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Siebentes Kapitel

Das Mysterium der Dreieinigkeit und Mutter Gottes

Sowenig ein Gott ohne Empfindung, ohne Leidensvermögen dem Menschen als einem empfindenden, leidenden Wesen genügt, sowenig genügt ihm auch wieder ein Wesen nur mit Empfindung, ein Wesen ohne Verstand und Willen. Nur ein Wesen, welches den ganzen Menschen in sich trägt, kann auch den ganzen Menschen befriedigen. Das Bewußtsein des Menschen von sich in seiner Totalität ist das Bewußtsein der Trinität. Die Trinität faßt die Bestimmungen oder Kräfte, die bisher getrennt betrachtet wurden, zur Einheit zusammen, und setzt dadurch das allgemeine Wesen des Verstandes, d. h. Gott als Gott zu einem besondern Wesen, einer besondern Fakultät herab.

Was als Abdruck, Bild, Gleichnis der Trinität von der Theologie bezeichnet wird, dürfen wir nur als die Sache selbst, das Wesen, das Urbild, das Original erfassen, so haben wir das Rätsel gelöst. Die angeblichen Bilder, durch die man die Trinität zu veranschaulichen, begreiflich zu machen suchte, waren vornehmlich: Geist, Verstand, Gedächtnis, Wille, Liebe, mens, intellectus, memoria, voluntas, amor oder Caritas.

Gott denkt, Gott liebt, und zwar denkt er, liebt er sich; das Gedachte, Erkannte, Geliebte ist Gott selbst. Die Vergegenständlichung des Selbstbewußtseins ist das erste, was uns in der Trinität begegnet. Das Selbstbewußtsein drängt sich notwendig, unwillkürlich dem Menschen als etwas Absolutes auf. Sein ist für ihn eins mit Selbstbewußtsein; Sein mit Bewußtsein ist für ihn Sein schlechtweg. Ob ich gar nicht bin oder bin, ohne daß ich weiß, daß ich bin, ist gleich. Selbstbewußtsein hat für den Menschen, hat in der Tat an sich selbst absolute Bedeutung. Ein Gott, der sich nicht weiß, ein Gott ohne Bewußtsein ist kein Gott. Wie der Mensch sich nicht denken kann ohne Bewußtsein, so auch nicht Gott. Das göttliche Selbstbewußtsein ist nichts andres als das Bewußtsein des Bewußtseins als absoluter oder göttlicher Wesenheit.

Übrigens ist damit keineswegs die Trinität erschöpft. Wir würden vielmehr ganz willkürlich verfahren, wenn wir darauf allein das Geheimnis der Trinität zurückführen und einschränken wollten. Bewußtsein, Verstand, Wille, Liebe in der Bedeutung abstrakter Wesen oder Bestimmungen gehören nur der abstrakten Philosophie an. Die Religion aber ist das Bewußtsein des Menschen von sich in seiner lebendigen Totalität, in welcher die Einheit des Selbstbewußtseins nur als die beziehungsreiche, erfüllte Einheit von Ich und Du existiert.

Die Religion, wenigstens die christliche, abstrahiert von der Welt; Innerlichkeit gehört zu ihrem Wesen. Der religiöse Mensch führt ein von der Welt abgezognes, in Gott verborgnes, stilles, weltfreudenleeres Leben. Er sondert sich aber nur von der Welt ab, weil Gott selbst ein von der Welt abgesondertes, ein außer- und überweltliches Wesen – streng, abstrakt philosophisch ausgedrückt – das Nichtsein der Welt ist. Gott als außerweltliches Wesen ist aber nichts andres als das von der Welt in sich zurückgezogne, aus allen Banden und Verwicklungen mit derselben befreite, über die Welt sich hinwegsetzende Wesen des Menschen, verwirklicht, angeschaut als gegenständliches Wesen; oder nichts andres als das Bewußtsein der Kraft, von allem andern außer sich abstrahieren und für sich allein mit sich sein zu können, wie sie innerhalb der Religion, d. h. als ein vom Menschen unterschiednes, besondres Wesen dem Menschen Gegenstand wird. »Gottes Wesen ist außer allen Kreaturen, gleichwie Gott von Ewigkeit in sich selbst war; von allen Kreaturen ziehe daher deine Liebe ab.« Joh. Gerhard (Medit. sacrae, Med. 31). »Wiltu du haben den Schöpfer der Kreaturen, so must du entperen der Kreaturen ... Als viel minder Kreaturen als viel mehr Gottes. Darumb treibe und schlahe aus alle Kreaturen, mit allem ihrem Trost.« J. Tauler (Postilla, Hamburg 1621, p. 312). »Wenn der Mensch nicht in seinem Herzen mit Wahrheit sagen kann: Gott und ich sind allein in der Welt, sonst nichts, so hat er noch keine Ruhe in sich.« G. Arnold (Von Verschmähung der Welt. Wahre Abbild. der ersten Christen, L. 4. c. 2. § 7). Gott als Gott, als einfaches Wesen ist das schlechtweg allein seiende, einsame Wesen – die absolute Einsamkeit und Selbständigkeit; denn einsam kann nur sein, was selbständig ist. Einsam sein können, ist ein Zeichen von Charakter und Denkkraft; Einsamkeit ist das Bedürfnis des Denkers, Gemeinschaft das Bedürfnis des Herzens. Denken kann man allein, lieben nur selbander. Abhängig sind wir in der Liebe, denn sie ist das Bedürfnis eines andern Wesens; selbständig sind wir nur im einsamen Denkakt. Einsamkeit ist Autarkie, Selbstgenügsamkeit.

Aber von einem einsamen Gott ist das wesentliche Bedürfnis der Zweiheit, der Liebe, der Gemeinschaft, des wirklichen, erfüllten Selbstbewußtseins, des andern Ichs ausgeschlossen. Dieses Bedürfnis wird daher dadurch von der Religion befriedigt, daß in die stille Einsamkeit des göttlichen Wesens ein andres, zweites, von Gott der Persönlichkeit nach unterschiednes, dem Wesen nach aber mit ihm einiges Wesen gesetzt wird – Gott der Sohn, im Unterschiede von Gott, dem Vater. Gott der Vater ist Ich, Gott der Sohn Du. Ich ist Verstand, Du Liebe; Liebe aber mit Verstand und Verstand mit Liebe ist erst Geist, ist erst der ganze Mensch.

Gemeinschaftliches Leben nur ist wahres, in sich befriedigtes, göttliches Leben – dieser einfache Gedanke, diese dem Menschen natürliche, eingeborne Wahrheit ist das Geheimnis des übernatürlichen Mysteriums der Trinität. Aber die Religion spricht auch diese, wie jede andere Wahrheit nur indirekt, d. h. verkehrt aus, indem sie auch hier eine allgemeine Wahrheit zu einer besondern und das wahre Subjekt nur zum Prädikat macht, indem sie sagt: Gott ist ein gemeinschaftliches Leben, ein Leben und Wesen der Liebe und Freundschaft. Die dritte Person in der Trinität drückt ja nichts weiter aus als die Liebe der beiden göttlichen Personen zueinander, ist die Einheit des Sohnes und Vaters, der Begriff der Gemeinschaft, widersinnig genug selbst wieder als ein besondres, persönliches Wesen gesetzt.

Der heilige Geist verdankt seine persönliche Existenz nur einem Namen, einem Worte. Selbst die ältesten Kirchenväter identifizierten bekanntlich noch den Geist mit dem Sohne. Auch seiner spätern dogmatischen Persönlichkeit fehlt Konsistenz. Er ist die Liebe, mit der Gott sich und die Menschen, und hinwiederum die Liebe, mit welcher der Mensch Gott und den Menschen liebt. Also die Einheit Gottes und des Menschen, wie sie innerhalb der Religion dem Menschen, d.i. als ein selbst besonderes Wesen Gegenstand wird. Aber für uns liegt diese Einheit schon im Vater, noch mehr im Sohne. Wir brauchen daher den heil. Geist nicht zu einem besondern Gegenstand unsrer Analyse zu machen. Nur diese Bemerkung noch. Inwiefern der h. Geist die subjektive Seite repräsentiert, so ist er eigentlich die Repräsentation des religiösen Gemüts vor sich selbst, die Repräsentation des religiösen Affekts, der religiösen Begeisterung, oder die Personifikation, die Vergegenständlichung der Religion in der Religion. Der heilige Geist ist daher die seufzende Kreatur, die Sehnsucht der Kreatur nach Gott.

Daß es nun aber im Grunde nicht mehr als zwei Personen sind, denn die dritte repräsentiert, wie gesagt, nur die Liebe, liegt darin, daß dem strengen Begriffe der Liebe das Zwei genügt. Zwei ist das Prinzip und eben damit der Ersatz der Vielheit. Würden mehrere Personen gesetzt, so würde nur die Kraft der Liebe geschmälert; sie würde sich zerstreuen. Aber Liebe und Herz sind eins; das Herz ist kein besondres Vermögen – das Herz ist der Mensch, der und sofern er liebt. Die zweite Person ist daher die Selbstbejahung des menschlichen Herzens als des Prinzips der Zweiheit, des gemeinschaftlichen Lebens – die Wärme; der Vater das Licht, obwohl das Licht hauptsächlich ein Prädikat des Sohnes war, weil in ihm die Gottheit erst dem Menschen licht, klar, verständlich wird. Aber dessenungeachtet können wir dem Vater, als dem Repräsentanten der Gottheit als solcher, des kalten Wesens der Intelligenz, das Licht als überirdisches Wesen, dem Sohne die Wärme als irdisches Wesen zuschreiben. Gott als Sohn erwärmt erst den Menschen; hier wird Gott aus dem Gegenstand des Auges, des indifferenten Leichtsinns ein Gegenstand des Gefühls, des Affekts, der Begeisterung, der Entzückung, aber nur, weil der Sohn selbst nichts andres ist, als die Glut der Liebe, der Begeisterung. Gott als Sohn ist die ursprüngliche Inkarnation, die ursprüngliche Selbstverleugnung Gottes, die Verneinung Gottes in Gott; denn als Sohn ist er endliches Wesen, weil er ab alio, von einem Grunde, der Vater dagegen grundlos, von sich selbst, a se ist. Es wird also in der zweiten Person die wesentliche Bestimmung der Gottheit, die Bestimmung des von sich selbst Seins aufgegeben. Aber Gott der Vater zeugt selbst den Sohn; er resigniert also auf seine rigorose, ausschließliche Göttlichkeit; er demütigt, erniedrigt sich, setzt das Wesen der Endlichkeit, des von einem Grunde Seins in sich; er wird im Sohne Mensch, zwar zuvörderst nicht der Gestalt, aber dem Wesen nach. Aber eben dadurch wird auch Gott erst als Sohn Gegenstand des Menschen, Gegenstand des Gefühls, des Herzens.

Das Herz ergreift nur, was aus dem Herzen stammt. Aus der Beschaffenheit des subjektiven Eindrucks ist untrüglich der Schluß auf die Beschaffenheit des Objekts. Der reine, freie Verstand verneint den Sohn, der durch das Gefühl bestimmte, vom Herzen überschattete Verstand nicht; er findet vielmehr die Tiefe der Gottheit im Sohne, weil er in ihm das Gefühl findet, das Gefühl, das an und für sich etwas Dunkles ist und darum dem Menschen als ein Mysterium erscheint. Der Sohn ergreift das Herz, weil der wahre Vater des göttlichen Sohnes das menschliche Herz ist, Gleichwie das weibliche Gemüt des Katholizismus – im Unterschiede vom Protestantismus, dessen Prinzip der männliche Gott, das männliche Gemüt, das Herz ist im Unterschiede vom Katholizismus – die Mutter Gottes ist. der Sohn selbst nichts ist als das göttliche Herz, das sich als göttliches Wesen gegenständliche menschliche Herz.

Ein Gott, in dem nicht selbst das Wesen der Endlichkeit, das Prinzip der Sinnlichkeit, das Wesen des Abhängigkeitsgefühles ist, ein solcher Gott ist kein Gott für ein endliches, sinnliches Wesen. Sowenig der religiöse Mensch einen Gott lieben kann, der nicht das Wesen der Liebe in sich hat, so wenig kann der Mensch, kann überhaupt ein endliches Wesen Gegenstand eines Gottes sein, der nicht den Grund der Endlichkeit in sich hat. Es fehlt einem solchen Gott der Sinn, der Verstand, die Teilnahme für Endliches. Wie kann Gott der Vater der Menschen sein, wie andere ihm untergeordnete Wesen lieben, wenn er nicht in sich selbst ein ihm untergeordnetes Wesen, einen Sohn hat, nicht, sozusagen, aus eigner Erfahrung, nicht in Beziehung auf sich selbst weiß, was Lieben heißt? So nimmt auch der vereinzelte Mensch weit weniger Anteil an den Familienleiden eines andern, als wer selbst im Familienbande lebt. Gott der Vater liebt daher die Menschen nur im Sohne und um des Sohnes willen. Die Liebe zu den Menschen ist eine von der Liebe zum Sohne abgeleitete Liebe.

Der Vater und Sohn in der Trinität sind darum auch nicht im bildlichen Sinne, sondern im allereigentlichsten Sinne Vater und Sohn. Der Vater ist wirklicher Vater in Beziehung auf den Sohn, der Sohn wirklicher Sohn in Beziehung auf den Vater oder auf Gott als Vater. Ihr wesentlicher persönlicher Unterschied besteht nur darin, daß jener der Erzeuger, dieser der Erzeugte ist. Nimmt man diese natürliche, sinnliche Bestimmtheit weg, so hebt man ihre persönliche Existenz und Realität auf. Die Christen, natürlich die alten Christen, welche die verweltlichten, eiteln, heidnischen Christen der modernen Welt wohl schwerlich als ihre Brüder in Christo anerkennen würden, setzten an die Stelle der dem Menschen eingebornen, natürlichen Liebe und Einheit eine nur religiöse Liebe und Einheit; sie verwarfen das wirkliche Familienleben, die innigen Bande der natursittlichen Liebe als ungöttliche, unhimmlische, d. h. in Wahrheit nichtige Dinge. Aber dafür hatten sie zum Ersatz in Gott einen Vater und Sohn, die sich mit innigster Liebe umfingen, mit jener Liebe, welche nur die Naturverwandtschaft einflößt. Das Mysterium der Trinität war eben deswegen für die alten Christen ein Gegenstand der überschwenglichsten Bewunderung, Begeisterung und Entzückung, weil ihnen hier in Gott die Befriedigung der innersten menschlichen Bedürfnisse, welche sie in der Wirklichkeit, im Leben verneinten, Gegenstand der Anschauung war. »Ergötzlich sind für die Betrachtung die Eigenschaften und Gemeinschaft des Vaters und Sohnes, aber das Ergötzlichste ist ihre gegenseitige Liebe.« Anselmus (in Rixners Gesch. d. Phil., II. B., Anh. p. 18).

Ganz in der Ordnung war es daher auch, daß, um die göttliche Familie, den Liebesbund zwischen Vater und Sohn zu ergänzen, noch eine dritte und zwar weibliche Person in den Himmel aufgenommen wurde; denn die Persönlichkeit des heiligen Geistes ist eine zu vage und prekäre, eine zu sichtliche bloß poetische Personifikation der gegenseitigen Liebe des Vaters und Sohns, als daß sie dieses dritte ergänzende Wesen hätte sein können. Die Maria wurde zwar nicht so zwischen den Vater und Sohn hingestellt, als hätte der Vater den Sohn vermittelst derselben erzeugt, weil die Vermischung des Mannes und Weibes den Christen etwas Unheiliges, Sündhaftes war; aber es ist genug, daß das mütterliche Wesen neben Vater und Sohn hingestellt wurde.

Es ist in der Tat nicht abzusehen, warum die Mutter etwas Unheiliges, d. i. Gottes Unwürdiges, sein soll, wenn einmal Gott Vater und Sohn ist. Wenngleich der Vater nicht Vater im Sinne der natürlichen Zeugung, die Zeugung Gottes vielmehr eine andere sein soll, als die natürliche, menschliche, so ist er doch immerhin Vater, wirklicher, nicht sogenannter oder bildlicher Vater in Beziehung auf den Sohn. Und die uns jetzt so befremdliche Komposition der Mutter Gottes ist daher nicht mehr befremdlich oder paradox, als der Sohn Gottes, widerspricht nicht mehr den allgemeinen, abstrakten Bestimmungen der Gottheit, als die Vater- und Sohnschaft. Die Maria paßt vielmehr ganz in die Kategorie der Dreieinigkeitsverhältnisse, da sie ohne Mann den Sohn empfängt, welchen der Vater ohne Weib erzeugt, »Vom Vater ist er immer, von der Mutter einmal geboren, vom Vater ohne Geschlecht, von der Mutter ohne Geschlechtsgebrauch. Bei dem Vater fehlte der Schoß der Empfangenden, bei der Mutter fehlte die Umarmung des Zeugenden.« Augustinus (Serm. ad pop. p. 372 c. 1., Ed. Bened. Antw. 1701). so daß also Maria einen notwendigen, von innen heraus geforderten Gegensatz zum Vater im Schoße der Dreieinigkeit bildet. Auch haben wir ja schon, wenn auch nicht in Person und entwickelt, doch in Gedanken und unentwickelt, das weibliche Prinzip im Sohne. Der Sohn Gottes ist das milde, sanfte, verzeihende, versöhnliche Wesen, das weibliche Gemüt Gottes. Gott als Vater ist nur Zeuger, das Prinzip der männlichen Selbsttätigkeit; aber der Sohn ist gezeugt, ohne selbst zu zeugen, Deus genitus, das leidende, empfangende Wesen: der Sohn empfängt vom Vater sein Sein. Der Sohn ist als Sohn, natürlich nicht als Gott, abhängig vom Vater, der väterlichen Autorität unterworfen. Der Sohn ist also das weibliche Abhängigkeitsgefühl in Gott; der Sohn drängt uns unwillkürlich das Bedürfnis nach einem wirklichen weiblichen Wesen auf. In der jüdischen Mystik ist Gott nach einer Partei ein männliches, der heilige Geist ein weibliches Urwesen, aus deren geschlechtlicher Vermischung der Sohn und mit ihm die Welt entstanden. Gfrörer, Jahrh. d. H., I. Abt., p. 332–334. Auch die Herrnhuter nannten den heiligen Geist die Mutter des Heilands.

Der Sohn – ich meine den natürlichen, menschlichen Sohn – ist an und für sich ein Mittelwesen zwischen dem männlichen Wesen des Vaters und dem weiblichen der Mutter; er ist gleichsam noch halb Mann, halb Weib, indem er noch nicht das volle, rigorose Selbständigkeitsbewußtsein hat, welches den Mann charakterisiert und mehr zur Mutter als zum Vater sich hingezogen fühlt. Die Liebe des Sohnes zur Mutter ist die erste Liebe des männlichen Wesens zum weiblichen. Die Liebe des Mannes zum Weibe, des Jünglings zur Jungfrau empfängt ihre religiöse – ihre einzig wahre religiöse – Weihe in der Liebe des Sohnes zur Mutter. Die Mutterliebe des Sohnes ist die erste Sehnsucht, die erste Demut des Mannes vor dem Weibe.

Notwendig ist daher auch mit dem Gedanken an den Sohn Gottes der Gedanke an die Mutter Gottes verbunden – dasselbe Herz, das eines Sohnes Gottes, bedarf auch einer Mutter Gottes. Wo der Sohn ist, da kann auch die Mutter nicht fehlen, dem Vater ist der Sohn eingeboren, dem Sohne aber die Mutter. Dem Vater ersetzt der Sohn das Bedürfnis der Mutter, aber nicht der Vater dem Sohne. Dem Sohne ist die Mutter unentbehrlich; das Herz des Sohnes ist das Herz der Mutter. Warum wurde denn Gott der Sohn nur im Weibe Mensch? Hätte der Allmächtige nicht auf andere Weise, nicht unmittelbar als Mensch unter den Menschen erscheinen können? Warum begab sich also der Sohn in den Schoß des Weibes? »Denn es wäre Gott nicht schwer oder unmöglich gewesen, seinen Sohn ohne eine Mutter in die Welt zu bringen; er hat aber darzu das weibliche Geschlecht gebrauchen wollen.« Luther (T. II, p. 348). Warum anders, als weil der Sohn die Sehnsucht nach der Mutter ist, weil sein weibliches, liebevolles Herz nur in einem weiblichen Leibe den entsprechenden Ausdruck fand? Zwar weilt der Sohn, als natürlicher Mensch, nur neun Monden lang unter dem Obdach des weiblichen Herzens, aber unauslöschlich sind die Eindrücke, die er hier empfängt; die Mutter kommt dem Sohne nimmer aus dem Sinne und Herzen. Wenn daher die Anbetung des Sohnes Gottes kein Götzendienst, so ist auch die Anbetung der Mutter Gottes kein Götzendienst. Wenn wir daraus die Liebe Gottes zu uns erkennen sollen, daß er seinen eingebornen Sohn, d. h. das Liebste und Teuerste, was er in sich hatte, für uns zum Heile dahingab, so können wir diese Liebe noch weit besser erkennen, wenn uns in Gott ein Mutterherz entgegenschlägt. Die höchste und tiefste Liebe ist die Mutterliebe. Der Vater tröstet sich über den Verlust des Sohnes; er hat ein stoisches Prinzip in sich. Die Mutter dagegen ist untröstlich – die Mutter ist die Schmerzenreiche, aber die Trostlosigkeit die Wahrheit der Liebe. Wo der Glaube an die Mutter Gottes sinkt, da sinkt auch der Glaube an den Sohn Gottes und den Gott Vater. Der Vater ist nur da eine Wahrheit, wo die Mutter eine Wahrheit ist. Die Liebe ist an und für sich weiblichen Geschlechts und Wesens. Der Glaube an die Liebe Gottes ist der Glaube an das weibliche als ein göttliches Wesen. In der Tat ist auch die Frauenliebe die Basis der allgemeinen Liebe. Wer das Weib nicht liebt, liebt den Menschen nicht. Liebe ohne Natur ist ein Unding, ein Phantom. An der Liebe erkennt die heilige Notwendigkeit und Tiefe der Natur!

Der Protestantismus hat die Mutter Gottes auf die Seite gesetzt; Im Konkordienbuch Erklär. Art. 8 und in der Apol. der Augsb. Konf. heißt jedoch noch Maria die »hochgelobte Jungfrau, die wahrhaftig Gottes Mutter und gleichwohl eine Jungfrau blieben ist«, »alles höchsten Lobes wert«. aber das zurückgesetzte Weib hat sich dafür schwer an ihm gerochen. Die Waffen, die er gegen die Mutter Gottes gebraucht, haben sich gegen ihn selbst, gegen den Sohn Gottes, gegen die gesamte Dreieinigkeit gekehrt. Wer einmal die Mutter Gottes dem Verstande aufopfert, der hat nicht mehr weit hin, auch das Mysterium des Sohnes Gottes als einen Anthropomorphismus aufzuopfern. Der Anthropomorphismus wird allerdings versteckt, wenn das weibliche Wesen ausgeschlossen wird, aber nur versteckt, nicht aufgehoben. Freilich hatte der Protestantismus auch kein Bedürfnis nach einem himmlischen Weibe, weil er das irdische Weib mit offnen Armen in sein Herz aufnahm. Aber eben deswegen hätte er auch so konsequent und mutig sein sollen, mit der Mutter auch den Sohn und Vater dahinzugeben. Nur wer keine irdischen Eltern hat, braucht himmlische Eltern. Der dreieinige Gott ist der Gott des Katholizismus; er hat eine innige, inbrünstige, notwendige, wahrhaft religiöse Bedeutung nur im Gegensatze zur Verneinung aller wesenhaften Bande, im Gegensatze zum Anachoreten-, Mönchs- und Nonnenwesen. »Der Mönch sei wie Melchisedech ohne Vater, ohne Mutter, ohne Genealogie, und nenne niemand auf Erden seinen Vater. Vielmehr denke er so von sich, als wäre nur er allein und Gott.« Specul. Monach. (Pseudo-Bernhard.) »Melchisedechs Beispiel zufolge soll der Priester gleichsam ohne Vater und Mutter sein.« Ambrosius (irgendwo). Der dreieinige Gott ist ein inhaltsvoller Gott, deswegen da ein Bedürfnis, wo von dem Inhalt des wirklichen Lebens abstrahiert wird. Je leerer das Leben, desto voller, desto konkreter ist Gott. Die Entleerung der wirklichen Welt und die Erfüllung der Gottheit ist ein Akt. Nur der arme Mensch hat einen reichen Gott. Gott entspringt aus dem Gefühl eines Mangels; was der Mensch vermißt – sei dieses nun ein bestimmtes, darum bewußtes oder unbewußtes Vermissen – das ist Gott. So bedarf das trostlose Gefühl der Leere und Einsamkeit einen Gott, in dem Gesellschaft, ein Verein sich innigst liebender Wesen ist.

Hierin haben wir den wahren Erklärungsgrund, warum die Trinität in der neuern Zeit zuerst ihre praktische und endlich auch ihre theoretische Bedeutung verlor.


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