Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Sie sehen den Lohn der Welt! – sagte der Doctor, indem das Schweißtüchlein des Herrn Specht in voller Bewegung war; – das ist nun der Dank für alle Ihre mühsamen Gänge und Ihre gegebenen Nachrichten!
Mein Herr Doctor! rief Specht, und drehte dabei die Augen gen Himmel: – Wenn ich nicht so unschuldig bin, wie ein neugeborenes Kind – –
O das sind Sie! Das will ich Ihnen bezeugen.
Wenn nicht der Herr Pathe Alles, Wort vor Wort, so gesagt hat, wie ich's da wieder sagte. – Er legte zu einer feierlichen Betheuerung die Hand auf die Brust. –
Keine Schwüre, Herr Specht! Ich glaube Ihnen, eben um Ihrer Unschuld willen. – Mein Schwiegervater hat Alles gesagt, was Sie ihn sagen ließen; vielleicht noch mehr: aber wissen Sie auch, warum? – Weil eben damals zwei nicht unansehnliche Häuser gebrochen waren, und zwar, wie die ganze Stadt wußte, durch Eitelkeit und Verschwendung von Weibern, die aber der Lyk so ähnlich sahen, als die Sünde der Tugend. Das eine war eine verlaufene Engländerin, das andere eine Tänzerin aus der Oper. Narren von Männern hatten solche Weiber geheirathet. – Diese Vorfälle lagen dem alten Mann auf dem Herzen; und auch die Lyk war eine aus der Fremde hierher Gekommene, eine ihm völlig Unbekannte. – Was er zu Ihnen sprach, war nur als Frage zu nehmen, die Sie nicht so leichtsinnig und so beharrlich zum Nachtheil einer würdigen Frau – denn das konnte sie wenigstens sein, und das ist sie – hätten beantworten sollen.
Aber ich wußte ja nicht, mein Herr Doctor – ich wußte so wenig, als der Herr Stark – –
So wußten Sie doch dies, daß Sie nicht wußten. – Und eben dies, mein Herr Specht, war die Wahrheit, die Sie als ehrlicher Mann hätten bekennen müssen.
Ach mein Gott, lieber Herr Doctor! Da hätt' ich ja doch widersprochen.
Nun? Und wenn Sie nun widersprachen?
So einem Manne? so einem Herrn? In alle Ewigkeit nicht.
Wahrheit, Herr Specht – merken Sie sich das für die Zukunft! – Wahrheit nach Ihrer besten Erkenntniß sind Sie nicht blos Ihrer Ehre, sondern auch Ihrer Glückseligkeit schuldig. Eben mit ihr fahren Sie sicher am besten.
– Die Art, wie man die Wahrheit sagt, macht den Unterschied; sonst sagt man sie dem Könige, wie dem Bettler.
Ach mein Herr Doctor! Wenn Sie doch nur wären, wie ich!
Sie sind sehr gütig. –
Da sitzt man und sorgt und grübelt, und hat Frau und Kind auf dem Halse, und weiß oft vor Angst nicht, wo aus wo ein: und wenn man denn da in so ein Haus kommt, und alle die großen Kisten sieht, und die ungeheuren Ballen mit Waaren, und das Gerenne und Getreibe der Leute, und die Frachtwagen, die ab- und die aufgeladen werden, und das ganze volle Dutzend Pferde davor: – ach Herr Doctor! es wandelt Einen eine Ehrfurcht an, ein Respect! – wo um Gottes willen! nähme man da den Muth her, auch nur zu mucksen?
Der Doctor faßte jetzt seinen Mann ein wenig scharf in's Gesicht, und wollte kein Wort weiter an ihn verlieren. Er versprach ihm auf sein ängstliches Bitten, bei dem alten Herrn Alles wieder in's Gleis zu bringen, schrieb ihm ein Recipe zu einem niederschlagenden Pulver, das er sich in der nächsten Apotheke sollte machen lassen, und wünschte ihm wohl zu leben.