Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Kobus' Vorfreude wird man sich denken können. Vorstellungen von Prunk und Pracht gingen ihm durch den Kopf. Er wollte schick herausgeputzt vor Susel treten, sie so tief wie möglich beeindrucken und fand nichts schön genug dafür.
Bei anderer Gelegenheit hätte er Hans Nickels Merkwürdigerweise lautet dieser – für die Handlung bedeutungslose – Name in einigen Ausgaben des Originalwerks Baptiste Krômer. Wagen und Gaul für die Reise gemietet, aber jetzt fand er das zu dürftig für einen Kobus. Sofort nach dem Mittagessen holte er seinen Stock hinter der Tür hervor und begab sich zur Pferdewechselstation an der Kaiserslauterer Straße, wo Meister Johann Fahnen zehn Postkutschen in seinem Schuppen und achtzig Pferde im Stall hatte.
Fahnen war ein Mann von sechzig Jahren. Die ausgedehnten Weideflächen entlang der Losser gehörten ihm, aber trotz seines Reichtums hatte dieser kleine Dicke seine schlichten Manieren bewahrt, denn er trug einen abgewetzten Leinenrock, einen breiten Hut aus Rosshaar sowie einen stark ergrauenden Achttagesbart. Breite krumme Runzeln zerfurchten seine runden, gelben Wangen.
Fritz traf ihn an, als er gerade im Hof der Poststation Pferde striegeln ließ.
Fahnen erkannte ihn von weitem und kam ihm bis zum Torweg entgegen, hob seinen Hut, grüßte und sagte:
»Ja guten Tag, Herr Kobus, was verschaffen mir das Vergnügen und die Ehre Ihres Besuchs?«
»Herr Fahnen«, antwortete Fritz lächelnd, »ich möchte mit meinen Freunden Hahn und Schulz eine Vergnügungsfahrt zum Bischheimer Fest unternehmen. Wegen des Erntebetriebs sind aber alle Gespanne der Stadt unterwegs, und ich kann keinen Wagen mit Sitzbänken finden. Tja, habe ich mir gesagt, gehen wir doch zu Herrn Fahnen und nehmen wir eine Postkutsche. Zwanzig oder dreißig Taler bringen einen Mann nicht um, und wenn man sich amüsieren will, darf man nicht kleinlich sein. So bin ich eben.«
Das leuchtete dem Postmeister sofort ein.
»Herr Kobus«, sagte er, »da haben Sie recht, und ich stimme Ihnen zu. In meiner Jugend unternahm ich gern bequeme Ausfahrten, wenn mir danach war. Jetzt bin ich alt, halt's aber immer noch so. Wünsche sind gut, wenn man sie sich leisten kann, wie Sie und ich.«
Er führte Fritz in seinen Schuppen zu den Kaleschen Elegante, offene, eher flache vierrädrige Kutschwagen mit nach hinten einklappbarem Verdeck. nach der neuesten Pariser Mode. Sie waren federleicht, mit Wappenschildchen verziert und so schön und anmutig, dass man sie in einen Salon hätte stellen mögen wie Möbel, die wegen ihrer Eleganz auffallen.
Kobus fand sie sehr hübsch, aber eine Neigung zum Luxus ließ ihn eine Berline Eine Art Kutsche, die seit dem frühen 18. Jahrhundert in Mode war und ihren Namen von der Stadt Berlin ableitet, wo diese Art Fahrzeug seinerzeit aufgekommen sein soll. Die Berline war eine große, geschlossene Kutsche von großem Komfort – sehr weich federnde Aufhängung, Glasfenster und oftmals auch ein zurückklappbares Verdeck. auswählen, die innen mit Seide gepolstert war. Sie wirkte etwas schwerfällig, das ist wahr, aber Fahnen sagte ihm, dass dies ein Wagen für herausragende Persönlichkeiten sei.
Er blieb also dabei, und nun führte der Postmeister ihn in seine ausgedehnten Stallungen.
Der Stall war hundertzwanzig Schritt lang und sechzig breit. Zwölf Pfeiler aus massiven Eichenstämmen stützten seine kalkgeweißte Decke. Darunter standen in zwei Reihen, die durch Barrieren getrennt waren, sechzig graue, schwarze, braune und scheckige Pferde mit runden, glänzenden Kruppen, vielfach geknoteten Schweifen, festen Knien und erhobenen Köpfen. Einige wieherten und stampften mit den Hufen, andere zogen Futter aus der Raufe, wieder andere drehten sich halb herum, um zu sehen. Das Sonnenlicht kam durch zwei hohe Fenster in der Tiefe des Raums und erleuchtete den Stall mit goldenen Strahlen. Die Pfeiler warfen lange Schatten auf das Pflaster, das sauber wie ein Parkett war und wie Felsgrund klang. Es war eine ansehnliche, großartige Anlage.
Stalljungen striegelten die Pferde und rieben sie ab. Ein Postillion in einer kurzen blauen, silberbestickten Jacke und mit dem Hut aus Wachstuch im Nacken führte gerade ein Pferd zur Tür. Er sollte wohl die Poststafette reiten.
Fahnen und Fritz gingen langsam hinter den Pferden entlang.
»Sie brauchen zwei«, sagte der Postmeister, »suchen Sie aus.«
Nachdem Kobus die Pferde besehen hatte, wählte er zwei kräftige grauscheckige Hengste, die schnell wie der Wind laufen konnten. Dann ging er mit Fahnen ins Büro, zog aus der Tasche eine lange Geldkatze aus grüner Seide mit goldenen Quasten und bezahlte die Rechnung im Voraus. Dabei sagte er, dass er den Wagen am nächsten Tag um neun Uhr vor seiner Tür haben wolle, und verlangte als Postillion den alten Zimmer, der seinerzeit den Kaiser Napoleon kutschiert hatte.
Nachdem alles getan, abgesprochen und geregelt war, brachte Meister Fahnen Fritz bis vor das Tor. Sie reichten sich die Hände, und Fritz ging zufrieden zur Stadt zurück.
Unterwegs malte er sich aus, wie sehr Susel, Christel und ganz Bischheim überrascht sein würden, wenn man ihn und seine Mitstreiter unter Peitschenknallen und Horngeblase ankommen sah. Seltsam selig wurde ihm davon, vor allem wenn er sich Susels Erstaunen vorstellte.
Die Zeit wurde ihm nicht lang. Als er sich ganz in Gedanken Hüneburg näherte, zogen der alte Rebbe in seiner schönen, kastanienbraunen Kapote und Surle unter ihrer herrlichen Tüllhaube mit den breiten gelben Bändern seine Aufmerksamkeit auf sich. Sie gingen auf dem Fußpfad, der entlang der Gärten vor dem Glacis verläuft, denn sie hatten die Gewohnheit, an jedem Sabbat außerhalb der Stadt zu spazieren. Untergehakt kamen sie daher wie zwei junge Verliebte, und jedes Mal sprach David zu seiner Frau:
»Surle, wenn ich das Grün und das Korn sehe, das sich wiegt, und diesen Fluss, der so gemächlich fließt, dann werde ich wieder jung. Ich komme mir wie mit zwanzig vor, als ich dich spazieren geführt habe, und ich lobe den Herrn für seine Gnade.«
Da war die gute Alte glücklich, denn David sprach ehrlich und ohne Schmeichelei.
Über die Hecke hinweg hatte der Rebbe auch Fritz gesehen, der gerade auf dem Weg durch die Schanzen war, und rief ihm zu:
»Kobus!... Kobus!... Komm doch her!«
Da Fritz befürchtete, dass der alte Rabbiner über seine Rede im Biergarten zum Großen Hirschen witzeln würde, ging er weiter und schüttelte den Kopf.
»Ein andermal, David, ein andermal«, sagte er, »ich hab's eilig.«
Der Rebbe lächelte listig in sein Bärtchen und dachte:
»Flieh nur, ich erwische dich doch.«
Gegen vier Uhr kam Kobus schließlich heim. Obwohl die Fenster offen standen, war es sehr warm, und Fritz war sehr froh, den Umhang loszuwerden.
»Jetzt werden wir unseren Anzug und unsere Hemden aussuchen«, sagte er gutgelaunt und zog die Schlüssel aus dem Sekretär. »Susel soll einfach staunen und von mir träumen, ich muss die bestaussehenden jungen Männer von Bischheim ausstechen. Gott im Himmel, steh mir bei, dass ich alle Welt verblüffe!«
Er öffnete die drei großen Wandschränke, die von der Decke bis zum Parkett hinunterreichten. Mutter Kobus und Großmutter Nicklaus hatten eine Schwäche für feines Tuch gehabt, so wie Fritz' Vater und Großvater für guten Wein. Man wird sich daher vorstellen können, welche Mengen an Damasttüchern, Handtüchern mit roten Fäden, Taschentüchern, Hemden und Decken hier aufgestapelt lagen; es war unglaublich. Die alte Katel verbrachte die Hälfte ihrer Zeit damit, das alles zu falten und zu entfalten, um es zu lüften oder mit Reseda, Lavendel und tausend anderen Düften gegen die Motten zu überstreuen. Ganz oben waren sogar zwei ausgetrocknete, grün und golden gefiederte Eisvögel am Schnabel aufgehängt, denn von diesen Vögeln sagt man, dass sie die Insekten vertreiben.
Einer der Schränke war voller uralter Kleider, Dreispitzen mit Kokarden, Perücken, Plüschkleidern mit Silberknöpfen groß wie Zimbeln, Gehstöcken mit Knöpfen aus Gold und Elfenbein, und Puderdosen mit dicken Pinseln aus Schwanenfedern. Dies ging auf Großvater Nicklaus zurück, und nichts war seitdem verändert worden. Die braven Leute hätten wiederkommen und sich nach dem Geschmack des vorigen Jahrhunderts einkleiden können, ohne ihre lange Grabesruhe zu bemerken.
Im anderen Schrank befanden sich Fritz' Kleider. Er ließ sich jedes Jahr beim Schneider Herkules in Landau für eine komplette Ausstattung Maß nehmen, zog die Kleider jedoch nie an, denn er war mit dem Gedanken zufrieden: »Ich könnte mich genauso modisch kleiden wie der dicke Hahn, wenn ich wollte, aber mein alter Umhang ist mir lieber. Jeder nach seinem Geschmack.«
Dies betrachtete Fritz nun in großem Entzücken, und ihm fiel ein, dass Susel vielleicht schönes Tuch genauso mögen könnte wie Großmutter Kobus; dass sie die Schätze des Haushalts vermehren, die Schlüssel führen und morgens und abends begeistert vor diesen Schränken stehen würde.
Diese Vorstellung bewegte ihn, und er wollte, dass es schon soweit wäre, denn die Vorliebe für guten Wein und schönes Tuch schafft einen ansehnlichen Haushalt.
Im Moment ging es darum, das hübscheste Hemd, das schönste Taschentuch, das beste Paar Strümpfe und den feinsten Rock zu finden. Das war das Problem.
Nachdem er lange geschaut hatte, rief Kobus sehr verlegen:
»Katel! Katel!«
Die alte Magd, die in der Küche strickte, öffnete die Tür.
»Komm doch herein, Katel«, sagte Fritz zu ihr, »ich bin in einer großen Verlegenheit. Hahn und Schulz wollen um alles in der Welt, dass ich mit ihnen zum Bischheimer Fest fahre, und sie haben mich derart bedrängt, dass ich schließlich zugesagt habe. Zu diesem Fest gehen aber auch Hunderte von Preußen, Richter und Offiziere, ein Haufen schicker Leute, die nach der neuesten Pariser Mode gekleidet sein und uns Bayern Im Original wörtlich etwas abfällig nous autres Bavarois. Diese Passage – die im folgenden Kapitel wiederholt wird – belegt, dass Fritz Kobus und seine Freunde Untertanen des Königs von Bayern waren, zu dessen Reich damals die Südpfalz auf dem linken Rheinufer gehörte. über die Schulter hinweg ansehen werden. Was soll ich anziehen? Ich verstehe doch nichts von diesen Sachen, sowas geht mich eigentlich nichts an.«
Katel kniff ihre Äuglein zusammen. Es gefiel ihr, dass sie wegen einer wichtigen Sache gerufen wurde. Sie legte ihr Strickzeug auf den Tisch und sagte:
»Sie haben gut daran getan, mich zu holen, Herr Kobus. Gottlob ist es nicht das erste Mal, dass ich jemanden über gute Kleidung zur passenden Gelegenheit und Gesellschaft berate. Ihr Vater, der Herr Amtsrichter, rief mich üblicherweise, wenn er auf einen Empfang musste, und ich sagte dann zu ihm: ›Bei allem Respekt, Herr Richter, Ihnen fehlt noch dies und das‹, und's hat stets gestimmt. Jeder in der Stadt musste anerkennen, dass Herrn Kobus an guter, modischer Kleidung niemand gleichkam.«
»Gut, gut! Ich glaube dir«, sagte Fritz, »und ich hör's gern, obwohl sich die Mode seitdem geändert hat.«
»Die Mode mag sich ändern, wie sie will«, antwortete Katel und trug die Leiter zum Schrank, »aber guter Geschmack ändert sich nie. Wir werden Ihnen zuerst ein Hemd aussuchen. Schade, dass knielange Hosen nicht mehr getragen werden, denn Sie haben gutgebaute Beine wie Ihr Herr Vater. Ihnen würde auch eine Perücke gut stehen, eine hübsche, auf französische Art gepuderte Perücke. Heutzutage sehen gutgekleidete Leute und Bauern gleich aus. Früher oder später muss die alte Mode wieder her, damit der Unterschied wieder sichtbar wird. Man kennt sich ja nicht mehr aus.«
Katel stand bereits auf der Leiter und suchte sorgfältig ein Hemd aus. Fritz wartete schweigend unten. Endlich kam sie wieder herunter und trug mit dem Ausdruck der Verehrung ein Hemd und ein Taschentuch auf den ausgebreiteten Händen. Sie legte die Sachen auf dem Tisch aus und sagte:
»Hier ist zunächst das Wichtigste. Wir wollen doch einmal sehen, ob Ihre Preußen solche Hemden und Taschentücher haben. Dies, Herr Kobus, waren die Festtagshemden und Tücher des Herrn Amtsrichters. Schauen Sie, wie fein das Tuch ist, wie herrlich diese Brustkrause mit sechsreihiger Spitze. Und diese Manschetten sind die schönsten, die man in Hüneburg je gesehen hat. Schauen Sie nur einmal diese Vögel mit den langen Schwänzen und diese Blätter an, früher stickte man so, welche schöne Arbeit, Herrgott, welch schönes Werk!«
Fritz, der sich mit solchen Dingen nie mehr beschäftigt hatte als mit den Bewohnern des Mondes, strich mit den Fingern über die Spitzen und betrachtete sie entrückt, während die alte Magd, die ihre Hände vor der Schürze gefaltet hatte, vor Begeisterung laut rief:
»Ist es zu glauben, dass Frauenhände so etwas gemacht haben? Ist's nicht wunderschön?«
»Ja, es ist schön«, antwortete Kobus, der an den Eindruck dachte, den er auf Susel machen würde, wenn er diese Krause vor der Brust und diese Manschetten an den Handgelenken zur Schau tragen würde. »Katel, glaubst du, dass es viele Leute gibt, die solche Arbeit zu schätzen wissen?«
»Viele Leute? Jedenfalls alle Frauen, Herr Kobus! Wenn sie bis an ihre fünfzig Jahre die Gänse gehütet haben, wissen sie, was reich, schön und ansehnlich ist. Ein Mann, der so ein Hemd trägt, könnte der größte Einfaltspinsel der Welt sein, er hätte dennoch einen Ehrenplatz in ihrem Herzen, und zwar zu recht, denn wenn's ihm an Geist fehlte, hätten ihn seine Eltern an seiner Stelle gehabt.«
Fritz brach in ein Lachen aus.
»Hahaha, komische Vorstellungen hast du, Katel«, sagte er, »aber egal, ich glaube, dass du nicht ganz unrecht hast. Jetzt brauchen wir noch Strümpfe.«
»Hier, diese Seidenstrümpfe, Herr Kobus, schauen Sie, so dehnbar und weich sind sie! Frau Kobus selbst hat sie mit haarfeinen Nadeln gestrickt, eine großartige Arbeit. Heutzutage wird alles mit dem Webstuhl gemacht, das sind doch keine richtigen Strümpfe mehr! Man tut recht daran, sie unter langen Hosen zu verstecken.«
Während die alte Magd sprach, wurde Kobus immer heiterer. Schließlich rief er:
»Ja, ja, es nimmt recht hübsch Gestalt an. Wenn wir erst einmal halbwegs passable Kleider beisammen haben, will ich glauben, dass die Preußen schief liegen, wenn sie sich über uns lustig machen wollen.«
»Ach, in Himmels Namen«, sagte Katel, »sprechen Sie doch nicht dauernd von Ihren Preußen! Die armen Teufel haben doch keine sechs Taler in der Tasche und ziehen sich alles Mögliche an, um anständig auszusehen. Da sind wir andere Leute! Wir wissen, wo wir abends unser Haupt betten, und bestimmt nicht auf einem Stein, Gott sei Dank! Wir wissen auch, wo wir eine gute Flasche Wein finden, wenn's uns gefällt, eine zu trinken. Wir sind bekannte, alteingesessene Leute. Wenn man von Herrn Kobus spricht, weiß man, dass sein Landgut im Meisental steht und sein Buchenwald bei Michelsberg...«
»Sicher, sicher, aber die preußischen Offiziere mit ihren großen Schnauzbärten sind doch gutaussehende Männer, und so manches Mädchen, das sie sieht...«
»Halten Sie die Mädchen bitte nicht für dumm«, unterbrach ihn Katel, die gerade einige Kleider aus dem Schrank zog und auf der Kommode auslegte. »Auch die Mädchen können zwischen einem Vogel unterscheiden, der am Himmel vorüberfliegt, und einem, der sich am Spieß dreht. Die Mehrzahl bleibt lieber am warmen Feuer, und diejenigen, die auf die Preußen schauen, sind's nicht wert, dass man sich damit abgibt. Hier sind Ihre Sachen, es ist alles da.«
Fritz besah seine Garderobe und sagte nach einem Augenblick:
»Der Umhang mit dem schwarzen Samtkragen sticht mir ins Auge, Katel.«
»Wo denken Sie hin, Herr Kobus?« rief die Alte und rang die Hände, »ein Umhang zu einem Hemd mit Krause?«
»Warum denn nicht? Der Stoff ist doch wunderschön.«
»Wollen Sie denn nicht gut angezogen sein, Herr Kobus?«
»Gewiss doch.«
»Gut, dann nehmen Sie diesen himmelblauen Rock, der noch nie getragen wurde. Schauen Sie nur!«
Sie deckte die vergoldeten Knöpfe auf, die noch unter Seidenpapier lagen.
»In der neuen Mode kenne ich mich nicht aus, aber dieser Rock ist hübsch. Er ist schlicht und gut geschnitten, auch leicht genug für die Jahreszeit, und schließlich steht Himmelblau den Blonden gut. Herr Kobus, ich glaube, dass dieser Rock Sie bestens kleiden wird.«
»Mal sehen«, sagte Kobus.
Er zog den Rock an.
»Vorzüglich... schauen Sie sich doch einmal an.«
»Von hinten auch, Katel?«
»Von hinten sieht's wunderbar aus, Herr Kobus, er macht Ihnen die Taille eines jungen Mannes.«
Fritz betrachtete sich im Spiegel und wurde rot vor Stolz.
»Ist das wahr?«
»Ich bin mir völlig sicher, Herr Kobus, ich selbst hätt's nie geglaubt. Ihre dicken Umhänge machen Sie eben zehn Jahre älter. Es ist erstaunlich.«
Sie fuhr ihm mit der Hand über den Rücken.
»Keine Falte!«
Da wirbelte Kobus auf dem Absatz herum und rief:
»Ich nehme diesen Rock. Jetzt eine Weste, du weißt schon, etwas Besonderes, wie der Rock, aber mehr ins Rot hinein.«
Katel konnte das Lachen nicht verbeißen:
»Sie sind ja wie die Bauern vom Koksberg, die vom Kinn bis zu den Beinen hinab Rot tragen! Rot mit einem himmelblauen Rock, da würde man ja bis ins hinterste Preußen hinein lachen, und diesmal hätten die Preußen sogar recht.«
»Was soll ich denn sonst anziehen?« fragte Fritz, der jetzt selbst über seinen Einfall lachte.
»Eine weiße Weste und ein gesticktes weißes Halstuch, Herr Kobus, dazu Ihre hübsche nussbraune Hose. Schauen Sie selbst.«
Sie legte alles auf der Ecke der Kommode aus.
»Diese Farben sind für einander gemacht, sie passen gut zusammen. Sie werden sich leicht fühlen, tanzen können, wenn Sie mögen, und zehn Jahre jünger aussehen. Ach – Sie glauben mir nicht? Muss Ihnen erst ich arme Alte sagen, was Ihnen steht?«
Sie lachte heraus. Kobus sah sie überrascht an und sagte:
»Es stimmt. Ich denke so selten über Kleidung nach...«
»Das ist ein Fehler, Herr Kobus, denn Kleider machen Leute! Jetzt muss ich bloß noch Ihre feinen Schuhe blankputzen, und Sie sind wie aus dem Ei gepellt. Alle Mädchen werden sich in Sie verlieben.«
»Oho«, rief Fritz, »willst du mich auslachen?«
»Nein, seit ich Ihre wahre Gestalt entdeckt habe, hab' ich's mir anders überlegt, hihihi! Ihren Gürtel werden wir etwas enger schnallen müssen. Ach – sagen Sie doch, Herr Kobus, wenn Sie auf dem Fest ein hübsches Mädchen finden, das Ihnen gefällt, und wenn Sie dann... hihihi!«
Als sie ihn mit ihrem zahnlosen Mund anlachte, wurde er rot und wusste keine Entgegnung.
»Ja und«, sagte er schließlich, »was würdest du dazu sagen?«
»Mir wär's recht.«
»Du wärst dann allerdings nicht mehr die Herrin im Haus.«
»Ach mein Gott, ich bin doch bloß das Mädchen für alles, ich passe auf und hüte alles. Was wäre ich froh über eine gute, fleißige junge Herrin, die käme und mich entlastete... wenn man mich nur die Kinder wiegen ließe.«
»Wärst du wirklich nicht böse darüber?«
»Im Gegenteil! Wie sollte ich denn... jeden Tag komme ich mir steifer vor. Die Beine wollen nicht mehr. Ewig kann das nicht weitergehen. Ich bin jetzt vierundsechzig, Herr Kobus, vierundsechzig wohl gezählte Jahre...«
»Ach was, du machst dich älter als du bist«, sagte Fritz, dem ihr Wunsch insgeheim behagte, da er zu seinem passte. »Ich habe dich nie lebendiger und munterer gesehen.«
»Sie schauen eben nicht genau hin.«
»Also«, sagte er lachend, »Hauptsache, es ist alles in Ordnung für morgen.«
Er besah nochmals seinen hübschen Anzug, die weiße Weste, das Halstuch mit den gestickten Ecken, die nussbraune Hose und das Hemd mit der Krause. Dann wandte er sich der wartenden Katel zu.
»Sind wir fertig?« fragte er.
»Ja, Herr Kobus.«
»Gut, dann gehe ich jetzt auf ein gutes Glas Bier.«
»Und ich koche das Abendessen.«
Er nahm seine dicke Meerschaumpfeife vom Wandhaken, ging hinaus und pfiff dabei wie eine Amsel.
Katel ging in die Küche zurück.