Gustav Theodor Fechner
Die Tagesansicht gegenüber der Nachtansicht
Gustav Theodor Fechner

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XVII. Das Kausalgesetz oder KausalprinzipDieser Abschnitt begegnet sich in den wesentlichen Gesichtspunkten mit einem früheren Aufsatze "Über das Kausalgesetz" in den Ber. d. königl. sächs. Soz. 1849. S. 98 ff..

(Allgemeineres. Der Begriff der Kraft und die Erfahrungsschlüsse.)

Obwohl das Kausalgesetz oder KausalprinzipLetzterer Ausdruck bezeichnet den allgemeinen Gesichtspunkt, um den sich’s hier handeln wird, vielleicht besser als der erste. nicht minder das geistige als materielle oder Naturgebiet angeht, soll es doch hier zunächst und hauptsächlich in bezug auf letzteres betrachtet und dabei zu bestimmterem Anhalt für die Vorstellung der Ausgang von den, in der exakten Naturwissenschaft angenommenen, Grundbestimmungen der materiellen Welt genommen werden, ohne das Kausalgesetz prinzipiell daran gebunden zu erklären, da vielmehr das Umgekehrte gilt.

Der innere Zustand eines materiellen Systems ist in jedem Augenblicke bestimmt: erstens durch die Ausdehnung, Gestalt, Dichtigkeit und etwa noch dazu anzunehmende Qualität der letzten Teile, bis zu denen zurückzugehen man Anlaß finden kann, was wir kurz als Beschaffenheit dieser Teile zusammenfassen, zweitens durch die relative Entfernung und Lage derselben bezüglich einander, was wir kurz als Anordnung derselben bezeichnen, drittens durch ihren relativen Bewegungszustand, d. i. Richtung, Geschwindigkeit und Beschleunigungszustand ihrer Bewegung gegeneinander; relative Bewegung aber besteht im Übergange aus einem in ein andres Anordnungsverhältnis. Die Gesamtheit dieser dreierlei Bestimmungsmomente des inneren Zustandes fassen wir kurz als innere Umstände oder innere Verhältnisse des Systems zusammen; indes wir als äußere Umstände, äußere Verhältnisse eines materiellen Systems die entsprechenden Bestimmungsmomente der materiellen Welt außerhalb desselben, mit Inbegriff ihrer Relationen zu demselben, betrachten. Für die ganze materielle Welt gibt es natürlich bloß innere Umstände, für jedes endliche System und jeden endlichen Teil eines Systems sowohl innere als äußere Umstände. Solange man nun überhaupt bloß bis zu Teilen von endlicher Größe zurückgeht, läßt sich als möglich denken, daß alle Beschaffenheitsunterschiede derselben in Ausdehnung, Gestalt, Dichtigkeit abhängen von Unterschieden in den Distanz- und Anordnungsverhältnissen noch kleinerer in letzter Instanz einfacher, gleichartiger punktueller Teilchen, woraus sie sich zusammensetzen, die wohl einen Ort im Raum, aber keine räumliche Ausdehnung, keine verschiedene Dichtigkeit haben, und daß sich selbst die verschiedenen Grundqualitäten der Materie hierdurch eliminieren lassen. Damit wäre jedenfalls eine große prinzipielle Vereinfachung der Naturbetrachtung gegeben. Nun ist man noch nicht soweit in der Naturerkenntnis, um die Frage einer solchen Zurückführbarkeit vollgültig entscheiden zu können; doch scheint die Naturforschung mehr und mehr zu dieser Vereinfachung zu neigen. Unter Voraussetzung derselben würde bezüglich der letzten Atome bloß noch von äußeren Umständen zu sprechen sein, und würden die sog. einfachen chemischen Grundstoffe, die man gegenwärtig noch unterscheidet, ihren Unterschied bloß daher haben, daß die überall gleichartigen einfachen Atome in ihnen zu Molekülen von verschiedener Zahl und Gruppierung, möglicherweise auch verschiedenem Bewegungszustande, ihrer einfachen Elemente zusammengetreten sind. Die ponderabeln Körper wären bloß Zusammenballungen derselben Materie, aus welchen der Äther besteht, die verschiedenen Imponderabilien beruhten bloß auf verschiedenen Bewegungszuständen dieses Äthers, und für zwei Elektrizitäten hätte man nur eine. Auch wäre schon mit Zurückführung auf nur zwei differente Qualitäten der Materie, wie sich solche im Gegensatz der Elektrizitäten auszusprechen scheinen, eine große Vereinfachung erzielt, worauf eine scharfsinnige neuere Untersuchung von Zöllner führt.

Für die folgenden allgemeinen Betrachtungen jedoch kann überhaupt die ganze Frage nach der Möglichkeit und Grenze solcher Vereinfachung dahingestellt bleiben. Welcherlei Grundbestimmungen man auch nötig finden mag, der Materie zur Repräsentation der davon abhängigen Erscheinungen beizulegen, nicht nur bleibt das im folgenden zu betrachtende Kausalgesetz oder Kausalprinzip von diesen Unterschieden unbetroffen, sondern ist auch in letzter Instanz selbst als maßgebend für das, was man von Grundbestimmungen der Materie festzuhalten hat, anzusehen. Indem es sich nämlich an Bestimmungen, die man unzweifelhaft festzuhalten hat, bestätigt, hat man bei zweifelhaften Bestimmungen zuzusehen, wie solche angenommen werden müssen, damit auch hier eine Bestätigung des Gesetzes herauskomme.

Aber wenden wir uns nach diesen Betrachtungen, die erklärtermaßen bloß dienen sollten, der Vorstellung der Verhältnisse, auf die das Kausalgesetz anzuwenden, einen bestimmten Anhalt zu geben, zur Betrachtung des Gesetzes selbst.

Im allgemeinen ändern sich die Umstände, Verhältnisse in der Welt und folgen auf die jeweilig gegebenen andre in Abhängigkeit von den gegebenen. Insofern man nun von einer allgemeinen Gesetzlichkeit dieser Abhängigkeit durch die ganze Natur, hiermit einem allgemeinen Kausalgesetze sprechen will, hat man vorauszusetzen, daß, wann und wo auch dieselben materiellen Umstände, Verhältnisse wiederkehren, dieselben Erfolge wiederkehren; denn, folgten das einemal andre als das andremal, so wäre es nach allgemein gültigem Gebrauch des Gesetzesbegriffes eben kein Gesetz oder wäre ein Bruch des Gesetzes. Kurz jene Voraussetzung liegt im Begriffe der Gesetzlichkeit selbst, oder begründet das Prinzip derselben. Ob freilich der Begriff, das Prinzip verwirklicht ist, ob eine allgemeine Naturgesetzlichkeit in solchem Sinne wirklich besteht, kann durch die Aufstellung des Begriffes oder Prinzips derselben nicht entschieden werden, sondern bedarf der Erfahrung.

Nun lassen sich freilich absolut gleiche innere und äußere Verhältnisse für ein materielles System überhaupt nicht wieder herstellen, noch treten solche von selbst im Naturlauf wieder ein; aber man findet doch, daß, je mehr sich die vorausgehenden Verhältnisse der Gleichheit nähern, um so gleicher die Erfolge ausfallen, so daß man schließen kann, wenn die Gleichheit der vorausgehenden Umstände vollständig wäre, würde es auch die Gleichheit der Erfolge sein. Dabei kommt der Bewährbarkeit zustatten, ja im Grunde wird solche nur dadurch möglich, daß auf die Erfolge, welche in einem gegebenen Bezirke stattfinden, der Einfluß darüber hinaus liegender Teile um so mehr verschwindet, also auch um so mehr vernachlässigt werden kann, je entfernter sie sind, wie sich in der Abnahme der Gravitation mit der Entfernung und dem Unmerklichwerden der Molekularkräfte über merkliche Entfernungen hinaus beweist. Mag nun auch wegen des, absolut genommen doch nie ganz verschwindenden, Einflusses entfernter Teile und der Unmöglichkeit, überhaupt vollkommen gleiche Umstände in der Erfahrung wiederherzustellen, die Annahme einer allgemeinen Naturgesetzlichkeit im obigen Sinne immer eine Hypothese bleiben, so nimmt doch der Naturforscher diese Hypothese an, weil er sie um so mehr bestätigt findet, je gründlicher er sie an Fällen verfolgt, die sich der Gleichheit möglichst nähern, und weil sie ihn zu Schlüssen befähigt, die sich wieder in der Erfahrung bestätigen, soweit ein Verfolg in derselben, möglich ist.

Als Korrelat zu dem Gesetze, daß, wann und wo auch dieselben Umstände wiederkehren, dieselben Erfolge wiederkehren, sozusagen als zweite Seite des allgemeinsten Gesetzes, kann man den Satz aufstellen, daß, wann und wo auch verschiedene Umstände, Bedingungen auftreten, verschiedene Erfolge eintreten. In der Tat gilt betreffs der Bewährbarkeit und des übrigbleibenden hypothetischen Charakters dieser zweiten Seite des Gesetzes dasselbe als von der ersten Seite.

Oft freilich kann es scheinen, daß aus gleichen Umständen verschiedene Folgen oder aus verschiedenen Umständen gleiche Folgen hervorgehen; allein immer wird man dann entweder nachweisen oder nach der Sachlage als möglich denken können, daß uns von den vorausgehenden oder Folgebestimmungen etwas entgangen oder von uns vernachlässigst ist, bei dessen Zuziehung sich das Gesetz bestätigt zeigen würde. So führt der Fall eines Steins aus verschiedenen Höhen immer zum gleichen Erfolge des Anlangens auf dem Erdboden, was scheinbar gegen die zweite Seite des Gesetzes spricht; aber er trifft mit verschiedener Geschwindigkeit auf und erschüttert den Boden mit verschiedener Kraft. Jedenfalls hat sich das Gesetz nach beiden Seiten in den der Beobachtung und Beurteilung zugänglichsten Fällen soweit bestätigt, daß man nun umgekehrt von gleichen oder ungleichen Folgen aus gleiche oder ungleiche Ursachen zurückschließt, und wie schon oben berührt, sogar die Grundfrage danach zu entscheiden hat und wirklich zu entscheiden sucht, ob man mit Annahme einer überall gleichen Grundmaterie in verschiedenem Anordnungs- und Bewegungszustande auskommt. Es könnte ja z. B. sein, daß man die Anordnungs- und Bewegungsverhältnisse selbst der letzten Teile, bis zu denen im Denken zurückzugehen, in zwei Fällen als gleich anzusehen Grund hätte, doch aber verschiedene Erfolge daraus hervorgehend fände, dann müßte man noch einen Unterschied in der Dichtigkeit oder Qualität der Teile beidesfalls annehmen.

Die den gesetzlichen Erfolgen vorausgehenden Umstände oder Verhältnisse bezeichnet man als ursächliche oder als Bedingungen der Erfolge, die Erfolge selbst als deren Wirkungen; man hypostasiert die gesetzliche Beziehung zwischen Ursache und Wirkung im Begriffe einer Kraft, vermöge deren die Ursache ihre Wirkung hervortreibt, und charakterisiert die Kraft qualitativ oder formal durch das Gesetz, was angibt, welcherlei Folge aus den Umständen hervorgeht, auf die sich das Gesetz bezieht, z. B. ob Anziehung oder Abstoßung, quantitativ durch die aus der gesetzlichen Beziehung folgende Größe der positiven oder negativen Beschleunigung, welche die materiellen Teile erfahren.

Kurz kann man mit scheinbarer Umgehung des Gesetzesbegriffes sagen: Kraft ist die Beziehung, vermöge deren eins aus dem andern, nicht bloß nach dem andern folgt. Aber wodurch unterscheidet sich das "aus dem andern" vom bloßen "nach dem andern?" Nur eben dadurch, daß, was hier und einmal daraus folgt, überall und immer, d. h. gesetzlich daraus folgt. So kommt man im Versuch letzter Klärung des Begriffes der Kraft doch auf die Bezugnahme zum Gesetzesbegriffe zurück. Nicht anders bei folgender, von mir vorgefundenen, Erklärung und ähnlichen, die man wohl sonst findet: "Wirkungen sind nur solche an einem Dinge erscheinende Veränderungen, welche nicht stattgefunden hätten ohne die Gegenwart eines andern Dinges", und Kraft "der nexus zwischen beiden Dingen, welcher die Wirkungsfähigkeit ausmacht". Aber daß gegebene Veränderungen eines Dinges nicht ohne Gegenwart eines gegebenen andern stattfinden können, ist wieder nur insofern anzunehmen, als immer und überall aus denselben Verhältnissen beider Dinge (Gleichheit oder Fehlen äußerer mitbedingender Umstände dabei vorausgesetzt) dieselben Veränderungen folgen würden. Wo sich der Eintritt der Veränderungen an einem Dinge bei Dasein eines andern Dinges nicht diesem Gesetze unterordnen läßt, kann man sie auch nicht als Wirkungen vom Dasein des andern Dinges abhängig machen.

Nun kann man allerdings sagen: Die Befolgung eines Gesetzes beweist zwar, daß etwas aus dem andern folgt, und beweist hiermit das Dasein einer Kraft, von welcher die Auseinanderfolge abhängt, aber der Begriff des Gesetzes hat doch an sich selbst nichts mit dem Begriffe der Vermittlung der Auseinanderfolge und hiermit der Kraft zu schaffen; statt also die Kraft als eine Betätigung des Gesetzes zu fassen, hat man das Gesetz als eine Bestimmung der Kraft zu fassen. Nur fragt sich dann, wie das Gesetz dazu kommt, ein Beweismittel für das Dasein einer Kraft und charakteristisch für deren Wirkungsweise zu sein. Gleichviel jedoch, wie man sich das Verhältnis zwischen Gesetz und Kraft begrifflich zurechtlegen will, fachlich bleiben Gesetz und Kraft durch eine mehr als bloß unwesentliche Beziehung aneinander hängen; und tritt faktisch für den Physiker der Begriff der Kraft nur als Hilfsbegriff für Darstellung der Gesetze der Bewegung auf.

Die Materie selbst aus Kräften zusammengesetzt zu denken, wie von manchen Philosophen geschieht, hat für den Naturforscher keinen klaren Sinn, und ich wüßte nicht, für wen sie überhaupt einen solchen hätte. Um einen klaren Begriff von Kräften im Gebiete materiellen Geschehens zu haben, muß man etwas räumlich Lokalisiertes, was man Materie nennt, schon voraussetzen; daran äußern sich klar definierbare Kräfte in klar angebbarer Weise und damit weiß der Physiker etwas zu schaffen. Kräfte, aus denen oder durch welche das räumlich Lokalisierte selbst erst entstehen soll, haben mit diesen keinen verfolgbaren Zusammenhang, noch läßt sich ihnen überhaupt eine klare Vorstellung abgewinnen. Will man von Schöpfung der Materie sprechen, so hat man sie doch nicht mit Bewegung der Materie zu verwechseln, also auch nicht Schöpfungskräfte, wenn sich überhaupt von solchen sprechen ließe, mit Bewegungskräften. Ebenso unklar ist die Identifizierung von Kraft und Stoff, worauf sich manche etwas zugute tun, ohne etwas Gutes damit zu tun.

Man sagt etwa: wir nehmen die Materie doch nur durch Kräfte, welche sie auf unsre Sinne äußert, wahr, also sind es im Grunde Kräfte, die wir als Materie wahrnehmen oder als solche deuten. Aber das ist unrichtig. Was wir unmittelbar als Materie deuten, sind vielmehr Tastempfindungen, Gesichtsempfindungen, welche uns in unserm Anschauungsgebiete lokalisiert erscheinen, und der Begriff von Kräften erwächst erst aus Beziehungen dazwischen. Daß diese Empfindungen von etwas außer der Empfindung, was wir Materie nennen, kausal abhängig gemacht und darein selbst übersetzt werden, ist eine Sache für sich; jedenfalls können wir die kausale Vermittlung zwischen der hypothetischen Materie draußen und den Empfindungen drinnen, d. i. die Kraft, nicht mit Materie selber identifizieren, ohne in gänzliche Begriffsverwirrung zu geraten.

Insofern man den gesetzlichen Erfolg in Betracht zieht, der aus dem Zusammensein zweier materieller Teile a, b unter Vernachlässigung oder Gleichsetzung anderweiter Mitbestimmungen hervorgehtNimmt man für a irgendeinen endlichen Teil der materiellen Welt, für b die gesamte Außenwelt, so gibt es überhaupt keine in Rücksicht zu ziehenden Mitbestimmungen., läßt sich dieser Erfolg immer in zwei Erfolge zerlegen, den einen, welcher den einen Teil a betrifft und den andern, welcher den andern Teil b betrifft. Hiervon denkt man jenen durch Wirkung einer äußeren Kraft von b auf a, diesen von a auf b entstanden. Beide Kräfte aber sind nicht unabhängig voneinander, sondern hängen durch die Beschaffenheit und die Zusammenseinsweise der beiden Teile selbst gesetzlich zusammen, und so nennt man dieselben Kräfte auch innere Kräfte des Systems beider Teile, insofern man darauf reflektiert, daß sie dem System beider inwohnen und dessen innere Verhältnisse in gesetzlichem Zusammenhange regulieren. Der Unterschied zwischen äußeren und inneren Kräften ist sonach nicht ein Unterschied in der Sache, sondern in der Beziehung respektiv auf die Teile oder das Ganze des Systems. Was von zwei Teilen, gilt von beliebig vielen Teilen eines Systems; jeder erfährt äußere Kräfte von den übrigen Teilen des Systems und äußert solche auf die übrigen Teile des Systems; alle diese Kräfte aber sind innere des Systems selbst. Im unorganischen Reiche faßt man die Erfolge meist als von äußeren Kräften, im organischen als von inneren Kräften abhängig auf, und meint wohl gar irrtümlich, darin liege ein wesentlicher Unterschied der unorganischen und organischen Kräfte, daß jene nur so, diese nur so gefaßt werden können. Aber das Planetensystem bewegt sich nicht minder innerlich durch innere Kräfte, die in äußere zerlegbar sind, als ein Mensch oder Tier; und der Nerv äußert auf den Muskel, das Herz auf das Blut nicht minder äußere Kräfte, die sich aber in innere des ganzen Organismus aufheben, als irgendein unorganischer Teil auf den andern.

Mit der Aufstellung des Prinzips einer allgemeinen Naturgesetzlichkeit in vorigem Sinne ist noch gar nichts darüber festgestellt, welcherlei Erfolge irgendwo und irgendwann aus gegebenen Umständen hervorgehen, sondern nur eben, daß, welcherlei es immer sind, sie sich wiederholen, wenn sich die vorausgehenden Umstände irgendwo und irgendwann wiederholen. Inzwischen ist es doch kein müßiges oder bedeutungsloses Prinzip, einmal, sofern es einen durch den ganzen Raum und die ganze Zeit reichenden Zusammenhang des Geschehens, des Wirkens im materiellen Gebiete beweist, das in Raum und Zeit Entfernteste durch einen gemeinsamen Bezug verknüpft, zweitens, sofern die Erfahrungsschlüsse der Induktion und Analogie in betreff zu erwartender Erfolge von ihm abhängen, drittens, sofern es die Voraussetzung und den allgemeinen Verknüpfungspunkt aller besonderen Naturgesetze bildet.

Fassen wir es nach diesen drei Beziehungen etwas näher ins Auge. In erster Beziehung kann man bemerken, daß freilich ein allgemeiner Zusammenhang des Geschehens und Wirkens durch die ganze materielle Welt schon durch die über den ganzen Raum hingreifende, durch ein bekanntes Gesetz charakterisierte, Gravitation bewiesen ist; aber die Wirkung dieser Kraft, d. i. die durch sie erzeugte Beschleunigung, schwächt sich mit der Entfernung ins Unbestimmte; unser Gesetz besteht ungeschwächt durch die Entfernung, und befaßt die Gravitation selbst unter sich; indem überall und zu aller Zeit, wenn sich zwei Massen gegebener Größe im Himmelsraum aus gegebener Entfernung gegenübertreten, sie in gleichen Beschleunigungszustand gegeneinander geraten, infofern die Mitwirkung andrer Massen wegen deren Entfernung dabei vernachlässigt werden kann. Sofern dies aber nicht der Fall ist, wird die Bewegung beider Massen in gleicher Weise abgeändert, wenn die mitwirkenden Massen unter gleichen Verhältnissen hinzutreten. Also, während die ganze materielle Welt äußerlich, extensiv, durch Raum und Zeit in überall gleicher Weise zusammenhängt, begründet unser Gesetz zugleich einen von Raum und Zeit unabhängigen, alle Entfernung darin überspannenden, überall gleichbleibenden inneren Zusammenhang dieser Welt.

Das Zweite anlangend, so hält man im allgemeinen zur Induktion das Fußen auf wiederholter Erfahrung nötig. Nun reicht aber nach unserm Prinzip hin, daß ein Erfolg unter gegebenen Umständen nur einmal beobachtet sei, um ein für alle Zeit und allen Raum gültiges Gesetz bezüglich des Erfolges der betreffenden Umstände darauf zu gründen. Woher also das Bedürfnis wiederholter Erfahrung? Es scheint mir nicht, daß darüber sonderliche Klarheit herrscht. Daher, daß wir bemerktermaßen gar nicht imstande sind, dieselben äußeren und inneren Umstände, welche einen Erfolg bedingen, irgendwo und irgendwann genau wiederherzustellen; also würde unser Gesetzesprinzip überhaupt illusorisch sein, weder eine Bewährung noch Anwendung gestatten, wenn sich nicht die Komplikation der verschiedenartigen Umstände, die zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten eintreten, in etwas Gleiches und Ungleiches zerlegen ließe, und man nicht schließen könnte, daß dem Gleichen der Umstände an den verschiedenen Zeiten und Orten ein Gleiches in den Erfolgen, dem Ungleichen ein Ungleiches entspreche. Nun könnte man zwar a priori die Möglichkeit oder den zulänglichen Erfolg einer solchen Zerlegung bezweifeln. Aber damit würde man die Möglichkeit und die Erfolge der Naturwissenschaft selbst bezweifeln. Die ganze Naturwissenschaft gründet nämlich ihre Erfolge auf die Vornahme solcher ZerlegungenIch erinnere beispielsweise an die Zerlegung nach dem Parallelogramm der Kräfte, die Zerlegung zusam-mengesetzter Schwingungen in einfachst mögliche, die Zerlegung der Kraft, durch welche der Dampf oder ein Luftballon aufsteigt, in eine Kraft, welche ihn mit Übergewicht nach oben treibt und die ihn nach unten herabzuziehen strebt usw. und nimmt sie nun eben so vor, daß zulängliche Erfolge dabei herauskommen, d. h. daß sich Schlüsse danach in der Erfahrung bestätigen.

Um nun einen induktiven Schluß zu machen, muß man in wiederholten Fällen die Bedingungen abändern, aber so, daß doch etwas Gleiches darin bleibt, und zusehen, was sich in den Erfolgen gleich bleibt. Daraus findet man dann den gesetzlichen Zusammenhang zwischen dem gleichgehaltenen ursächlichen Momente und seinem Erfolge. Gewöhnlich freilich meint man, es komme zur Induktion überhaupt nur darauf an, einen gegebenen Erfolg möglichst oft unter möglichst gleichbleibenden Umständen zu beobachten; aber das führt zu nichts. In der Tat sollte die Beobachtung eines Erfolges immer unter denselben Bedingungen nur zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten geschehen, so würde die wiederholte Bestätigung des Erfolges unter diesen Umständen nichts andres als eine Bestätigung unsres allgemeinsten Gesetzes bedeuten, um die es aber bei den Schlüssen nach Induktion nicht zu tun ist, da vielmehr dessen Gültigkeit bei diesen Schlüssen vorausgesetzt wird. Man will wissen, was hängt von diesen, was von jenen Momenten insbesondere ab. Sollte nun die Induktion vollständig sein, so müßte unter Gleichhaltung des einen Momentes, dessen gesetzlichen Einfluß man untersucht, die Variation durch alle mögliche übrige der Art und dem Grade nach durchgeführt werden, um sicher zu sein, daß die Gleichheit der Ursachen wie Erfolge in den wiederholten Fällen nicht auf einer Zusammensetzung des betreffenden Momentes mit andern Momenten beruht, und sollen allgemeine Gesetze, welche den Erfolg der Abänderung eines gewissen Momentes unter sich fassen, induktiv bewährt werden, so gilt es natürlich auch, diese Abänderungen wiederholt unter selbst abgeänderten Umständen zu beobachten. Da nun eine vollständige Durchführung durch alle möglichen Variationen überhaupt nicht möglich ist, kann der induktive Schluß freilich nicht auf die zwingende Gewißheit des logischen Schlusses, welcher auf dem Satze des Widerspruches beruht, Anspruch machen.

Es gelte z. B. die Auffindung des Fallgesetzes. Man erhebe einen Körper bis zu einer gewissen Höhe über den Boden und lasse ihn frei. Er wird mit einer gewissen Geschwindigkeit nach dem Boden herabgehen. Er wird dies zu aller Zeit und überall tun, wann und wo man ihn losläßt, gleichgültig, wie man Farbe, Gestalt, Substanz desselben abändert, solange nicht hebende Kräfte von unten entgegenwirken oder er nicht auf der Wage ein geringeres Gewicht zeigt, als ein gleiches Luftvolum, oder er nicht gar zu klein ist, sofern Nebelbläschen (Nebeltröpfchen?) in der Luft schwebend bleiben können. Also wird man zuvörderst das Gesetz aufstellen können, daß dem Gleichbleiben der Erhebung des Körpers über den Erdboden unter Gleichbleiben jener Mitbedingungen, rücksichtslos auf Variation der übrigen Umstände, zu allen Zeiten und an allen Orten der Erde ein Herabgehen des Körpers nach der Erde entspricht. Mehr läßt sich zunächst durch Induktion nicht schließen. Hätte man nun aber nicht genug Variationen jener Umstände vorgenommen, z. B. immer Körper von derselben Farbe, Gestalt, aus demselben Stoffe angewandt, oder immer den Fall auf derselben, durch eine besondere Beschaffenheit und Entfernung vom Erdmittelpunkt charakterisierten Stelle der Erde stattfinden lassen, oder immer Luft von derselben Art und Dichtigkeit zwischen dem Körper und der Erde Platz finden lassen, so hätte ja möglicherweise das gleichbleibende Herabgehen des Körpers in allen Beobachtungsfällen von dem Gleichbleiben dieser oder jener unverändert gelassenen Mitbedingung mit abhängen können, was durch die vorgenommenen Variationen ausgeschlossen ist, sofern der Erfolg, daß der Körper überhaupt herabgeht, derselbe bei beliebigen Änderungen der betreffenden Mitbedingungen blieb.

Inzwischen wird dieser gleiche Erfolg je nach Variation jener Mitbedingungen nach unserm allgemeinsten Gesetze noch mit zugehörig sich ändernden Mitbestimmungen behaftet sein müssen, die sich übrigens nicht alle auf die Fallbewegung zu beziehen brauchen, wie denn mit der Farbe des Körpers sich nur die Wellenbewegung des von seiner Oberfläche zurückgeworfenen Lichts ändert. Von andern Bedingungen aber zeigt sich auch ein Einfluß auf nähere Bestimmungen der Fallbewegung; sofern sich z. B. mit der Dichtigkeit der Luft und dem Gewicht des Körpers bei gegebenem Volumen die Geschwindigkeit des Herabgehens veränderlich zeigt. Nun sucht aber die Naturforschung Gesetze für möglichst einfache Bedingungen auf, um aus Zusammensetzung derselben auf zusammengesetzte Erfolge schließen zu können, wobei unser allgemeinstes Gesetz insofern maßgebend bleibt, als aus gleicher Zusammensetzungsweise gleicher Bedingungen auf gleiche, aus ungleicher auf ungleiche Erfolge zu schließen ist. Um nun das Fallgesetz für vereinfachte Bedingungen zu finden, lassen wir den Körper im luftleeren Raume fallen, und finden dann, daß wir in diesem Falle auch Volumen und Dichtigkeit des Körpers in beliebigem Verhältnisse variieren können, ohne daß sich die Geschwindigkeit ändert. Lassen wir jedoch den Körper an verschiedenen Orten der Erde, wo eine verschiedene Schwere stattfindet, fallen, so zeigt sich hiervon selbst im leeren Raume ein Einfluß auf die absolute Fallgeschwindigkeit, aber im Verhältnis der aufeinanderfolgenden Geschwindigkeiten bleibt etwas Gleiches usw. So geht man auf induktivem Wege vor.

Bei der Analogie, sofern sie auf zeitliche Erfolge angewandt wird, schließt man gewöhnlich unbestimmt: ähnliche Ursachen werden ähnliche Erfolge geben; aber es fragt sich, inwieweit ähnliche. Nach unserm Gesetze wird man vollkommen bestimmt schließen: insoweit sich die Ursachen gleichen, werden sich die Erfolge gleichen, infoweit sich die Ursachen nicht gleichen, werden sich auch die Erfolge nicht gleichen. Die so häufige Verwerfung der Analogie, wie die nicht minder häufigen Fehlschlüsse nach Analogie, beruhen auf mangelnder Sonderung und Festhaltung dieses doppelten Gesichtspunkts. Einmal meint man, wenn die Ursachen in zwei Fällen bloß ähnlich, also doch in gewisser Beziehung ungleich sind, so braucht eine Folge des ersten Falles nicht auch im zweiten Falle stattzufinden, weil sie vielmehr vom Ungleichen als Gleichen mit dem zweiten Falle abhängen könnte. Anderseits schließt man oft rücksichtslos auf diese allgemein gesprochen wirklich stattfindende Möglichkeit von bloß ähnlichen Ursachen auf gleiche Folgen. Die Sicherheit und zugleich Fruchtbarkeit des Schlusses nach Analogie würde aber sehr gewinnen, wenn man das Ähnliche der Ursachen in Gleiches und Ungleiches zerlegte und dann vom ersteren ebenso auf Gleiches, wie vom Zweiten auf Ungleiches in den Folgen schlösse, womit das Ungleiche dem Schlusse ebenso dienstbar wird, als das Gleiche. Insofern jedoch die richtige Sonderung des Gleichen vom Ungleichen der Ursachen und Folgen in verwickelten Fällen Schwierigkeiten machen kann, wird man die Sicherheit des Schlusses steigern, und demselben den Wert einer Induktion dadurch verleihen können, daß man Analogien von verschiedenen Seiten zuzieht, in welchen Gleiches und Ungleiches der verglichenen Fälle sich verschieden kombiniert, und zusieht, wiefern man dadurch auf denselben wesentlichen Punkt zurückgeführt wirdDie vorigen Gesichtspunkte bleiben auch maßgebend für die Analogie, nach welcher aus dem Gleichen und Ungleichen körperlicher Bedingungen in zwei Fällen auf das Gleiche und Ungleiche geistigen Zubehörs (nicht der Folgen) zu schließen ist. Nur gehört das nicht eigentlich in Betrachtungen über das Kausalgesetz..

Das Dritte anlangend, so unterscheidet man verschiedene Naturgesetze und demgemäß Kräfte, wie physische, chemische, organische, unter den physischen das der Gravitation, der Elektrizität, des Magnetismus, der Elastizität usw. Aber diese ganze Unterscheidung hängt bloß daran, daß sich die respektiven Gesetze und Kräfte auf verschiedene ursächliche Verhältnisse beziehen, woraus also nach unserm allgemeinsten Gesetzesprinzip auch verschiedene Erfolge hervorgehen müssen. Alle sind nur besondere Fälle des allgemeinsten Gesetzes und der allgemeinsten Kraft, wonach aus Gleichem Gleiches, aus Ungleichem Ungleiches folgt, für diese oder jene Verschiedenheit ursächlicher Verhältnisse. Die Philosophen freilich sind von jeher geneigt gewesen, spezifische Unterschiede in den Kräften selbst zu suchen, und namentlich die sog. organischen Kräfte als spezifisch verschieden von den sonst in der Natur waltenden mechanischen anzusehen; aber soweit es sich verfolgen läßt, sind die materiellen Erfolge in der Tat nur insoweit verschieden zwischen organischem und unorganischem Reiche, als die materiellen Bedingungen verschieden sind, insoweit aber die einen gleich sind, sind auch die andern gleich, wirkt z. B. das Auge wie eine Camera obscura, das Herz wie eine Pumpe mit Klappen, die Knochen wie Hebel usw.; Verdauung und Atmen aber können nicht ebenso außer wie in den Organismen vorgehen, weil keine entsprechenden Apparate dazu da sind.

Nach Maßgabe als überhaupt besondere Verhältnisse sich unter allgemeinere begrifflich subsumieren lassen, lassen sich auch die Spezialgesetze, welche für die besonderen Verhältnisse gelten, unter allgemeinere Gesetze subsumieren, welche den abgeänderten Erfolg der abgeänderten Verhältnisse mit unter sich fassen, z. B. die Fallgesetze für jeden Weltkörper, insbesondere unter das allgemeinere Gravitationsgesetz, die Gesetze des Schalls und Lichts unter allgemeinere Gesetze materieller Schwingungen. Man sucht nun ein allgemeinstes Gesetz, welches alle möglichen Variationen materieller Verhältnisse unter sich faßt. Kein Naturforscher zweifelt, daß es ein solches gibt, ohne daß es bis jetzt gefunden ist. Notwendig geht es bis zu den elementarsten Verhältnissen, worein sich jede denkbare Kombination von Umständen zerlegen läßt, zurück, und kann daher das allgemeinste Elementargesetz heißen (man nennt es auch wohl das allgemeinste Molekulargesetz), indes unser bisher ins Auge gefaßtes allgemeinstes Naturgesetz prinzipiell auf die einfachsten Verhältnisse wie auf jede Kombination derselben Anwendung findet. Im Besitz unsres allgemeinsten Gesetzes können wir ohne Rücksicht auf das Elementargesetz und ohne Kenntnis desselben für jede beliebige Kombination von Umständen den Erfolg voraussagen, wenn wir den Erfolg der gleichen Kombination nur einmal beobachtet haben. Im Besitz des allgemeinsten Elementargesetzes können wir für jede Kombination von Umständen überhaupt, auch ohne ihren Erfolg schon beobachtet zu haben, den Erfolg voraussagen, nur müssen wir dazu außer dem Gesetze selbst die elementaren Verhältnisse der Komplikation und das Rechenverfahren, was zur Ableitung der Erfolge nötig ist, kennen. Da aber ersteres in allgemeiner Weise nie zu erreichen ist, und schon bei mäßiger Komplikation zu unüberwindlichen Rechnungsschwierigkeiten führt, so würde man auch bei Kenntnis des allgemeinsten Elementargesetzes praktisch zur Herleitung von Erfolgen stets mehr oder weniger auf Spezialgesetze für besondere Fälle und Voraussetzungen verwiesen bleiben, und dabei nur die Unterordnung unter das allgemeinste Gesetz zu wahren haben.

Ungeachtet nun das allgemeinste Elementargesetz noch unbekannt ist, sind doch manche verhältnismäßig sehr elementare, mehr oder weniger alle materiellen Verhältnisse durchgreifende, Gesetze gefunden, welche, ohne für sich allein zur vollständigen Bestimmtheit der Erfolge hinzureichen, weil sie keine vollständige Bestimmtheit der ursächlichen Bedingungen enthalten, doch Schlüsse nach sehr allgemeinen Beziehungen gestatten, und nur der Hinzunahme bestimmterer Bedingungen bedürfen, um auch zu größerer Bestimmtheit der Erfolge zu führen, als: das Gesetz der Gleichheit der Aktion und Reaktion, das Gesetz der Erhaltung des Schwerpunkts, das Gesetz der Erhaltung der Flächen, das Gesetz kleinster Wirkung, das Gesetz der Koexistenz kleiner Schwingungen, das Gesetz des Parallelogramms der Kräfte, das Gesetz der Erhaltung der Kraft oder Energie.

Früher nahm man an, daß alle Bewegung gesetzlich bloß von Beharrung und Kräften, die unabhängig von Geschwindigkeit und Beschleunigung der Teilchen sind, abhänge; durch Wilhelm Weber sind im elektrischen Gebiete Kräfte bekannt geworden, die mit von Geschwindigkeit und Beschleunigung der Teilchen abhängen; und wahrscheinlich gelten solche für alle Materie; nur daß ihr Erfolg unter vielen Umständen, wie bei der Bewegung der Himmelskörper, wegen der von der Entfernung abhängenden, Geringfügigkeit der Wirkung unmerklich ist. Früher nahm man für gewiß an, daß die Gravitation und überhaupt materiellen Kräfte ohne Zeitverlust nur mit abnehmender Wirkungsstärke auf die größten Entfernungen wirken; neuerdings ist die Möglichkeit aufgetaucht, daß eine gewisse Zeit zur Fortpflanzung der Wirkung in die Ferne nötig ist. Im altgemeinen sucht man noch heute alle Bewegungen von der Zusammensetzung der Wirkungen bloß binärer Kräfte, d. i. die von der Wechselwirkung je zweier Teile abhängen, mit der Beharrung abhängig zu machen; ich habe in meiner Atomenlehre die Wahrscheinlichkeit ternärer, quaternärer und überhaupt multipler Kräfte zu begründen gesucht, deren Wirkung sich mit den binären Kräften verbindet. Im allgemeinen zieht man zur Repräsentation der Naturerscheinungen sowohl anziehende als abstoßende Kräfte zu, und es scheint nicht, daß man selbst bei Rückgang auf elementare Verhältnisse ohne Mitzuziehung der letzteren zu den ersteren auskommen kann; doch fragt sich, ob die abstoßenden Kräfte, wo solche auftreten, auf eine andre Qualität der Materie als die anziehenden zu beziehen sind (wie bei der Annahme zweier entgegengesetzter Elektrizitäten) oder von andern Entfernungs- und Anordnungsverhältnissen der letzten Teilchen abhängig gemacht werden können, wofür sich in meiner Hypothese multipler Kräfte ein einfaches Prinzip findet. Die atomistische Ansicht, nach welcher der Raum diskontinuierlich mit Materie erfüllt ist, überwiegt unter den Naturforschern, und es sprechen auch meines Erachtens überwiegende Gründe dafür, die ich in meiner Atomenlehre besprochen habe, womit die Ansicht, daß alle Kräfte Fernkräfte sind, zusammenhängt; doch haben sich neuerdings einige bedeutende Forscher für die Ansicht einer kontinuierlichen Raumerfüllung, und, hiermit im Zusammenhange, dafür ausgesprochen, daß alle Kräfte bloß zwischen sich berührenden Teilchen wirken.

So groß nun auch die Unsicherheit in diesen fundamentalen Punkten noch ist, ohne deren Erledigung ein allgemeinstes Elementargesetz, das auszusagen hätte, welcherlei Erfolge aus irgendwelchen materiellen Bedingungen hervorgehen, nicht aufstellbar ist, bleibt doch unser allgemeinstes Kausalgesetz oder Kausalprinzip nicht nur davon unbetroffen, sondern die schließliche Erledigung jener Unsicherheiten wird selbst nur in der allgemeinsten Befriedigung dieses Prinzips gesucht werden können. Man hat die Annahme über die Grundkonstitution der Materie und die davon abhängigen Kräfte so lange abzuändern, bis eine solche Befriedigung in möglichst einfacher und zusammenstimmender Weise erfolgt ist.

Infofern die Kräfte der Natur von den, in jedem Augenblick vorhandenen Umständen abhängen, diese aber durch die Wirkung der Kräfte selbst sich ändern; kann der Erfolg irgendwelcher materieller Umstände und hiermit Kräfte für eine spätere Zeit prinzipiell bloß so bestimmt werden, daß man den Erfolg sukzessiv durch die Reihe der neu eintretenden Umstände verfolgt, indem man jeden früheren Erfolg dieser Reihe als Ursache des Späteren betrachtet. Hierzu bietet die Infinitesimalrechnung insofern abkürzende Wege, als sie die ganze Reihe der Erfolge von einem Ausgangspunkte bis zu einem Enderfolge zusammenzufassen gestattet; aber die Schwierigkeiten dieser Rechnung sind, wie schon bezüglich des allgemeinsten Elementargesetzes erinnert, nur in den allereinfachsten Fällen oder für die allereinfachsten Voraussetzungen zu überwinden, und es ist bisher nicht daran zu denken, daß man dadurch erfahren kann, was einmal aus der gesamten Natur durch die Wirkung ihrer Kräfte werden wird, welchem Ziele sie zustrebt, ja ob sie überhaupt einem bestimmt aussprechbaren Ziele, einem Finalzustande zustrebt. Unstreitig aber wäre es erwünscht, zu unserm allgemeinsten Kausalprinzip der Natur ein solches Finalprinzip zu kennen, was wir freilich sowenig als das Kausalprinzip rein a priori als notwendig würden zu beweisen hoffen können. Aber es fragt sich, ob nicht ein solches Finalprinzip ähnlich wie das Kausalprinzip sich als Erfahrungsprinzip so weit bewährt, daß wir berechtigt sind, es ebenso unsern fernen Voraussichten zugrunde zu legen, als wir das Kausalprinzip den nächsten zugrunde legen. In der Tat glaube ich, daß sich ein solches Prinzip aufstellen läßt, und werde davon unter der Bezeichnung Prinzip der Tendenz zur Stabilität im folgenden Abschnitt sprechen.

Hiernach noch folgende Frage.

Wodurch versichern wir uns denn eigentlich der Gleichheit der materiellen Umstände oder Verhältnisse für gegebene Fälle? Ich kann mit meinen Sinnen, denen allein ich die Kunde von einer materiellen Welt verdanke, doch nur dies oder das unmittelbar von dem wahrnehmen, was ich als kausal bedingend in Betracht zu nehmen habe, sehe von den materiellen Dingen nur das Äußere, sehe es nur von dieser oder jener Seite, sehe die Gegenstände verschieden groß je nach meiner Entfernung davon, sehe sie verschieden je nach der Einrichtung meines Auges; und für jeden andern Menschen fällt alles das wieder anders aus als für mich; das Tastgefühl reicht überhaupt nicht über die unmittelbare Nähe hinaus; und die Zuhilfenahme der andern Sinne scheint die Aufgabe nur zu verwickeln, nicht zu lösen. Woran also haben wir uns bei Beurteilung der Gleichheit und Ungleichheit physischer Umstände zu halten, da wir doch nicht die Gleichheit und Ungleichheit der subjektiven Einzelwahrnehmungen als maßgebend für objektive Gleichheit und Ungleichheit ansehen dürfen, aus welcher wir auf objektive Erfolge zu schließen haben.

Unstreitig nicht, aber vor allem haben wir in Betracht zu ziehen, daß die Gleichheit und Ungleichheit der objektiven Erscheinungsbedingungen erst mit den subjektiven zusammen die Erscheinungserfolge nach dem Kausalgesetze bestimmt; wir also nicht aus den ersten allein im Sinne desselben unsre Folgerungen zu ziehen haben. Sehe ich den Mond an, so erscheint er mir als eine sich über den Himmel bewegende leuchtende Scheibe; kehre ich mich um, so erscheint mir nichts davon, ungeachtet er noch wie früher über den Himmel geht. Das widerspräche dem Kausalgesetze, welches für gleiche Bedingungen gleiche Folgen verlangt, wenn nicht meine Stellung zum Monde sich mit meiner Umkehr änderte; also erscheint er, mir nicht mehr nach der Abwendung, erscheint auch keinem andern nach der Abwendung davon; indes er allen nach der Zuwendung offener gesunder Augen erscheint. Das entspricht also vielmehr dem Kausalgesetze. An voneinander entfernten Orten der Erde werden die verschiedenen Beobachter den Mond in verschiedener Stellung und Bewegung zur Sonne sehen, daher z. B. eine für gewisse Orte totale Sonnenfinsternis es nicht überall ist; auch hier sind die objektiven Erscheinungsbedingungen dieselben, aber nicht die Subjektiven, daher die verschiedene Erscheinung des Mondganges. Nun aber kommt für den Naturforscher schließlich alles darauf an, unter Erhaltung der Gleichheit der Subjektiven Erscheinungsbedingungen die zeitlichen und räumlichen Grenzen gegebener Erscheinungen mit den Grenzen unveränderlicherDiese Unveränderlichkeit ist natürlich ihrerseits nur für Gleichheit der subjektiven Erscheinungsbedingun-gen zu konstatieren. oder ihren Veränderungen nach kontrollierbarer Raum- und Zeitmaßstäbe oder mit deren Abteilungen zur Deckung zu bringen, und indem er diese Maßstäbe immer in derselben Weise anlegt, vom Kleineren aufs Größere und umgekehrt ausdehnt, und die Gesetze verfolgt, nach denen mit Veränderungen der Maße in einem gegebenen Erscheinungsgebiete die Erscheinungen sich ändern, hiernach auch von den Änderungen der Erscheinungen auf die Maße zurückschließt, gelangt er dazu, sich der Gleichheit oder Ungleichheit objektiver materieller Verhältnisse mit mehr oder weniger Sicherheit zu versichern.

Neuerdings ist die Möglichkeit aufgetaucht und (seitens Zöllner) nicht nur mit sinnreichen Betrachtungen, sondern selbst mit Hinweis auf Erfahrungen vertreten worden, daß es außer den drei Dimensionen des Raumes, in denen unser Leben beschlossen ist, noch eine vierte gibt, und daß, wenn auch nur ausnahmsweise, Kräfte aus dieser vierten Dimension in unsre Welt von drei Dimensionen hineinspielen. Wäre nun dem so – worüber die Frage hier dahingestellt bleiben kann –, so würde damit unserm Kausalgesetze nicht widersprochen sein, indem man es nur auf die Welt von vier Dimensionen zu erstrecken brauchte; wohl aber würden die Ausnahmefälle, wo das Eingreifen von Kräften aus der vierten Dimension in Erfolgen sichtbar wird, die sich innerhalb unsrer drei Dimensionen beobachten lassen, zugleich Ausnahmen von der sonst als gültig angesehenen Regel sein, Erfolge, die in unsern drei Dimensionen begriffen sind, auch bloß von Kräften, die innerhalb derselben drei Dimensionen begriffen sind, kausal abhängig machen können.

Bei all dem hatten wir bisher bloß das Gebiet materiellen Seins und Geschehens im Auge; aber dazu gibt es ein geistiges Gebiet, auf das noch zuletzt ein Blick zu werfen ist. Nun erhebt sich eine wichtige Frage: kann nicht der Geist abändernd auf die materiellen Erfolge einwirken, welche von bloßer Naturgesetzlichkeit im vorigen Sinne abhängen würden, wenn kein Geist dabei bestände, indem seine Verhältnisse selbst als Bedingungen zu den Bedingungen des materiellen Geschehens hinzutreten, seine Kräfte demnach sich zu den materiellen Kräften fügen; und kann es nicht hiernach geschehen, daß aus gleichen materiellen Umständen zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten ungleiche, aus ungleichen gleiche Erfolge hervorgehen, sofern ersternfalls verschiedene geistige Bedingungen dabei mitwirken, zweitenfalls die Ungleichheit der materiellen Bedingungen durch Wirken von geistiger Seite her kompensiert würde. Kurz würde man dies als Eingriff des Geistes in den gesetzlichen Naturlauf und Störung desselben durch diesen Eingriff zu bezeichnen haben.

Nach dualistischer Auffassung des Verhältnisses zwischen materiellem und geistigem Prinzip nun muß ein solcher Eingriff, eine solche Störung jedenfalls prinzipiell als möglich erscheinen, und als Erfahrungstatsachen für die Verwirklichung dieser Möglichkeit kann man die tatsächliche Macht des Willens, unsre Muskeln so und so zu bewegen, die Macht der Gemütsbewegungen, unsern Blutstrom so und so zu verteilen, geltend machen.

Inzwischen würde auch hiernach unser allgemeinstes Naturgesetz mit den sich ihm unterordnenden Gesetzen nicht bedeutungslos werden, einmal, weil es immer noch rein maßgebend für alle Fälle bliebe, wo der Geist die Materie ihre Wege gehen ließe, zweitens man das Kausalgesetz bloß auf das physische Gebiet mit zu übertragen brauchte, um sagen zu können: nach Maßgabe als die materiellen und geistigen Umstände, Bedingungen, zusammen sich irgendwo und irgendwann gleichen oder nicht gleichen, ist es auch mit den Erfolgen der Fall.

Immerhin aber würde hiernach das materielle Geschehen sich je nach verschiedener Beteiligung des Geistes dabei verschieden gestalten können, und mithin das Kausalgesetz bei solcher Beteiligung keinen reinen Verfolg mehr im materiellen Gebiete zulassen. Anders bei monistischer Fassung, wenn man das geistige und materielle Geschehen in Wechselbedingtheit voneinander nach folgendem psychophysischen Grundgesetze voneinander abhängig denkt. Nach Maßgabe als die geistigen Umstände, Verhältnisse sich gleichen oder nicht gleichen, ist es auch mit den zugehörigen materiellen der Fall, oder anders gesagt: zum Gleichen und Ungleichen im geistigen Gebiete gibt es auch etwas zugehörig Gleiches und Ungleiches im materiellen Gebiete, wonach man anzunehmen hätte, daß jeder gleichen wie ungleichen Willensrichtung oder Gemütsbewegung auch gleiche oder ungleiche materielle Verhältnisse in uns entsprechen, und, wofern die ganze Welt einem geistigen Prinzip unterläge, daß dies durch die ganze Welt der Fall wäre. Unter dieser Voraussetzung könnte unser allgemeinstes Gesetz für das materielle Gebiet recht wohl einträchtig mit den Gesetzen geistigen Geschehens gehen, ohne daß eine Störung desselben durch Eingriff des Geistes möglich wäre. Im Sinne jeder monistischen Auffassung des Verhältnisses von Leib und Seele muß dies sogar als selbstverständlich, und für eine dualistische Ansicht wenigstens als möglich gelten, sofern doch Leib und Seele, Körper und Geist auch nach dieser Ansicht passend zueinander eingerichtet sein sollen.

Ungeachtet man nun das psychophysische Grundgesetz im vorigen Sinne verstanden, ebensowenig imstande ist, durch vollständige Induktion zu bewähren, als das physische Kausalgesetz, kann man doch die Erfahrungen, soweit sich solche machen lassen, demselben ebenso günstig halten.

Wollte man die, im vorigen Abschnitte besprochene, indeterministische Freiheitsansicht für das geistige Gebiet der deterministischen vorziehen, so würde immer noch nichts hindern, ein einträchtiges Zusammengehen der Naturgesetzlichkeit und geistigen Gesetzlichkeit insofern anzunehmen, als man zugleich annähme, daß, wie die Gesetzlichkeit so auch der Bruch der Gesetzlichkeit in beiden Gebieten im Zusammenhange nach dem psychophysischen Grundgesetze erfolgt.

Man streitet darüber, ob die Voraussetzung oder Forderung der Kausalität eine uns eingeborene oder erst aus Erfahrungen resultierende sei. Meines Erachtens ist diese Frage überhaupt nicht einfach mit Ja oder Nein zu beantworten, sondern man hat zweierlei dabei zu unterscheiden.

Wenn von unserm Willen oder empfundenen Trieben körperliche Bewegungen unsrer Gliedmaßen folgweis abhängen, so liegen unstreitig jenen psychischen Antrieben selbst irgendwelche materielle Vorgänge in unserm Hirn unter, welche gesetzlich die betreffenden äußeren Bewegungen nachziehen, vorausgesetzt, daß die Verbindung zwischen Gehirn und Gliedmaßen und die Gliedmaßen selbst die demgemäße Einrichtung haben. Bei diesem willkürlichen Gebrauche unsrer Gliedmaßen haben wir unmittelbar ein wahrscheinlich angeborenes Gefühl, welches wir als das der Ursächlichkeit der von uns hervorgebrachten Bewegungen bezeichnen können, sowie ein Gefühl der Stärke unsres psychischen Antriebes und der Anstrengung, die uns die Bewegung kostet. Hingegen weder das Gesetz, nach welchem die innere Bewegung die äußere auslöst, noch daß hierbei Gesetzlichkeit überhaupt im Spiele ist, kommt uns unmittelbar zum Bewußtsein, sondern ist erst Sache der Erforschung seitens des Physikers, Physiologen, Psychophysikers, wollen sie sich anders an die Aufgabe wagen. Um so weniger wird der Mensch angeborenerweise eine gesetzliche Beziehung zwischen auseinander folgenden Ereignissen, die außer ihm vonstatten gehen, voraussetzen oder fordern. Was fragt das Kind danach, ob der Gang des Mondes am Himmel gesetzlich bedingt ist oder nicht, der Mond geht für das Kind wie er nun eben geht; ja selbst der erwachsene Mensch läßt eine Menge Erscheinungen an sich vorübergehen, ohne nach einer Ursache zu fragen; die Frage danach ist eine Sache der Überlegung, die Antwort darauf eine Sache der Untersuchung.

Inzwischen führt eine naheliegende Analogie den natürlichen Menschen darauf, daß, wie er selbst seine Gliedmaßen in Abhängigkeit von bewußten Antrieben bewegt, alle Bewegung in der Welt in Abhängigkeit von solchen erfolge, und die Tagesansicht führt zu dieser, von der Nachtansicht preisgegebenen, Ansicht zurück. Scheinbar spricht dagegen, daß doch in unserm Körper selbst genug Bewegungen, so die der Verdauung, des Blutlaufes, unwillkürlich und unbewußt erfolgen; warum nicht also auch darüber hinaus? Unser Körper unterliegt aber überhaupt bloß zu einem Teile dem Einflusse unsres Willens und der uns bewußt werdenden Antriebe; sofern er aber mit dem übrigen einem allgemeineren materiellen System, welches ein allgemeineres Bewußtsein trägt, eingewachsen ist, unterliegt auch dieser Teil den von da stammenden bewußten Einflüssen, die sich übrigens recht wohl auf mehr oder weniger allgemeine, ein ganzes System von Bewegungen in eins beherrschende, Impulse reduzieren können, nachdem die Einrichtungen, welche zur Vollziehung dieser Bewegungen gehören, vorlängst mit spezialer Beteiligung des Bewußtseins dabei erzeugt worden sind (vgl. Abschn. XIV). Und das gilt nicht nur von Bewegungen in unserm Körper, sondern auch solchen darüber hinaus in der äußeren Natur.


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