Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Das oberste Prinzip, der Zentralpunkt der christlichen Sophistik ist der Begriff Gottes. Gott ist das menschliche Wesen und doch soll er ein anderes, übermenschliches Wesen sein. Gott ist das allgemeine, reine Wesen, die Idee des Wesens schlechtweg und doch soll er persönliches, individuelles Wesen sein; oder: Gott ist Person und doch soll er Gott, allgemeines, d. h. kein persönliches Wesen sein. Gott ist; seine Existenz ist gewiß, gewisser als die unsrige; er hat ein abgesondertes, von uns und von den Dingen unterschiednes, d. i. individuelles Sein, und doch soll sein Sein ein geistiges, d. h. ein nicht als ein besondres wahrnehmbares Sein sein. Im Soll wird immer geleugnet, was im Ist behauptet wird. Der Grundbegriff ist ein Widerspruch, der nur durch Sophismen verdeckt wird. Ein Gott, der sich nicht um uns kümmert, unsere Gebete nicht erhört, uns nicht sieht und liebt, ist kein Gott; es wird also die Menschlichkei zum wesentlichen Prädikat Gottes gemacht; aber zugleich heißt es wieder: ein Gott, der nicht für sich existiert, außer dem Menschen, über dem Menschen, als ein andres Wesen, ist ein Phantom, es wird also die Un- und Außermenschlichkeit zum wesentlichen Prädikat der Gottheit gemacht. Ein Gott, der nicht ist, wie wir, nicht Bewußtsein, nicht Einsicht, d. h. nicht persönlichen Verstand, persönliches Bewußtsein hat, wie etwa die Substanz des Spinoza, ist kein Gott. Die wesentliche Einheit mit uns ist die Hauptbedingung der Gottheit; der Begriff der Gottheit wird abhängig gemacht von dem Begriffe der Persönlichkeit, des Bewußtseins, als dem Höchsten, was gedacht werden kann. Aber ein Gott, so heißt es zugleich wieder, der nicht wesentlich von uns unterschieden, ist kein Gott.
Der Charakter der Religion ist die unmittelbare, unwillkürliche, unbewußte Anschauung des menschlichen Wesens als eines andern Wesens. Dieses gegenständlich angeschaute Wesen aber zum Objekt der Reflexion, der Theologie gemacht, so wird es zu einer unerschöpflichen Fundgrube von Lügen, Täuschungen, Blendwerken, Widersprüchen und Sophismen.
Ein besonders charakteristischer Kunstgriff und Vorteil der christlichen Sophistik ist die Unerforschlichkeit, die Unbegreiflichkeit des göttlichen Wesens. Das Geheimnis dieser Unbegreiflichkeit ist nun aber, wie sich zeigen wird, nichts weiter, als daß eine bekannte Eigenschaft zu einer unbekannten, eine natürliche Qualität zu einer über-, d. h. unnatürlichen Qualität gemacht und eben dadurch der Schein, die Illusion erzeugt wird, daß das göttliche Wesen ein andres als das menschliche und eben deswegen ein unbegreifliches sei.
Im ursprünglichen Sinne der Religion hat die Unbegreiflichkeit Gottes nur die Bedeutung eines affektvollen Ausdrucks. So rufen auch wir im Affekt bei einer überraschenden Erscheinung aus: es ist unglaublich, es geht über alle Begriffe, ob wir gleich später, wenn wir zur Besinnung gekommen, den Gegenstand unsrer Verwunderung nichts weniger als unbegreiflich finden. Die religiöse Unbegreiflichkeit ist nicht das geistlose Punktum, welches die Reflexion so oft setzt, als ihr der Verstand ausgeht, sondern ein pathetisches Ausrufungszeichen von dem Eindruck, welchen die Phantasie auf das Gemüt macht. Die Phantasie ist das ursprüngliche Organ und Wesen der Religion. Im ursprünglichen Sinne der Religion ist zwischen Gott und Mensch einerseits nur ein Unterschied der Existenz nach, inwiefern Gott als selbständiges Wesen dem Menschen gegenübersteht, andrerseits nur ein quantitativer, d. h. ein Unterschied der Phantasie nach, denn die Unterschiede der Phantasie sind nur quantitative. Die Unendlichkeit Gottes in der Religion ist quantitative Unendlichkeit; Gott ist und hat alles, was der Mensch, aber in unendlich vergrößertem Maßstabe. Gottes Wesen ist das vergegenständlichte Wesen der Phantasie. Dies zeigt sich unter anderm besonders auch in dem Superlativ und in der Präposition: Über υπερ, die den göttlichen Prädikaten vorgesetzt werden und von jeher – wie z. B. bei den Neuplatonikern, den Christen unter den heidnischen Philosophen eine Hauptrolle in der Theologie spielten. Gott ist ein sinnliches Wesen, aber abgesondert von den Schranken der Sinnlichkeit – das unbeschränkte sinnliche Wesen. Aber was ist die Phantasie? – die schrankenlose, die unbeschränkte Sinnlichkeit. Gott ist die ewige Existenz, d. h. die immerwährende, die Existenz zu allen Zeiten; Gott ist die allgegenwärtige Existenz, d. h. die Existenz an allen Orten; Gott ist das allwissende Wesen, d. h. das Wesen, dem alles Einzelne, alles Sinnliche ohne Unterschied, ohne Zeit und Ortsbeschränkung Gegenstand ist.
Ewigkeit und Allgegenwart sind sinnliche Eigenschaften, denn es wird in ihnen nicht die Existenz in der Zeit und im Raume, es wird nur die ausschließliche Beschränkung auf eine bestimmte Zeit, auf einen bestimmten Ort verneint. Ebenso ist die Allwissenheit eine sinnliche Eigenschaft, sinnliches Wissen. Die Religion nimmt keinen Anstand, Gott selbst die edleren Sinne beizulegen; Gott sieht und hört alles. Aber die göttliche Allwissenheit ist ein sinnliches Wissen, von dem die Eigenschaft, die wesentliche Bestimmtheit des wirklichen sinnlichen Wissens weggelassen ist. Meine Sinne stellen mir die sinnlichen Gegenstände nur außer- und nacheinander vor; aber Gott stellt alles Sinnliche auf einmal vor, alles Räumliche auf unräumliche, alles Zeitliche auf unzeitliche, alles Sinnliche auf unsinnliche Weise. »Gott weiß also, wie groß die Anzahl der Flöhe, Schnaken, Mücken und Fische ist, er weiß, wie viele geboren werden und sterben, aber er weiß dies nicht einzeln nacheinander, sondern alles zugleich und auf einmal.« Petrus Lomb. (lib. I. dist. 39. c. 3). Das heißt: ich erweitere meinen sinnlichen Horizont durch die Phantasie; ich vergegenwärtige mir in der konfusen Vorstellung der Allheit alle auch die örtlich abwesenden Dinge und setze nun diese über den beschränkt sinnlichen Standpunkt mich erhebende, wohltätig affizierende Vorstellung als eine göttliche Wesenheit. Ich fühle als eine Schranke mein nur an den örtlichen Standpunkt, an die sinnliche Erfahrung gebundnes Wissen; was ich als Schranke fühle, hebe ich in der Phantasie auf, die meinen Gefühlen freien Spielraum gewährt. Diese Negation durch die Phantasie ist die Position der Allwissenheit als einer göttlichen Macht und Wesenheit. Aber gleichwohl ist zwischen der Allwissenheit und meinem Wissen nur ein quantitativer Unterschied; die Qualität des Wissens ist dieselbe. Ich könnte ja auch in der Tat gar nicht die Allwissenheit einem Gegenstande oder Wesen außer mir beilegen, wenn sie wesentlich von meinem Wissen unterschieden, wenn sie nicht eine Vorstellungsart von mir selbst wäre, nicht in meinem Vorstellungsvermögen existierte. Das Sinnliche ist so gut Gegenstand und Inhalt der göttlichen Allwissenheit, als meines Wissens. Die Phantasie beseitigt nur die Schranke der Quantität, nicht der Qualität. Unser Wissen ist beschränkt, heißt: wir wissen nur einiges, weniges, nicht alles.
Die wohltätige Wirkung der Religion beruht auf dieser Erweiterung des sinnlichen Bewußtseins. In der Religion ist der Mensch im Freien, sub divo; im sinnlichen Bewußtsein in seiner engen, beschränkten Wohnung. Die Religion bezieht sich wesentlich, ursprünglich – und nur in seinem Ursprung ist etwas heilig, wahr, rein und gut – nur auf das unmittelbar sinnliche, ungebildete Bewußtsein; sie ist die Beseitigung der sinnlichen Schranken. Abgeschlossene, beschränkte Menschen und Völker bewahren die Religion in ihrem ursprünglichen Sinne, weil sie selbst im Ursprung, an der Quelle der Religion stehenbleiben. Je beschränkter der Gesichtskreis des Menschen, je weniger er weiß von Geschichte, Natur, Philosophie, desto inniger hängt er an seiner Religion.
Darum hat auch der Religiöse kein Bedürfnis der Bildung in sich. Warum hatten die Hebräer keine Kunst, keine Wissenschaft, wie die Griechen? weil sie kein Bedürfnis darnach hatten. Und warum hatten sie kein Bedürfnis? Jehova ersetzte ihnen dieses Bedürfnis. In der göttlichen Allwissenheit erhebt sich der Mensch über die Schranken seines Wissens; »Welche den Alles Wissenden wissen, die können Nichts nicht wissen.« Liber Meditat. c. 26 (Pseudo-Augustin). in der göttlichen Allgegenwart über die Schranken seines Lokalstandpunkts, in der göttlichen Ewigkeit über die Schranken seiner Zeit. Der religiöse Mensch ist glücklich in seiner Phantasie; er hat Alles in nuce immer beisammen; sein Bündel ist immer geschnürt. Jehova begleitet mich überall; ich brauche nicht aus mir herauszugehen; ich habe in meinem Gotte den Inbegriff aller Schätze und Kostbarkeiten, aller Wissens- und Denkwürdigkeiten. Die Bildung aber ist abhängig von außen, hat mancherlei Bedürfnisse, denn sie überwindet die Schranken des sinnlichen Bewußtseins und Lebens selbst wieder durch sinnliche, wirkliche Tätigkeit, nicht durch die Zaubermacht der religiösen Phantasie. Daher hat auch die christliche Religion, wie schon öfter erwähnt wurde, in ihrem Wesen kein Prinzip der Kultur, der Bildung in sich, denn sie überwindet die Schranken und Beschwerden des irdischen Lebens nur durch die Phantasie, nur in Gott, im Himmel. Gott ist alles, was das Herz begehrt und verlangt – alle Dinge, alle Güter. »Wiltu Liebe oder Treue oder Wahrheit, oder Trost oder stäte Gegenwärtigkeit, diß ist an ihm überall ohne Maß und Weise. Begehrestu Schönheit, er ist allerschönste. Begehrestu Reichtum, er ist der allerreichste. Begehrestu Gewalt, er ist der gewaltigste, oder was dein Herz je möchte begehren, das findt man tausendfalt an ihm, an dem einfältigen allerbesten Gut, das Gott ist.« J. Tauler, 1. c., p. 312. Wer aber alles in Gott hat, himmlische Seligkeit schon in der Phantasie genießt, wie sollte der jene Not, jene Armut empfinden, die der Trieb zu aller Kultur ist? Die Kultur hat keinen andern Zweck, als einen irdischen Himmel zu verwirklichen; aber der religiöse Himmel wird auch nur durch religiöse Tätigkeit verwirklicht oder erworben.
Der ursprünglich nur quantitative Unterschied zwischen dem göttlichen und menschlichen Wesen wird nun aber von der Reflexion zu einem qualitativen Unterschiede ausgebildet, und dadurch, was ursprünglich nur ein Gemütsaffekt, ein unmittelbarer Ausdruck der Bewunderung, der Entzückung, ein Eindruck der Phantasie auf das Gemüt ist, als eine objektive Beschaffenheit, als wirkliche Unbegreiflichkeit fixiert. Die beliebteste Ausdrucksweise der Reflexion in dieser Beziehung ist, daß wir von Gott wohl das Daß, aber nimmermehr das Wie begreifen. Daß z. B. Gott das Prädikat des Schöpfers wesentlich zukommt, daß er die Welt und zwar nicht aus einer vorhandenen Materie, sondern durch seine Allmacht aus Nichts geschaffen, das ist klar, gewiß, ja unbezweifelbar gewiß; aber wie dies möglich, das natürlich geht über unsern beschränkten Verstand. Das heißt: der Gattungsbegriff ist klar, gewiß, aber der Artbegriff ist unklar, ungewiß.
Der Begriff der Tätigkeit, des Machens, Schaffens ist an und für sich ein göttlicher Begriff; er wird daher unbedenklich auf Gott angewendet. Im Tun fühlt sich der Mensch frei, unbeschränkt, glücklich, im Leiden beschränkt, gedrückt, unglücklich. Tätigkeit ist positives Selbstgefühl. Positiv überhaupt ist, was im Menschen mit einer Freude begleitet ist – Gott daher, wie wir schon oben sagten, der Begriff der reinen, unbeschränkten Freude. Es gelingt uns nur, was wir gern tun; alles überwindet die Freudigkeit. Eine freudige Tätigkeit ist aber eine solche, die mit unserem Wesen übereinstimmt, die wir nicht als Schranke, folglich nicht als Zwang empfinden. Die glücklichste, seligste Tätigkeit ist jedoch die produzierende. Lesen z. B. ist köstlich; Lesen ist passive Tätigkeit, aber Lesenswürdiges schaffen ist noch köstlicher. Geben ist seliger als Nehmen, heißt es auch hier. Der Gattungsbegriff der hervorbringenden Tätigkeit wird also auf Gott angewendet, d. h. in Wahrheit als göttliche Tätigkeit und Wesenheit angeschaut, vergegenständlicht. Es wird aber abgesondert jede besondere Bestimmung, jede Art der Tätigkeit – nur die Grundbestimmung, die aber wesentlich menschliche Grundbestimmung: die Hervorbringung außer sich bleibt. Gott hat nicht Etwas hervorgebracht, dieses oder jenes, Besonderes, wie der Mensch, sondern Alles, seine Tätigkeit ist schlechthin universale, unbeschränkte. Es versteht sich daher von selbst, es ist eine notwendige Folge, daß die Art, wie Gott dies Alles hervorgebracht, unbegreiflich ist, weil diese Tätigkeit keine Art der Tätigkeit ist, weil die Frage nach dem Wie hier eine ungereimte ist, eine Frage, die durch den Grundbegriff der unbeschränkten Tätigkeit an und für sich abgewiesen ist. Jede besondere Tätigkeit bringt auf besondere Weise ihre Wirkungen hervor, weil hier die Tätigkeit selbst eine bestimmte Weise der Tätigkeit ist; es entsteht hier notwendig die Frage: wie brachte sie dies hervor? Die Antwort auf die Frage aber: wie hat Gott die Welt gemacht, fällt notwendig verneinend aus, weil die die Welt schaffende Tätigkeit selbst jede bestimmte Tätigkeit, die allein diese Frage berechtigte, jede an einen bestimmten Inhalt, d.h. eine Materie gebundene Tätigkeitsweise von sich verneint. Es wird in dieser Frage zwischen das Subjekt, die hervorbringende Tätigkeit, und das Objekt, das Hervorgebrachte, ein nicht hieher gehöriges, ein ausgeschlossenes Mittelding: der Begriff der Besonderheit unrechtmäßigerweise eingeschaltet. Die Tätigkeit bezieht sich nur auf das Kollektivum: Alles, Welt: Gott hat Alles hervorgebracht, aber nicht Etwas – das unbestimmte Ganze, das All, wie es die Phantasie zusammenfaßt, aber nicht das Bestimmte, Besondere, wie es in seiner Besonderheit den Sinnen, in seiner Totalität als Universum der Vernunft Gegenstand ist. Alles Etwas entsteht auf natürlichem Wege – es ist ein Bestimmtes und hat als solches, was nur eine Tautologie ist, einen bestimmten Grund, eine bestimmte Ursache. Nicht Gott hat den Diamant hervorgebracht, sondern der Kohlenstoff; dieses Salz verdankt seinen Ursprung nur der Verbindung dieser bestimmten Säure mit einer bestimmten Basis, nicht Gott. Gott hat nur alles zusammen ohne Unterschied hervorgebracht.
Gott hat freilich in der religiösen Vorstellung alles Einzelne geschaffen, weil es schon in Allem mitbegriffen ist, aber nur indirekt; denn er hat das Einzelne nicht auf einzelne, das Bestimmte nicht auf bestimmte Weise hervorgebracht; sonst wäre er ja ein bestimmtes Wesen. Unbegreiflich ist es nun freilich, wie aus dieser allgemeinen, unbestimmten Tätigkeit das Besondere, Bestimmte hervorgegangen; aber nur, weil ich hier den Gegenstand der sinnlichen, natürlichen Anschauung, das Besondere einschwärze, weil ich der göttlichen Tätigkeit einen andren Gegenstand, als den ihr gebührenden unterstelle. Die Religion hat keine physikalische Anschauung von der Welt; sie interessiert sich nicht für eine natürliche Erklärung, die immer nur mit der Entstehung gegeben werden kann. Aber die Entstehung ist ein theoretischer, naturphilosophischer Begriff. Die heidnischen Philosophen beschäftigten sich mit der Entstehung der Dinge. Aber das christlich religiöse Bewußtsein verabscheute diesen Begriff als einen heidnischen, irreligiösen, und setzte an dessen Stelle den praktischen oder subjektiv menschlichen Begriff der Erschaffung, der nichts ist als ein Verbot, die Dinge sich auf natürlichem Wege entstanden zu denken, ein Interdikt aller Physik und Naturphilosophie. Das religiöse Bewußtsein knüpft unmittelbar an Gott die Welt an; es leitet alles aus Gott ab, weil ihm nichts in seiner Besonderheit und Wirklichkeit, nichts als ein Objekt der Vernunft Gegenstand ist. Alles kommt aus Gott – das ist genug, das befriedigt vollkommen das religiöse Bewußtsein. Die Frage: wie Gott erschaffen? ist ein indirekter Zweifel, daß Gott die Welt geschaffen. Mit dieser Frage kam der Mensch auf den Atheismus, Materialismus, Naturalismus. Wer so fragt, dem ist schon die Welt Gegenstand der Theorie, der Physik, d.h. Gegenstand in ihrer Wirklichkeit, in der Bestimmtheit ihres Inhalts. Dieser Inhalt widerspricht aber der Vorstellung der unbestimmten, immateriellen, Stoff losen Tätigkeit. Und dieser Widerspruch führt zur Verneinung der Grundvorstellung.
Die Schöpfung der Allmacht ist nur da an ihrem Platze, nur da eine Wahrheit, wo alle Ereignisse und Phänomene der Welt aus Gott abgeleitet werden. Sie wird, wie schon erwähnt, zu einer Mythe aus vergangner Zeit, wo sich die Physik ins Mittel schlägt, wo die bestimmten Gründe, das Wie der Erscheinungen der Mensch zum Gegenstand seiner Forschung macht. Dem religiösen Bewußtsein ist daher auch die Schöpfung nichts Unbegreifliches, d.h. Unbefriedigendes, höchstens nur in den Momenten der Irreligiosität, des Zweifels, wo es sich von Gott ab und den Dingen zuwendet, wohl aber der Reflexion, der Theologie, die mit dem einen Auge in den Himmel, mit dem andern in die Welt schielt. So viel in der Ursache ist, so viel ist in der Wirkung. Eine Flöte bringt nur Flötentöne, aber keine Fagott- und Trompetentöne hervor. Wenn du einen Fagotton hörst, aber außer der Flöte von keinem andern Blasinstrument je etwas gehört und gesehen hast, so wird es dir freilich unbegreiflich sein, wie aus der Flöte ein solcher Ton hervorkommen kann. So ist es auch hier – nur ist das Gleichnis insofern unpassend, als die Flöte selbst ein bestimmtes Instrument ist. Aber stelle dir vor, wenn es möglich, ein schlechthin universales Instrument, welches alle Instrumente in sich vereinigte, ohne selbst ein bestimmtes zu sein, so wirst du einsehen, daß es ein törichter Widerspruch ist, einen bestimmten Ton, der nur einem bestimmten Instrument angehört, von einem Instrument zu verlangen, wovon du eben das Charakteristische aller bestimmten Instrumente weggelassen.
Es liegt aber zugleich dieser Unbegreiflichkeit der Zweck zugrunde, die göttliche Tätigkeit der menschlichen zu entfremden, die Ähnlichkeit, Gleichförmigkeit oder vielmehr wesentliche Einheit derselben mit der menschlichen zu beseitigen, um sie zu einer wesentlich andern Tätigkeit zu machen. Dieser Unterschied zwischen der göttlichen und menschlichen Tätigkeit ist das Nichts. Gott macht – er macht außer sich Etwas, wie der Mensch. Machen ist ein echt, ein grundmenschlicher Begriff. Die Natur zeugt, bringt hervor, der Mensch macht. Machen ist ein Tun, das ich unterlassen kann, ein absichtliches, vorsätzliches, äußerliches Tun – ein Tun, bei dem nicht unmittelbar mein eigenstes innerstes Wesen beteiligt ist, ich nicht zugleich leidend, angegriffen bin. Eine nicht gleichgültige Tätigkeit dagegen ist eine mit meinem Wesen identische, mir notwendige, wie die geistige Produktion, die mir ein inneres Bedürfnis und eben deswegen mich aufs tiefste ergreift, pathologisch affiziert. Geistige Werke werden nicht gemacht – das Machen ist nur die äußerlichste Tätigkeit daran – sie entstehen in uns. In neuerer Zeit hat man daher auch wirklich die Tätigkeit des Genies zur weltschöpferischen Tätigkeit gemacht, und dadurch der religionsphilosophischen Imagination ein neues Feld geöffnet. – Ein interessanter Gegenstand der Kritik wäre die Weise, wie von jeher die religiöse Spekulation die Freiheit oder vielmehr Willkürlichkeit, d.i. Unnotwendigkeit der Schöpfung, die dem Verstande widerspricht, mit der Notwendigkeit derselben, d.h. mit dem Verstande zu vermitteln suchte. Aber diese Kritik liegt außer unserm Zwecke. Wir kritisieren die Spekulation nur durch die Kritik der Religion, beschränken uns nur auf das Ursprüngliche, Fundamentale. Die Kritik der Spekulation ergibt sich durch bloße Folgerung. Machen aber ist eine indifferente, darum freie, d.i. willkürliche Tätigkeit. Bis so weit ist also Gott ganz mit dem Menschen einverstanden, gar nicht von ihm unterschieden, daß er macht; im Gegenteil, es wird ein besonderer Nachdruck darauf gelegt, daß sein Machen frei, willkürlich, ja beliebig ist. Gott hat es beliebt, gefallen, eine Welt zu erschaffen. So vergöttlicht hier der Mensch das Wohlgefallen an seinem eignen Gefallen, seiner eignen Beliebigkeit und grundlosen Willkürlichkeit. Die grundmenschliche Bestimmung der göttlichen Tätigkeit wird durch die Vorstellung der Beliebigkeit selbst zu einer gemein menschlichen – Gott aus einem Spiegel des menschlichen Wesens zu einem Spiegel der menschlichen Eitelkeit und Selbstgefälligkeit.
Aber nun löst sich auf einmal die Harmonie in Disharmonie auf; der bisher mit sich einige Mensch entzweit sich: – Gott macht aus Nichts: er schafft; Machen aus Nichts ist Schaffen – dies ist der Unterschied. Die wesentliche Bestimmung ist eine menschliche; aber, indem die Bestimmtheit dieser Grundbestimmung sogleich wieder vernichtet wird, macht sie die Reflexion zu einer nicht menschlichen. Mit dieser Vernichtung geht aber der Begriff, der Verstand aus; es bleibt nur eine nichtige, inhaltslose Vorstellung übrig, weil schon die Denkbarkeit, die Vorstellbarkeit erschöpft ist, d.h., der Unterschied zwischen der göttlichen und menschlichen Bestimmung ist in Wahrheit ein Nichts, ein Nihil negativum des Verstandes. Das naive Selbstbekenntnis dieses Verstandesnichts ist das Nichts als Gegenstand.
Gott ist Liebe, aber nicht menschliche Liebe, Verstand, aber nicht menschlicher, nein! ein wesentlich andrer Verstand. Aber worin besteht dieser Unterschied? Ich kann mir keinen Verstand denken oder vorstellen außer in der Bestimmtheit, in welcher er sich in uns betätigt; ich kann den Verstand nicht entzweiteilen oder gar vierteilen, so daß ich mehrere Verstände bekäme; ich kann nur einen und denselben Verstand denken. Ich kann allerdings den Verstand an sich denken, d.h. frei von zufälligen Schranken; aber hier lasse ich nicht die wesentliche Bestimmtheit weg. Die religiöse Reflexion dagegen vernichtet gerade die Bestimmtheit, welche Etwas zu dem macht, was es ist. Nur das, worin der göttliche Verstand identisch ist mit dem menschlichen, nur das ist Etwas, ist Verstand, ein wirklicher Begriff; das aber, was ihn zu einem andern, ja wesentlich andern machen soll, ist objektiv nichts, subjektiv bloße Einbildung.
Ein andres charakteristisches Beispiel ist das unerforschliche Geheimnis der Zeugung des Sohnes Gottes. Die Zeugung Gottes ist natürlich eine andere als die gemeine natürliche, jawohl! eine übernatürliche Zeugung, d.h. in Wahrheit eine nur illusorische, scheinbare – eine Zeugung, welcher die Bestimmtheit, durch welche die Zeugung Zeugung ist, abgeht, denn es fehlt die Geschlechtsverschiedenheit – eine Zeugung also, welche der Natur und Vernunft widerspricht, aber eben deswegen, weil sie ein Widerspruch ist, weil sie nichts Bestimmtes ausspricht, nichts zu denken gibt, der Phantasie einen um so größern Spielraum läßt und dadurch auf das Gemüt den Eindruck der Tiefe macht. Gott ist Vater und Sohn – Gott, denke nur! Gott. Der Affekt bemeistert sich des Gedankens; das Gefühl der Einheit mit Gott setzt den Menschen vor Entzückung außer sich – das Fernste wird mit dem Nächsten, das Andre mit dem Eigensten, das Höchste mit dem Tiefsten, das Übernatürliche mit dem Natürlichen bezeichnet, d.h. das Übernatürliche als das Natürliche, das Göttliche als das Menschliche gesetzt, geleugnet, daß das Göttliche etwas andres ist als das Menschliche. Aber diese Einheit des Göttlichen und Menschlichen wird sogleich wieder geleugnet: was Gott mit dem Menschen gemein hat, das soll in Gott etwas ganz andres bedeuten als im Menschen – so wird das Eigene wieder zum Fremden, das Bekannte zum Unbekannten, das Nächste zum Fernsten. Gott zeugt nicht, wie die Natur, ist nicht Vater, nicht Sohn, wie wir – nun wie denn? ja das ist eben das Unbegreifliche, das unaussprechlich Tiefe der göttlichen Zeugung. So setzt die Religion oder vielmehr Theologie das Natürliche, das Menschliche, welches sie vernichtet, immer zuletzt wieder in Gott, aber jetzt im Widerspruch mit dem Wesen des Menschen, mit dem Wesen der Natur, weil es in Gott etwas andres sein soll, aber in Wahrheit doch nichts andres ist.
Bei allen andern Bestimmungen des göttlichen Wesens ist nun aber dieses Nichts des Unterschieds ein verborgnes; in der Schöpfung hingegen ein offenbares, ausgesprochnes, gegenständliches Nichts – darum das offizielle, notorische Nichts der Theologie in ihrem Unterschiede von der Anthropologie.
Die Grundbestimmung aber, wodurch der Mensch sein eignes ausgeschiednes Wesen zu einem fremden, unbegreiflichen Wesen macht, ist der Begriff, die Vorstellung der Selbständigkeit, der Individualität oder – was nur ein abstrakterer Ausdruck ist – der Persönlichkeit. Der Begriff der Existenz verwirklicht sich erst in dem Begriffe der Offenbarung, der Begriff der Offenbarung aber als der Selbstbezeugung Gottes erst in dem Begriff der Persönlichkeit. Gott ist persönliches Wesen – dies ist der Machtspruch, der mit einem Schlage das Vorgestellte in Wirkliches, das Subjektive in Objektives verzaubert. Alle Prädikate, alle Bestimmungen des göttlichen Wesens sind grundmenschliche; aber als Bestimmungen eines persönlichen, also andern, vom Menschen unterschieden und unabhängig existierenden Wesens scheinen sie unmittelbar auch wirklich andere Bestimmungen zu sein, aber so, daß doch zugleich noch immer die wesentliche Einheit zugrunde liegen bleibt. Damit entsteht für die Reflexion der Begriff der sogenannten Anthropomorphismen. Die Anthropomorphismen sind Ähnlichkeiten zwischen Gott und dem Menschen. Die Bestimmungen des göttlichen und menschlichen Wesens sind nicht dieselben, aber sie ähneln sich gegenseitig.
Daher ist auch die Persönlichkeit das Antidotum gegen den Pantheismus; d. h., durch die Vorstellung der Persönlichkeit schlägt sich die religiöse Reflexion die Nichtverschiedenheit des göttlichen und menschlichen Wesens aus dem Kopfe. Der rohe, aber immerhin bezeichnende Ausdruck des Pantheismus ist: der Mensch ist ein Ausfluß oder Teil des göttlichen Wesens; der religiöse dagegen: der Mensch ist ein Bild Gottes, oder auch: ein Gott verwandtes Wesen; denn der Mensch stammt der Religion zufolge nicht aus der Natur, sondern ist göttlichen Geschlechts, göttlicher Abkunft. Verwandtschaft ist aber ein unbestimmter, ausweichender Ausdruck. Es gibt Grade der Verwandtschaft – nahe und ferne Verwandtschaft. Was für eine Verwandtschaft ist gemeint? Für das Verhältnis des Menschen zu Gott im Sinne der Religion paßt jedoch nur ein einziges Verwandtschaftsverhältnis – das nächste, innigste, heiligste, das sich nur immer vorstellen läßt – das Verhältnis des Kindes zum Vater. Gott und Mensch unterscheiden sich demnach also: Gott ist der Vater des Menschen, der Mensch der Sohn, das Kind Gottes. Hier ist zugleich die Selbständigkeit Gottes und die Abhängigkeit des Menschen, und zwar unmittelbar als ein Gegenstand des Gefühls gesetzt, während im Pantheismus der Teil ebenso selbständig erscheint als das Ganze, da dieses als ein aus seinen Teilen Zusammengesetztes vorgestellt wird. Aber gleichwohl ist dieser Unterschied nur ein Schein. Der Vater ist nicht Vater ohne Kind; beide zusammen bilden ein gemeinschaftliches Wesen. In der Liebe gibt eben der Mensch seine Selbständigkeit auf, sich zu einem Teile herabsetzend – eine Selbsterniedrigung, Selbstdemütigung, die nur dadurch sich ausgleicht, daß der andere sich gleichfalls zu einem Teile herabsetzt, daß sich beide einer höhern Macht – der Macht des Familiengeistes, der Liebe unterwerfen. Es findet daher hier dasselbe Verhältnis zwischen Gott und Mensch statt, wie im Pantheismus, nur daß es sich hier als ein persönliches, patriarchalisches, dort als ein unpersönliches, allgemeines darstellt, nur daß im Pantheismus logisch, darum bestimmt, direkt ausgesprochen ist, was in der Religion durch die Phantasie umgangen wird. Die Zusammengehörigkeit oder vielmehr Nichtverschiedenheit Gottes und des Menschen wird nämlich hier dadurch verschleiert, daß man beide als Personen oder Individuen und Gott zugleich, abgesehen von seiner Vaterschaft, als ein selbständiges Wesen vorstellt – eine Selbständigkeit, die aber auch nur Schein ist, denn wer, wie der religiöse Gott, von Herzensgrund aus Vater ist, hat in seinem Kinde selbst sein Leben und Wesen.
Das gegenseitige innige Abhängigkeitsverhältnis von Gott als Vater und Mensch als Kind kann man nicht durch diese Distinktion auflockern, daß nur Christus der natürliche Sohn, die Menschen aber die Adoptivsöhne Gottes seien, daß also nur Gott zu Christo als dem eingebornen Sohne, keineswegs aber zu den Menschen in einem wesentlichen Abhängigkeitsverhältnis stehe. Denn diese Unterscheidung ist auch nur eine theologische, d. h. illusorische. Gott adoptiert nur Menschen, keine Tiere. Der Grund der Adoption liegt in der menschlichen Natur. Der von der göttlichen Gnade adoptierte Mensch ist nur der seiner göttlichen Natur und Würde sich bewußte Mensch. Überdem ist ja der eingeborne Sohn selbst nichts andres als der Begriff der Menschheit, als der von sich selbst präokkupierte Mensch, der sich vor sich selbst und vor der Welt in Gott verbergende Mensch – der himmlische Mensch. Der Logos ist der geheime, verschwiegene Mensch; der Mensch der offenbare, der ausgesprochne Logos. Der Logos ist nur der Avant-propos des Menschen. Was vom Logos, gilt also vom Wesen des Menschen. »Die größte Einigung, die Christus besessen hat mit dem Vater, die ist mir möglich zu gewinnen, ob ich könnte ablegen, das da ist von diesem oder von dem und könnte mich genemen (annehmen) Menschheit. Alles das denn Gott je seinem eingebornen Sohn gab, das hat er mir gegeben so vollkommenlich als ihm.« (Predigten etzlicher Lehrer vor und zu Tauleri zeiten, Hamburg 1621, p. 14.) »Zwischen dem eingebornen Sohn und der Seele ist kein Unterscheid.«. (Ebend., p. 68.) Aber zwischen Gott und dem eingebornen Sohne ist kein wesentlicher Unterschied – wer den Sohn kennt, kennt den Vater – also auch nicht zwischen Gott und Mensch.
Dieselbe Bewandtnis hat es nun auch mit der Ebenbildlichkeit Gottes. Das Bild ist hier kein totes, sondern lebendiges Wesen. Der Mensch ist ein Bild Gottes, heißt nichts weiter als: der Mensch ist ein Gott ähnliches Wesen. Die Ähnlichkeit zwischen lebendigen Wesen beruht auf Naturverwandtschaft. Die Ebenbildlichkeit reduziert sich also auf die Verwandtschaft: der Mensch ist Gott ähnlich, weil das Kind Gottes. Die Ähnlichkeit ist nur die in die Sinne fallende Verwandtschaft; aus jener schließen wir überall auf diese.
Die Ähnlichkeit ist nun aber ebenso eine täuschende, illusorische, ausweichende Vorstellung, als die Verwandtschaft. Nur die Vorstellung der Persönlichkeit ist es, welche die Natureinheit beseitigt. Die Ähnlichkeit ist die Einheit, welche es nicht Wort haben will, daß sie Einheit ist, welche sich hinter ein trübendes Medium, hinter den Nebel der Phantasie versteckt. Beseitige ich diesen Nebel, diesen Dunst, so komme ich auf die nackte Einheit. Je ähnlicher sich Wesen sind, desto weniger unterscheiden sie sich; kenne ich den einen, so kenne ich den andern. Die Ähnlichkeit hat allerdings ihre Grade. Aber auch die Ähnlichkeit zwischen Gott und Mensch hat ihre Grade. Der Gute, Fromme ist Gott ähnlicher, als der Mensch, welcher nur die Natur des Menschen überhaupt zum Grunde seiner Ähnlichkeit hat. Es läßt sich also auch hier der höchste Grad der Ähnlichkeit annehmen, sollte dieser auch nicht hienieden, sondern erst im Jenseits erreicht werden. Aber was einst der Mensch wird, das gehört auch jetzt schon zu ihm, wenigstens der Möglichkeit nach. Der höchste Grad der Ähnlichkeit ist nun aber, wo zwei Individuen oder Wesen dasselbe sagen und ausdrücken, so daß weiter kein Unterschied stattfindet, als daß es eben zwei Individuen sind. Die wesentlichen Qualitäten, die, durch welche wir Dinge unterscheiden, sind in beiden dieselben. Ich kann sie daher nicht durch den Gedanken, durch die Vernunft – für diese sind alle Anhaltspunkte verschwunden – ich kann sie nur durch die sinnliche Vorstellung oder Anschauung unterscheiden. Würden mir meine Augen nicht sagen: es sind wirklich zwei der Existenz nach verschiedne Wesen – meine Vernunft würde beide für ein und dasselbe Wesen nehmen. Darum verwechseln sie selbst auch meine Augen miteinander. Verwechselbar ist, was nur für den Sinn, nicht für die Vernunft, oder vielmehr nur dem Dasein, nicht dem Wesen nach verschieden ist. Sich völlig ähnliche Personen haben daher einen außerordentlichen Reiz wie für sich selbst, so für die Phantasie. Die Ähnlichkeit gibt zu allerlei Mystifikationen und Illusionen Anlaß; denn mein Auge spottet meiner Vernunft, für die sich der Begriff einer selbständigen Existenz stets an den Begriff eines bestimmten Unterschieds anknüpft.
Die Religion ist das Licht des Geistes, welches sich in dem Medium der Phantasie und des Gemüts entzweibricht, dasselbe Wesen als ein gedoppeltes veranschaulicht. Die Ähnlichkeit ist die Einheit der Vernunft, welche auf dem Gebiete der Wirklichkeit durch die unmittelbar sinnliche Vorstellung, auf dem Gebiete der Religion aber durch die Vorstellung der Einbildungskraft geteilt, unterbrochen wird, kurz, die durch die Vorstellung der Individualität oder Persönlichkeit entzweite Vernunftidentität. Ich kann keinen wirklichen Unterschied zwischen Vater und Kind, Urbild und Ebenbild, Gott und Mensch entdecken, wenn ich nicht die Vorstellung der Persönlichkeit zwischen einschiebe. Die Ähnlichkeit ist die Einheit, die durch die Vernunft, den Wahrheitssinn bejaht, durch die Einbildung verneint wird, die Einheit, welche einen Schein des Unterschieds bestehen läßt – eine Scheinvorstellung, die nicht geradezu Ja, nicht geradezu Nein sagt.