E. T. A. Hoffmann
Die Serapions-Brüder
E. T. A. Hoffmann

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Die neuen Spielsachen

Sowie die Kutsche mit dem Grafen Cyprianus von Brakel und seiner Familie den Hügel herabgerollt war, warf der Herr Thaddäus schnell den grünen Rock und die rote Weste ab, und als er ebenso schnell die weite Tuchjacke angezogen und zwei- bis dreimal mit dem breiten Kamm die Haare durchfahren hatte, da holte er tief Atem, dehnte sich und rief: »Gott sei gedankt!« Auch die Kinder zogen schnell ihre Sonntagsröckchen aus und fühlten sich froh und leicht. »In den Wald, in den Wald!« rief Felix, indem er seine höchsten Luftsprünge versuchte. »Wollt ihr denn nicht erst sehen was euch Herrmann und Adelgunde mitgebracht haben?« So sprach die Mutter und Christlieb, die schon während des Ausziehens die Schachteln mit neugierigen Augen betrachtet hatte, meinte, daß das wohl erst geschehen könne, nachher sei es ja wohl noch Zeit genug in den Wald zu laufen. Felix war sehr schwer zu überreden. Er sprach: »Was kann uns denn der alberne pumphosichte Junge mitsamt seiner bebänderten Schwester Großes mitgebracht haben. Was die Wissenschaften betrifft, i nun die plappert er gut genug weg, aber erst schwatzt er von Löw und Bär und weiß wie man die Elefanten fängt und dann fürchtet er sich vor meinem Sultan, hat einen Säbel an der Seite und heult und schreit und kriecht unter den Tisch. Das mag mir ein schöner Jäger sein!« »Ach lieber guter Felix, laß uns doch nur ein ganzes kleines bißchen die Schachteln öffnen!« So bat Christlieb, und da ihr Felix alles nur mögliche zu Gefallen tat, so gab er das in den Wald Laufen vor der Hand auf und setzte sich mit Christlieb geduldig an den Tisch auf dem die Schachteln standen. Sie wurden von der Mutter geöffnet, aber da – Nun, o meine vielgeliebten Leser! Euch allen ist es gewiß schon so gut geworden zur Zeit des fröhlichen Jahrmarkts oder doch gewiß zu Weihnachten von den Eltern oder andern lieben Freunden mit allerlei schmucken Sachen reichlich beschenkt zu werden. Denkt euch, wie ihr vor Freude jauchztet, als blanke Soldaten, Männchen mit Drehorgeln, schön geputzte Puppen, zierliche Gerätschaften, herrliche bunte Bilderbücher u. a. m. um euch lagen und standen! Solche große Freude wie ihr damals, hatten jetzt Felix und Christlieb, denn eine ganz reiche Bescherung der niedlichsten glänzendsten Sachen ging aus den Schachteln hervor, und dabei gab es noch allerlei Naschwerk, so daß die Kinder ein Mal über das andere die Hände zusammenschlugen und ausriefen: »Ei wie schön ist das!« Nur eine Tüte mit Bonbons legte Felix mit Verachtung beiseite, und als Christlieb bat den gläsernen Zucker doch wenigstens nicht zum Fenster herauszuwerfen, wie er es eben tun wollte, ließ er zwar davon ab, öffnete aber die Tüte und warf einige Bonbons dem Sultan hin, der indessen hineingeschwänzelt war. Sultan roch daran und wandte dann unmutig die Schnauze weg. »Siehst du wohl Christlieb«, rief Felix nun triumphierend, »siehst du wohl, nicht einmal Sultan mag das garstige Zeug fressen.« Übrigens machte dem Felix von den Spielsachen nichts mehr Freude als ein stattlicher Jägersmann, der, wenn man ein kleines Fädchen das hinten unter seiner Jacke hervorragte, anzog, die Büchse anlegte und in ein Ziel schoß, das drei Spannen weit vor ihm angebracht war. Nächstdem schenkte er seine Liebe einem kleinen Männchen, das Komplimente zu machen verstand und auf einer Harfe quinkelierte wenn man an einer Schraube drehte; vor allen Dingen gefiel ihm aber eine Flinte und ein Hirschfänger, beides von Holz und übersilbert, sowie eine stattliche Husarenmütze und eine Patrontasche. Christlieb hatte große Freude an einer sehr schön geputzten Puppe und einem saubern vollständigen Hausrat. Die Kinder vergaßen Wald und Flur und ergötzten sich an den Spielsachen bis in den späten Abend hinein. Dann gingen sie zu Bette.

 
Was sich mit den neuen Spielsachen im Walde zutrug

Tages darauf fingen die Kinder es wieder da an, wo sie es abends vorher gelassen hatten: das heißt, sie holten die Schachteln herbei, kramten ihre Spielsachen aus und ergötzten sich daran auf mancherlei Weise. Ebenso wie gestern schien die Sonne hell und freundlich in die Fenster hinein, wisperten und lispelten die vom sausenden Morgenwind begrüßten Birken, jubilierten Zeisig, Fink und Nachtigall in den schönsten lustigsten Liedlein. Da wurd es dem Felix bei seinem Jäger, seinem kleinen Männchen, seiner Flinte und Patrontasche ganz enge und wehmütig ums Herz. »Ach«, rief er auf einmal, »ach draußen ist's doch schöner, komm Christlieb! laß uns in den Wald laufen!« Christlieb hatte eben die große Puppe ausgezogen und war im Begriff sie wieder anzukleiden, welches ihr viel Vergnügen machte, deshalb wollte sie nicht heraus, sondern bat: »Lieber Felix, wollen wir denn nicht noch hier ein bißchen spielen?« »Weißt du was, Christlieb«, sprach Felix, »wir nehmen das beste von unsern Spielsachen mit hinaus. Ich schnalle meinen Hirschfänger um, und hänge das Gewehr über die Schulter, da seh ich aus wie ein Jäger. Der kleine Jäger und Harfenmännlein können mich begleiten, du Christlieb kannst deine große Puppe und das beste von deinen Gerätschaften mitnehmen. Komm nur, komm!« Christlieb zog hurtig die Puppe vollends an und nun liefen beide Kinder mit ihren Spielsachen hinaus in den Wald, wo sie sich auf einem schönen grünen Plätzchen lagerten. Sie hatten eine Weile gespielt und Felix ließ eben das Harfenmännlein sein Stückchen orgeln, als Christlieb anfing: »Weißt du wohl, lieber Felix, daß dein Harfenmann gar nicht hübsch spielt? Hör nur, wie das hier im Walde häßlich klingt, das ewige Ting-Ting-Ping-Ping, die Vögel kucken so neugierig aus den Büschen, ich glaube, sie halten sich ordentlich auf über den albernen Musikanten, der hier zu ihrem Gesange, spielen will.« Felix drehte stärker und stärker an der Schraube und rief endlich: »Du hast recht, Christlieb! es klingt abscheulich, was der kleine Kerl spielt, was können mir seine Dienerchen helfen – ich schäme mich ordentlich vor dem Finken dort drüben, der mich mit solch schlauen Augen anblinzelt. – Aber der Kerl soll besser spielen – soll besser spielen!« – Und damit drehte Felix so stark an der Schraube, daß Krack-krack – der ganze Kasten in tausend Stücke zerbrach auf dem das Harfenmännlein stand und seine Arme zerbröckelt herabfielen. »Oh – Oh!« rief Felix; »ach das Harfenmännlein!« rief Christlieb. Felix beschaute einen Augenblick das zerbrochene Spielwerk, sprach dann: »Es war ein dummer alberner Kerl, der schlechtes Zeug aufspielte und Gesichter und Diener machte, wie Vetter Pumphose«, und warf den Harfenmann weit fort in das tiefste Gebüsch. »Da lob ich mir meinen Jägersmann«, sprach er weiter, »der schießt ein Mal über das andere ins Ziel.« Nun ließ Felix den kleinen Jäger tüchtig exerzieren. Als das eine Weile gedauert, fing Felix an: »Dumm ist's doch, daß der kleine Kerl immer nur nach dem Ziele schießt, welches, wie Papa sagt, gar keine Sache für einen Jägersmann ist. Der muß im Walde schießen nach Hirschen – Rehen – Hasen, und sie, treffen im vollen Lauf. – Der Kerl soll nicht mehr nach dem Ziele schießen.« Damit brach Felix die Zielscheibe los, die vor dem Jäger angebracht war. »Nun schieß ins Freie«, rief er, aber er mochte an dem Fädchen ziehn, soviel als er wollte, schlaff hingen die Arme des kleinen Jägers herab. Er legte nicht mehr die Büchse an, er schoß nicht mehr los. »Ha ha«, rief Felix, »nach dem Ziel, in der Stube, da konntest du schießen, aber im Walde, wo des Jägers Heimat ist, da geht's nicht. Fürchtest, dich auch wohl vor Hunden und würdest, wenn einer käme, davonlaufen mitsamt deiner Büchse, wie Vetter Pumphose mit seinem Säbel! – Ei du einfältiger nichtsnutziger Bursche«, damit schleuderte Felix den Jäger dem Harfenmännlein nach ins tiefe Gebüsch. »Komm! laß uns ein wenig laufen«, sprach er dann zu Christlieb. »Ach ja lieber Felix«, erwiderte diese, »meine hübsche Puppe soll mitlaufen, das wird ein Spaß sein.« Nun faßte jeder, Felix und Christlieb, die Puppe an einem Arm, und so ging's fort in vollem Laufe durchs Gebüsch den Hügel herab, und fort und fort bis an den mit hohem Schilf umkränzten Teich, der noch zu dem Besitztum des Herrn Thaddäus von Brakel gehörte und wo er zuweilen wilde Enten zu schießen pflegte. Hier standen die Kinder still und Felix sprach: »Laß uns ein wenig passen, ich habe ja nun eine Flinte, wer weiß ob ich nicht im Röhricht eine Ente schießen kann, so gut wie der Vater.« In dem Augenblick schrie aber Christlieb laut auf: »Ach meine Puppe, was ist aus meiner schönen Puppe geworden!« Freilich sah das arme Ding ganz miserabel aus. Weder Christlieb noch Felix hatten im Laufen die Puppe beachtet und so war es gekommen, daß sie sich an dem Gestripp die Kleider ganz und gar zerrissen, ja beide Beinchen gebrochen hatte. Von dem hübschen Wachsgesichtchen war auch beinahe keine Spur, so zerfetzt und häßlich sah es aus. »Ach meine Puppe, meine schöne Puppe«, klagte Christlieb. »Da siehst du nun«, sprach Felix, »was für dumme Dinger uns die fremden Kinder mitgebracht haben. Das ist ja eine ungeschickte einfältige Trine, deine Puppe, die nicht einmal mit uns laufen kann, ohne sich gleich alles zu zerreißen und zu zerfetzen – gib sie nur her.« Christlieb reichte die verunstaltete Puppe traurig dem Bruder hin und konnte sich eines lauten Schreies: »Ach ach!« nicht enthalten, als der sie ohne weiteres fortschleuderte in den Teich. »Gräme dich nur nicht«, tröstete Felix die Schwester, »gräme dich nur ja nicht um das alberne Ding, schieße ich eine Ente, so sollst du die schönsten Federn bekommen die sich nur in den bunten Flügeln finden wollen.« Es rauschte im Röhricht, da legte stracks Felix seine hölzerne Flinte an, setzte sie aber in demselben Augenblick wieder ab, und schaute nachdenklich vor sich hin. »Bin ich nicht auch selbst ein törichter Junge«, fing er dann leise an, »gehört denn nicht zum Schießen Pulver und Blei und habe ich denn beides? – Kann ich denn auch wohl Pulver in eine hölzerne Flinte laden? – Wozu ist überhaupt das dumme hölzerne Ding? – Und der Hirschfänger? – Auch von Holz! – der schneidet und sticht nicht – des Vetters Säbel war gewiß auch von Holz, deshalb mochte er ihn nicht ausziehn als er sich vor dem Sultan fürchtete. Ich merke schon, Vetter Pumphose hat mich nur zum besten gehabt mit seinen Spielsachen die was vorstellen wollen und nichtsnutziges Zeug sind.« Damit schleuderte Felix Flinte, Hirschfänger und zuletzt noch die Patrontasche in den Teich. Christlieb war doch betrübt über den Verlust der Puppe, und auch Felix konnte sich des Unmuts nicht erwehren. So schlichen sie nach Hause, und als die Mutter frug: »Kinder wo habt ihr eure Spielsachen«, erzählte Felix ganz treuherzig, wie schlimm er mit dem Jäger, mit dem Harfenmännlein, mit Flinte, Hirschfänger und Patrontasche, wie schlimm Christlieb mit der Puppe angeführt worden. »Ach«, rief die Frau von Brakel halb erzürnt, »ihr einfältigen Kinder, ihr wißt nur nicht mit den schönen zierlichen Sachen umzugehen.« Der Herr Thaddäus von Brakel, der Felixens Erzählung mit sichtbarem Wohlgefallen angehört hatte, sprach aber: »Lasse die Kinder nur gewähren, im Grunde genommen ist's mir recht lieb, daß sie die fremdartigen Spielsachen die sie nur verwirrten und beängsteten, los sind.« Weder die Frau von Brakel noch die Kinder wußten, was der Herr von Brakel mit diesen Worten eigentlich sagen wollte.

 
Das fremde Kind

Felix und Christlieb waren in aller Frühe nach dem Walde gelaufen. Die Mutter hatte es ihnen eingeschärft ja recht bald wiederzukommen, weil sie nun viel mehr in der Stube sitzen, und viel mehr schreiben und lesen müßten als sonst, damit sie sich nicht gar zu sehr zu schämen brauchten vor dem Hofmeister der nun nächstens kommen werde, deshalb sprach Felix: »Laß uns nun das Stündchen über, das wir draußen bleiben dürfen, recht tüchtig springen und laufen!« Sie begannen auch gleich sich als Hund und Häschen herumzujagen, aber so wie dieses Spiel, erregten auch alle übrigen Spiele die sie anfingen nach wenigen Sekunden ihnen nur Überdruß und Langeweile. Sie wußten selbst gar nicht wie es denn nur kam, daß ihnen gerade heute tausend ärgerliches Zeug geschehen mußte. Bald flatterte Felixens Mütze vom Winde getrieben ins Gebüsch, bald strauchelte er und fiel auf die Nase im besten Rennen, bald blieb Christlieb mit den Kleidern hängen am Dornstrauch oder stieß sich den Fuß am spitzen Stein, daß sie laut aufschreien mußte. Sie gaben bald alles Spielen auf, und schlichen mißmütig durch den Wald. »Wir wollen nur in die Stube kriechen«, sprach Felix, warf sich aber, statt weiterzugehen, in den Schatten eines schönen Baums. Christlieb folgte seinem Beispiel. Da saßen die Kinder nun voller Unmut und starrten stumm in den Boden hinein. »Ach«, seufzete Christlieb endlich leise, »ach hätten wir doch noch die schönen Spielsachen!« – »Die würden«, murrte Felix, »die würden uns gar nichts nützen, wir müßten sie doch nur wieder zerbrechen und verderben. Höre Christlieb! – die Mutter hat doch wohl recht – die Spielsachen waren gut, aber wir wußten nur nicht damit umzugehen, und das kommt daher weil uns die Wissenschaften fehlen.« »Ach lieber Felix«, rief Christlieb, »du hast recht, könnten wir die Wissenschaften so hübsch auswendig, wie der blanke Vetter und die geputzte Muhme, ach da hättest du noch deinen Jäger, dein Harfenmännlein, da läg meine schöne Puppe nicht im Ententeich! – wir ungeschickten Dinger – ach wir haben keine Wissenschaften!« und damit fing Christlieb an jämmerlich zu schluchzen und zu weinen und Felix stimmte mit ein und beide Kinder heulten und jammerten daß es im Walde widertönte:«Wir armen Kinder wir haben keine Wissenschaften!« Doch plötzlich hielten sie inne und fragten voll Erstaunen: »Siehst du's Christlieb?« – »Hörst du's Felix?« – Aus dem tiefsten Schatten des dunkeln Gebüsches, das den Kindern gegenüber lag, blickte ein wundersamer Schein, der wie sanfter Mondesstrahl über die vor Wonne zitternden Blätter gaukelte und durch das Säuseln des Waldes ging ein süßes Getön, wie wenn der Wind über Harfen hinstreift und im Liebkosen die schlummernden Akkorde weckt. Den Kindern wurde ganz seltsam zumute, aller Gram war von ihnen gewichen, aber die Tränen standen ihnen in den Augen vor süßem nie gekanntem Weh. So wie Lichter und Lichter der Schein durch das Gebüsch strahlte, so wie lauter und lauter die wundervollen Töne erklangen, klopfte den Kindern höher das Herz, sie starrten hinein in den Glanz und ach! sie gewahrten daß es das von der Sonne hell erleuchtete holde Antlitz des lieblichsten Kindes war, welches ihnen aus dem Gebüsch zulächelte und zuwinkte. »O komm doch nur zu uns – komm doch nur zu uns, du liebes Kind!« so riefen beide, Christlieb und Felix, indem sie aufsprangen und voll unbeschreiblicher Sehnsucht die Hände nach der holden Gestalt ausstreckten. »Ich komme – ich komme«, rief es mit süßer Stimme aus dem Gebüsch und leicht wie vom säuselnden Morgenwinde getragen schwebte das fremde Kind herüber zu Felix und Christlieb.

 
Wie das fremde Kind mit Felix und Christlieb spielte

»Ich hab euch wohl aus der Ferne weinen und klagen gehört«, sprach das fremde Kind, »und da hat es mir recht leid um euch getan, was fehlt euch denn liebe Kinder?« »Ach wir wußten es selbst nicht recht«, erwiderte Felix, »aber nun ist es mir so, als wenn nur du uns gefehlt hättest.« – »Das ist wahr«, fiel Christlieb ein, »nun du bei uns bist, sind wir wieder froh! warum bist du aber auch so lange ausgeblieben?« – Beiden Kindern war es in der Tat so, als ob sie schon lange das fremde Kind gekannt und mit ihm gespielt hätten, und als ob ihr Unmut nur daher gerührt hätte, daß der liebe Spielkamerad sich nicht mehr blicken lassen. »Spielsachen«, sprach Felix weiter, »haben wir nun freilich gar nicht, denn ich einfältiger Junge habe gestern die schönsten, die Vetter Pumphose mir geschenkt hatte, schändlich verdorben und weggeschmissen, aber spielen wollen wir doch wohl.« »Ei Felix«, sprach das fremde Kind, indem es laut auflachte, »ei wie magst du nur so sprechen. Das Zeug das du weggeworfen hast, das hat gewiß nicht viel getaugt, du so wie Christlieb, ihr seid ja beide ganz umgeben von dem herrlichsten Spielzeuge, das man nur sehen kann.« »Wo denn? – Wo denn?« – riefen Christlieb und Felix – »Schaut doch um euch«, sprach das fremde Kind. – Und Felix und Christlieb gewahrten, wie aus dem dicken Grase, aus dem wolligen Moose allerlei herrliche Blumen wie mit glänzenden Augen hervorguckten, und dazwischen funkelten bunte Steine und kristallne Muscheln, und goldene Käferchen tanzten auf und nieder und summten leise Liedchen. – »Nun wollen wir einen Palast bauen, helft mir hübsch die Steine zusammentragen!« so rief das fremde Kind indem es zur Erde gebückt bunte Steine aufzulegen begann. Christlich und Felix halfen, und das fremde Kind wußte so geschickt die Steine zu fügen, daß sich bald hohe Säulen erhoben, die in der Sonne funkelten wie poliertes Metall, und darüber wölbte sich ein luftiges goldenes Dach. – Nun küßte das fremde Kind die Blumen die aus dem Boden hervorguckten, da rankten sie im süßen Gelispel in die Höhe und sich in holder Liebe verschlingend bildeten sie duftende Bogengänge in denen die Kinder voll Wonne und Entzücken umhersprangen. Das fremde Kind klatschte in die Hände, da sumste das goldene Dach des Palastes – Goldkäferchen hatten es mit ihren Flügeldecken gewölbt – auseinander und die Säulen zerflossen zum rieselnden Silberbach, an dessen Ufer sich die bunten Blumen lagerten und bald neugierig in seine Wellen kuckten, bald ihre Häupter hin und her wiegend auf sein kindisches Plaudern horchten. Nun pflückte das fremde Kind Grashalme, und brach kleine Ästchen von den Bäumen die es hinstreute vor Felix und Christlieb. Aber aus den Grashalmen wurden bald die schönsten Puppen, die man nur sehen konnte und aus den Ästchen kleine allerliebste Jäger. Die Puppen tanzten um Christlieb herum und ließen sich von ihr auf den Schoß nehmen und lispelten mit feinen Stimmchen: »Sei uns gut, sei uns gut, liebe Christlieb.« Die Jäger tummelten sich und klirrten mit den Büchsen und bliesen auf ihren Hörnern und riefen: »Hallo! – Hallo! zur Jagd zur Jagd!« – Da sprangen Häschen aus den Büschen und Hunde ihnen nach, und die Jäger knallten hinterdrein! – Das war eine Lust – Alles verlor sich wieder, Christlieb und Felix riefen: »Wo sind die Puppen, wo sind die Jäger.« Das fremde Kind sprach: »Oh! die stehen euch alle zu Gebote, die sind jeden Augenblick bei euch wenn ihr nur wollt, aber möchtet ihr nicht lieber jetzt ein bißchen durch den Wald laufen?« – »Ach ja, ach ja!« riefen beide, Felix und Christlieb. Da faßte das fremde Kind sie bei den Händen und rief: »Kommt, kommt!« und damit ging es fort. Aber das war ja gar kein Laufen zu nennen! – Nein! Die Kinder schwebten im leichten Fluge durch Wald und Flur und die bunten Vögel flatterten laut singend und jubilierend um sie her. Mit einemmal ging es hoch – hoch in die Lüfte. »Guten Morgen Kinder! Guten Morgen Gevatter Felix!« rief der Storch im Vorbeistreifen! »Tut mir nichts, tut mir nichts – ich freß euer Täublein nicht!« kreischte der Geier, sich in banger Scheu vor den Kindern durch die Lüfte schwingend – Felix jauchzte laut, aber der Christlieb wurde bange. »Mir vergeht der Atem – ach ich falle wohl!« so rief sie und in demselben Augenblick ließ sich das fremde Kind mit den Gespielen nieder, und sprach: »Nun singe ich euch das Waldlied zum Abschiede für heute, morgen komm ich wieder.« Nun nahm das Kind ein kleines Waldhorn hervor, dessen goldne Windungen beinahe anzusehen waren, wie leuchtende Blumenkränze und begann darauf so herrlich zu blasen, daß der ganze Wald wundersam von den lieblichen Tönen widerhallte, und dazu sangen die Nachtigallen, die wie auf des Waldhorns Ruf herbeiflatterten und sich dicht neben dem Kinde in die Zweige setzten, ihre herrlichsten Lieder. Aber plötzlich verhallten die Töne mehr und mehr und nur ein leises Säuseln quoll aus den Gebüschen, in die das fremde Kind hingeschwunden. »Morgen – morgen kehr ich wieder!« so rief es aus weiter Ferne den Kindern zu, die nicht wußten wie ihnen geschehen, denn solch innere Lust hatten sie nie empfunden. »Ach wenn es doch nur schon wieder morgen wäre«, so sprachen beide, Felix und Christlieb, indem sie voller Hast zu Hause liefen um den Eltern zu erzählen, was sich im Walde begeben.


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