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15. Arnstein

In der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts saß auf Arnstein, damals eine der schönsten Burgen des Vorharzes, wie es heute die Ueberreste noch bezeugen, der Graf Hoyer von Mansfeld, ein Mann von grausamer Gemüthsart, der weder Gott noch Kaiser fürchtete und nur den Einflüsterungen seiner bösen Leidenschaften Gehör gab. Von allen gefürchtet und gehaßt, besaß er nur Scheinfreunde, die aus ihm Vortheil zu ziehen gedachten, eine Erwartung, in der sie sich allerdings meist täuschten, denn Graf Hoyer, der Tag und Nacht nur auf neuen mühelosen Gewinn sann, war nicht der Mann, einem Nebenmenschen gute Dienste zu leisten, ausgenommen, sie hätten ihm eine reichliche Belohnung in Aussicht gestellt.

Einen Freund besaß er aber trotzdem und zwar einen, der treu zu ihm hielt. Nämlich sein Milchbruder und Haushofmeister Balduin, einen argen Gesellen von der gleichen Gemüthsart wie der Graf, nur noch schlimmer, denn er liebte und übte das Böse um des Bösen willen, selbst wenn es ihm keinerlei Nutzen brachte. Balduin war jedoch nicht nur des Burgherrn Freund, sondern auch sein böser Geist, denn er stiftete ihn stets zu neuen Unthaten an, verhärtete sein Herz noch mehr durch schlimme Rathschläge und hatte stets das eine oder andere Bubenstück vorzubringen.

Dieser Haushofmeister nun trat eines Morgens in das Gemach des Grafen und begann mit geheimnißvoller Miene:

»Herr, letzte Nacht habe ich eine wichtige Entdeckung gemacht. – Der Burgpfaff ist im Besitz eines Schatzes, den er jedenfalls in diesen Mauern aufgefunden hat und Dir widerrechtlich vorenthält.«

Des Grafen Blut begann bei dieser Kunde wild zu wallen. Ein Schatz in seiner Burg, von dem er nichts wußte, dessen man ihn berauben wollte? – Verhielt es sich wirklich so, dann sollte der Kaplan seine Kühnheit theuer bezahlen müssen, er hatte ohnedies viel im Schuldbuch stehen, seit er es gewagt, des Gebieters Beginnen zu tadeln.

»Tod und Teufel!« fuhr es darum brausend aus Hoyers Munde. »Bist Du Deiner Sache gewiß, Balduin?«

»Beliebe es Euch selbst zu urtheilen, edler Graf. – von bangen Träumen verfolgt, erhob ich mich nach Mitternacht vom Lager und trat Kühlung suchend ans Fenster meines Gemaches. Ich stand noch nicht lange, als ich den Schatten eines Mannes durch den Burggarten gleiten sehe, der einen umfangreichen und wie es mir auch schien schweren Topf im Arm trägt. Jenseits der dreigetheilten Eiche blieb er stehen, nahm einen dort lehnenden Spaten zur Hand und grub ein tiefes Loch. Wie er aber den Topf hineinsenken will, fällt er zu Boden und klirrend rollt der Inhalt zu seinen Füßen. Einen flüchtigen Blick nach dem Schlosse ob es niemand gesehen und gehört, dann liest er die Stücke hurtig auf und bringt das Gefäß an seinen Ort. Schnell ist das Loch wieder mit Erde gefüllt, er scharrt es mit den Füßen glatt, wohl damit niemand sein Geheimniß entdecken soll, und vorsichtig schleicht er im Schatten der Mauern und Bäume nach dem Schlosse zurück. Wie er aber an das Pförtchen tritt, erleuchtet der hinter Wolken hervorbrechende Mond jene Stelle und ich erkenne unser tugendreiches Mönchlein. – Nun, Herr Graf, was sagt Ihr zu meinem Bericht?«

»Daß er so klar ist wie Wasser – der Pfaff ist ein Dieb! Doch bei meinen Ahnen schwöre ich, er soll seine Arglist büßen!«

»So ist's recht, Herr Graf. Seid Ihr dem Schuldigen milde, so zupft er Euch das nächste Mal am Barte und Ihr werdet Kinderspott. Wißt Ihr noch, wie das Pfäfflein immer zu basteln und zu flicken hatte im Keller und Verließ, an Orten, die jeder meidet, wenn er kann? – Und wißt Ihr auch noch, wie er Euch stets verlachte und auf andere Gedanken zu bringen suchte, wenn Ihr von dem Schatze sprachet, den ein Graf von Reinstein in dieser Burg geborgen haben soll? – »Unsinn! Kindermärchen!« rief da sein trügerischer Mund. Doch dieweil wir der Ruhe pflegten, schlich er wie ein böser Nachtgeist durch das Haus, Euch Eures Eigenthums zu berauben.«

»Bringe mir den Schändlichen herbei zur Stunde!« rief der Graf finster.

Geschwind wie ein Aal, ein befriedigtes Grinsen in dem Schelmengesicht, glitt Balduin zur Thür hinaus. Nun ging es doch einmal ernstlich an des Pfäffleins Kragen, welches ihn nicht freisprechen wollte von Sünd' und Tod, ehe er nicht gelobt, sich zu bessern.

Dem Burgkaplan mochte wohl nichts gutes ahnen, als er den Grafen mit ergrimmter Miene und funkelnden Augen umherlaufen sah im Gemach wie ein reißendes Thier, welches man der Freiheit beraubt hat.

»Was steht Euch zu Diensten, edler Graf?« frug er.

»Was mir zu Diensten steht? – Den Schatz will ich, den Du gehoben und, mich bestehlend, im Garten geborgen hast!«

»Den Schatz?« stammelte der Mönch erblassend. – »Ich weiß von keinem Schatze als von dem, von welchem Ihr immer träumtet und der sich doch niemals gefunden hat, trotzdem wir doch so eifrig nach ihm forschten.«

Mit einem Satze stand Graf Hoyer neben dem Priester und ihm am Kragen fassend, schüttelte er ihn gewaltig hin und her.

»Du wagst zu läugnen, trotzdem Balduin Dich beobachtet hat, wie Du hinter der dreigetheilten Eiche des Burggartens –«

»Diesen Schatz meint Ihr, edler Herr?« athmete der Kaplan auf, während das Blut langsam zurückkehrte in seine fahlen Wangen. »O, er soll Euch sichtbar werden in dieser Stunde, nur fürchte ich, Ihr werdet finden, was Ihr nicht erwartet. Beliebe es Euch, mir zu folgen.«

Und in der That, Graf Hoyer fand in der vom Kaplan selbst geöffneten Grube nicht dasjenige, was er zu finden erwartete. Anstatt blanken Goldes und köstlichen Geschmeides leuchteten ihm bleiche Gebeine daraus hervor.

Diese Enttäuschung versetzte ihn in unbeschreiblichen Zorn und wüthend rief er:

»Was soll dies, Du schlechter Mönch?«

»Es ist der Schatz, den ich in dieser Nacht vergraben habe, Herr Graf. Ihr wißt, wie Ihr mir geboten habt, das Gerippe Eures Windhundes zu reinigen und wieder zusammenzufügen, da es in dieser Gegend niemand versteht als ich. Nun wohl, der erste Theil meiner Arbeit ist beendet und ich begrub hier die gereinigten Knochen, auf daß die Würmer die letzten Fleischrestchen abnagen möchten, ehe ich das Gerippe bleiche.«

Zweifelnd stand der Graf, des gegebenen Auftrages entsann er sich wohl, aber –«

»Da sehet, edler Graf, wie des Mönches Mund die Wahrheit spricht!« rief in diesem Augenblicke Balduin, der mit dem Spaten in dem aufgeworfenen Erdreich wühlte und nun eine blanke Goldmünze bloßlegte, die er eine Minute zuvor darin geborgen hatte.

»Sehet das Gaukelspiel! schade nur, daß es nicht vollständig gelungen ist, daß der Böse seinen Auftrag nur unvollkommen ausgeführt und dies Münzlein vergessen hat!« fuhr er fort.

Schon aber hatte der Graf den Mönch erfaßt und zu Boden gerissen, wo er ihn mit beiden Fäusten ins Gesicht schlug.

»Höllenbrut!« tobte er. »Rede, hebe den Zauber, den Du über den Schatz gesprochen, damit meine Augen ihn nicht sehen sollen!«

»Ich habe – nichts – ich weiß von nichts!« stöhnte der Kaplan.

»Ich tödte Dich, wenn Du das Geheimniß nicht offenbarst!«

Vergebens blieb alles Drohen, der Mönch wußte nichts zu sagen als:

»Vergreift Euch an einen Diener Gottes, Herr, wenn Ihr es wagt, geben kann ich Euch nichts, weil ich nichts besitze!«

Schon zog der jähzornige Mann das Messer, als Balduin seinem Beginnen wehrte.

»Nicht so, edler Graf,« sprach er, »mit dem Mönche tödtet Ihr sein kostbares Geheimniß. – Werfet ihn in das tiefste Verließ an Händen und Füßen gebunden. Dort soll er bleiben, bis der Hunger ihn die Zunge löst.«

Und so geschah es. Der Burgkaplan, der Balduins bösen Plan durchschaute, schmachtete wochenlang in einem tiefen feuchten Loche, der Luft, des Lichts, und der Bewegung wie der Nahrung beraubt, denn man reichte ihm nichts als ein dünnes Stückchen schimmliges Brot und einen kleinen Becher Wasser.

»Recht so, mein Gemahl, den Dieb treffe die gebührende Strafe. Einen Schatz zu stehlen, der uns gebührt, der uns vielleicht reicher machen würde als der Kaiser ist!« rief die Gräfin zornig, das Rädchen ihres Spinnrockens drehend.

Eines Morgens jedoch fand man den Mönch todt im Kerker sitzend und schon benagten die Ratten seine Glieder, froh ob dieses seltenen Schmauses.

»Todt – er ist todt! Das Geheimniß unseres Schatzes für immer dahin!« rief der Graf, sich die Haare raufend.

Gram und Wuth hatten bald ihr Werk vollbracht, Graf Hoyer von Mansfeld, der »Wilde« genannt, folgte dem gemordeten Burgkaplan schnell in die Ewigkeit nach. Zu mitternächtiger Stunde aber belebt es sich auf dem Arnstein. Da wandern er und Balduin durch die Ruinen suchend und klagend, während die Gräfin am Spinnrädchen sitzt und spinnt, als gälte es das tägliche Brot zu gewinnen.

Wie es heißt, soll auch der Burgkaplan zuweilen in der Ruine erscheinen, um zu sehen, wie viel noch von ihr übrig ist, denn ehe nicht die letzte Spur von ihr verschwunden ist, müssen die Geister der drei Mörder rastlos irren.


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