Heinrich Federer
Jungfer Therese
Heinrich Federer

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

6

Schön und leicht wie ein Schmetterling schwebte das Kaplanenleben tief in den Sommer hinein. Johannes hatte noch keinen Sarg, aber schon zwei allerliebste Windelkinder gesehen und selber über eines der staunenden, roten Weltbürgerköpflein, etwas ungeschickt zwar, das kühle Taufwasser gegossen. Das Büblein hielt ruhig her und schrie nicht einmal, als ihm ein scharfer Spritzer über Nase und Mäulchen schoß. »Das sind eben Lachweiler!« brummte die Hebamme großartig. »Die weinen doch nicht wegen einer Kleinigkeit. Die Mägdlein noch weniger als die Bübchen.«

Nur wenn eines der vielen sommerlichen Gewitter gegen Abend von der Ebene heraufzog und die Hügel und Berge in einen dunklen, goldblitzenden Königsmantel hüllte, aus dem die Donner flogen und den Wind und Wolkenbruch gewaltig auf- und niederrauschen machten, bis er in wilde Bettlerfetzen zerriß: dann fackelte Johannes im krachenden und zitternden Giebelhaus von einer Kammer in die andere, wie ein herumgescheuchter, erschreckter Vogel, prallte vor den gekreuzten Blitzen vom Fenster zurück in die Ecke und sprang beim Gepolter der Donnerschläge wieder ans Fenster. Dann glaubte er, daß auch so ein Idyll wie Lachweiler seine ernsten, sozusagen tragischen Seiten habe.

Therese saß indessen ruhig auf ihrem Sessel, bekreuzte sich, wenn ein gar zu breiter Blitz in die Stube lachte, und strickte beharrlich an einem Paar Winterstrümpfe weiter. Mochte es krachen, sie verzählte keine Masche!

»Kommen Sie ans Fenster,« sagte sie endlich, als der Zorn da draußen immer lauter wurde, »und beten Sie den Wettersegen vor! Das wirkt besser als Herumrennen. Da ist das Weihwasser und die Stola . . . nur ganz ans Gesimse! Sie werden sich doch in der Stola nicht vor dem Blitzen fürchten.«

»Vor Blitz und Ungewitter!« begann der Kaplan.

»Libera nos, Domine!« wetterte die Jungfer mit einem so gewaltigen Latein in das Tosen hinaus, daß Blitz und Donner erstaunt aufhorchten, wer ihnen da so mächtig das Maul unterbinde, und sich dann langsam und knurrend wie geschlagene Hunde in die Berge verkrochen.

»Sie haben mir doch gesagt, wie Sie die Majestät des Gewitters, oder wie Sie' s nannten, so sehr lieben,« meinte Therese zum Kaplan, als der erste Sonnenschein wieder durch den verstürmten Himmel in die dunkle Stube zwinkerte.

»Von weitem, Therese, hab' ich doch gesagt, ganz von weitem.«

»Aha,« nörgelte die Jungfer lustig fort. »Sie würden wohl auch am liebsten so ganz von weitem . . . sterben.«

»Jungfer Legli, Sie reden ungehörig mit mir . . . Sie . . .«

»Chchchch!« kicherte das borstige Fräulein. »Ich spaße doch nur. Aber Sie sehen ja ganz blau und verfroren aus. Jetzt müssen Sie mir gleich einen heißen Tee trinken.«

Mit einem chinesischen Tee, das Päcklein zu vierzig Rappen, aus dem Laden der Frau Martha Ilsig, wurde das Gewitter gütlich abgeschlossen.

*           *
*

Eines Tages fragten ein paar Buben und Mädchen den Kaplan, ob er mit auf den Melzberg komme. Die Mädchen wollten kränzen; aber die Knaben zeigten ihm einen Platz, wo Frauenschühlein wachsen und man eine Fuchshöhle sieht.

Die Frauenschühlein reizten Johannes nicht. Sie rochen zu sehr nach etwas wie Pantoffel. Aber die Schlauheiten des Meisters Reineke möchte er ansehen.

So rannte er mit den Kindern bis zur Erschöpfung bergauf. Die seltenen Blumen waren leider schon verblüht, und Holzhacker hatten den Fuchsbau ausgeräuchert, zugestopft und festgestampft. Schwitzend und schnaufend ließ sich Johannes ins trockene Waldlaub nieder. Etwas tiefer im Forst sammelten die Mädchen Reiser der berühmten Eibe. Man hörte sie ferne durch die Bäume mit ihren hohen Stimmen zwitschern. Die Buben dagegen balgten sich, wobei das Spiel immer halber Ernst wurde. Endlich gebot einer, der Theodor Walomer hieß und alle um einen frechen, wilden Kopf überragte, man möge jetzt Räuberlis machen. Es war der Sohn des vermöglichen Walomerbauern, schlank und biegsam gebaut, blühend von Übermut und Schelmerei über das ganze purpurne Gesicht mit den aufgeworfenen dunkeln Lippen und der kurzen Stupfnase. Er ernannte sich höchsteigen zum Hauptmann und las seine Gesellen nach Willkür aus. Der Gegner wurde entsetzlich herumgehetzt, aus den Büschen geklopft, von den Ästen heruntergezerrt und mit Schnüren fest an die Stämme gebunden. Nun erschien der Walomer mit gezückter Haselgerte, um Gericht über die Strolche zu halten. Einer bekam fünf, einer acht oder zwölf Hiebe, wie es dem jungen Despoten gerade beliebte. Die zwei ersten und zwei letzten Schläge teilte er selber aus, und die waren am meisten gefürchtet. Zur übrigen Exekution lehnte er sich an einen Baum, schlug die Beine übereinander und gab kaltblütig den Takt an . . . drei . . . vier . . . stärker! . . . fünf . . . sechs . . .

»Das geht zu weit,« rief Johannes erregt ins Spiel. Alles Herrische machte ihn beim Zuschauen schier krank. »Ihr haut zu stark. Das ist nicht mehr Spiel. Das tut weh!«

»O,« sagte Theodor Walomer lachend und hieb rasch einem Gefangenen noch eins auf die nackten Füße, »die sind jetzt unsere Sklaven geworden. Die müssen das aushalten. Ich kann's auch . . . Da nehmen Sie die Rute! hauen Sie mal zu! . . . nur frisch! . . . ich tu' keinen Schrei. Sie dürfen schlagen, so lang Sie wollen.«

»Es tut auch uns nichts! He, Walomer, hau zu!« riefen einige Gebundene, stolz wie Helden des alten Rom.

»Aber ich will mich loskaufen, Thedi . . . sag', was muß ich zahlen?« verlangte ein blauäugiger Junge mit bleichem, gütigem Gesichtlein.

»Jawohl, Thedi, bind' den Wenzel los!« schrien die Freien und Gefesselten alle. »Der muß uns dafür eine Geschichte erzählen.«

»Willst du?« fragte Theodor und stand vor den Kleinen hin. »Sogleich eine Geschichte? aber eine schöne?«

»Ja, ich erzähle . . .«

Theodor nestelte ihn los, aber langsam und so, daß es schmerzte.

»Aber eine Geschichte für Buben, für mich, verstanden!« drohte er. »Nicht etwas so Dummes und Langweiliges. Es darf kein Meitli darin vorkommen und kein Spinnrad und kein Star, der sagt: Guttag! aber ein Leu oder Stier . . .«

»Sicher!«

»Schwör'!«

»Auf Ehr' und Seligkeit!«

»Halt da!« schimpfte der Kaplan schon zu spät. »Ich will euch schwören . . . wegen so was!«

»Mach' doch flink den Knopf auf,« flehte Wenzel. »Er drückt heillos.«

»Drückt er?« fragte der Walomer zufrieden und dem Büblein heiß ins Gesicht redend. »Eigentlich sollte ich dich noch ein bißchen martern. Der Lehrer hat mir am Morgen vier Tatzen geschmiert . . . nur für eine Dummheit . . .«

»Was kann ich dafür?«

»Aber er ist dein Vater.«

»Das war großartig, Thedi,« rühmte Josefli Ilsig.

»Vier Tatzen . . . weil ich ihm einen Hummel in die Schnupfdose gesperrt hab' . . . brrr!« Er ahmte das Gesurre nach.

Alle lachten.

»Wie der Kerl herausschoß . . . habt ihr's gesehen? voll Schnupftabak! Der faxt und schneuzt jetzt noch in der Luft herum.«

»Jetzt laß' aber den Wenzel los!« bat der Krämersbub Ilsig.

»Also eine schöne Geschichte von Rittern und Räubern oder Leuen und Stierbändigern, so etwas! Hageldonner, den Knopf bring' ich nicht auf. Wart'!« . . . Der Schlingel kniete nieder und biß mit seinen weißen Schaufelzähnen das zähe Geknote wie eine Katze auf. Dann steckte er den Kopf zwischen Wenzels Beine, hob ihn auf die Achsel und rief: »Herr Kaplan, kommen Sie! Es gibt eine Geschichte von Wenzel! Das müssen Sie hören.«

Vor dem Wäldchen, noch halb in seinem blauen Schatten, mit dem Blick aufs Dorf am Fuße und auf seine weiten Äcker und Wiesen ringsum, stellte Theodor den Lehrerssohn ab. Man setzte sich im Kreise ins Gras und alles ward sogleich mäuschenstill.

»Sie können doch auch Geschichten erzählen,« fragte Wenzel schüchtern zum Kaplan herauf. »Mein Vater sagt, Sie seien ein . . . ein . . . ach wie . . .«

»Ein Dichter!« machte Theodor geringschätzig und blies die Luft aus den Nasenlöchern. »Was ist denn das?«

»Einer, der Gedichte und Märchen macht,« sagte der viel dümmere und jüngere Wenzel.

»Dann,« befahl der Walomer respektvoll, »muß uns der Kaplan nachher auch etwas Feines erzählen.«

»Nein, lieber vor mir, gerade jetzt!« bat Wenzel.

Dem Johannes war aufgefallen, daß die Buben, die gebunden und geschlagen hatten, zu den vermöglichern, und alle, die gebunden und geschlagen worden waren, zu den dürftigern Familien gehörten. Regierte etwa auch in diesem weltverlorenen Nest wie draußen in der lauten Stadt- und Staatsgeschichte jenes grausame Gesetz: daß Kraft und Habe und Schönheit alles mit Füßen treten dürfen, was nicht so stark und reich und glänzend ist? Da gab es eine soziale Aufgabe.

»Es war einmal,« begann der Kaplan sogleich, »in unserem lieben Vaterland ein schlimmes Regiment. Die Herren in der Stadt und auf den Schlössern regierten wie sieben Kaiser. Die Bauern waren gerade recht, um zu steuern oder den Katzenbuckel zu machen und, wenn ein Junkerlein des Weges kam, ihm schier die Hände unter die Stiefel zu legen.«

»Hat das ein einziger Bauer getan?« fragte Theodor, und eine zornige Röte stieg ihm bis tief in den Hals hinunter.

»Viele, und dennoch regnete es Bußen und Gerichte.«

»Aber ich hätte es nicht getan.«

»Ich auch nicht!« schrie Wenzel.

»Du?« höhnte Theodor. »Ja du, der nicht einmal meine Rute aushält!«

»Thedi, gib acht . . . die Mädchen!« rief man.

Wirklich, von allen Seiten kamen die Zöpfe langsam zwischen den Stämmen hervor. Sie flüsterten miteinander, zeigten auf Wenzel und den Kaplan: Geschichtlein, juhe! Märchen! – aber sie trippelten wie zaghafte Vögel nicht ganz herzu. Da wird für andere Samen gestreut. Doch picken sie vielleicht wenigstens ein paar süße Kerne auf.

»Weg da! allo! weg!« kommandiert Theodor und stäupt sie zurück. »Das geht euch nichts an, das sind Bubengeschichten. Ää gix, ihr Hosenschmecker!«

»Hosenschmecker, Hosenschmecker, gix gax!« spotteten die Buben.

Nun ja, dachte der Kaplan, den Buben gilt's und vorab dem Frechian da. Wart' nur, Schlingel! Und er fuhr fort:

»Zuletzt sagten die Bauern im Entlebuch . . . wisset wohl, das sind Bauern, die am besten hosenlüpfeln und die schwersten Käse machen . . . sagten zueinander: So eine Not kann ein Mensch aus Fleisch und Bein nicht mehr aushalten. Wir wollen sterben oder leben wie alte Schweizermenschen. Brüder sind wir alle . . .«

»Bravo!« Theodor schlang kameradschaftlich den Arm rechts und links um seine beiden Nachbarn. »Und?«

»Aber man speiste sie ab, zuerst mit süßen Wörtlein und dann mit ganzen Klötzen von Schimpf und Grobheit. Da kam es zum Krieg.«

»Bravo. bravissimo!« Der Walomer zappelte vor Freude vom Fuß bis zum Haarwirbel.

»Du lachst mir zu früh, Bub. Die Herren hatten famose Offiziere und gedrillte Soldaten und schwere Kanonen, Proviant in Fülle und eine saubere Feldordnung. Aber die Bauern hatten nur ihren schönen Mut und alte rostige Hellebarden.«

»Das ist genug,« erklärte Theodor.

»Zuwenig, viel zuwenig.«

»Thedi, Thedi!« warnten die Knaben und zeigten wieder in den Wald.

Wütend sprang der Bursche auf, schwang die Gerte und stürmte auf die herbeigeschlichenen Mädchen los. Ein vielstimmiger Schrei halb vor Schreck, halb vor Freud' und Neckerei erscholl. Dann sah man die goldenen Zöpfe zwischen dunkeln Tannennadeln noch einen Augenblick sich hin und her ringeln wie flinke Schlänglein und spurlos verschlüpfen.

»Ist er denn so ein Mädchenhasser?« fragte Johannes lächelnd, »dieser Wildfang?«

»Oho . . . das Elschen Heireli! und die Agnes Götsch!« spitzbübelten gleich ein paar Jungens.

»Der ist gerade der Rechte!« rief der Zweitkläßler Wenzel. »Er tut nur so . . . wenn wir dabei sind. Aber wenn eine Reihe Meitli am Sonntag bei der Walomermatte vorbeispazieren und singen: ›Rose Rose Meije‹, dann klettert er ihnen auf den Chriesbaum und wirft ihnen den Hut voll Kirschen herunter und zuletzt hockt er zu ihnen und schnappt ihnen die schönste Kirsch' vom Maul, und sie malen ihn dafür blau und rot, und er lacht nur und . . . st! . . . st! . . . er kommt.«

»Denen hab' ich Beine gemacht, hui!« schrie Theodor und warf sich wildschnaufend und feuerheiß der Länge nach auf den Boden. Er hatte einen Erdbeerstengel mit herrlicher Beere zwischen den Lippen. »Ihr habt doch gewartet, Herr Kaplan! . . . bei den Kanonen und Hellebarden seid Ihr geblieben. Wär' ich dabei gewesen, zum Donnerwetter!«

»Wenn du dabei gewesen wärest,« sagte Johannes so kräftig er mit seiner schwachen Stimme konnte, »dann hättest du es haargenau gemacht wie die anderen reichen Bauern. Du wärest zu den Herren hinübergelaufen.«

»Kaplan! Herr Kaplan!« brauste der vierzehnjährige Bursche auf und schoß wie eine schöne Natter zischend und kerzengerade vom Boden empor.

»Das hätte Theodor nicht getan,« murmelten die anderen. Nur einer wußte es besser, der kluge Lehrerssohn Wenzel, dieser kleine Beobachter, der das zweite Jahr in der gleichen Klasse saß und immer noch nicht gedruckte Bücher, aber schon großartig Menschen und Menschengeschichten lesen konnte. Er merkte fein, wohin der Kaplan steuerte.

»Halt, Theodor!« gebot Johannes jetzt stramm. »Du mußt mich fertig hören. Dreimal sind die Bauern geschlagen worden. Den vornehmen Bauern riefen die Herren zu: ›Kommt zu uns! ihr habt ja auch Rosse und Seidenkleider und einen Degen. Und ihr versteht das Regieren. Halb gehört ihr schon zu uns. Kommt also!‹ So lockten und pfiffen sie, und zwischen jeder Schlacht sind ein Schock stolzer Hofbauern zu den Junkern gegangen.«

Tief aus dem Tannengrund tauchten wieder Schürzenzipfel und Zopfschwänze auf. Aber der Walomer sah in seinem purpurnen Zorne nichts mehr. Er schämte sich glühend für jene Elenden. Seine gespaltene Unterlippe fing an zu bluten.

»Als nun der letzte Sieg erfochten war, wurden viele Bauern eingetürmt und gestreckt und geköpft. Aber die ganz reichen und nobeln Bauern hatten sich zeitig gerettet oder sie schmierten und salbten die Herren mit Gulden und Talern und kamen heil davon. Aber die andern, die kleinen, die armen Bauern, die vielen, vielen, die haben nicht Geld, die haben ihr schönes, warmes, heldenmäßiges Blut gegeben. Wer hat mehr gezahlt?«

»Die Kleinen, die Armen, die da!« schrie es eifrig durcheinander.

»Ich hätte auch mit Blut gezahlt,« rief Theodor hitzig und wischte sich die tropfende Lippe ab. »Seht da,« versuchte er zu spaßen, »ich blute ja schon.« Aber der Ton versagte. Er konnte nicht mehr lachen. Ein heißer Schmerz brannte in seinen reinen, aber trockenen Kinderaugen. Daß der Kaplan ihn für einen solchen Verräter halten konnte! Er ballte beide Fäuste hoch auf.

»Ich sehe, daß du hier nur kommandieren und züchtigen willst. Alle sollen sich vor dir bücken . . . Hast du nun das Zeug zum Befreien?«

Der Walomer stutzte, die Fäuste fielen nieder.

»Herr Kaplan, Herr Kaplan,« setzten aber jetzt ringsum die Rangen ein, »das ist nicht wahr. Ihr kennt den Thedi nicht. Wir mögen ihn gern.«

»Am liebsten!« läutete ein silberhohes Stimmlein. Das gehörte keinem Knaben. Gewiß nicht!

»Er hilft uns immer gegen die großen Buben.«

»Und gegen den Bärklauihund, den Dogghund, wißt!«

»Und verteilt uns immer, wenn er was hat.«

»Macht uns alles vor.«

»Nimmt Nesseln in die Hand . . .«

Johannes staunte in diese vielen kleinen Advokaten hinein. Theodor stand steif und wortlos da und tat kein Ja oder Nein dazu.

»Und diesen Kranz haben wir ihm gemacht,« klingelte es aus dem gleichen Mündchen hinter dem nächsten Baum hervor, und ein zierliches Händchen warf geschickt einen runden Reifen von Tannenzweiglein dem stolzen Buben über den Kopf.

»Ihr Hosenschmecker . . . ihr Zungenstrecker . . . ihr . . . ihr dumme Bande,« tobte der Walomer und schleuderte das Kränzlein weit weg. »Jetzt sind die verflixten Ratschen doch wieder alle da und haben die Geschichte auch gehört. Immer lauft ihr uns nach, gerad wie mein Bary. Ich will euch! He, Walter, Sepp, Köbi, auf sie los, allo!«

Zum zweitenmal versank die kleine, zappelige, süße Weiblichkeit vor dem schönen Wüterich im Gehölz.

»Nun erzähl' aber du eine Geschichte, Wenzel! aber eine andere,« bat Theodor aus den Bäumen zurückspringend. »Die Gofen kommen jetzt sicher nicht mehr. Da, das ist für dich.« Er steckte ihm die Prachtsbeere in den Mund.

Johannes zweifelte, ob er da noch einen Lorbeer auflese, und suchte darum die verscheuchten Kinder zusammen. Langsam stieg er mit ihnen zum Dorf hinunter.

»Theodor hat uns Heubirnen versprochen, wenn wir wegbleiben,« verschnabelten sich diese Zeisige. »Sie sind nächste Woche schon mürbe. Aber sagen Sie ihm nichts! Er ist wild über Euch, Herr Kaplan. Eure Geschichten gefallen ihm nicht.«

»Das glaub' ich.«

»Er hat gesagt, einer müsse doch regieren. Das sei er. Er kann es aber auch am besten. Die Buben wollen immer ihn zum König. Sonst ist Streit. Und keine Ordnung. Das versteht der Kaplan nicht, meint er. Aber Euere Köchin schon. Vor der hat er heillosen Respekt.«

»Hat er denn schon mit Therese Händel gekriegt?«

»Gestern in der Pause hat er seinen Bary auf Euere Katze gehetzt. Da hat ihm Euere Jungfer Köchin so eine Ohrfeige gegeben, daß der Thedi und der Bary mitsammen davongeheult sind . . . Aber jetzt noch etwas,« baten die Mädchen mit Schmeicheln und evasüßem Augenverdrehen; »wir haben da Kränze gemacht. Dürfen wir sie in Ihrem Gartenschopf am Bach verbergen, daß sie frisch bleiben? Wir wollen . . . für . . . wegen dem Pfarrer . . . nein, wir dürfen's nicht sagen . . . wir sollten . . .«

»Still, still! Ich will keine Silbe wissen. Bringt die Kränze nur alle. Die Therese soll sie wässern, bis ihr sie braucht.«


 << zurück weiter >>