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In den Gemächern der Kaiserin herrschte Bestürzung und Angst, bänglich durchforschten die Kammermägde jeden Winkel, doch umsonst, der kostbare Diamant, mit welchem sich Frau Agnes zu schmücken liebte, blieb verschwunden. Die Miene der hohen Fürstin wurde immer dräuender, ein unheildrohendes Zürnen lohte in ihrem Auge auf, besonders dann, wenn es den greisen Dietlieb traf, den treuesten der Diener.
»Hier lag der Stein, hier an dieser Stelle,« sagte sie stolz und hart, mit dem Finger auf ein Schränkchen weisend, »und als ich zehn Minuten später wiederkehrte, da war er fort – wohl aber stand Dietlieb vor dem Kästchen.«
Die Mägde warfen sich erschrockene Blicke zu und des alten Mannes Antlitz wurde so bleich wie sein Haar. Er wußte, daß die Fürstin ihm von jeher gram war und ihre Worte legten sich drückend schwer auf seine Brust.
»Was erbleichst, was erbebst Du, wenn Dein Gewissen rein ist?« herrschte sie ihn verächtlich an.
»Verzeiht, hohe Frau, der böse Schein läßt mich wanken, der wider mich zu zeugen scheint,« stammelte der Diener, in die Knie sinkend.
»Erhebe Dich und schaffe mir den Stein!« gebot die Kaiserin.
»Wie soll' ich schaffen, was ich nicht habe, nicht zu finden weiß? – O, Barmherzigkeit mit mir altem Manne, der zurückblicken darf auf ein langes, langes Leben ohne Hehl!«
Agnes blieb unerbittlich, kein milderes Empfinden regte sich in ihrer Seele. Die beschwörenden Worte, die er schluchzend hervorstieß, die Thränen, die aus seinen Augen brachen, sie waren in den ihrigen nur schnöde Heuchelei. Niemand konnte das vermißte Geschmeide besitzen als er, denn kein anderer war in das Gemach gekommen und einer bösen That hatte sie sich von ihm schon lange versehen.
»Es bleibt dabei – wenn Du mir den Stein nicht schaffst, so sollst Du die Strafe erleiden, die dem Diebe, dem treulosen Verräther gebührt.«
Und ohne den Blick mehr nach dem jammernden Alten zu wenden, verließ die Fürstin erbarmungslos das Gemach.
Die Tage vergingen, der Diamant jedoch kehrte nicht wieder und die Kaiserin, in deren Herzen sich der bittere Groll von Stunde zu Stunde häufte, blieb taub gegen alle Bitten des Unglücklichen, gegen das herzbrechende Flehen seiner Kinder, selbst gegen die Ermahnungen ihres kaiserlichen Gemahls, der zu Milde und Geduld rieth. – Nein, Dietlieb's Haupt sollte fallen, es galt, allen ungetreuen Dienern ein warnendes Beispiel aufzustellen.
Der Wille der Fürstin siegte, der Henker waltete seines Amtes und Dietlieb's Weib und Kinder wurden schmachbeladen aus den Thoren der Stadt gejagt, den Diamant jedoch hatte man nicht wieder gefunden.
Wochen vergingen und Agnes begann, sich über den Verlust des köstlichen Schmuckes zu trösten, da, als sie eines Tages in des Kaisers Begleitung unter einer vielhundertjährigen Linde hindurch schritt, fiel etwas Glänzendes zu ihren Füßen nieder und gleich darauf flatterte aus dem Gezweige ein krächzender Rabe mit schwerem Flügelschlage in die Luft. Da fuhr die Kaiserin erbleichend zurück – vor ihr im Sande lag der vielgesuchte Diamant!
Heinrich bückte sich nieder und den funkelnden Stein aufhebend, wog er ihn bedächtig auf der flachen Hand.
»Wie leicht bist Du, gleißendes Ding, nach dem sich zahllose Augen begehrlich richten, wie leicht bist Du und doch hast Du einem Menschen das Leben, einer Familie Ehre und Brot geraubt! – Bist Du das werth! – Ihr aber, Agnes,« wandte er sich zu der fassungslosen Fürstin, »laßt Euch in Zukunft nimmer wieder vom Schein betrügen, nimmer wieder vom verderblichen Zorn hinreißen zu vorschneller That, die Euch Jahre peinigender Reue einbringen mag. Tausendmal besser ist es, zehn Schuldige straflos von dannen ziehen zu lassen, als einen Unschuldigen auch nur eine leidensvolle Stunde zu bereiten.«
Boten wurden ausgesandt in alle Lande, Dietlieb's unglückliche Familie zurückzuholen an das kaiserliche Hoflager, und als Agnes nach langen Monden vom Krankenlager erstand, auf welches Reue und Verzweiflung über die unglückselige That sie geworfen hatten, weihte sie ihr ganzes Leben Werken der Buße und der Barmherzigkeit.