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XV.

Der Kommandeur der Kaiser Franz-Ulanen, Prinz Reussek, war in der ganzen Armee als ebenso vortrefflicher wie passionierter Reiter bekannt, dessen hervorragendes Verdienst es war, in seinem Regiment den schneidigsten und kavalleristischsten Geist zu kultivieren. –

Seine Schwadronen waren mustergültig und die Leistungen derselben renommiert, ein flotter, oft an das Tollkühne streifender Zug beseelte Offiziere und Mannschaft, und die verschiedenen Reiterstücklein, welche von Zeit zu Zeit die militärischen Kreise alarmierten, grenzten an das Sagenhafte. Darin gipfelte der Stolz des Regiments; die Offiziere überboten einander und die einzelnen Züge wetteiferten, den stets sich steigernden Anforderungen ihres Kommandeurs gerecht zu werden, – welch eine hohe Genugthuung war es und welch ein köstlicher Lohn, wenn bei den großen Manövern die Kaiser Franz-Ulanen sich hervorthaten vor allen anderen, wenn sie Unmögliches möglich machten und wenn ein königlicher Reitergeneral mit stolzem Beifallsnicken dem Regiment den neuen Beinamen: »Reusseks wilde, verwegene Jagd!« zulegte.

Darum lustig drauflos geritten! – Vorwärts durch dick und dünn, über Gräben, Hecken und brennende Hürden, Reussek jagt voran … Hurra die Kaiser Franz-Ulanen! –

Die alte Reitbahn genügte den Anforderungen des Regiments nicht mehr und wurde durch eine neue, zweckentsprechende, welche Prinz Reussek sich zum Privatvergnügen hatte erbauen lassen, ersetzt.

Das leerstehende Gebäude war in eine Art Springgarten umgewandelt und speziell zu Reitübungen während des Winters bestimmt, vornehmlich hier war es, wo die Offiziere mit ihren Damen Quadrillen einübten, wo Jagden geritten und die sämtlichen Parforcestücklein geprobt wurden, welche späterhin auf Turf und Rennbahn Sensation erregten.

Mittenhin durch das Reithaus lief eine mäßig breite, von Reiserhecken begrenzte Bahn, an deren Anfang ein beträchtlicher Absprung aufgeschüttet war.

Die Hindernisse entsprachen vollständig dem Springgarten auf dem Exerzierplatz draußen, zuerst eine Hürde, Doppelhürde, eine Mauer, und schließlich der Graben, dessen außergewöhnliche Breite sofort kennzeichnete, wessen Kommando den Sprung darüber befahl.

Eine schmale Tribüne lief längs der rechten Seitenwand, für das exklusive Publikum bestimmt, welches den Übungen und dem Musikreiten des Offizierkorps beiwohnte. Die Sonne malte helle Streiflichter durch die langen, schmalen Fenster, zwischen welchen noch die Fahnen, Schilder und welken Tannengewinde eines letztvergangenen Kostümpotpourris, von Lohe überstäubt, ein kurzes Dasein fristeten.

Lautes, sehr übermütiges Leben pulsierte bereits in der Bahn.

Eine Auslese der edelsten Rassepferde tänzelte über den weichen Boden; ungeduldiges Wiehern und Scharren ertönte auf dem runden Vorplatz, woselbst die Burschen ihre vollmähnigen Schützlinge bis zur Ankunft der Herren bewegten, von gewaltigen Rüden umsprungen.

Eine ziemlich vollzählige Gesellschaft war bereits erschienen, die Tribünenthür klappte ununterbrochen, Equipagen rollten auf dem Pflaster. Gräfin Kany, in schreiend rotem Sammethut und dickem Pelzkragen trat mit Excellenz Gärtner zu gleicher Zeit ein, schritt zu der Holzbrüstung und inspizierte, huldvollst nach allen Seiten in die Bahn herunternickend, das Terrain.

Flandern begrüßte Leonie, ließ durch die »Bahn du jour« zwei Stühle für die Damen herzurücken und nahm noch »für einen Augenblick« an ihrer Seite Platz.

Die schmale Treppe empor klirrten Sporen, Fürstin Reussek, sehr echauffiert und bestaubt, die lange Schleppe des Reitkleides über dem Arm, gefolgt von ihrem Mann und etlichen jüngeren Offizieren, trat ein und ließ sich mit einem lauten Seufzer der Erschöpfung auf einen Platz neben der Hofdame niederfallen.

»Grüß Gott, Kanychen! – Morgen, Excellenz … Gott sei Dank, daß ich das Knie mal wieder strecken Kann! – Zwei Stunden auf der ›Satanella‹ … Das ist mehr, als normale Muskeln aushalten können! – und dabei einen Löwenhunger! Aber nach Hause gehe ich um die Welt nicht – Proczna will sich ja noch produzieren!«

»Haben Sie Riechsalz bei sich, Durchlaucht? Wenn der Göttliche nun eine Lerche schlägt!!«

»Den Anblick bin ich aus Ihren Avantageurtagen so gründlich gewöhnt, lieber Sensfeld, daß er mich nicht mehr nervös macht!«

»Bravo! – Stellen Sie sich in die Ecke, Kleiner! Apropos … eben sind Procznas Pferde gelandet, ein Araber dabei, meine Herren … das Nonplusultra!« und Rittmeister Graf Hechelberg küßte wahrhaft verzückt Daumen und Zeigefinger.

Wie ein elektrischer Strom ging es durch die Ulanen.

»Erst ins Maul sehen! … Erst drauf sitzen!! – Vorwärts, Messieurs, zur Kritik!« schallte es durcheinander. »Guten Morgen, gnädigste Frau! Habe die Ehre, mein gnädiges Fräulein! … Servus, Bicky!!« und wie das wilde Heer klirrte und rasselte es an Frau von Drach und Beatrice vorüber, die Treppe wieder hinab. Die Gräfinnen Dynar, Ettisbach und Tarenberg, welche zu Pferde bereits ein paarmal die Tour außerhalb um die Springbahn geritten hatten, dirigierten ihre glänzenden Renner nach der Tribüne und begrüßten die anwesenden Damen.

Xenia ritt einen prächtigen Goldfuchs, mit einem äußerst eleganten, weißseidenen Zaumzeug, wappengesticktem Stirnband und Rosetten in den Dynarschen Farben. Wahrhaft königlich schwebte ihre schlanke Figur im Sattel, durch die schlichte Einfachheit der Toilette seltsam gegen ihre beiden Gefährtinnen abstechend, welche in pelzbesetzten ungarischen Samtjacken und den viereckigen Mützchen mit keckem Reiherstutz sehr allerliebst, aber auch recht unternehmend aussahen.

Die beiden Damen, » les inséparables«, zogen sich seit einiger Zeit meist gleich an, nur durch die Wahl verschiedener Farben das allzu Schwesterliche mildernd.

Xenia liebte im Sattel weder Buntes noch Ausfallendes, höchstens, daß sie, wie heute, ihr schwarzes Tuchkleid mit einem Schneeglockenstrauß schmückte.

Lautes Gelächter und eine allgemeine Bewegung in der Nähe der Bahnthür annoncierten Frau von Hofstraten.

»Na Kinner, nu man ene ganze Portion Platz«, schallte es in der derben Weise vernehmlich durch das Reithaus. Auf massivem Apfelschimmel, dem nicht unbeträchtlichen Gewicht der Reiterin angemessen, sprengte Frau von Hofstraten in die Bahn, direkt in den Springgarten und nahm mit lautem »Hepp, hepp« in schärfstem Tempo, sehr sicher, wenn auch ohne jegliche Grazie, die sämtlichen Hindernisse.

Ihr Mann folgte ihr – ernst, gemessen, mit außerordentlicher Eleganz, leicht und meisterlich flog sein Rappe über Hürden, Mauer und Graben – wahrhaft lautlos gegen den dröhnenden Hufschlag des Vorgängers, unter welchem die Schollen bis hoch auf die Tribüne sprühten; – selten mochte man ein verschiedenartigeres Ehepaar finden.

Lautes Bravo und jubelnder Zuruf erkannten die Leistungen der Frau Rittmeister an, Fürst Heller-Hüningen recitierte in ausnahmsweise richtigem Wortlaut: »Wo alles liebt, kann Karl allein nicht hassen!« ritt scharf an und folgte dem Beispiel des schneidigen Hollands – Weyer-Sensfeldt auf englischem Vollblut hinterdrein.

»Proczna kommt!« – Wie ein Alarmsignal tönte es von der Tribüne und lief jubelnd von Mund zu Mund.

Graf Hechelberg winkte hastig die Offiziere zusammen.

»Ohren steif, meine Herren! Müssen dem Pariser zeigen, wie Franz-Ulanen reiten! … Hahaha! … Legt ihn mal feste rein, Kinder, – Reussek hat die Pechhürden in petto … muß Maul und Nase aufsperren der Bois de Boulogne-Reiter und Respekt vor der Ulanka kriegen! … Also vorwärts … hepp, hepp!!«

Flandern drehte seinen Schnurrbart noch steifer in die Höhe. – Bicky hatte recht, er sah aus wie der Pik-Bube, namentlich in diesem Augenblick, wo er so eigentümlich vor sich hinlächelte und starr auf den schwarzen Flecken in der Wandtünche blickte – sein Auge wurde förmlich spitz.

Proczna trat zu Fuß ein, um die Herrschaften erst zu begrüßen und Prinz Reussek pro forma nochmals um Erlaubnis zu bitten, als Civilist in der Bahn zu reiten.

Mit lautem und ehrlichem Willkommen umdrängten ihn die Herren.

»Na, Proczna, wollen Sie's weiß Gott riskieren?« lachte Graf Hechelberg mit vergnügtem Augenzwinkern, »hier weht die Luft der Franz-Ulanen! Haben Sie keine Angst, daß sie für Ihre Gäule zu schneidig ist?«

Janek zuckte lächelnd die Achseln, und Xenia, welche nebst den andern Damen herzugeritten war, lächelte ebenfalls still vor sich hin.

»Es kommt auf einen Versuch an, verehrtester Graf, meine Pferde haben schon in so viel verschiedener Temperatur geatmet, daß ich eigentlich annehmen sollte, sie werden sich auch hier akklimatisieren!«

»Gutes Zutrauen ist schon was wert! Sagen Sie mal, Sie Mann der Kehle, haben Sie eigentlich schon mal mit Hindernissen geritten?«

»Na – so hier und da ist mir auch schon mal ein Rinnstein vorgekommen, über den mein Araber glücklich wegkam.« –

Janek machte ein Gesicht, welchem man nicht so recht ansah, ob er im Ernst oder Scherz sprach.

»Gar zu dick dürfen mir die Baumwurzeln allerdings nicht kommen, und das Taschentuch darf auch niemand in der Nähe herausziehen … geschweige niesen! …«

»Haha! … Hören Sie mal, der Gedanke ist mir auch schon gekommen!« krähte Weyer mit einem Schlag auf die Schulter des Sängers. »Ihr Araber ist ein Kapitalgaul – aber ein Temperament hat er, daß man Angst bekommt, wenn man sich auf solch 'nem Satan in die Rennbahn denkt!«

»Glauben Sie, daß der Racker sich gutwillig von uns mustern ließ? – Der verträgt ja kaum das Ansehen – wird schon kitzlich, wenn Flandern mit seinem Schnurrbart in der Nähe vorübergeht!«

»Ja, er hat leider kolossal viel Mucken … ist ein rechter Blender!« nickte Proczna gelassen, »aber mit der Zeit wird er zahm …«

»Und Ihre Knochen geschmeidig!! – Machen Sie keine Schnaken, Proczna, und riskieren Sie nicht das Genick an solchem Halsbrecher! Mein Gott, der Mensch kann doch nicht vollkommen sein! Sie singen wie Apoll, warum wollen Sie dem Mars auch noch an den Lorbeeren rupfen! – Juckern Sie spaßeshalber ein bißchen mit uns hier in der Bahn herum, aber lassen Sie den Araber aus dem Springgarten!«

»Danke tausendmal für Ihre Fürsorge, verehrtester Rittmeister.«

Procznas Blick streifte Xenia, welche das Spitzentuch aus der Brusttasche zog und es gegen die Lippen hob.

»Sie wissen gar nicht, wie selbstmörderisch es mir zu Sinn ist, vielleicht lockt mich solch kühner Reitertod …«

»Reden S' keine Makulatur, Bester! Kinner, ik hab' alle Manschette vor dem Proczna sein Armsündergesicht! De Kerl hat's faustdick hinter de Ohre!« – –

»Na zum Kuckuck, als Kürassieroffizier wird er ja reiten können!« lachte Flandern mit tausend Fältchen um die Augenwinkel, »und meiner Überzeugung nach gewiß so vortrefflich, daß ihn die paar Jahre ›außer Übung‹ gewiß nicht lahm gelegt haben! – Beweisen Sie es diesem Ungläubigen, Verehrtester, und probieren Sie mal Ihr Heil an meiner Fuchsstute. Wenn Sie die vom Flecke kriegen, ohne daß sie zuvor wie besessen mit allen vier Beinen zugleich in die Luft geht, will ich Ihnen als Zeichen meiner Hochachtung eine Ratte mit Trichinen essen!«

Hechelberg stemmte die Arme in die Seiten und bog seine korpulente Gestalt vor Lachen, Proczna aber schlug sichtlich amüsiert in die dargebotene Hand Flanderns ein und sagte:

»Ein Opfermut ist des andern wert, bester Kamerad – fahren Sie an mit Ihrer störrischen Schönen!«

Flandern gab der »Bahn du jour« einen Wink. Heller-Hüningen aber schüttelte den hübschen Kopf und legte die Hand auf die Schulter des jungen Offiziers:

»Machen Sie sich keinen Klecks, Flandern!« flüsterte er lachend, »die Gouttes d'or schmecken Ihnen ja noch am bittersten auf der Zunge!«

Eine Ordonnanz führte die Stute in die Bahn; laut lachend und debattierend umringten sie die Herren – Hechelberg sah kirschrot aus vor Vergnügen, als er sie musterte.

»Also los, Proczna! – Aufsitzen!«

Graf Dynar trat langsam näher, sein Blick flog prüfend über den Kohlfuchs, nur einen Augenblick, dann zuckte es um seine Lippen wie ein Gemisch von Staunen, Amüsement und Spott.

»Würden Sie unter Umständen bereit sein, das Pferd selber zu besteigen, Herr von Flandern?«

Momentane Stille. – »Natürlich! Reite es ja alle Tage.«

Nun, dann danken Sie Gott, daß ich nicht Ihr Rittmeister bin!«

Janek lachte leise auf und legte die Hand an den Sattel.

»Ich hätte nicht geglaubt, daß ein derartig gegurtetes Pferd bei den Franz-Ulanen überhaupt möglich sei, und nun sogar bei dem Leutnant von Flandern, den man als einen der schneidigsten rühmt, und der sich dennoch ohne Skrupel auf dieses Jammerbild setzen würde! Faktisch, verehrtester Kamerad, wenn Sie mir die falschen Rippen derartig zusammenpreßten, wie diesem Unglücksvieh, ich würde auch mit allen vier Beinen zugleich in die Luft springen, wenn ich so viele hätte nämlich! – Ein Pferd mit Sattelzwang reitet selbst der Teufel nicht!«

Wieherndes Gelächter erhob sich, Hechelberg schlang den Arm um den Sprecher, um vor Vergnügen wahrhaft an seine Brust zu taumeln.

»Graf – Göttlicher Mensch … Daran müssen wir Schmollis trinken, so ein Kapitalwitz ist ja überhaupt noch gar nicht dagewesen!!«

Und Heller-Hüningen lehnte sich gegen die Wand und krümmte sich vor Freude.

»Heiliges Donnerwetter … Flandern und die Trichinenratte! … Ich sag's ja! Reinfall! Niederträchtiger Reinfall! Hat geglaubt, der Proczna kommt aus dem Mustopf! … Nehmen Sie ein Retourbillet, Flandern! ›Mit unsrer Lieb war's wieder nix!‹ Haha! Und die Gouttes d'or haben ein Schwesterchen gekriegt!«

Wie ein Wirbelwind schallte, hallte und lärmte es im Kreise, Flanderns Gesicht war sehr lang und noch farbloser denn sonst geworden, aber er resolvierte sich kurz und machte gute Miene zum bösen Spiel.

»Aus diesen Witz reist Flandern nämlich!« prustete Hechelberg, »hat auch ein paarmal unverschämtes Glück damit gehabt, und darum …«

»Ja wohl! Glück gehabt! bei irgend einem Sonntagsfex, der überhaupt kaum einen Gaul von einem Ziegenbock unterscheiden konnte!«

»Flandern muß Reugeld zahlen! … Auf nach Valencia! Wir wollen darauf anstoßen, daß Proczna verteufelt scharfe Augen hat!«

Prinz Reussek war von der Tribüne herabgekommen, er reichte Janek die Hand und hieß ihn im Kreise der Kameraden willkommen.

Xenia hatte ihren Goldfuchs mehr und mehr zur Seite gedrängt, einen Augenblick hatte sie das Gefühl gehabt, als griffe eine kalte Hand nach ihrem Herzen. Sie zuckte zusammen bei dem Gedanken, daß »der Pole« sich blamieren könne. Nur das nicht! –

Vor wenig Tagen würde sie über seine Niederlage triumphiert haben, heute hatte sie das Gefühl, als würde mit einer solchen ein Bild der Vollkommenheit zerstört, welches sich langsam, aber überwältigend vor ihrem geistigen Auge aufgebaut hatte. – Gott sei Dank, es blieb unversehrt. –

Xenias Haupt hob sich stolzer aus den Schultern, wie Genugthuung blitzte es in ihrem Auge. Sie wollte Janek zuwinken und ihm ein freundliches Wort sagen – er sah aber nicht zu ihr hin, er schritt mit Reussek nach der Tribüne, um die Damen zu begrüßen. Schon von weitem suchte sein Blick die Präsidentin Gärtner, sie winkte ihm vertraulich zu und er lächelte seinen Gegengruß.

Der Goldfuchs schrak zusammen. Seine Herrin hatte mit jähem Ruck die Zügel angerissen.

»Wir steigen ab, Gräfin Dynar, wir sehen dem Reiten von der Tribüne zu!« riefen die » Inséparables« mit lustfunkelnden Augen, »Proczna will mit dem Araber manövrieren!«

»Immer los, bringt man eure Haut in Sicherheit, ihr Hasefüß, ich bin mit von de Partie, wat kost' Europa!«

»Aber beste Hofstraten – man will ja auch über die Pechhürden springen!« flüsterte Gräfin Ettisbach mit angstvoll großen Augen. »Wollen Sie da auch mit?«

»Zonder Umständ', ich fang' nicht so leichte Feuer.«

»In Gottes Namen! – Wir werden Sie, Walküre, bewundern – au revoir

»Also, Proczna, Sie wollen uns faktisch alles nachmachen?« fragte Flandern mit glimmerndem Blick, als der Adoptivsohn des Grafen Dynar auf dem Araber in die Bahn ritt – »Ihr ›Jussuff‹ ist ja noch rein toll von dem Eisenbahnfahren, die Canaille wird Sie bezahlt machen!«

»Mehr wie den Hals brechen kann sie mir ja nicht!«

»Proczna! Sehen Sie sich mal den Graben an, riskieren Sie's auf die Breite hin?«

Janek lächelte: »Aber ich bitte Sie, meine Herren, auf die Breite kommt es doch gar nicht an, höchstens auf die Länge!«

»Famos! … brillant! … Na ja, sehe schon, Sie sind zu Hause bei uns! – Eh bien – reiten wir durch!«

Die beiden Thore des Reithauses wurden geöffnet, die Herren nahmen die Runde durch den Springgarten um das Gebäude herum.

Das war ein Bild!

Wie die wilde Jagd brauste es heran, leicht, elegant, schlank wie die Gemsen flogen die Rosse durch die Bahn, langgestreckt über Hürden, Mauer und Graben, mit knatternden Hufen sich draußen parierend. Heller-Hüningen und Proczna jagten bei der zweiten Runde zuerst durch das Thor.

Wild aufbäumend, weiße Schaumflocken am Gebiß, die Nüstern weit gebläht, in zitternder Aufregung schnaufte der Araber vor dem Absprung. – Proczna stach ihn an, und in hohem Bogen sauste Jussuff in die Bahn hernieder.

»Bravo!« – Prinz Reussek, welcher das erste Reiten von der Tribüne beobachtete, neigte das Haupt vor, als traue er seinen Augen nicht, das Herz lachte ihm beim Anblick eines solchen Reiters, selbst wenn er nicht die Ulanka trug.

»Es ist ja ein berauschender Anblick«, stieß Frau Leonie hochatmend durch die Zähne hervor, ihre Hand preßte im Eifer den Arm Xenias wie ein Schraubstock »So muß St. Georg vom Berg herniedergebraust sein, die Gräfin Julia zu erretten! – So muß das milchweiße Roß des nordischen Königssohns wie ein Wetterschauer dahin gestürmt sein, so muß Michael Scott, der Geisterreiter, die Erde vor der Schwelle des Louvres gestampft haben.«

»Ich bitte Sie um alles, meine Liebe, Sie sind ja ganz Ekstase!« kicherte Gräfin Kany, die Lorgnette von den zusammengekniffenen Augen fallen lassend, »was sagen Sie denn zu Ihrem bewundernswerten Bruder, ma petite? – – Gewiß ebenso begeistert wie die kleine Frau hier!«

»Bei mir mangelt die Überraschung, welche stets die Effekte vergrößert, Gräfin, ich wußte, daß Janek ein meisterlicher Reiter ist!«

»Unglaublich! – Proczna läßt die Stange drei Löcher höher legen!«

»Er hebt unsre besten Springer aus dem Sattel!«

»Ah, Reussek! – Voilà Reussek in der Bahn!«

»Achtung! – Proczna springt!!«

»Bravo! – Bravo! Ein Salto mortale!! Beim Himmel, der Araber hat Flügel!«

»Reussek rettet die Ehre und folgt ihm! Hurra! hepp-hepp! … brillanter Sprung! Ich sag's ja, Kinder, ›Demetrius‹ läßt sich nicht lumpen! – Na, na, Hüningen? … ›Rückwärts, rückwärts, stolzer Cid!!‹ – Wahrhaftig, er riskiert's! … seine ›Marceline‹ schüttelt den Kopf!! – Noch einmal angestochen … ho! hepp, hepp! – Hurra! unser beauty-patch hat's fertig gebracht! – – Nun aber en avant, messieurs, losgehen! – 's wird Ehrensache! – Haha! ich glaube wahrhaftig, die Hofstraten will ihre ›Nudel‹ auch drüberhin ängstigen! Um Gottes willen der Fettfleck, wenn die beiden sich überschlagen! – Aha – sie hat selber ein Einsehen! – Gott bewahre – sie springt, sie springt!! – Hahaha! – abgekratzt! – Ist ja viel zu hoch, Frau Rittmeister … drunter durchkriechen!«

Frau von Hofstraten machte der Tribüne eine Faust und zog ihrem dicken Apfelschimmel eins über.

»Bahn frei! – Pechhürden aufstellen!! …«

Die Reiter zogen sich auf den freien Platz vor der Tribüne zurück, eine sehr lebhafte und laute Unterhaltung entwickelte sich.

»Na, Proczna, bis jetzt haben Sie mit den Franz-Ulanen Schritt gehalten!« lachte Hechelberg, den Genannten schmunzelnd auf den Rücken klopfend, »spüren's wohl auch in den Knochen, he?«

»Ein kleines Weilchen halte ich's am Ende noch aus – – «

»Schwerenöter Sie! Wie er sich verstellen kann! Soviel haben wir nun gemerkt, alter Freund, daß Sie auch ohne Leim im Sattel sitzen! Aber damit gibt sich Reusseks wilde, verwegene Jagd noch lange nicht zufrieden! Sehen Sie mal die Pechhürden da! Na, wie steht's? – Haben Sie auch dazu Courage?«

»Mut zeiget auch der Mameluck!«

»Und Ihr Araber? Was sagt der dazu?«

»Das ist doch wohl gleichgültig! Bis jetzt habe ich meine Gäule noch niemals um ihre Ansicht befragt!«

»Na, dann los! – Sehen Sie sich die Sache aber lieber zuerst mal an – es gehört doch ein ganz schneidiger Geschmack dazu!«

In der Mitte des Springgartens waren anstatt der gewöhnlichen Reiserhürden zwei eiserne Krippen aufgestellt worden, welche mit pechgetränktem Werg angefüllt waren. Die Ordonnanzen steckten sie in Brand, blutigrot aufqualmend und knisternd schlugen die Flammen empor.

»Vorwärts! Bitte anreiten, meine Herren!« kommandierte Reussek; die Pferde, beim Anblick des Feuers wild aufschnaubend, stürmten durch die Bahnthür, um das Gebäude herum, um durch die entgegengesetzte Thür ansprengend in hohen, gewaltigen Sätzen durch die glühende Lohe zu sausen.

Ein schauerlich-schönes, großartiges Schauspiel, wohl einzig in seiner Art – das Paradestücklein der Franz-Ulanen.

Proczna hatte ruhig beiseite gehalten und mit lautem Beifallsruf die außerordentliche Leistung anerkannt.

»Na, wie steht's – Folgen Sie?« rief Reussek, nebst etlichen der Herren am Ende der Bahn parierend.

»Selbstverständlich, Herr Oberst, ein Gardekürassier liebt es nicht, die Wand zu dekorieren!«

Atemlose Stille auf der Tribüne.

Proczna sprengt an … wild aufbäumend schrickt der Araber vor den Flammen zurück, kerzengerade steigend … Proczna forciert ihn – und in gewaltiger Lançade, durch die grelle Beleuchtung wie in Blut getaucht, sausen Roß und Reiter durch Qualm und Funken. Haltlos weiter rast Proczna, zum zweitenmal die Krippe zu nehmen.

Von eiserner Hand gezwungen, springt Jussuff ohne den mindesten Widerstand.

»Die Hofstraten! – Sollte man's für möglich halten!«

Ihr Mann hält gelassen zur Seite, streicht seinen schwarzen Vollbart und sieht ihr lächelnd zu.

Mit viel Phlegma entledigt sich der Apfelschimmel seiner Aufgabe, er findet die Zumuthung zwar stark, aber er springt. Allerdings viel zu niedrig! – Laut aufschnaubend kommt er durch die Flammen, sein Bauchfell ist gesengelt, und das Reitkleid seiner Herrin ist durch das Pech gewischt und brennt am Saum.

Hechelberg und Hüningen fallen ihr in die Zügel, schnell wie der Gedanke befindet sich die Frau Rittmeister auf der Erde, um sie her hantieren Offiziere und Ordonnanzen, um das brennende Kleid mit Lohe zuzuschaufeln.

Gelassen zur Seite steht der Gemahl.

»Man sieht, die Begeisterung allein thut's nicht!« sagte er in seiner lakonisch-humoristischen Weise.

»Na, Kinner, buddelt mich man nicht gar zu dicke ein, sonst kann ja die böse Welt behaupten, ich hätte schon drei Tage lang in der Erde gelegen!« lacht das schneidige Holland in ungetrübter Laune, »legt man better mei'm verflixten Schaukelgaul een Butterlappen auf – he ist gesengelt wie een Gosebraten.«

Das kleine Intermezzo störte keineswegs, die Herren klopften sich die Handschuhe ab und stiegen wieder auf.

In begeisterter Anerkennung umringten sie Proczna.

»Guten Morgen, Couleur!« rief Heller-Hüningen mit herzhaftem Händedruck, »die Gardekürassiere ziehen mit den Franz-Ulanen an einem Strick, und wenn jemals unsere Lanze abgeprallt ist, so war's an dem Küraß und dem Adler!«

» Vive bonne chance, Proczna! Weiß das Donnerwetter, wie Sie uns auf die Hacken getreten haben! Wir haben Sie zu einem Hazard invitiert und Sie haben die Partie glänzend gewonnen!«

»Dann wäre es wohl an der Zeit, den Herren Revanche zu geben?« lächelte Janek voll liebenswürdigen Humors.

»Revanche? – Zum Teufel noch eins, inwiefern?«

»Nun – indem ich meinen verehrten Kameraden Gelegenheit gebe, die Lanze noch hoch über den Adler hinaus zu werfen und ebenfalls eine Partie zu gewinnen!«

»Sie treffen den Punkt, wo wir sterblich sind, mischen Sie die Karten! L'honneur ist Trumpf!«

Außerordentliche Spannung malte sich auf allen Gesichtern, es herrschte tiefe Stille, nur Frau von Hofstraten, welcher der Lohestaub in die Nase gestiegen war, nieste ein paarmal mit der volltönenden Energie eines Wachtmeisters.

Proczna hob den Kopf, seine dunklen Augen blitzten ein Gemisch von Humor und Herausforderung.

»Bis jetzt bin ich ohne Murren jeglichem Beispiel der Herren gefolgt, wie wäre es nun, wenn wir mal den Spieß umdrehen und ich die Tete nehme? Reiten Sie mir nach?«

Prinz Reussek horchte hoch auf.

»Das bedarf keiner Versicherung, Verehrtester!« entgegnete er hastig, und aus der Reihe der jungen Offiziere ertönte ein übermütiges »Selbstverständlich! En avant! Losschießen, Proczna, aber ein bißchen plötzlich!«

Lächelnd ließ Janek die Bügel fallen, nahm sie empor und schlug sie über.

»Ich denke, wir reiten sämtlich glatten englischen Sattel, meine Herren, eh bien, lassen Sie uns das Programm von vorhin einmal ohne Bügel wiederholen!«

Sekundenlang war es, als habe der Blitz vor dem Reitertrupp eingeschlagen; mit großen, runden Augen, in welchen sich ein maßloses Staunen malte, streckte Hechelberg den Kopf vor.

»Sagen Sie mal, alter Schwede, ist das Ernst oder Scherz?« fragte er gedehnt.

»Klassischer Ernst, junges Deutschland. Reiten wir?«

»Das will ich meinen!« – Prinz Reussek lachte frisch auf. »Vorwärts, Franzer! Wir bleiben keine Revanche schuldig!«

»Hurra! hepp, hepp!« jubelte Heller-Hüningen, die Bügel hastig emporschlagend. »Der Knabe Karl fängt an, mir fürchterlich zu werden! Reitet seinen Schabernack in Grund und Boden, meine Herren!«

Wohl oder übel – hier hieß es mitgegangen, mitgehangen, mochte der dicke Hechelberg noch so gewaltig keuchen, als er sich nach den Bügeln bückte.

»Ein verfluchter Kerl! Gibt uns bei Gott noch Rätsel auf!« lachte er im tiefsten Baß, wandte sich zu seiner Freundin Hofstraten und sagte mit schiefem Gesicht! »Na, schneidiges Holland, wie wär's? – Bleiben Sie lieber zu Fuß; wenn wir beid uns ein Rendezvous im Graben geben, da hat kein anderer weiter Platz drinn!«

Die Frau Rittmeister antwortete mit der Reitpeitsche, schwenkte kurz ab und steuerte nach der Tribüne, um »aus de Vogelperspektiv de olle Kalfakter Hechelberg an der Lohe rieche zu sehen!«

Mit seltener Gewandtheit, Sicherheit und Schneid wurde geritten. – Wohl perlte es vor Aufregung von mancher Stirn, aber das Renommee der Franz-Ulanen war nicht auf Seifenblasen erbaut und das Bonmot: »Reusseks wilde, verwegene Jagd« kein leerer Wahn. Der Adler flog voran und die Lanzen sausten flott hinter ihm her, ihre Fähnlein siegreich neben ihm aufzupflanzen.

Wahrhafte Begeisterung bemächtigte sich der Herren, der Januskopf des Amüsements hatte sich gedreht und wies anstatt des übermütig lachenden Gesichts eine ernste Miene, mit ehrgeizig blitzendem Auge auf. Rückhaltlose Anerkennung behauptete das Feld. Die dampfenden Rosse drängten sich vor der Tribüne zusammen. Prinz Reussek schüttelte seinem Gast voll warmer Herzlichkeit die Hand, und die Damen verliehen ihrer Bewunderung die beredtesten Worte.

»Famose Leistung, Proczna!«

Hechelberg fuhr mit dem Taschentuch über das feiste, rotglühende Gesicht.

»Ihr Schimmelchen springt wie Gummi und ist flink wie ein geölter Blitz, das muß ihm der Neid lassen! Haben's wohl aus 'nem Cirkus, daß es auf alle Witze so nett eingeht?«

»Allerdings, Herr Rittmeister! Jussuff ist für den Cirkus zugeritten und hat auch schon in demselben verschiedene Lorbeeren geerntet!«

»Unglaublich! – Fabelhaft! – Erzählen Sie! Aus welcher Manege stammt er? …«

Wie elektrisiert schoben sich die Köpfe zusammen, rückte es auf der Tribüne näher herzu.

»Befürchten Sie nichts, meine Damen!« Janek lachte fast übermütig auf. »Der brave Renner ist trotzdem durchaus courfähig, denn die Reitpeitsche, nach welcher er zuerst seinen stolzen Nacken beugen lernte, trug eine Kaiserkrone auf dem Knopf.«

»Aha! in Paris! – Wir ahnen bereits! Blitz und Knall, berichten Sie uns, Proczna!«

Janek klopfte liebkosend den Hals seines Pferdes.

»So viel ich weiß, meine Herrschaften, haben auch die deutschen Zeitungen ihre Spalten mit Berichten über die pikante und neueste Caprice der Pariser Hofgesellschaft gefüllt, welche sich damit amüsierte, einen Cirkus ins Leben zu rufen, dessen Künstler sich aus der Aristokratie rekrutierten. Selbstverständlich mit vollkommenem Ausschluß der Öffentlichkeit. Ich habe nie eine reizendere Erscheinung am Trapez gesehen, als die Comtesse de Belleboeuf, nie eine graziösere Leistung auf dem Drahtseil als die der Marquise von Rouget; die Herzogin von O. jonglierte mit silbernen Kugeln und Madame de Taffe ritt eine Schule, welche ihresgleichen sucht, während der Herzog von Larochfoucauld der beste Clown und Herzog von Morny die entzückendste ›Balletteuse‹ war, welche ich je bewunderte!«

»Köstlich! – Großartig! – Unglaublich genial! Und die anderen Herren, was leisteten die?«

Proczna zuckte mit feinem Lächeln die Achseln.

»Alles, was man gewohnt ist, im Cirkus zu sehen. Prinz C. paradierte mit einem Apportierpferd, die beiden Grafen von Dumont sprangen über vierzehn Pferde und der Herzog von Valence …«

»Was that Proczna? – Das wollen wir wissen!«

»Janek Proczna? – Der präsentierte sich mit seinen großartigen Evolutionen auf ungesatteltem Pferde, meine Damen!«

»Hüningen! Halten Sie mich! Ich falle um!« schrie Hechelberg mit Stentorstimme durch den Tumult, welcher sich erhob, Donat aber war schier außer sich vor Vergnügen, schlug die Hände zusammen und lachte so laut und so herzlich, wie er eben nur konnte.

»Unbezahlbar! – Himmlisch! Lappt uns der Duckmäuser bei Gott zum zweitenmal rein! Da reiten wir uns zwei Stunden lang die Lunge aus dem Leibe, um dem Herrn heillos zu imponieren, steckten mit riesigem Selbstbewußtsein ein Schwefelhölzchen in Brand – und wie der liebe Gott den Schaden besieht – pufft er uns mit einem ganzen Feuerwerk unter der Nase und teilt am Schlusse mit, daß er in seinen Mußestunden Cirkusvorstellungen auf ungesatteltem Pferde gibt! Hahahaha! Bleiben Sie bedeckt, Herr Geheimrat!! Ich schlage vor, meine Herren, wir gehen ganz still und ganz klein nach Hause! Ungeheure Heiterkeit ist meines Lebens Regel!« – –

Die Reitbahn hatte wohl noch nie eine animiertere Gesellschaft gesehen!«

»Ist kein Lorbeerkranz zur Stelle!? Proczna muß dekoriert werden!« rief Frau Leonie mit leuchtenden Augen. – » Mon Dieu, wenn ich Ihre Schneeglöckchen an der Brust trüge, Gräfin, ich wüßte sie zu verwenden!«

»Wer sagt Ihnen denn, Excellenz, daß ich es nicht weiß?« –

Xenia löste den kleinen Strauß von der Brust und blickte zu Janek auf, wohl niemals zuvor hatte so viel Leben, so viel Erregung das reizende Antlitz beseelt.

»Den einzigen Orden, welchen ich zu vergeben habe, Janek!« lächelte sie. »Ich möchte Ihr Verdienst an die große Glocke hängen!«

Proczna zog die Hand, welche ihm die Blumen entgegenbot, chevaleresk an die Lippen.

»Hoffentlich läuten mir diese ›großen Schneeglocken‹ ihrer Bestimmung gemäß kein Lied von Eis, Kälte und Winterlichkeit«, sagte er scherzend, die Blüten im Knopfloch befestigend, und dabei traf sein Blick Frau Leonie.

»Soviel ich weiß, verkünden sie den Frühling.« –

Xenia sagte es kurz, ein Schatten flog über ihr Antlitz.

»Wenn wir Blumen pflücken, mögen sie noch so bleich und kühl sein, liegt wohl der bitterste und längste Teil des Winters hinter uns!«

»In dieser Bedeutung wird mir Ihre Dekoration ein Kleinod sein, Xenia, welches mir die liebliche Verheißung birgt, daß auch im hohen Norden das Hoffnungsgrün endlich Eis und Schnee überwuchert!«

Er verneigte sich bei diesen Worten zwar vor der Gräfin Dynar, aber wieder zuckte sein Blick wie ein Funken zu Leonie hinüber, heiß und verständnisinnig.

Xenia wandte sich ab.

»Sie kommen also heute nachmittag, Proczna?«

»Tot oder lebendig, Excellenz.« Er neigte sich näher. »Da harret meiner die Holde, ich fliege in ihren Arm!« sang er leise, mit kühnem Blick in ihr Auge.

»Und ist es Ihnen kein Opfer? Ich singe sehr stümperhaft, wollen Sie mit mir Geduld haben? Hand aufs Herz!«

Er hatte ihr den kleinen Muff weggenommen, jetzt hob er ihn und drückte ihn beteuernd gegen die Brust.

»Endlose Geduld!! …«

Die Schneeglöckchen waren geknickt und rieselten zur Erde hinab, um unter den Pferdehufen zu sterben – Proczna bemerkte es gar nicht.

Xenia sah es. – Es brauste und sauste plötzlich vor ihren Ohren, sie starrte auf die weißen Flocken nieder und atmete schwer auf. Es schien ihr, als wandelten sich die Schneeglöckchen in rosige Apfelblüten, just in dieselben, welche sie vor Jahren von Janeks Lieblingsbäumchen schlug, um sie in blindem Hasse unter die Füße zu treten. Eisige Luft wehte durch die Tribünenthür; Gräfin Dynar erhob sich fast brüsk und befahl ihren Wagen. Donat sagte ihr ein verbindliches Lebewohl, sie nickte ihm zerstreut zu und neigte das schöne Haupt nach allen Seiten – über Janek Proczna schweifte ihr Blick hinweg.



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