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Antonio Scacciati kommt durch Salvator Rosas Vermittlung zu hohen Ehren. Er entdeckt die Ursache seiner fortdauernden Betrübnis dem Salvator, der ihn tröstet und zu helfen verspricht.
Es kam so, wie Antonio vorausgesagt. Die einfachen, heilbringenden Mittel des Pater Bonifacio, die sorgsame Pflege der guten Frau Caterina und ihrer Töchter, die milde Jahreszeit, die eben eintrat, alles schlug bei dem von Natur kräftigen Salvator so gut an, daß er sich bald gesund genug fühlte, an seine Kunst zu denken, und fürs erste tüchtige Handzeichnungen entwarf, die er künftig auszuführen gedachte.
Antonio verließ beinahe gar nicht Salvators Zimmer, er war ganz Aug, wenn Salvator seine Skizzen entwarf; und sein Urteil über manches zeigte, daß er eingeweiht sein mußte in die Geheimnisse der Kunst.
»Hört«, sprach Salvator eines Tages zu ihm, »hört Antonio, Ihr versteht Euch so gut auf die Kunst, daß ich glaube, Ihr habt nicht allein vieles mit richtigem Verstande angeschaut, sondern wohl gar selbst den Pinsel in der Hand gehabt.«
»Erinnert«, erwiderte Antonio, »erinnert Euch, mein lieber Meister, daß ich schon damals, als Ihr aus tiefer Ohnmacht zur Genesung erwachtet, Euch sagte, schwer läge manches auf meinem Herzen. Nun ist es wohl an der Zeit, daß ich mein Inneres Euch ganz und gar offenbare! – Seht, so wie ich der Wundarzt Antonio Scacciati bin, der Euch die Ader schlug, so gehöre ich doch ganz und gar der Kunst an, der ich mich nun auch ganz ergeben will, das verhaßte Handwerk beiseite werfend!«
»Hoho«, rief Salvator, »hoho Antonio, bedenkt, was Ihr tut. Ihr seid ein geschickter Wundarzt, und werdet vielleicht ein stümperhafter Maler werden und bleiben; denn verzeiht, so jung Ihr noch an Jahren sein möget, so seid Ihr doch schon zu alt, um jetzt noch die Kohle zur Hand zu nehmen. Reicht doch kaum ein Menschenalter hin, um nur zu einiger Erkenntnis des Wahrhaftigen – und noch mehr zur praktischen Fähigkeit es darzustellen, zu gelangen!«
»Ei«, erwiderte Antonio mild lächelnd, »ei, mein lieber Meister, wie sollte mir der wahnsinnige Gedanke kommen, jetzt mich zur schweren Malerkunst zu wenden, hätt ich nicht, wie ich nur konnte, schon von Kindesbeinen an die Kunst getrieben, hätt es nicht der Himmel gewollt, daß ich, durch meines Vaters Starrsinn von allem zurückgehalten, was Kunst heißt, doch in die Nähe berühmter Meister kam. Wißt, daß der große Annibal sich des verlaßnen Knaben annahm, wißt, daß ich mich wohl recht eigentlich Guido Renis Schüler nennen darf.«
»Nun«, sprach Salvator etwas scharf, wie es zuweilen in seiner Art lag, »nun wackerer Antonio, so habt Ihr ja gar große Lehrer gehabt, und so kann es gar nicht fehlen, daß Ihr, Eurer Wundarzneikunst unbeschadet, auch ein großer Schüler sein müßt. – Nur begreife ich nicht, wie Ihr, ein treuer Anhänger des sanften, zierlichen Guido, den Ihr vielleicht – die Schüler tun ja das wohl im Enthusiasmus – in Euern Gemälden noch überzierlicht, wie Ihr da einiges Wohlgefallen an meinen Bildern finden, wie Ihr mich wirklich für einen Meister der Kunst halten könnt.«
Dem Jüngling stieg hohe Glut ins Gesicht bei diesen Worten Salvators, die auch wohl beinahe klangen wie verhöhnender Spott.
»Laßt«, sprach er, »laßt mich jetzt alle Scheu, die sonst mir den Mund verschließt, beiseite setzen, laßt mich alles frei heraussagen, wie ich es in mir trage. – Seht, Salvator, niemals habe ich einen Meister so aus dem tiefsten Grunde meiner Seele verehrt, als eben Euch. Es ist die oft übermenschliche Größe der Gedanken, die ich in Euren Werken anstaune. Ihr erfaßt die tiefsten Geheimnisse der Natur, Ihr erschaut die wunderbaren Hieroglyphen ihrer Felsen, ihrer Bäume, ihrer Wasserfälle, Ihr vernehmt ihre heilige Stimme, Ihr versteht ihre Sprache, und habt die Macht, es aufzuschreiben, was sie zu Euch gesprochen. – ja ein Aufschreiben möcht ich Euer keckes, kühnes Malen nennen. – Der Mensch allein mit seinem Treiben genügt Euch nicht, Ihr schaut den Menschen nur in dem Kreise der Natur, und insofern sein innerstes Wesen durch ihre Erscheinungen bedingt ist; deshalb, Salvator, seid Ihr auch nur wahrhaft groß in Euern wunderbar staffierten Landschaften. Das historische Bild setzt Euch Grenzen, die Euern Flug hemmen zum Nachteil der Darstellung –«
»Das«, unterbrach Salvator den Jüngling, »das redet Ihr den neidischen Historienmalern nach, Antonio, die mir die Landschaft hinwerfen, wie einen guten Bissen, an dem ich kauen und ihr eigenes Fleisch verschonen soll! – Ob ich mich wohl auf menschliche Figuren, und auf alles, was dem anhängig, verstehe? – Aber das tolle Nachreden –«
»Werdet«, fuhr Antonio fort, »werdet nicht ungehalten, mein lieber Meister, ich rede niemanden etwas blindlings nach, und am wenigsten darf ich jetzt dem Urteil unserer Meister hier in Rom trauen! – Wer wird die kühne Zeichnung, den wunderbaren Ausdruck, vorzüglich aber die lebendige Bewegung Eurer Figuren nicht hoch bewundern! – Man merkt es, daß Ihr nicht nach dem steifen, ungelenken Modell, oder gar nach der toten Gliederpuppe arbeitet; man merkt es, daß Ihr selbst Euer reges lebendiges Modell seid, indem Ihr, wann Ihr zeichnet oder malt, vor einem großen Spiegel die Figur darstellt, die Ihr auf die Leinwand zu bringen im Sinne habt!«
»Der Tausend! Antonio«, rief Salvator lachend, »ich glaube, Ihr habt schon öfters, ohne daß ich es eben gewahr worden, in meine Werkstatt geguckt, da Ihr so genau wisset, wie es darin hergeht?«
»Könnte das nicht sein?« erwiderte Antonio, »doch laßt mich weitersprechen! – Die Bilder, die Euch Euer mächtiger Geist eingibt, möcht ich gar nicht so ängstlich in ein Fach stellen, wie die pedantischen Meister zu tun sich mühen. In der Tat, was man gewöhnlich Landschaft nennt, paßt schlecht auf Eure Gemälde, die ich lieber historische Darstellungen im tiefern Sinne nennen möchte. Scheint oft dieser, jener Felsen, dieser, jener Baum, wie ein riesiger Mensch mit ernstem Blick uns anzuschauen, so gleicht diese, jene Gruppe seltsam gekleideter Menschen wiederum einem wunderbaren, lebendig gewordnen Gestein; die ganze Natur im harmonischen Einklang sich regend, spricht den erhabenen Gedanken aus, der in Euch aufglühte. So hab ich Eure Gemälde betrachtet, und auf diese Weise verdanke ich ihnen, Euch, mein hoher, herrlicher Meister, allein das tiefere Verständnis der Kunst. – Glaubt deshalb nicht, daß ich in kindische Nachahmerei verfallen. – Sosehr ich mir die Freiheit, die Keckheit Eures Pinsels wünsche, so muß ich doch gestehen, daß mir die Färbung in der Natur anders erscheint, als ich sie auf Euern Gemälden erblicke. Ist es, meine ich, auch der Praktik wegen, dem Schüler heilsam, den Stil dieses oder jenes Meisters nachzuahmen, so muß er, steht er nur einigermaßen auf eigenen Füßen, doch darnach ringen, die Natur so darzustellen, wie er sie erschaut! – Dieses wahrhafte Schauen, diese Einigkeit mit sich selbst, kann ja nur allein Charakter und Wahrheit erzeugen. – Guido war dieser Meinung, und der unruhige Preti, den sie, wie Euch bekannt ist, den Calabrese nennen, ein Maler, der gewiß, wie kein andrer über seine Kunst nachgedacht hat, warnte mich ebenso vor aller Nachahmerei! – Nun wißt Ihr, Salvator, warum ich Euch so überaus verehre, ohne Euer Nachahmer zu sein.«
Salvator hatte dem Jüngling, während er sprach, starr in die Augen geschaut, jetzt riß er ihn stürmisch an die Brust.
»Antonio«, sprach er dann, »Ihr habt in diesem Augenblick gar weise tiefsinnige Worte gesagt – So jung Ihr an Jahren seid, so möget Ihr es doch, was das wahre Verständnis der Kunst betrifft, manchem von unsern alten, hochgepriesenen Meistern zuvortun, die viel Aberteuerliches von ihrem Malen faseln, ohne jemals der Sache auf den Grund zu kommen. Wahrhaftig! als Ihr von meinen Bildern spracht, war es, als würde ich mir selbst erst recht klar, und daß Ihr meinen Stil nicht nachahmt, daß Ihr nicht, wie manche andere, den schwarzen Farbentopf zur Hand nehmt, grelle Lichter aufsetzet, oder gar ein paar verkrüppelte Gestalten mit abscheulichen Gesichtern aus der kotigen Erde herausgucken laßt und dann meint, der Salvator sei fertig: eben darum schätze ich Euch gar hoch – Wie Ihr da seid, habt Ihr an mir den treusten Freund gefunden! – Ich gebe mich Euch hin mit ganzer Seele!«
Antonio war außer sich vor Freude über das Wohlwollen, das ihm der Meister so mit aller Gemütlichkeit bezeugte. Salvator äußerte lebhaftes Verlangen, Antonios Bilder zu sehen. Antonio führte ihn zur Stelle in seine Werkstatt.
Nicht Geringes hatte Salvator von dem Jünglinge erwartet, der so verständig über die Kunst gesprochen, in dem ein besonderer Geist sich zu regen schien; und doch wurde der Meister durch Antonios reiche Bilder gar höchlich überrascht. Er fand überall kühne Gedanken, korrekte Zeichnung, und das frische Kolorit, der große Geschmack in dem breiten Faltenwurf, die ungemeine Zierlichkeit der Extremitäten, die hohe Anmut der Köpfe zeigte den würdigen Schüler des großen Reni, wiewohl das Bestreben Antonios, nicht, wie jenes Meisters, der das wohl zu tun pflegte, den Ausdruck der Schönheit zu opfern, oft zu sichtlich, hervortrat. Man sah, Antonio rang nach Annibals Stärke, ohne sie zur Zeit erreichen zu können.
In ernstem Schweigen hatte Salvator jedes von Antonios Gemälden lange Zeit hindurch betrachtet, dann sprach er. »Hört Antonio, es ist wohl nun nicht anders, Ihr seid recht eigentlich für die edle Malerkunst geboren. Denn nicht allein, daß die Natur Euch den schöpferischen Geist gegeben hat, der in unversiegbarem Reichtum die herrlichsten Gedanken entflammt, sie verlieh Euch auch das seltene Talent, das in kurzer Zeit die Schwierigkeiten der Praktik überwindet. – Ich würde lügenhaft schmeicheln, wenn ich Euch sagen sollte, daß Ihr jetzt schon Eure Meister, daß Ihr Guidos wunderbare Anmut, daß Ihr Annibals Stärke erreicht habt; aber gewiß ist es, daß Ihr unsere Meister, die sich hier in der Akademie San Luca so brüsten, den Tiarini, den Gessi, den Sementa und wie sie alle heißen, ja selbst den Lanfranco nicht ausgenommen, der nur auf Kalk zu malen versteht, weit übertrefft. – Und doch Antonio! und doch würde ich mich, wär ich an Eurer Stelle, besinnen, ob ich die Lanzette ganz und gar wegwerfen und den Pinsel allein zur Hand nehmen solle! – Das klingt sonderbar, aber hört mich an! – Es ist jetzt in der Kunst eine böse Zeit eingetreten, oder vielmehr, der Teufel scheint geschäftig zu sein unter unsern Meistern, und sie wacker zu hetzen! – Seid Ihr nicht darauf gefaßt, Kränkungen jeder Art zu erfahren, je höher Ihr in der Kunst steigt, desto mehr Hohn und Verachtung zu leiden, überall, sowie Euer Ruhm sich verbreitet, auf hämische Bösewichter zu stoßen, die mit freundlicher Miene sich an Euch drängen, um Euch desto sicherer zu verderben, seid Ihr, sage ich, auf alles das nicht gefaßt, so bleibt weg von der Malerei! – Denkt an das Schicksal Eures Lehrers, des großen Annibal, den ein schurkischer Haufe von Kunstgenossen in Neapel tückisch verfolgte, so daß er kein einziges großes Werk auszuführen bekam, sondern überall mit Verachtung abgewiesen wurde, was ihm denn den frühen Tod zuzog! – Denkt doch nur daran, wie es unserm Dominichino erging, als er die Kuppel in der Kapelle des heiligen Januars malte. Bestachen nicht die Bösewichter von Malern – ich will nun eben keinen nennen, auch nicht den Schurken Belisario und den Ribera! – bestachen die nicht Dominichinos Diener, daß er Asche unter den Kalk werfen solle? So konnte das Bewerfen der Mauer nicht binden und die Malerei keinen Bestand haben. – Denkt an das alles und prüft Euch wohl, ob Euer Gemüt stark genug ist, dergleichen zu ertragen, denn sonst wird Eure Kraft gebrochen, und mit dem festen Mut zu schaffen, geht auch die Fähigkeit dazu verloren!«
»Ach Salvator«, erwiderte Antonio, »es ist wohl kaum möglich, daß ich, habe ich mich dann ganz und gar zu den Malern geschlagen, mehr Hohn und Verachtung erdulden kann, als es jetzt schon geschehen ist, da ich noch Wundarzt bin. – Ihr habt Wohlgefallen gefunden an meinen Gemälden, ja Ihr habt es, und doch wohl aus innerer Überzeugung ausgesprochen, daß ich Tüchtigeres zu schaffen vermag, als manche von unsern Lucanern; und doch sind es eben diese, die über alles, was ich mit großem Fleiß hervorgebracht, die Nase rümpfen und verächtlich sprechen: ›Seht doch, der Wundarzt will malen!‹ – Eben darum steht aber mein Entschluß fest, mich von einem Gewerbe ganz zu trennen, das mir mit jedem Tage verhaßter wird! – Auf Euch, mein würdiger Meister, habe ich aber nun meine ganze Hoffnung gestellt! – Euer Wort gilt viel, Ihr könnt, wollt Ihr für mich sprechen, mit einemmal meine neidischen Verfolger zu Boden schlagen, Ihr könnt mich hinstellen an den Platz, wo ich hingehöre!«
»Ihr habt«, erwiderte Salvator, »Ihr habt viel Vertrauen zu mir; aber, nachdem wir uns so recht über unsere Kunst verständigt, nachdem ich Eure Werke gesehen, wüßte ich auch in der Tat nicht, für wen ich lieber mit aller meiner Kraft in den Kampf gehen sollte, als eben für Euch!«
Salvator betrachtete noch einmal Antonios Gemälde, und blieb vor einem stehen, das eine Magdalena zu des Heilands Füßen darstellte, und das er ganz besonders pries.
»Ihr seid«, sprach er, »von der gewöhnlichen Art, wie man diese Magdalena darstellt, abgewichen. Eure Magdalena ist nicht die ernste Jungfrau, sondern mehr ein unbefangenes, liebliches Kind, aber ein so wunderbares, wie es Guido nur hätte schaffen können – Es liegt ein besonderer Zauber in der holden Gestalt; Ihr habt mit Begeisterung gemalt, und irr ich nicht, so lebt das Original dieser Magdalena und ist hier in Rom zu finden – Gesteht es Antonio! – Ihr seid in Liebe!« – Antonio schlug den Blick zu Boden und sprach leise und schüchtern : »Eurem Scharfblick entgeht nichts, mein lieber Meister, es mag wohl so sein, wie Ihr saget; aber tadelt mich nicht darum. – Jenes Bild halt ich am höchsten, und ich habe es wie ein heiliges Geheimnis zur Zeit verborgen gehalten vor jedermanns Auge.«
»Was sagt Ihr«, unterbrach Salvator den Jüngling, »niemand von den Malern hat Euer Bild geschaut?«
»So ist es«, erwiderte Antonio.
»Nun«, fuhr Salvator fort, indem ihm die Augen vor Freude blitzten, »nun Antonio, so seid gewiß, daß ich Eure neidischen, hochmütigen Verfolger zu Boden schlage, und Euch zu verdienten Ehren bringe. Vertraut mir Euer Bild an, schafft es zur Nachtzeit heimlich in meine Wohnung, und für das übrige laßt mich dann sorgen – Wollt Ihr das tun?«
»Mit tausend Freuden«, erwiderte Antonio. »Ach ich möchte nun auch gleich von dem Ungemach meiner Liebe zu Euch reden; aber es ist mir so, als wenn ich das nun gerade heute, da in der Kunst unser Inneres sich gegenseitig erschlossen, nicht dürfe. Künftig flehe ich Euch wohl an, auch was meine Liebe betrifft, mir beizustehen mit Rat und Tat –«
»Mit beidem«, sprach Salvator, »stehe ich Euch zu Diensten, wo und wenn es not tut!« – Im Davonschreiten wandte sich Salvator noch einmal um und sprach lächelnd: »Hört Antonio, als Ihr mir entdecktet, daß Ihr ein Maler wäret, da fiel es mir schwer aufs Herz, daß ich von Eurer Ähnlichkeit mit dem Sanzio gesprochen. Ich glaubte schon, Ihr könntet so faselig tun, wie manche von unsern jungen Leuten, die, tragen sie eine flüchtige Ähnlichkeit mit diesem, jenem großen Meister im Gesicht, sich sogleich den Bart so stutzen oder die Haare, wie der es tat, und darin den Beruf finden, jenes Meisters Manier auch in der Kunst nachzuahmen, widerstrebt dem gleich ihre Natur! – Wir haben beide den Namen Raffael nicht genannt, aber glaubt mir, in Euern Bildern habe ich die deutliche Spur gefunden, wie der ganze Himmel der göttlichen Gedanken in den Werken des größten Malers der Zeit Euch aufgegangen! – Ihr versteht den Raffael, Ihr werdet mir nicht so antworten, wie der Velasquez, den ich neulich fragte, was er von dem Sanzio halte. Tizian, erwiderte er mir, sei der größte Maler, Raffael wisse nichts von der Karnation. – In diesem Spanier ist das Fleisch, aber nicht das Wort; und doch erheben sie ihn in San Luca bis in den Himmel, weil er einmal Kirschen gemalt, die die Spatzen angepickt!« – –
Es begab sich, daß nach einigen Tagen die Akademisten von San Luca sich in ihrer Kirche versammelten, um über die Werke der Maler, die sich zur Aufnahme gemeldet, zu urteilen: Dort hatte Salvator das schöne Bild Scacciatis aufstellen lassen. Unwillkürlich wurden die Maler von der Stärke und Anmut des Gemäldes hingerissen und von allen Lippen ertönte das ungemessenste Lob, als Salvator versicherte, daß er das Bild aus Neapel mitgebracht, als den Nachlaß eines jungen, früh verstorbenen Malers.
Wenige Zeit dauerte es, so strömte ganz Rom hin, das Gemälde des jungen unbekannt verstorbenen Malers zu bewundern; man war darüber einig, daß seit Guido Renis Zeiten ein solches Bild nicht geschaffen worden, ja man ging im gerechten Enthusiasmus so weit, die wunderliebliche Magdalena noch über Guidos Schöpfungen der Art zu stellen. – Unter der Menge von Menschen, die immer vor Scacciatis Gemälde versammelt, bemerkte Salvator eines Tages einen Mann, der bei seinem übrigens gar besonderen Ansehen sich wie närrisch gebärdete. Er war hoch in den Jahren, groß, dürr wie eine Spindel, bleichen Angesichts, mit langer spitzer Nase, mit ebenso langem Kinn, das überdies in einen kleinen Bart sich zuspitzte, und grauen, blitzenden Augen. Auf die dicke, hellblonde Perücke hatte er einen hohen Hut mit einer stattlichen Feder gesetzt, er trug ein kleines, dunkelrotes Mäntelchen mit vielen blanken Knöpfen, ein himmelblaues, spanisch geschlitztes Wams, große, mit silbernen Frangen besetzte Stülphandschuhe, einen langen Stoßdegen an der Seite, hellgraue Strümpfe über die spitzen Knie gezogen, und mit gelben Bändern gebunden, und ebensolche gelbe Bandschleifen auf den Schuhen.
Diese seltsame Figur stand nun wie entzückt vor dem Bilde, erhob sich auf den Zehen, duckte sich ganz klein nieder – hüpfte dann mit beiden Beinen zugleich auf – stöhnte – ächzte – kniff die Augen fest zu, daß die Tränen hervorperlten, riß sie dann wieder weit auf, schaute unverwandt hin nach der lieblichen Magdalena, seufzte, lispelte mit feiner, klagender Kastratenstimme: »Ah carissima – benedettissima – ah Marianna – Mariannina – bellissima« etc. Salvator, auf solche Figuren besonders erpicht, drängte sich zu dem Alten, wollte sich mit ihm in ein Gespräch einlassen über Scacciatis Bild, das ihn so zu entzücken schien. Ohne sonderlich auf Salvator zu achten, verfluchte aber der Alte seine Armut, die ihm nicht erlaube, das Bild für eine Million zu erstehen, und zu verschließen, damit nur kein anderer seine satanischen Blicke darauf richte. Und dann hüpfte er wieder auf und nieder, und dankte der Jungfrau und allen Heiligen, daß der verruchte Maler tot sei, der das himmlische Bild gemalt, das ihn in Verzweiflung und Raserei stürze.
Salvator schloß, der Mann müsse wahnsinnig, oder ein ihm unbekannter Akademist von San Luca sein.
Ganz Rom war erfüllt von dem wunderbaren Gemälde Scacciatis; es war kaum von etwas anderm die Rede, und dies mußte wohl schon zur Gnüge die Vortrefflichkeit des Werkes beweisen. Als nun die Maler aufs neue in der Kirche des heiligen Lukas versammelt waren, um über die Aufnahme verschiedener, die sich dazu gemeldet, zu entscheiden, fragte Salvator Rosa plötzlich: ob nicht der Maler, dessen Werk die Magdalena zu des Heilands Füßen, würdig gewesen in die Akademie aufgenommen zu werden? Alle Maler, selbst den über die Gebühr kritischen Ritter Josepin nicht ausgenommen, versicherten einstimmig, daß solch ein hoher Meister eine Zierde der Akademie gewesen sein würde, und bedauerten in den ausgesuchtesten Redensarten seinen Tod, wiewohl sie ebensogut, als jener tolle Alte, im Herzen den Himmel dafür priesen. – Ja sie gingen in ihrem Enthusiasmus so weit, daß sie beschlossen, den vortrefflichen Jüngling, den der Tod zu früh der Kunst entrissen, noch im Grabe zum Akademiker zu ernennen, und zum Heil seiner Seele Messen lesen zu lassen in der Kirche des heiligen Lucas. Sie erbaten sich daher von dem Salvator den vollständigen Namen des Verstorbenen, sein Geburtsjahr, den Ort seiner Herkunft u. s. w.
Da erhob sich Salvator Rosa und sprach mit lauter Stimme: »Ei, ihr Herren, die Ehre, die ihr einem Toten im Grabe erweisen wollet, könnet ihr besser einem Lebendigen zuwenden, der unter euch wandelt. – Wißt, die Magdalena zu des Heilands Füßen, das Gemälde, das ihr mit Recht so hoch, so über alle Malereien stellt, die die neueste Zeit hervorgebracht hat, es ist nicht das Werk eines neapolitanischen Malers, der schon verstorben, wie ich vorgab, damit euer Urteil unbefangen sein möchte – jenes Gemälde, das Meisterwerk, welches ganz Rom bewundert, ist von der Hand Antonio Scacciatis des Wundarztes!«
Stumm und starr, wie von jähem Blitz getroffen, schauten die Maler den Salvator an. Der weidete sich einige Augenblicke an ihrer Verlegenheit und fuhr dann fort: »Nun ihr Herren, ihr habt den wackern Antonio nicht unter euch dulden wollen, weil er ein Wundarzt ist, nun mein ich aber, ein Wundarzt täte der erhabenen Akademie von San Luca eben recht not, um den verkrüppelten Figuren, wie sie aus der Werkstatt von manchen eurer Maler hervorgehen, die Glieder einzurenken! – Jetzt werdet ihr aber wohl nicht länger anstehen, zu tun, was ihr längst hättet tun sollen, nämlich den tüchtigen Maler Antonio Scacciati aufnehmen in die Akademie San Luca.«
Die Akademiker verschluckten Salvators bittere Pille, stellten sich hocherfreut, daß Antonio sein Talent auf solch entscheidende Weise beurkundet, und ernannten ihn mit vielem Gepränge zum Mitgliede der Akademie.
Kaum ward es in Rom bekannt, daß Antonio das wunderbare Bild geschaffen, als ihm von allen Seiten Lobeserhebungen, ja Anerbieten, große Werke zu unternehmen, zuströmten. So wurde nun der Jüngling durch Salvators kluge, listige Handlungsweise auf einmal aus dem Dunkel hervorgezogen, und kam im Augenblick, als er seine eigentliche Künstlerlaufbahn beginnen wollte, zu hohen Ehren.
Antonio schwamm in Seligkeit und Wonne. Desto mehr nahm es den Salvator wunder, als, da einige Tage vergangen, der Jüngling bei ihm sich einfand, bleich, entstellt, ganz Gram und Verzweiflung. »Ach Salvator«, sprach Antonio, »was hilft es mir nun, daß Ihr mich emporgebracht habt, wie ich es gar nicht ahnen konnte, daß ich überhäuft werde mit Lob und Ehre, daß die Aussicht des herrlichsten Künstlerlebens sich mir geöffnet, da ich doch grenzenlos elend bin, da eben das Bild, dem ich nächst Euch, mein lieber Meister, meinen Sieg verdanke, mein Unglück rettungslos entschieden hat!«
»Still«, erwiderte Salvator, »versündigt Euch nicht an der Kunst und an Euerm Bilde! An das entsetzliche Unglück, das Euch betroffen, glaube ich ganz und gar nicht. Ihr seid in Liebe, und da mag sich denn nicht gleich alles Euern Wünschen fügen wollen: das wird alles sein. Verliebte sind wie die Kinder, die gleich weinen und schreien, wenn man nur ihr Püppchen berührt. Laßt, ich bitt Euch, laßt das Lamentieren, ich kann es durchaus nicht leiden. Dort setzt Euch hin und erzählt mir ruhig, wie es sich verhält mit Eurer holden Magdalena, mit Eurer Liebesgeschichte überhaupt, und wo die Steine des Anstoßes liegen, die wir wegräumen müssen, denn ich sage Euch im voraus meine Hülfe zu. Je abenteuerlicher die Dinge sind, die wir unternehmen müssen, desto lieber ist es mir. – In der Tat, das Blut wallt wieder rasch in meinen Adern, und meine Diät will es, daß ich einige tolle Streiche unternehme. – Aber nun erzählt, Antonio! und wie gesagt fein ruhig ohne Oh – Ach und Weh!« –
Antonio nahm Platz in dem Sessel, den ihm Salvator an die Staffelei, an der er arbeitete, hingeschoben, und begann in folgender Art:
»In der Straße Ripetta, in dem hohen Hause, dessen weit vorstehenden Balkon man gleich erblickt, wenn man durch die Porta del Popolo tritt, wohnt der närrischste Kauz, den es vielleicht in ganz Rom gibt. Ein alter Hagestolz, alle Gebrechen seines Standes in sich tragend, geizig, eitel, den Jüngling spielend, verliebt, geckenhaft! – Er ist groß, dürr wie eine Gerte, geht in buntscheckig spanischer Tracht, mit blonder Perücke, spitzem Hute, Stülphandschuhen, Stoßdegen an der Seite –«
»Halt, halt«, rief Salvator, den Jüngling unterbrechend, »erlaubt einige Augenblicke Antonio!« – Und damit drehte er das Bild, an dem er eben malte, um, nahm die Kohle zur Hand, und zeichnete auf die Kehrseite mit einigen kecken Strichen den seltsamen alten Mann hin, der sich vor Antonios Gemälde so närrisch gebärdete.
»Bei allen Heiligen«, schrie Antonio, indem er aufsprang vom Stuhl, und seiner Verzweiflung unbeschadet hell auflachte, »bei allen Heiligen, das ist er, das ist Signor Pasquale Capuzzi, von dem ich eben spreche, wie er leibt und lebt!«
»Nun seht Ihr wohl«, sprach Salvator ruhig, »ich kenne schon den Patron, der höchstwahrscheinlich Euer arger Widersacher ist; doch fahrt nur fort.«
»Signor Pasquale Capuzzi«, sprach Antonio weiter, »ist steinreich, dabei, wie ich schon sagte, schmutziger Geizhals und ein ausgemachter Geck. Das Beste an ihm ist noch, daß er die Künste liebt, vorzüglich Musik und Malerei; aber es läuft dabei so viel Narrheit mit unter, daß auch in dieser Hinsicht mit ihm gar nicht auszukommen ist. Er hält sich für den größten Komponisten der Welt, und für einen Sänger, wie er in der päpstlichen Kapelle gar nicht zu finden. Deshalb sieht er unsern alten Frescobaldi nur über die Schultern an, und meint, wenn die Römer von dem wunderbaren Zauber sprechen, der in Ceccarellis Stimme liege, Ceccarelli verstehe vom Gesange so viel wie ein Reitstiefel, und er, Capuzzi, wisse wohl, wie man die Leute zu bezaubern vermöge. Weil aber der erste Sänger des Papstes den stolzen Namen Odoardo Ceccarelli di Merania führt, so hört es unser Capuzzi gern, wenn man ihn Signor Pasquale Capuzzi di Senigaglia heißt. Denn in Senegaglia, und zwar wie die Leute sagen, auf einem Fischerkahn, jäh erschreckt durch einen auftauchenden Seehund, gebar ihn seine Mutter, weshalb viel Seehündisches in seine Natur gekommen. In frühern Jahren brachte er eine Oper aufs Theater, die jämmerlich ausgepfiffen wurde, das hat ihn aber nicht geheilt von seiner Sucht, abscheuliche Musik zu machen; vielmehr schwur er, als er Francesco Cavallis Oper Le Nozze di Teti e di Peleo gehört, der Kapellmeister habe die sublimsten Gedanken aus seinen unsterblichen Werken entlehnt, worüber er beinahe Prügel oder gar Messerstiche bekommen. Noch ist er wie besessen darauf, Arien zu singen und dazu eine arme schwindsüchtige Chitarre abzumartern, daß sie zu seinem abscheulichen Gequarre stöhnen und ächzen muß. Sein treuer Pylades ist ein mißratener zwerghafter Kastrat, den die Römer Pitichinaccio nennen. Zu den beiden gesellt sich – denkt Euch wer! – Nun! kein andrer, als der Pyramiden-Doktor, der Töne von sich gibt, wie ein melancholischer Esel, und dennoch meint, er sänge einen vortrefflichen Baß, trotz dem Martinelli in der päpstlichen Kapelle. Die drei würdigen Leute kommen nun zusammen abends, und stellen sich hin auf den Balkon und singen die Motetten von Carissimi, daß alle Hunde und Katzen in der ganzen Nachbarschaft in ein lautes Jammergeschrei ausbrechen, und die Menschen das höllische Trio zu allen tausend Teufeln wünschen.
Bei diesem närrischen Signor Pasquale Capuzzi, den Ihr aus meiner Schilderung hinlänglich kennengelernt haben werdet, ging nun mein Vater aus und ein, weil er ihm Perücke und Bart zustutzte. Als mein Vater gestorben, übernahm ich das Geschäft, und Capuzzi war gar sehr mit mir zufrieden, einmal, weil er behauptete, ich verstehe, wie kein andrer, seinem Zwickelbart unter der Nase einen kühnen Schwung aufwärts zu geben, dann aber wohl, weil ich mit den elenden paar Quattrinos zufrieden war, die er mir für meine Mühe gab. Doch glaubte er mich überreich zu belohnen, weil er mir jedesmal, wenn ich ihm seinen Bart gestutzt, mit fest zugedrückten Augen eine Arie von seiner Komposition vorkrähte, die mir die Ohren zerriß, wiewohl mir die tollen Gebärden des Alten viel Spaß machten, weshalb ich auch immer wieder hinging. – Eines Tages steige ich ganz ruhig die Treppen herauf, klopfe an die Tür, öffne sie – da tritt mir ein Mädchen – ein Engel des Lichts entgegen! – Ihr kennt meine Magdalena! – sie war es! – Erstarrt, fest in den Boden gewurzelt, bleibe ich stehen. – Nein Salvator! – Ihr möget kein O und Ach! – Genug, sowie ich die wunderlieblichste der Jungfrauen schaute, ergriff mich die heißeste glühendste Liebe. Der Alte sagte mir schmunzelnd, das Mädchen sei die Tochter seines Bruders Pietro, der in Senigaglia gestorben, heiße Marianna, sei mutter- und geschwisterlos; als Onkel und Vormund habe er sie daher zu sich ins Haus genommen. Ihr könnt denken, daß von nun an Capuzzis Haus mein Paradies war. Ich mocht es anstellen, wie ich wollte, nie glückte es mir, mit Marianna auch nur einen Augenblick allein zu sein. Doch ihre Blicke, mancher verstohlne Seufzer, ja mancher Händedruck ließen mich mein Glück nicht bezweifeln. – Der Alte erriet mich, und das konnte ihm wohl nicht schwerfallen. Er meinte, mein Betragen gegen seine Nichte gefiele ihm ganz und gar nicht, und fragte, was ich denn eigentlich wolle? – Offen gestand ich ihm, daß ich Marianna mit voller Seele liebe, und kein höheres Glück auf Erden kenne, als mich mit ihr zu verbinden. Da maß mich Capuzzi von oben bis unten, brach dann in ein höhnisches Gelächter aus, und meinte, er habe gar nicht geglaubt, daß in dem Kopf eines armseligen Bartkratzers solche hohe Ideen spuken könnten. Der Zorn wollte in mir überwallen, ich sagte, er wisse wohl, daß ich kein armseliger Bartkratzer, vielmehr ein tüchtiger Wundarzt, und überdem, was die herrliche Malerkunst betreffe, ein treuer Schüler des großen Annibal Caracci, des unübertroffenen Guido Reni sei. Noch in ein stärkeres Gelächter brach nun der niederträchtige Capuzzi aus, und quiekte in seinem scheußlichen Falsett: ›Ei mein süßer Signor Bartkratzer, mein vortrefflicher Signor Wundarzt, mein holdseliger Annibal Caracci, mein geliebtester Guido Reni, schert Euch zu allen Teufeln und laßt Euch hier nicht mehr sehen, wenn Ihr mit gesunden Beinen davonkommen wollt!‹ – Damit packte mich der alte wahnsinnige Knickebein, und hatte nichts Geringeres im Sinn, als mich zur Türe hinaus, die Treppe hinabzuwerfen. – Nein! das war nicht zu dulden! – Wütend faßte ich den Alten, stülpte ihn um, daß er laut aufkreischend die Beine in die Höhe streckte, rannte die Treppe hinab, zur Türe hinaus, die nun freilich für mich verschlossen blieb.
So standen die Sachen, als Ihr nach Rom kamt, und als der Himmel dem guten Pater Bonifacio es eingab, mich zu Euch zu führen. – Nun da durch Eure Geschicklichkeit das gelungen, wornach ich vergebens getrachtet hätte, als die Akademie von San Luca mich aufgenommen, als ganz Rom mir Lob und Ehre in überreichem Maß gespendet hatte, ging ich geradesweges zum Alten und stand plötzlich vor ihm in seinem Zimmer, wie ein bedrohliches Gespenst. – So mußte ich ihm nämlich vorkommen, denn er wurde leichenblaß, und zog sich zurück, an allen Gliedern zitternd, hinter einen großen Tisch. Mit ernstem, festen Ton hielt ich ihm nun vor, daß es jetzt keinen Bartkratzer und Wundarzt, wohl aber einen berühmten Maler und Akademiker von San Luca, Antonio Scacciati gebe, dem er die Hand seiner Nichte Marianna nicht verweigern werde. Da hättet Ihr die Wut sehen sollen, in die der Alte geriet. Er heulte, er schlug mit den Armen um sich wie vom Teufel besessen; er schrie: ich trachte, ein ruchloser Mörder, nach seinem Leben, ich habe ihm seine Marianna gestohlen, da ich sie in dem Gemälde abkonterfeit, das ihn in Raserei und Verzweiflung stürze, da nun alle Welt – alle Welt seine Marianna – sein Leben – seine Hoffnung – sein alles mit gierigen, lüsternen Blicken anschaue; – aber ich solle mich hüten, das Haus über den Kopf wolle er mir anzünden, damit ich verbrenne samt meinem Gemälde. – Und damit fing er so übermäßig an zu schreien: ›Feuer – Mörder – Diebe – Hülfe‹ – daß ich ganz bestürzt nur eilte, um aus dem Hause zu kommen.
Der alte, wahnsinnige Capuzzi ist bis über die Ohren verliebt in seine Nichte, er schließt sie ein, er wird, gelingt es ihm Dispensation zu bekommen, sie zu der abscheulichsten Verbindung zwingen. – Alle Hoffnung ist verloren.«
»Warum nicht gar«, sprach Salvator lachend, »ich meine vielmehr, daß Eure Sachen gar nicht besser stehen können! – Marianna liebt Euch, davon seid Ihr überzeugt, und es kommt nur darauf an, sie dem alten, tollen Signor Pasquale Capuzzi zu entreißen. Nun wüßt ich aber doch in der Tat nicht, warum ein Paar unternehmende rüstige Leute, wie wir, das nicht bewerkstelligen sollten! – Faßt Mut, Antonio ! statt zu klagen, statt liebeskrank zu seufzen und zu ohnmächteln, ist es besser, emsig zu sinnen auf Mariannas Rettung. – Gebt acht, Antonio, wie wir den alten Geck bei der Nase herumführen wollen: das Tollste ist mir kaum toll genug bei derlei Unternehmungen! – Gleich auf der Stelle will ich sehen, wie ich mehr über den Alten und über seine ganze Lebensweise erfahre. Ihr dürft Euch dabei nicht blicken lassen, Antonio; geht nur fein nach Hause und kommt morgen in aller Frühe zu mir, damit wir den Plan zum ersten Angriff überlegen.«
Damit schnickte Salvator den Pinsel aus, warf den Mantel um, und eilte nach dem Korso, während Antonio, getröstet, lebensfrische Hoffnung in der Brust, sich, wie ihm Salvator geheißen, in seine Wohnung begab.