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Geschichte vom verkehrten Tag

Als die Mummi am frühen Morgen aufwachte, sah sie, daß der Papa noch schlief. Er hatte die Steppdecke fein säuberlich vor das Bett gelegt und sich mit dem Bettvorleger zugedeckt. »O weh!« seufzte da die Mummi, »dies wird wohl wieder mal solch verdrehter Tag, an dem alles verkehrt geht. Da muß ich gleich einmal sehen, was die Kinder machen.«

Sie ging ins Zimmer vom Schwesterchen, es schlief noch, aber es hatte die Füße auf dem Kopfkissen und den Kopf unter der Decke. Als die Mummi es zurechtlegte, sagte das Schwesterchen: »Ich bin aber keine grüne Gurke«, lachte und schlief weiter.

Im Bett vom Knulli-Bulli lag die Decke ganz dick, aber der Junge war nicht zu sehen. ›Aha!‹ dachte die Mummi, ›er hat sich wieder einmal unter die Decke verkrochen.‹ Sie schlug die Decke zurück – da lag im Bett Frau Kuh! »Bitte schön, liebe Erikuh, können Sie mir nicht sagen, wo der Uli ist?« Aber die Kuh muhte bloß schläfrig und machte gleich wieder die Augen zu.

»Nein, es ist zu schlimm mit solchem verkehrten Tag!« seufzte die Mummi. »Ich muß mich wirklich einmal hinsetzen und ausruhen.« Sie setzte sich auf einen Stuhl, da fuhr der Stuhl mit ihr ab in die Küche. Auf der Küchenuhr sah die Mummi, daß es schon acht Uhr war. »Nein«, rief sie, »nun muß ich aber gleich Frühstück machen.« Als sie aber nochmals auf die Uhr sah, war sie schon zehn. Da sah die Mummi genauer hin und merkte, daß der Knulli auf einem Zeiger ritt. »Kommst du sofort runter, Uli!« rief sie. »Du bringst ja alle Zeit durcheinander. Hilf mir lieber beim Frühstückmachen!«

Uli setzte sich auf eine Fliege, kniff sie in den Po und schwupp! war er beim Küchenherd. Nun taten sie Holz und Kohlen auf die Herdplatte und gossen Wasser ins Herdloch. Dann steckten sie das Wasser mit einem Streichholz an, und als Holz und Kohlen zu kochen anfingen, holte Mummi die Eier. »Wieviel brauchen wir denn?« fragte sie. »Wir sind vier Große und zwei Kinder, vier und zwei macht drei«, und sie schlug neun Eier auf die Kohlen.

»Was machst du denn, Mummi?« fragte Uli-Knulli.

»Ja, heute ist ein verkehrter Tag«, seufzte die Mummi. »Aber ich mache Setzei.«

»Nein«, rief Knulli, »du sollst Spiegelei machen!«

»Nein«, schrie Mummi. »Ich mache Setzei!«

»Willst du das noch einmal sagen?!« brüllte Uli. »Gleich gibt es einen Backs!«

Da ging die Tür auf, und herein kam der Schimmel. »Streitet euch nicht, Kinder«, sprach er gemütlich. »Sonst kriegt ihr alle beide Haue. Spiegelei und Setzei ist doch dasselbe. – Nun zieht euch schön warm aus, wir fahren nach Feldberg zur Tante, ich spanne gleich den Papa an.«

Damit ging der Schimmel in das Schlafzimmer, Mummi und Uli aber hörten eine feine Stimme rufen: »Ich will auch mit! Ich auch!«

»Das ist doch die Miezi!« sagte die Mummi verwundert und zog die Tischschublade auf. Richtig, da lag die Miezi zwischen Löffeln, Gabeln und Messern. »Nein, habe ich schlecht geschlafen!« gähnte sie. »Eine Gabel hat mich immer in die Seite gestochen, und ein Löffel wollte mir immerzu den Mund auslöffeln.«

»Ich will, daß Sie ordentlicher werden, Miezi«, sprach die Mummi streng. »Sehen Sie gleich einmal in Ihrem Bett nach: sicher haben Sie den groben Auffüllöffel in Ihr Bett gelegt und sich statt des Löffels in die Schieblade.«

Sie sahen nach – richtig! Der Auffüllöffel lag in Miezis Bett, hatte ihr Nachthemd an und schlief noch ganz fest. »Rut ut de Betten!« rief Miezi und ließ den Wecker klingeln. Da fuhr der Auffüllöffel mit einem silbernen Geklapper aus dem Bett, warf das Nachthemd ab und fing eilig an, das Waschwasser aus der Waschschüssel in den Toiletteneimer zu löffeln. »So waschen sich artige Löffel!« sagte er und lachte dazu silbern.

Der Schimmel knallte schon mit der Peitsche. Er saß auf dem Bock, Papa aber stand angespannt mit hängendem Kopf trübselig vor dem Wagen.

.

Als sie aber einstiegen, drehte er listig den Kopf um, zu sehen, wie viele es wären. Denn wenn es zu viele wären, wollte er nicht ziehen.

»Sind alle da?« fragte der Schimmel. »Hü, Papa!«

»Halt!« rief die Mummi, »wo ist denn Tante Palitzsch?«

»Ich bin hier!« rief die Tante mit heller Stimme. »Mich hat der Schimmel hinten als Katzenauge angemacht, sonst schreibt uns Wachtmeister Heuer in Feldberg auf.«

»Und wo ist die Peggi?« fragte die Mummi.

»Peggi ist nicht artig gewesen«, sagte Tante Palitzsch, »sie darf nicht mit.«

»Was hat sie denn gemacht?« fragte Schwesterchen.

»Sie hat mir die Augen nicht ausgewischt!« rief Tante Palitzsch. »Nun muß sie zur Strafe den Fußboden rein ablecken.«

»Hü!« rief der Schimmel, und Papa fing an zu laufen. Er lief, bis er am Berg bei Schönfeld war. Da bockte er und trat rückwärts, und rückwärts schob er den Wagen auf den Hof.

»Wat is di, Papa?« rief Uli und faßte den Vater vorne am Zügel. Hinten knallte der Schimmel mit der Peitsche, und nun ging es immer schneller durch das Dorf. Die Fenster guckten aus den Leuten und lachten, die Schweine blieben stehen und nahmen ihre Mützen ab, und der alte Akazienbaum beim Gemeindevorsteher stand vor Vergnügen kopf, daß sich all seine Wurzeln sträubten.

Als sie nun aus dem Dorf waren, sahen sie bei der alten Weide mitten auf dem Weg eine große Pfütze. »Hü!« rief der Schimmel und rüttelte die Zügel. Aber es war zu spät: Papa hatte sich schon der Länge nach hineingelegt und wollte nicht wieder aufstehen. »Da hilft alles nichts«, sprach der Schimmel. »Da müssen wir eben einmal verkehrte Welt spielen. Wir setzen den Papa in den Wagen und ziehen.«

Alle waren damit einverstanden, und rasch kamen sie so nach Feldberg. Frau Wendel stand vor der Tür vom »Deutschen Haus« und rief: »Was denkt ihr Rasselfamilie denn –?! Fix her und die Teller abgewaschen! Es wird höchste Zeit!«

Sie wollten alle gerade ins Haus, da kam Wachtmeister Heuer gegangen. »Wo ist denn das Katzenauge an eurem Wagen?« fragte er.

»Erlauben Sie mal, Herr Wachtmeister«, sagte der Schimmel. »Ich habe selbst die Tante Palitzsch als Katzenauge angemacht.«

»Ich sehe keins«, sagte Wachtmeister Heuer. »Seht ihr eins?«

Sie sahen auch keins.

»Wo ist es bloß?« fragte der Schimmel ganz ängstlich. »Ob die Tante abgefallen ist –?«

Aber sie wachte gerade auf. »Entschuldigt bloß«, sagte sie und gähnte. »Es war so heiß und der Wagen stuckerte so, da habe ich schnell die Augen zugemacht.«

»Ja, wenn Sie die Augen zumachen, kann man freilich das Katzenauge nicht sehen«, sagte der Wachtmeister streng. »Ihr habt kein Katzenauge gehabt – da hilft nun nichts: ihr müßt alle ins Gefängnis.«

»Zu Befehl, Herr Wachtmeister!« riefen sie alle. Aber Frau Wendel sagte: »Lassen Sie doch erst die Teller abwaschen, Heuer!«

»Natürlich«, sagte der Wachtmeister. »Abwaschen muß man erst, ehe man ins Gefängnis darf. Ich helfe gleich selber mit.«

Da gingen sie in die Küche, und in der Küche standen alle Tische und Stühle und der Herd und der Fußboden voller Geschirr. »O je!« rief Mummi. »Das ist ja ein ziemlich langweiliger Tüterkram, wenn wir das alles abwaschen sollen. Und ich wollte doch so gerne noch auf Ihrem Radio Klavier spielen.«

»Nein, das geht ganz schnell«, sagte der Papa und nahm einen Teller. »Das Geschirr ist ja aus Gummi und nicht aus Porzellan.« Und damit warf er den Teller durch das offene Küchenfenster in den Haussee. Richtig schwamm der Teller auf dem See. »Wir werfen einfach das ganze Geschirr in den See. Da wäscht es sich von selbst ab, und nachher fahren wir mit dem Motorboot herum und sammeln es sauber wieder ein«, sagte der Papa.

So taten sie, und die Teller und die Tassen und die Schüsseln und die Aufschnittplatten flogen immer schneller aus dem Fenster, und im See klatschte und spritzte es immerzu, und die Schwäne schwammen ärgerlich zischend fort, denn einen Teller auf den Kopf zu bekommen, auch wenn er bloß aus Gummi ist, ist nicht angenehm.

Plötzlich aber griff Uli-Knulli nach einer ungeheuer großen Suppenterrine. »Nicht die, Uli!« schrie Frau Wendel. »Die ist aus Porzellan und geht bestimmt kaputt.«

Aber Uli hatte schon geworfen, und er hatte der Terrine solchen Schwung gegeben, daß sie weit über den See fortflog. Und sie stieg noch immer höher und höher und hörte nicht eher auf mit Höhersteigen, bis sie als lieber Mond am Himmel leuchtete.

»O Gott, o Gott!« rief Frau Wendel. »Ich sage es ja, immer diese ollen Jungen! Meine schöne Terrine! In was soll ich denn nun meine Suppe tun?!«

»Da hast du aber was angerichtet, Junge«, sagte der Wachtmeister. »Gleich holst du die Terrine wieder!«

Und Uli besann sich auch nicht lange, sondern er trat vorsichtig auf die glänzende Strahlenbahn, die vom Mond übern See bis ans Küchenfenster lag. Als er aber merkte, sie hielt wirklich, ging er immer kecker und schneller weiter und höher. Als das die andern sahen, besannen sie sich nicht lange, sondern stiegen hintennach. Zuerst das Schwesterchen und dann die Miezi und Mummi und der Papa und Wachtmeister Heuer und Frau Wendel, und ganz zuletzt ging der Schimmel. Der aber hatte sich Tante Palitzsch als Katzenauge an den Po gemacht: »Denn mir soll keiner in den Hintern fahren!«

So stiegen sie immer höher und höher, und zuerst lag das Hotel »Deutsches Haus« ganz klein unter ihnen, und dann das ganze Städtel Feldberg mit seinem roten, spitzen Kirchturm, und dann die ganze liebe, dunkle Erde. Und nun kamen sie den Sternen immer näher, sie wurden größer und groß und funkelten und strahlten unbeschreiblich.

Da waren sie im Monde angelangt, das heißt, in Frau Wendels Suppenterrine, die vom Fliegen so ausgeweitet war, daß alle bequem darin Platz hatten.

»O je, die ist aber nicht sehr fest angemacht!« rief Uli, denn die Terrine wackelte, als er hineintrat. Da sahen sie genauer hin und merkten, die Terrine hing in einem großen, leuchtenden Netz von weißen Strahlen.

»Ich will schaukeln!« rief das Schwesterchen, und schon fingen Uli und Schwesterchen an, in der Terrine zu schaukeln, und die andern schaukelten mit. Und sie schwangen ganz herrlich durch den ungeheuren Himmel, und einmal waren sie der Erde und dem Städtchen Feldberg und dem Haussee ganz nah, und dann waren sie wieder unendlich weit fort, ganz allein zwischen den strahlenden Sternen.

»Nicht so doll!« mahnte die Mummi. »Ihr stoßt ja an die Sterne.«

Aber sie schaukelten immer wilder und wilder und stießen einen Stern um und einen zweiten und einen dritten und viele, viele. Die umgestoßenen Sterne aber eilten leuchtend durch den Himmel und verschwanden ferne in der Nacht.

»Haltet ein! Haltet ein!« rief die Mummi angstvoll. »Herr Heuer soll uns festhalten!«

Aber da rissen schon die silbernen Strahlen, an denen die Schüssel hing, und alle zusammen – Uli und Schwesterchen, Miezi und Herr Heuer, Papa und Mummi, Frau Wendel und Tante Palitzsch, der Schimmel und die Schüssel – fielen, fielen, fielen in den Haussee.

»I gitt, ist das naß!« rief die Mummi und machte die Augen auf. Da war es früher Morgen, und Uli stand vor ihrem Bett, seinen nassen Waschlappen in der Hand und sagte: »Nun wird es aber Zeit, daß du aufwachst, Mummi. Habe ich dich nicht schön naß aufgeweckt?«

»Gott sei Dank!« sagte Mummi. »Es war alles also bloß ein Traum. Das ist nur gut. Der Tag war mir ein bißchen zu verkehrt.«


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