten Zeugen; er hatte nichts Neues zu sagen, aber das Interesse und die Erregung des Gerichts wuchsen, als der nächste Zeuge in die Zeugenbank gerufen wurde. Es war der Polizeiarzt, der bei der Entdeckung der Leiche von Mrs. Clayton nach Little Custom Street gerufen worden war. Die Aussage des Polizeiarztes war, wie schon erwähnt, von höchster Wichtigkeit, da er ja auch zugezogen worden war, als der Mord an Mrs. Clayton entdeckt wurde. Er stellte fest, daß die Verletzungen, die den sofortigen Tod der Mrs. Clayton herbeigeführt hatten, gleicher Art waren, wie die von Mrs. Goodge und Mr. Mechta. In dieser Ansicht wurde er von den andern Ärzten unterstützt, die die Leiche der Mrs. Clayton und auch die letzten Opfer gesehen hatten. Dazu kam noch die Aussage der Ärzte, die damals zur Leiche Hanningtons nach Cheverdale-Haus gerufen und später von der Polizei nach Little Custom Street geholt worden waren, um die Leichen der Portiersfrau und des Hindustudenten zu untersuchen; auch sie bestätigten die Ansicht ihrer Kollegen. Es war kein Zweifel, daß die tätlichen Verletzungen in allen vier Fällen die gleichen waren. Einer der ärztlichen Zeugen ging in seiner Aussage so weit, zu behaupten, daß jeder dieser Schläge ausgereicht hätte, den sofortigen Tod herbeizuführen.

Im nächsten Stadium der Verhandlung befaßte man sich mit dem Ergebnis der Erhebungen, die die Polizei bis zur Eröffnung der Untersuchungen angestellt hatte. Zwei oder drei wichtige Zeugen der Polizei wurden jetzt von Mr. Tankersley vernommen. Albert John Stead, ein junger Mann von achtundzwanzig Jahren, sagte aus, daß er in Payton Street, Camden Town, wohne und als Kellner in der Bar »Marquis of Manby« an der Ecke von Little Custom Street seit ungefähr vier Jahren beschäftigt sei.

»Kannten Sie die Tote?« fragte Mr. Tankersley.

»Ja, Sir, sehr gut!«

»Wie kamen Sie zu dieser Bekanntschaft?«

»Sie war unsere Kundin.«

»Regelmäßige Kundin?«

»Sie kam an fünf Abenden in der Woche, Sir.«

»Was nahm sie bei Ihnen?«

»Es war immer dasselbe, Sir; ein Gläschen Gin trank sie regelmäßig hier, ein Achtel nahm sie mit nach Hause.«

»Blieb es bei diesem einen Gläschen, von dem Sie sprachen? Ich meine, so lange sie in der Bar war?«

»Ich habe nie gesehen, Sir, daß sie noch ein zweites trank. Stets nur das übliche vier Pence-Gläschen, und das Achtel in dem Fläschchen nahm sie mit.«

»Also nicht, was man eine Trinkerin nennt? Kam sie nicht vielleicht manchmal noch im Laufe des Tages?«

»Nein, nie, Sir. Sie kam am Abend, regelmäßig mit dem Glockenschlag.«

»Jeden Abend zur selben Zeit?«

»Ja, ziemlich pünktlich, Sir.«

»Und um welche Zeit war das?

»Kurz vor Ladenschluß, um elf Uhr.«

»Kam sie auch am letzten Donnerstag abend wie gewöhnlich?«

»Ja, Sir.«

»Wissen Sie das ganz genau?«

»Jawohl, Sir, ich weiß es ganz genau.«

»Können Sie das beweisen?«

»Verschiedentlich, Sir. Erstens hörte ich am darauffolgenden Morgen zum erstenmal von den Morden, und das war am Freitag. Zweitens war Donnerstag die Nacht des Schneesturms gewesen; jeder, der diese Nacht in unsere Bar kam, war vollgeschneit.«

»Mrs. Goodge auch?«

»Tüchtig vollgeschneit, Sir, obwohl sie keinen weiten Weg hatte.«

»Sie trank also wie gewöhnlich ihr Gläschen, nicht wahr? Oder nahm sie noch mehr?«

»Nur noch das Achtel in ihrer Flasche, Sir.«

»Fiel gar nichts vor, das Ihre Aufmerksamkeit erweckte?«

»Doch, etwas fiel mir auf. Ein Herr kam in unsere Salon-Bar, die direkt hinter dem Schanktisch ist, und stand Mrs. Goodge gegenüber. Nachdem ich den Herrn bedient hatte, sah ich zufällig, wie Mrs. Goodge ihn anstarrte, und hörte, wie sie etwas vor sich hinsagte.«

»Konnten Sie verstehen, was sie sagte?«

»Sie sagte – soweit ich mich erinnere, Sir – ›Ich wette, daß er es ist‹!«

»Ich möchte das wiederholen: ›Ich wette, daß er es ist!› – War es so?«

»Es war entweder: ›Ich wette‹ oder: »Ich könnte wetten‹ . . . ich weiß die Worte nicht mehr genau. Die Schlußworte aber stimmen.«

»Sah sie den Herrn in der Salon-Bar an, als sie das sagte?«

»Ja, Sir, sie sah ihn an.«

»Als ob sie ihn kenne?«

»Sie sah ihn sehr scharf an, Sir.«

»Also gut, Stead; hier ist ein Plan von der Schenke, vom Erdgeschoß. Zeigen Sie uns jetzt genau, wo Mrs. Goodge und der Herr, von dem Sie sprechen, standen. Das Erdgeschoß ist in drei Teile geteilt: eine Salon-Bar auf einer Seite, eine öffentliche Bar auf der anderen Seite, in der Mitte das Abteil mit dem Büffet. Der Schanktisch der öffentlichen Bar steht dem Schanktisch der Salon-Bar gegenüber, wie ich sehe. In welcher Bar war nun Mrs. Goodge?«

»In der öffentlichen, Sir.«

»Zeigen Sie uns, wo sie stand.«

»Hier ungefähr.«

»Und der Herr?«

»Dort, in der Salon-Bar.«

»Sie stand ihm also direkt gegenüber? Und nichts trennte sie voneinander als der Raum zwischen den Schanktischen, der hier mit fünfzehn und einem halben Fuß angegeben ist?«

»Ganz richtig, Sir.«

»Wer war in diesem Zwischenraum?«

»In dem Augenblick nur ich.«

»Haben Sie den Herrn, der hereinkam, gekannt?«

»Nein.«

»War er Ihnen vollkommen fremd?«

»Ja.«

»Und Sie können sich nicht erinnern, ihn je zuvor gesehen zu haben?

»Nein, das weiß ich genau. Ich kannte ihn überhaupt nicht.«

»Können Sie ihn beschreiben?«

»Nicht in Einzelheiten, Sir. Ich sah ihn mir nicht besonders an. Ich dachte, es wäre einer, der zufällig vorbeikam und vor Ladenschluß etwas trinken wollte.«

»Was trank er denn?«

»Einen doppelten Whisky, Sir.«

»Blieb er lange?«

»Kaum eine Minute; er trank sein Glas aus und ging wieder.«

»Sie sahen aber, wie Mrs. Goodge ihn anstarrte, als ob sie ihn kannte? Können Sie uns etwas über sein Äußeres sagen?«

»Nur so viel, daß er mittelgroß war, Sir; er wirkte auf mich wie ein Ausländer; er trug einen schwarzen Überzieher, einen schwarzen Hut (so einen großen Schlapphut, wie ihn Ausländer tragen) und war dick eingemummelt bis zum Gesicht. Ich fand, er sah aus wie ein Musiker oder Schauspieler oder so was Ähnliches.«

»Schön, und hörten Sie ihn sprechen? Sprach er wie ein Ausländer?«

»Er sagte nur zwei Worte, Sir: ›Doppelter Scotch!‹ Ich erinnere mich nicht, daß er wie ein Ausländer sprach.«

»Sie sagten eben, daß er seinen Whisky heruntertrank und wieder ging. Was tat denn Mrs. Goodge?«

»Sie verschwand sofort aus dem Lokal, Sir!«

»Als ob sie ihm folgen wollte?«

»Es kam mir so vor, Sir.«

»Haben Sie von den beiden oder von einem von ihnen nachher noch etwas gesehen?«

»Nein, Sir, nichts. Von keinem.«

»Sind Sie sicher, daß Mrs. Goodge hinauslief, um den Mann zu sprechen oder ihm zu folgen?«

»Ja, Sir, aus dem einfachen Grund, weil sie in der Eile vergaß, ihre Flasche, in die ich das Achtel Gin getan hatte, mitzunehmen.«

»Ließ sie die auf dem Ladentisch stehen?«

»Ja, Sir.«

»Kam sie zurück, um sie zu holen?

»Nein, ich stellte sie zur Seite. Sie steht noch dort.«

An Stead wurden keine weiteren Fragen mehr gestellt; seinen Platz in der Zeugenbank nahm jetzt ein älterer Mann namens Frederik Tapster ein. Er sagte, er sei Tagarbeiter, beim Holborn Borrow Council beschäftigt, und wohne in Strafford Mews. Mr. Tankersley befragte ihn.

»Standen Sie letzten Donnerstag kurz vor elf Uhr nachts vor der Marquis of Manby-Bar?« fragte er.

»Ich stand dort, Herr Richter«, erwiderte Tapster.

»Was haben Sie dort gemacht?«

»Gewartet, bis ein Freund von mir wieder herauskam. Ich wollte sehr gern nach Hause gehen, aber er blieb drin und schwatzte mit einem anderen Burschen. Ich dachte zuerst, wenn ich gehe, würde er mitkommen.«

»Und das tat er nicht?«

»Nicht gleich. Ich wartete draußen auf ihn.«

»Haben Sie einen Mann in schwarzen Kleidern vorbeikommen sehen? Mit einem großen, weißen Halstuch? Haben Sie ihn in die Marquis of Manby-Bar gehen sehen?«

»Jawohl, Herr Richter! Wenigstens habe ich ihn in die Marquis-Bar eintreten sehen. Ich habe nicht gesehen, woher er kam. Ich sah nur, wie er gerade seinen Regenschirm zumachte und in die Salon-Bar ging.«

»Haben Sie sein Gesicht erkennen können?«

»Nicht genau, Sir – beinahe bis zu den Augen war er in ein großes weißes Halstuch eingewickelt.«

»Sahen Sie ihn wieder herauskommen?«

»Ja, kaum drei Minuten später sah ich ihn herauskommen und seinen Regenschirm aufspannen.«

»Und dann? Was hat er dann gemacht?«

»Er ging quer über die Straße.«

»Und was ereignete sich weiter?«

»Eine Frau kam aus der Bar zur anderen Tür heraus, sah sich um, erblickte diesen Kerl in schwarzen Kleidern und ging ihm nach; sie packte ihn beim Arm, gerade wie er über die Straße hinüber war.«

»Packte ihn – sagen Sie?«

»Sie packte ganz ordentlich zu, Herr Richter.«

»Und was machte er?«

»Soweit ich sehen konnte, drehte er sich um und sah sie an. Sie sagte etwas, und sie gingen um die nächste Ecke.«

»Welche Ecke? Und in welche Straße?«

»Kann ich nicht sagen, Sir. Ich kenne mich in der Gegend nicht aus. Ich bin nur mit meinem Freund dorthin gekommen, der dort in der Nähe wohnt.«

»Sehen Sie sich einmal diesen Plan an, Tapster. Sie standen dort. Hier sind zwei Ecken, um die die Leute gegangen sein konnten. Welche Ecke war es nun, die linke oder die rechte?«

»Die dort, Herr Richter, die linke.«

»Das ist die Ecke von Little Custom Street. War das das letzte, was Sie von ihnen sahen?«

»Das allerletzte, Herr Richter. Mein Freund kam jetzt gerade heraus, und wir gingen fort. Als ich von diesem Mord hier hörte, erzählte ich der Polizei, was ich gesehen habe.«

»Sie sagten uns, daß der Mann nichts tat, als die Frau ihn beim Arm packte? Er hat sie nicht abgeschüttelt oder so etwas Ähnliches?«

»Ich habe nichts dergleichen gesehen. Er drehte sich um und sah sie in aller Ruhe an. Dann sagte sie zu ihm etwas, ich weiß natürlich nicht, was – und sie gingen zusammen ganz friedlich um die nächste Ecke.«

»Wären Sie imstande, diesen Mann wiederzuerkennen?«

»Das kann ich nicht sagen. Ich habe sein Gesicht ja nicht gesehen, man konnte nichts erkennen, er war ja bis zum Kinn eingemummelt. Ich würde ihn höchstens nach seinem allgemeinen Aussehen wiedererkennen.«

Tapster setzte sich, und ein anderer Zeuge erschien in der Person von Mrs. Callaway. Sie war eine Frau mittleren Alters, die auf Mr. Tankersleys Fragen aussagte, daß sie in Nummer 19 Little Custom Street wohne, nur wenige Türen entfernt von dem Haus, in dem Mrs. Goodge Portiersfrau gewesen war.

»Kannten Sie die verstorbene Mrs. Goodge, Mrs. Callaway?«

»Vom Sehen schon, Sir. Aber nicht näher, obwohl ich manchmal mit ihr gesprochen habe.«

»Aber Sie kannten sie gut genug, daß eine Verwechslung ausgeschlossen war?«

»Oh, da war kein Irrtum möglich! Ich war seit Jahren vertraut mit ihrem Aussehen und sah sie fast täglich, Sir, in den Läden und anderswo.«

»Haben Sie sie je in der ›Marquis of Manby‹ gesehen?«

»Nein, Sir, ich setze keinen Fuß in sowas!«

»Schön. Und wann sahen sie Mrs. Goodge zum letztenmal?«

»Vergangenen Donnerstag nachts, Sir, als es so stark schneite.«

»Wo haben Sie sie gesehen?«

»Sie kam die Little Custom Street entlang, aus der Richtung des Lokals, das Sie gerade erwähnt haben.«

»Um welche Zeit war das, Mrs. Callaway?«

»Gerade um elf Uhr, Sir, wenn die Schenken geschlossen werden.«

»Und wo waren Sie?«

»Ich, Sir, bin wie Mrs. Goodge Portiersfrau in dem Haus, wo ich wohne. Meine Vorschrift ist, unsere Tür um elf Uhr jede Nacht zu schließen, und ich halte mich streng daran. Ich war gerade dabei, die Tür zu schließen und sah nochmal heraus, und da sah ich Mrs. Goodge die Straße entlang kommen.«

»Konnten Sie sie denn um diese Zeit, und wo es so schneite, erkennen?«

»Ja, weil doch dort eine sehr gute Lampe ist, Sir, gerade unserer Tür gegenüber, und weil das Licht voll auf Mrs. Goodge fiel.«

»Ach so, ich verstehe. War Mrs. Goodge allein?«

»Nein, Sir, es war ein Mann bei ihr.«

»Haben Sie sein Gesicht gesehen?«

»Nein, Sir, weil er immer auf die Erde sah. Er war ganz in Schwarz, Sir – mit einem von den großen Hüten, wie sie die Musiker gern tragen. Er sah mir so aus wie einer von den Burschen, die man mit Geigenkästen herumlaufen sieht.«

»Haben Sie gesehen, wohin die beiden gingen?«

»Nein, Sir. Ich ging ins Haus und schloß die Tür ab. Es ging mich auch schließlich nichts an.«

»Haben Sie Mrs. Goodge und den Mann schon vorher einmal zusammen gesehen?«

»Nicht, daß ich mich erinnern könnte!«

»Also gut, Mrs. Callaway. Und jetzt nur noch eine Frage: Nach welcher Richtung gingen die beiden, als Sie sie in Little Custom Street sahen – nach Ost oder West?«

Mrs. Callaway stutzte einen Augenblick.

»Sie gingen in Richtung Minerva-Haus, Sir, wo Mrs. Goodge wohnt.«

 


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