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Was ist das Glück?
Ist es ein Traum?
Ist es ein Stern im Weltenraum?
Die beide kommen und vergehn
Und vor der Sonne nicht bestehn?
Ist es ein Rausch der flücht'gen Stunde,
Ein Lächeln von geliebtem Munde?
Ist es des Wissens Allgewalt,
Der Ruhm, der durch die Länder schallt?
Ach nein! sie gleichen nur den Wellen,
Die schimmernd am Gestad zerschellen!
Des Glückes unerforschte Macht
Liegt wie das Erz in tiefem Schacht,
Im Herzen ist's der stille Frieden,
Den uns aus Gnad' der Herr beschieden!

J. A. –

 

 

I.

Wie ein großer Blütenstrauß lag der Park. Auf sammetweichen Rasenflächen, deren Grün so fleckenlos und licht wie ein Riesensmaragd in der Sonne lag, erhoben sich die Tuffs von Flieder und Goldregen, untermischt mit dem Schatten dunkellaubiger Taxus und Zypressen, um welche der Perückenstrauch seine zarten Schleier wob.

Alles, was an Frühlingsblumen existiert, hob die bunten Köpfchen, die Krokus, Tazetten und Hyazinthen lachten von den sorgsam gepflegten Beeten, und in dem gewaltigen Basaltbecken rauschten die silbernen Wasser aus Tritonhörnern und fluteten wohlig über den Rand, sich in breiten Kaskaden den sanften Abhang der Schloßanlage hinab ergießend.

Die Front des königlichen Schlosses dehnte sich an dem herrlichen Paradeplatz entlang, die Nebenflügel und uralten Seitenbauten mit Türmen, Erkern, Giebeln und Söllern wandten sich den weitläufigen Parkanlagen zu und versteckten ihr graues Gemäuer hinter einem wahren Dickicht von Epheugespinst und Klematisranken, welche neugierig in die ehrwürdigen Fenster lugten, hinter welchen so manch' prächtiges, geheimnisvolles, glückliches und leidenvolles Leben schier sagenhaft dahingeflutet.

In dem runden Turmausbau der Westseite lag das Ankleidezimmer der jungen Kronprinzessin, die elegante Flucht ihrer Privatgemächer auf das würdigste abschließend.

Nicht steife, zwingende Konvenienz hatte vor zwei Jahren das Eheband des königlichen Paares geknüpft, sondern heiße, innige Liebe hatte es schon seit Jahren im geheimen gewebt, seit Kronprinz Georg die liebreizende kleine Prinzessin Ingeborg anläßlich der Silberhochzeit ihrer Eltern an befreundetem Fürstenhof zuerst geschaut.

Da hatte er ihr sonniges, lachendes Kindergesichtchen tief in sein Herz geschlossen und als er ihr bei Tafel die purpurnen Rosen, welche vor ihm dufteten, mit lächelndem Gruß hinübersandte, da nickte ihm Schön-Ingeborg mit strahlenden Augen zu, nahm scherzend ein Knallbonbon und schickte es ihm zum Gegengruß.

In dem Bonbon aber befand sich eine gedruckte Devise mit dem Vers:

»Was sich findet
Und verbindet,
In der goldnen Jugendzeit,
Bleibt verbunden
Auch in Stunden,
Wo im Leben wogt der Streit.«

Als Kronprinz Georg diese Worte las, färbte sich sein ernstes Antlitz höher und er hatte das Empfinden, als hielte er in diesem Augenblick seinen Schicksalsspruch verbrieft und besiegelt in Händen.

Obwohl er die damals fünfzehnjährige Prinzessin in den nächsten Jahren nicht wiedersah, blieb ihr doch sein Herz mit tausend geheimen Fäden innigen Gedenkens verbunden.

Er beobachtete jedes Vorkommnis an dem Hofe ihrer Eltern mit lebhaftem Interesse, und als von seinem Vater die Notwendigkeit einer baldigen Heirat des Thronfolgers erörtert wurde, wußte er alle etwaigen Bedenken zu besiegen und den König seinen Plänen geneigt zu machen.

Am achtzehnten Geburtstag der Prinzessin Ingeborg kehrte Kronprinz Georg abermals als Gast in dem nachbarlichen Schlosse ein, und was die Zeitungen sofort als interessante Vermutung ausposaunten, war wirklich schon nach wenigen Tagen eine Tatsache geworden.

Eine tiefe, schwärmerische Neigung für den ernsten, stattlichen Mann, welcher ihr das Ideal eines ritterlichen Königsohnes schien, erfüllte die bildschöne, jugendliche Prinzessin, und diesmal war es – aller Tradition zum Trotz – Gott Amor, welcher eigenhändig die blühende Myrte um die Königskronen eines überglücklichen Paares flocht.

Die Hochzeit ward unter beispiellosem Jubel von dem ganzen Land gefeiert.

Das Volk war stolz auf seine bezaubernde Kronprinzessin; wo sie sich zeigte, flogen ihr die Herzen im Sturme zu, und wen ihre Schönheit nicht sieghaft zu eigen nahm, den gewann ihre Anmut und Liebenswürdigkeit.

Voll kindlich froher Laune und harmloser Heiterkeit, von Herzen gut und freundlich, wirkte Kronprinzessin Ingeborg wie ein Sonnenstrahl auf ihre ganze Umgebung, und ihr hoher Gemahl war der Erste und Eifrigste, welcher ihr die Rosen der Liebe und Verehrung auf den Lebensweg streute.

Er selber hatte die Zimmer für »seine kleine Frau« – nach eigensten Plänen und Anordnungen auf das idealste ausgestattet.

Er wollte ihrer lichten Schönheit in allem und jedem für einen passenden Rahmen sorgen. Das alte, düstere Schloß sollte selbst bis in das hinterste Winkelchen hinein in Glanz und Duft getaucht werden.

Hellrosa – himmelblau – crême und goldgestickt, von duftigen Spitzen umwallt, belebt von zwitschernden Vögelchen und durchweht von dem süßen Odem immer frischer Blüten, reihten sich die Salons der Kronprinzessin aneinander. Gold-, Silber- und Kristallglitzern überall, – die Kunst in Bild, Statue und Wort, ganz modern und ganz antik – aus jedem Zeitalter das Schönste und Beste zusammengetragen, der herrlichsten von allen in ihrem » sweet home« zu huldigen. Auch das Toilettenzimmer, das weite, sechsfenstrige, runde Turmgemach war auf das geschmackvollste und originellste für die junge Gebieterin hergerichtet.

Von der gemalten Decke fielen die graziösen Bronzegewinde nieder, welche die rosigen Lilien des elektrischen Lichts trugen und von schwebenden Amoretten gehalten wurden. In allen Pfeilerwänden zwischen den vielen Fenstern befanden sich hohe Kristallspiegel, welche das Bild der Anwesenden wiederholt zurückwarfen.

Eine Symphonie in Weiß und Gold!

Bis auf den kleinsten Gegenstand trägt der goldumrahmte Toilettentisch seine Elfenbeinbürsten, Vasen, Dosen, Fläschchen, Schalen und Leuchter, alles mit dem goldenen Namenszug und der Königskrone geschmückt.

Und mit weißen Atlaskissen ist auch der kleine Sessel von vergoldetem Bambus bedeckt, auf welchem Prinzessin Ingeborg soeben Platz genommen hat, um sich frisieren zu lassen.

Die Kammerfrau hat das Spitzengeriesel eines Frisiermantels um die zarten, noch so mädchenhaften Schultern der Fürstin gelegt und öffnet soeben mit geschickten Händen die langflutende Pracht lichtblonden Haares, das dem rosigen Antlitz der Prinzessin einen so sonderbaren Reiz verleiht.

Auf dem Eck des nahen Diwans hat die Hofdame, Gräfin Frieda von Herdern, Platz genommen. Ihr rundes, rotes, kleines Vollmondgesicht ist durchaus nicht hübsch, aber es hat einen sehr gewinnenden, liebenswürdigen Ausdruck, freundlich und aufrichtig blickende Augen und Lippen, welchen man gern glaubt, was sie sagen.

Die Königin-Mutter hat einmal lächelnd gesagt: »Komtesse Frieda wird nie eine Mördergrube aus ihrem Herzen machen können, es steht jede Empfindung und jeder Gedanken so klar in ihren Zügen geschrieben, daß sie gar kein Wort zu sprechen braucht, – man liest es ihr bereits von der Stirn!« –

Und dies war Tatsache.

Als Gräfin Frieda soeben – die Hände lässig Um das Knie geschlungen, das Spiegelbild der Kronprinzessin anschaute, prägte sich ein solch ehrliches, begeistertes Entzücken in dem gutmütigen Gesicht aus, daß Ingeborg hell auflachte und das Köpfchen nach ihr umwandte.

»Wissen Sie, liebe Frieda, wie Sie eben aussehn? Genau wie der kleine Bauernjunge, welcher heute morgen im Park am Nymphenbrunnen stand und wie gebannt dem Spiel der Melusine mit den Wassern zuschaute! Ich hätte gern gewußt, was der kleine Kerl in jenem Augenblick dachte – nun, da Sie mich plötzlich genau so anstarren, wie er jene – erfahre ich vielleicht jenes Geheimnis ihrer beider Seelen!«

Die Hofdame hielt dem neckischen Seitenblick unverändert stand.

»Bezweifeln Königliche Hoheit, daß auch ein Bauernjunge einmal geistreiche Betrachtungen anstellen kann?«

Die Fürstin lachte. »Gewiß! Viel eher das, als daß Gräfin Frieda einmal nicht geistreich sein könnte!«

»Ich bedanke mich für dies gnädige Zutrauen. Geistreich und wahr pflegt meistens Hand in Hand zu gehen, wenn es impulsiv ist. Der Bauernjunge stand gebannt vor einer bis dahin nie gekannten Schönheit, – ich tue desgleichen. Der Junge sann darüber nach: Wie kann solch ein kleiner Kopf eine so große Wasserschaale tragen, und ich überlege eben – welche Last muß dieses köstliche Haar für solch zierliches Haupt sein.«

»Ist das eine Schmeichelei?«

»Nein, nur die Wahrheit, welche man zu hören verlangte. Freiwillig hätte ich sie nicht ausgesprochen, denn leider hängt allen Höflingen der Verdacht des Schmeichelns an, wie der gelbe Staub den Weidenkätzchen!«

»Die Wahrheit! – Sie haben recht, liebe Frieda. In der ganzen Residenz, wenigstens in unserer Hofgesellschaft, kenne ich keine zweite Dame, welche sich eines solch üppigen Haarwuchses erfreut wie ich. Sie sahen mein Haar tatsächlich noch nicht zuvor, wenigstens nicht in solch günstigem Augenblick wie soeben, wo es im Sonnenlicht besonders golden glänzt. Also wahr ist Ihre Bemerkung, aber nicht gerade geistreich. Ich halte mich nicht für hervorragend erleuchtet, aber wenn ich an Ihrer und des Bauernjungen Stelle gestanden, hätte ich doch noch etwas tiefer grübelt, wie ihr beide!«

»Ich bitte, von Euerer Königlichen Hoheit lernen zu dürfen!«

Das lachende, kindliche Gesicht der hohen Frau sah plötzlich ernst und nachdenklich in den Spiegel.

»Nicht so! – Belehren Sie mich lieber, ob solche Gedanken ketzerischer Natur sind! So oft ich mich in dem Spiegel sehe, frage ich mich: ›Was ist eigentlich Schönheit?‹ – Halten Sie die seichte Antwort ›Geschmackssache‹ für richtig?«

»Nein, höchstens als Folgerung! Die richtigste Antwort ist wohl diejenige: Schönheit, welche nicht erworben, nicht anerzogen, sondern nur angeboren sein kann, ist eines der herrlichsten Gnadengeschenke Gottes.«

»Diesen Gedanken hatte ich auch, aber ich verwarf ihn, weil er mir zu unlogisch erschien. – Alles, was von Gott kommt, ist zu irgend etwas nütze auf der Welt, – aber was nützt und frommt dem Menschen die Schönheit?«

»Sie erfreut! erhebt! idealisiert!«

»In ganz vereinzelten Fällen. Meistens ist sie ein Danaergeschenk, welches seinen Besitzer eitel, stolz, habgierig, oberflächlich und herrschsüchtig macht. Die schönsten Menschen sind nicht immer die besten.«

»Gewiß nicht! Aber was gäbe es in der Welt, das so göttlich wäre, um nicht zum Fallstrick für die Tugend zu werden? Jede Gottesgabe kann mißbraucht und entwertet werden! Ein Künstler kann durch sein Talent ein Fluch für die ganze Menschheit werden! Ein schlechtes Buch kann das Ergebnis eines eminenten Talentes sein und nützt doch nicht, sondern schadet der Sache Gottes in weitgehendster Weise!«

Prinzessin Ingeborg drehte nachdenklich den goldenen Reifen an ihrem schlanken Handgelenk.

»Die Kunst! Talente! Sie berühren da ein ganz anderes Gebiet als das der passiven Schönheit eines Menschen, liebe Herdern! Eine Gottesgabe, durch welche man etwas leisten und schaffen kann, wie der Künstler es tut, nützt stets, so schlagend auch der Gegenbeweis ist, welchen Sie eben lieferten. Ein schlechtes Buch kann immer noch sehr verschieden wirken, – nicht nur verderblich, sondern oftmals auch als ein Spiegel, in welchem die Sünde erschreckt ihre eigenen Züge erkennt! Und wenn dies leider auch recht selten der Fall ist – die Abschreckungstheorie gleicht meist den öffentlichen Hinrichtungen, welche den Blutdurst reizen und oft erst die schlummernde Bestie im Menschen wecken! – so kann doch solch ein übles Buch oft ein Prüfstein in Gottes Hand werden, dem gegenüber wahre Tugend und Reinheit auf die Probe gestellt, dennoch ihren edeln Sieg feiert! – Jedes, auch das schlechteste Werk, welches durch Menschengeist oder Menschenhand geschaffen wird, ist niemals nutzlos – aber die Schönheit! Was bedeutet die kurze Freude, welche sie durch ihren Anblick einem Neidlosen schafft, gegen die tausend wilden Flammen der Leidenschaft, welche sie schürt?« –

»Es kommt ganz darauf an, wo die Rose der Schönheit blüht!« – Die Gräfin lächelte und blickte nach dem Spiegelbild der Prinzessin, um welches die Sonne einen wahren Glorienschein wob. »In erster Linie dächte ich, müßte es einen Menschen, welcher ein Engelsantlitz im Glas schaut, wie Eure Königliche Hoheit, durch solch einen Anblick unbeschreiblich erfreuen und gegen den Schöpfer solchen Kunstwerkes andächtig und dankbar stimmen. Eine Seele aber, welche froh, glücklich und dankbar ist, wird auch gut und tugendhaft sein, und durch solch leuchtendes Beispiel auch alle andern veredeln, welche mit ihr in Berührung kommen!«

Eine heiße Blutwelle schoß jählings in das holde Antlitz der Fürstin. Sie schlug einen Augenblick die Wimpern nieder und um ihre Lippen zuckte es seltsam: »Holen Sie mir verschiedene Hüte zur Auswahl, meine gute Frau Brabant!« sagte sie in ihrer heitern Weise zu der Kammerfrau, welche sich zur Seite neigte, das zierlich frisierte Köpfchen prüfend zu mustern. – »Ich wähle dann die Toilette nach dem Hut!«

Die Genannte verneigte sich stumm und verließ in lautloser Eile das Gemach, Prinzessin Ingeborg aber wandte sich jählings zu Fräulein von Herdern um und sah sie mit den großen, veilchenblauen Augen halb belustigt, halb herausfordernd an.

»Falsch, sehr falsch philosophiert!« lachte sie leise auf, »nicht einmal das bringt die Schönheit zuwege, wenn sie mich schön nennen wollen! – Ich bin gewiß eine frohe, Gott dankbare und gern zur Andacht gestimmte Person, und doch lauert mir im Herzen eine kleine Schlange, welche fraglos das letzte, böseste Stücklein am Lasterring der Schönheit bildet! – Ja, sehen Sie mich nur so ungläubig an! Ich werde in diesem Augenblick – vielleicht als einzige Tugend! – wahr sein! Wollen Sie wissen, was Schönheit ist? Brennender Ehrgeiz! Ein unstillbares Verlangen nach Triumph, jenes undefinierbare Etwas, welches auch in der Brust des Künstlers wohnt und ihn von einer Konkurrenz in die andere treibt, bis dahin, wo es heißt: va banque!«

Gräfin Herdern hob jäh die Hand. »Eure Königliche Hoheit haben doch nie und nimmer eine Konkurrenz zu fürchten!«

Prinzessin Ingeborg schlug wie in heftiger Anklage die Hände zusammen und schüttelte das reizende Haupt. »Nein! das habe ich nicht – und das – das ist ja eben das Gräßliche, Langweilige, Nervenmordende an meiner unglückseligen Schönheit!«

Die Hofdame sah die Sprecherin mit einem Ausdruck derart hilfloser Überraschung an, daß die junge Fürstin hell auflachte.

»Hören Sie die Beichte einer schönen Seele, liebste Frieda, und wundern Sie sich nicht allzusehr über die exzentrische Laune einer modernen Frau! Ich langweile mich! – Ja, ja, fallen Sie nur in Ohnmacht! ich langweile mich! und warum? Weil ich schön bin, fraglos und anerkannterweise die Schönste im Lande! Und nirgends ein Spieglein an der Wand, welches mir als erlösendes Wort zuflüstert:

»Aber Schneewittchen auf den Bergen,
Bei den sieben Zwergen,
Ist noch viel tausendmal schöner wie Ihr!«

Ach, daß ich wüßte, wo ich solch ein Schneewittchen auftreiben könnte! – Zwei Jahre bin ich nun schon verheiratet, – unsagbar glücklich verheiratet. Zwei Winter tanzte ich hier auf den Hofbällen. Es ist eine unbegreifliche, aber effektive Tatsache, daß ein großer Mangel an schönen Damen in der Hofgesellschaft herrscht. – Über die Mittelmäßigkeit ragt nichts hervor, und wenn ich in ihrem Kreis erscheine, fallen mir ohne jedweden Kampf die Palmen des Sieges zu! – Ist das nicht zum verzweifeln langweilig? Anfänglich wußte ich nicht so recht, was mir eigentlich bei jedem Fest und jedem Vergnügen fehlte, – jetzt, nach längerem Sinnen, ward es mir klar! – die Konkurrenz! Der Nerven und Geist auffrischende Wettbewerb um die Kritik! – Sie lachen? O glauben Sie mir, es ist mein bitterster Ernst! – Fragen Sie jeden Künstler – was macht erst seinen vollen Erfolg aus? – Der Sieg über einen Rivalen! Unbestrittener Lorbeer ist ein duftloser Kranz, denn nur die Bitterkeit des Errungenwerdens gibt ihm sein berauschendes Aroma!«

»So streben Königliche Hoheit eine Schönheitskonkurrenz an?« – Gräfin Herdern lächelte nicht mehr so ungläubig wie zuvor, es lag im Gegenteil wie ein atemloses Interesse in ihren Worten und ihrer Miene!

Prinzessin Ingeborg zupfte die goldenen Haarlöckchen noch duftiger um die weiße Stirn.

»So ist's, mein Feldherr!« nickte sie voll graziösen Humors, »ich sehne mich wie eine unverbesserliche Spielerin nach einer Hasardpartnerin! Wenn ein Doppelgestirn am Himmel strahlt, wird es noch einmal so hell wie zuvor! Denken Sie sich, welch ein glühender Eifer mich beseelen würde, jene Nebensonne zu überstrahlen. ›Wie wird sie heute abend aussehn? In welcher originellen Toilette will sie mich ausstechen? Wen wird man schöner finden, sie oder mich?‹ – Ist das nicht ein lustiger Krieg, welcher auf Amors Schlachtfeld toben würde? Mein Mann liebt, vergöttert mich, er betet mich an, weil keine andere da ist, welche sein Interesse, seinen Schönheitssinn fesselt! – Seine Verehrung erfreut mich, aber ich nehme sie als etwas Selbstverständliches hin, weil der Reiz fehlt, sie entbehren zu müssen! Steht aber eine andere, vielleicht noch sieghaftere Schönheit neben mir – und ich lese in seinen Augen, daß ich es dennoch bin, welche ihn entzückt, so ist mein Glück und Stolz erst auf dem Höhepunkt angelangt!«

»Und Königliche Hoheit fürchten keine Gefahr in diesem Spiel mit dem Feuer?«

»Nein, dazu bin ich zu eitel. – Sie sehen, liebe Frieda, welch ein nagender Wurm die Schönheit ist, sie nährt sich von den Wurzeln des Blümleins Bescheidenheit! – Am besten wäre es, meine Konkurrentin wäre in allen Dingen das gerade Gegenteil von mir, – sie tief brünett, – ich blond, – sie imposant, – ich zart, – sie voll sinnlicher Glut, – ich voll mädchenhafter Zurückhaltung – und dann die große, stürmische Kritik des Publikums, in dessen Blicken es zu lesen ist wie in dem Spieglein an der Wand, wer die Schönste im Lande ist!«

Die Sprecherin unterbrach sich und blickte Frau Brabant entgegen, welche, gefolgt von einer Zofe, wieder über die Schwelle trat und mehrere Hüte der jungen Fürstin präsentierte.

»Das sonnige Frühlingswetter bedingt eine sehr duftige Toilette, Königliche Hoheit!« – sagte sie mit einer so wichtigen Miene, als handle es sich um eine Staatsaktion. »Darf ich gehorsamst bitten, dieses rosa Arrangement zu prüfen!« Sie hob mit geschickten Händen ein »Stilleben« von rosigen Malven und zart schattierten, wallenden Straußfedern, welche sich über einen breiten Rand von mit Flitter betupfter Seide wiegten, und drückte das duftige Kunstwerk auf das Köpfchen der hohen Gebieterin.

»Entzückend! Geradezu wunderbar! Dazu die Toilette von dem gleichfarbigen Chinéstoff – und jedes Bild in der Gemäldeausstellung muß gegen diese Wirklichkeit verbleichen! Befehlen Königliche Hoheit nun diese Fliederfarbe noch zu probieren, oder jenes Hopfengrün ...«

»Nein, nein! es ist gut, beste Brabant! bleiben wir bei dem rosa!« wehrte Prinzeß Ingeborg zum Staunen der Kammerfrau plötzlich sehr gleichgültig ab. »Der Wagen wird gleich vorfahren, wir müssen uns beeilen!« Und sich mit schnellem Blick zu Gräfin Herdern wendend, lächelte sie achselzuckend: »Jetzt hat es ja noch gar keinen Reiz zu prüfen und zu wählen! denn – ›in Bildersälen ganz allein – da ist's gar leicht, die Schönste sein!‹ – Aber ich hoffe, es kommt noch einmal die Zeit, wo die Toilettenfrage auch für mich wieder eine brennende wird!«

Nach kurzer Zeit stand die Kronprinzessin, zur Ausfahrt bereit, in dem Ankleidezimmer und die hohen Spiegel warfen ihr so überaus anmutiges Bild zurück.

Wie der verkörperte Frühling schwebte sie über den weiß-goldenen Smyrnateppich und Gräfin Herdern knöpfte mechanisch die langen Schwedenhandschuhe zu und dachte im Herzen: wahrlich, es wird schwerhalten, für so viel Schönheit eine Rivalin zu finden – und eine Gefahr kann und wird diese niemals für die hohe Frau sein!«

* * *

Kronprinz Georg hatte nebst seiner hohen Gemahlin seinen Besuch in der Gemäldeausstellung schon verschiedentlich hinausschieben müssen, da stets unvorhergesehene und dringliche Angelegenheiten seine Zeit in Anspruch nahmen.

Heute endlich hielt die Equipage vor dem hohen Portal des Nationalmuseums, in welchem die Werke moderner, ausstellender Künstler untergebracht waren, und umjubelt von dem schnell angesammelten Publikum stieg die reizendste aller Prinzessinnen am Arm ihres Gemahls, geleitet von den beiden Direktoren des Museums, die breite Freitreppe empor.

Gräfin Herdern und der Flügeladjutant, sowie ein diensttuender Kammerherr folgten.

Die Kronprinzessin war eine große Liebhaberin schöner Gemälde, und so schweifte schon jetzt ihr Blick voll Interesse durch den Kuppelbau der Vorhalle, die bekannten Fresken darin mit dem Blick zu umfassen.

Währenddessen richtete sie in ihrer so gewinnend anmutigen Weise das Wort an den neben ihr schreitenden Direktor.

»Ich habe mit viel Freude gehört, daß die Ausstellung in diesem Frühjahr besonders reich beschickt worden ist! Es sollen mehrere ganz hervorragende Arbeiten unter den Bildern sein, man nannte mir vor allen: ›Herbstzeitlosen‹ von E. v. H., einer jungen, sehr talentierten Straßburger Malerin, – dann die ›Mühle mit Wehr‹ und einen Studienkopf von Manfred Hoff, – letzterer soll besonders viel besprochen werden?«

Der Direktor verneigte sich: »Allerdings scheint Manfred Hoff, ein bisher noch unbekannter Anfänger, den Vogel abzuschießen, was die Gunst und das Interesse des großen Publikums anbetrifft! Der ›Studienkopf‹ ist fraglos eine tüchtige Arbeit, tadellos im Kolorit und ein Meisterstückchen, was die Beleuchtung anbetrifft, aber – um ganz ehrlich zu sein – der Erfolg würde trotzdem nicht ein derartig großer sein, wenn er nicht durch die Schönheit des Modells auf das wesentlichste unterstützt würde!«

»Schönheit des Modells? – gehört der ›Studienkopf‹ einer Dame an?« – Die Prinzessin sah plötzlich sehr lebhaft zu dem Sprecher empor und schien seine Antwort voll sichtlicher Spannung zu erwarten.

»Man sagt, der junge Maler habe eine nahe Anverwandte auf die Leinewand gezaubert, eine Dame, welche eine ganz hervorragende Schönheit sein muß, wenn der Künstler nicht sehr idealisiert hat!«

»Ach! eine Schönheit, welche einem großen Publikum einstimmig gefällt? Die dürfte unter die weißen Raben gezählt werden!« – – Prinzessin Ingeborgs veilchenblaue Augen blitzten plötzlich auf. »Ich gestehe, daß ich auf den Anblick dieses Bildes besonders neugierig bin! Bitte führen Sie uns zuerst zu Manfred Hoffs gefährlicher Schönheit!«

Der Direktor verneigte sich mit sehr vielsagendem Lächeln: »Die dürfte wie ein Schatten vor der Sonne vergehen, wenn der gemalten Schönheit die lebendige gegenübertritt. Königliche Hoheit! Ich bitte, mich einen Augenblick zu beurlauben, um die Menschenmenge, welche sich meist vor diesem Bilde staut, ein wenig in Fluß zu bringen! Es war der direkte Befehl Seiner Königlichen Hoheit, die Säle während des Besuchs der höchsten Herrschaften nicht abzusperren!«

»Ich weiß! – Halt, verehrtester Herr Professor, bleiben Sie! Ich bin überzeugt, daß wir genug Raum zum sehen finden, und möchte die Zuschauer durchaus nicht zur Eile treiben! Rechts im Lichtsaal? – Gut! Gehen wir den direkten Weg!«

Die hohe Frau sprach sehr heiter und sichtlich angeregt, sie wandte sich zur Gräfin Herdern zurück und rief ihr mit bedeutungsvollem Blick zu: »Wir werden jetzt das Bild einer Dame sehen, welche der ganzen Residenz den Kopf verdreht! Eine Schönheit, die mich ganz besonders interessieren wird!«

»In der Tat? Welch schnelle Erfüllung eines Wunsches!« erwiderte die Hofdame überrascht und sah dabei aus, als ob sie jeden, auch den geheimsten Gedanken ihrer Gebieterin in diesem Augenblick erriete.

Tatsächlich drängte sich das Publikum vor dem Bild des unbekannten Malers, und als das Erscheinen des kronprinzlichen Paares bekannt wurde, wich man in freudigster Erregung voll Ehrfurcht zur Seite, ohne jedoch den Saal zu verlassen. Ja, es schien beinahe, als ob sich eine ganz besondere Lebhaftigkeit der Zuschauer bemächtigte.

Ein entzücktes Tuscheln und Raunen, welches der bezaubernden Erscheinung der hohen Frau galt, und dann ein gedämpftes Flüstern, eifriges Debattieren und ein Beobachten und sichtliches Vergleichen, welches trotz seiner diskreten Art doch wohl bemerkt werden konnte.

»Ach! sie ist brünett!« sagte Prinzessin Ingeborg mit tiefem Aufatmen im Flüsterton zu Gräfin Herdern, welche an ihre Seite getreten war, dann hob sie mit einem Blick höchsten Staunens die juwelengeschmückte Lorgnette und rief ganz begeistert: »O sieh doch, Georg! wie wunderbar schön!«

Der Kronprinz trat einen Schritt zur Seite um noch besseres Licht zu gewinnen und nickte nachdenklich vor sich hin: »In der Tat ein überraschend schönes Gesicht, allerdings scheint es sehr idealisiert, und der Effekt wird durch die Beleuchtung sehr erhöht!«

»Severa. Studienkopf.«

»Stellt es eine geschichtliche oder romanhafte Szene dar? Ist es eine Kostümstudie?«

»Führt uns der Maler in die alte Zeit zurück?« –

»Gewiß nicht! Nur poetische Auffassung!«

»In der Tat frappant!«

»Man wird an eine schöne Märtyrerin oder einen Sklavin aus Hermann des Cheruskers Zeit erinnert!«

Einen Augenblick herrschte Schweigen.

Man schaute, in tiefes Sinnen verloren, auf das seltsame Bild. – Eine alte feuchtgraue Mauer, an welcher ein junges Weib, bis zu den Knien sichtbar, lehnt. Ein Arm ist hinter den Kopf geschoben und das lange, wilde, blauschwarze Haar flutet, ihn halb verdeckend, darüber hin. Seitlich, in einem verrosteten Eisenring an der Mauer, steckt eine blutrot flackernde Pechfackel, welche ihr unruhiges Licht über Gesicht und Brust der geheimnisvollen Severa sprüht.

Geheimnisvoll! – Mit großen, nachtdunkeln, weit offenen Augen sieht sie dem Beschauer gerade in das Gesicht! Welch ein Blick! Er durchzuckt wie Feuer, und dennoch fröstelt es einen dabei. Was liegt darin? –

Eine düstere, leidenschaftliche Frage? Ein unbändiger Stolz, welcher lieber Banden und Kerker wie einen ungeliebten Gatten wählt? – Religiöser Fanatismus, der lieber voll wilden Entzückens den Leib auf die Folter legt, ehe er den verächtlichen Göttern der Heiden huldigt?

Severa!

Ja, sie ist schön, unbegreiflich schön, sie ist die verkörperte Schönheit, von welcher Prinzessin Ingeborg träumerisch gefragt hat: »Was bist du? Ein Engel oder ein Teufel? – Wo stammst du her? Aus dem Himmel oder der Hölle?«

Die Herren beginnen mit gedämpften Worten zu flüstern und zu debattieren, der Blick der Kronprinzessin aber huscht unbemerkt zu dem seitlich stehenden Publikum und sieht es – deutlich und unverkennbar – man zieht Vergleiche zwischen ihrer blonden, liebreizenden und sonnigen Schönheit und dem Zauber jenes glutäugigen Weibes!

Aber die Blicke, welche sie treffen, strahlen in solch aufrichtiger Bewunderung, und es sind ihrer mehr und immer mehr, welche sich von dem Bild abwenden und auf ihrem rosigen Antlitz weilen. Da flammt es heißer und heißer in ihre Wangen empor. Ein nie gekanntes Gefühl steigt wie leises Dämmern in ihr auf, – der selige Triumph, noch schöner zu sein, wie die Schönste!

Und dies Entzücken spiegelt sich in dem warmen, seelenvollen Blick, welcher nun auch in heimlichem Forschen das Auge des Gatten sucht.

Ganz vertieft steht der Kronprinz in den Anblick der wundersamen Severa.

Man sieht es ihm an, wie auch ihn die Macht dieser Glutaugen ergreift, – plötzlich aber wendet er sich, um an das Weitergehen zu mahnen.

Sein Blick trifft das Antlitz seiner liebreizenden jungen Frau.

Welch ein Gegensatz zwischen ihr und diesem fackelüberloderten Antlitz!

Ingeborg sieht den jähen Blick, welcher scharf prüfend zwischen Bild und Leben hin und her zuckt, – dann aber haftet er, aufleuchtend in unbeschreiblicher Zärtlichkeit auf dem goldblonden Köpfchen, welches mit beinah' schelmischen Lippen zu ihm auflächelt.

»Gehen wir weiter!« sagt er, nimmt den Arm seiner Gemahlin und drückt ihn unbemerkt fest und fester an sich!

O welch ein wonnevoller Triumph!

Noch nie im Leben hat sie ein solch kleiner Beweis seiner Liebe so beglückt wie in diesem Augenblick. Und die Freude verklärt ihr holdes Gesicht und macht es noch anmutiger wie zuvor.

Sie lächelt und grüßt nach allen Seiten und der Enthusiasmus des Publikums ist stürmischer wie je.

* * *

Wieder sitzt Prinzessin Ingeborg in dem Ankleidezimmer vor dem Spiegel und wartet, bis sich Frau Brabant mit Hut und Schirm entfernt hat.

Dann wendet sie sich hastig zu Gräfin Herdern um. »Sie mußten mich hierher begleiten, liebe Frieda!« flüsterte sie erregt. »Denn ich wollte Sie noch allein sprechen! Was sagen Sie zu dem Schneewittchen, welches wir entdeckt haben?«

Die Hofdame küßt voll ehrlichen Entzückens die kleine weiche Hand, welche sich ihr entgegenstreckt.

»Ich sage, daß sie lange, lange nicht schöner ist, wie unsere allerherrlichste Königin!«

»Das dürfte Geschmackssache sein! – Ihr Bild haben wir gefunden, nun heißt es, das Original zur Stelle schaffen!«

»Das Original ... zur Stelle ...?« Mit großen Augen starrte die Hofdame die Sprecherin an. »Ich verstehe nicht, Königliche Hoheit!«

»Kapricen müssen stets erläutert werden! Darum lassen Sie sich's sagen und bleiben Sie Ihrer Sinne Meister! Die geheimnisvolle Severa soll meine Nebensonne bei Hofe werden!«

»Königliche Hoheit!! Wir ahnen ja nicht, wer sie ist!«

Die Prinzessin lachte wie ein glückseliges Kind.

»Sie ist in wenig Wochen eine landbekannte Schönheit, ebenso wie ich. Die gleichen Bedingungen zu dem Wettkampf sind also gegeben! Und wie die Rivalin heißt? Das wollen wir bald erfahren! Der erste Würfel soll noch heut durch Ihre Hand fallen! Also Sie setzen sich sofort hin, liebe Herdern und schreiben einen Brief an den Maler Manfred Hoff. Folgenden Inhalts. Ihre Königliche Hoheit, die Frau Kronprinzessin sind entzückt von dem herrlichen Gemälde, welches Sie ausgestellt haben. Hochdieselbe läßt Ihnen Ihre vollste Anerkennung ausdrücken und gleichzeitig um die genau Adresse Ihres Modells bitten, welches Ihrer Königlichen Hoheit sehr sympathisch aufgefallen ist! – Schluß. – Nun, was sagen Sie zu dieser allerneusten Marotte?«

Wie in hilfloser Bestürzung schaute die Hofdame in das übermütige Gesichtchen der jungen Frau. Wie beschwörend hob sie die Hände.

»Ich sage und hoffe, daß meine allergnädigste Herrin nur im Scherz gesprochen haben!«

»Durchaus nicht, – ich war nie so ernsthaft entschlossen wie in diesem Augenblick!«

»Königliche Hoheit ahnen ja gar nicht, was solch ein außergewöhnlicher Schritt heraufbeschwören kann! Wer sagt uns, daß jene glutäugige Severa ein Wesen ist, welches ein derartig huldvolles Interesse verdient?«

»Aber, beste Herdern – Sie sehen am hellen Tag Gespenster. ›Ob ich dich liebe oder mich für dich interessiere, was geht's dich an?‹ sage auch ich mit dem Dichter. Ihr Brief verpflichtet zu nichts. Erfahren wir die Adresse, so werden wir uns ganz unter der Hand nach der schönen Severa erkundigen. Ist sie nicht ladylike – nun, so sinkt der Vorhang tiefen Schweigens über unsere Pläne, ist sie aber ein Wesen, welches verdient emporgehoben zu werden, so steht uns nichts im Wege, sie zu meiner Nebensonne zu machen!«

»Was verstehen Euere Königliche Hoheit darunter? soll jene Unbekannte tatsächlich in die Hofgesellschaft lanciert werden?«

»Wenn uns ihre Persönlichkeit Erfolg garantiert, gewiß!«

Gräfin Frieda Herdern preßte einen Augenblick die Lippen wie in schwerer Sorge zusammen. Dann hob sie den Blick und bat mit sehr weicher, herzlicher Stimme: »Darf ich in diesem Augenblick einmal ganz ehrlich und aufrichtig sein?«

»Das hoffe und verlange ich stets von Ihnen!«

»Ich bemerkte, daß sowohl das Publikum, wie auch Seine Königliche Hoheit der Kronprinz, vor dem ›Studienkopf‹ Vergleiche zwischen meiner allergnädigsten Herrin und jener Fremden zogen. Das Resultat war ein Triumph für erstere. Auch Eure Königliche Hoheit beobachteten dies, und der Erfolg hat wohl fraglos den außergewöhnlichen Plan, Fräulein Severa in unsere Kreise zu ziehen, gezeitigt. Nun aber halte ich es für meine Pflicht, auf eine Tatsache aufmerksam zu machen. Dem Leben gegenüber verliert jedes Bild. – Wenn aber jene faszinierenden Augen des ›Studienkopfes‹ in Wahrheit neben denen Euerer Königlichen Hoheit blitzen, wenn vielleicht viel Raffinement und Koketterie die gefährliche Schönheit jenes eigenartigen Weibes unterstützen, gestaltet sich der Erfolg ganz anders, und wer weiß, wieviel schmerzliche Schatten, ja wieviel düsteres Unheil er auf das sonnige Glück meiner teuren Fürstin wirft!«

Prinzessin Ingeborg lachte hell auf. »Fürchten Sie für meines Gatten Herz? – glauben Sie, die Qualen der Eifersucht würden das meine zerfleischen? O wie schlecht kennen Sie meinen tadellosen, tugendhaften Georg, wie wenig das feste Fundament unseres Glücks! Und Fräulein Severa die Palme des Sieges mißgönnen? Niemals! Ich kenne keinen Neid und kann mich auch über die Erfolge anderer freuen, selbst wenn diese eine Niederlage für mich bedeuten! – Der Reiz des schönen Wettkampfes bleibt trotz allem! und ob so oder so – ich löse die brennende Frage über das wahre Wesen der Schönheit auf jeden Fall! Warum mir diese harmlose Freude mißgönnen? Als Sie neulich abends ›Gelb rollt mir zu Füßen‹ sangen und Seine Majestät Ihnen Beifall klatschte und sagte: ›So schön habe ich dieses Lied kaum von der Hermine Spieß gehört!‹ da strahlte Ihr Gesicht auch vor Freude über diesen Sieg über eine Meisterin, – und mir wollen Sie es mißgönnen, auch einmal über eine berühmte Schönheit zu siegen? Ich habe ja leider keine Talente, welche sich an denen anderer messen könnten, mir ward nur ein wenig nutzlose, zwecklose Schönheit – was Wunder, wenn ich auch aus diesem Körnlein eine Blüte der Freude ziehen möchte! – Also unbesorgt. – Schreiben Sie sofort und lassen Sie mich umgehend die Antwort des neuentdeckten Raffaels hören!«

Gräfin Herdern seufzte tief auf und küßte die kleine Hand der Prinzessin, welche die ihre sehr herzlich drückte.

» Tu l'as voulu George!« versuchte sie zu scherzen, – »die Wünsche Euerer Königlichen Hoheit sind ja Befehl für mich.«


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