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XL. Schluß.

»Bevor ich aber weitergehe,« fuhr Asbjörn Krag fort, »muß ich einige Worte über das arme verkommene Subjekt sagen, das in Abbé Montroses Garten als Arbeiter angestellt war, ich meine Strantz, auch der ›verrückte Professor‹ genannt. Ich habe nähere Erkundigungen über ihn eingezogen. Er war ursprünglich für den geistlichen Stand bestimmt und studierte Theologie an der Universität. Trunksucht und Not aber brachten ihn auf Abwege, bevor er sein Studium beendet hatte. Er sank tiefer und tiefer, und wenn er keine zufällige Arbeit hatte, lebte er mit Verbrechern und allen möglichen Menschenwracks zusammen. Aber sogar in seinem tiefen Erniedrigungszustand konnte er die Träume seiner Jugend nicht vergessen und war glücklich, wenn er im Rausch sich und anderen einbilden konnte, daß er die Verwirklichung seiner Träume erreicht hatte. Er liebte es, den Gelehrten zu spielen und war beglückt, wenn er sich in irgendein priesterliches Gewand kleiden konnte. Ich habe ihn in so einer Situation gesehen und habe selten das Elend des Lebens tragischer empfunden. Da geschieht es, daß dieser Mann Sie, Herr Abbé, in Arnold Singers Gestalt wiedererkennt. Wahrscheinlich in der Nähe Ihres Hauses.«

»Es geschah eines Morgens auf der Straßenbahn,« erklärte der Abbé. »Ohne daß ich es merkte, folgte er mir zu meiner heimlichen Wohnung und sah mich von dort in meiner geistlichen Tracht fortgehen. Es war am Tage vor dem unheimlichen Ereignis in der Bibliothek.«

»Da haben wir's, und wenn ich mich nicht sehr irre, teilte der verkommene Strantz Ihnen bereits am selben Abend mit, was er wußte und versuchte eine Gelderpressung.«

»Sie irren sich nicht.«

»Wie behandelten Sie ihn?«

»Mit Verachtung natürlich. Ich verabschiedete ihn sofort und nahm als Vorwand, daß er Blumen aus dem Garten der Abbéwohnung stahl, was er auch wirklich tat.«

»Bei selber Gelegenheit bezahlten Sie ihm den Restbetrag seines Lohnes und notierten die Summe auf einem Stück Papier, wie es Ihre Gewohnheit war.«

»Ja.«

»Weiter: Bei selber Gelegenheit konnte Strantz bemerken, daß Sie eine größere Geldsumme in Ihrem Geldschrank aufbewahrten.«

»Die Hospitalgelder, sehr richtig.«

»Sie wiesen Strantz mit Verachtung die Tür, und er ging mit Zorn im Herzen. Gleichzeitig aber sahen Sie ein, daß Ihr Geheimnis, das Sie drei Jahre so gut gehütet hatten, nicht mehr sicher sei, nachdem dieser gemeine Mensch es durchschaut hatte, und Sie beschlossen, den Knoten mitten durchzuhauen. Darum schrieben Sie diesen Brief an Seine Eminenz.

Darauf begaben Sie sich zu Ihrer Frau. Jetzt aber taucht eine neue Gestalt auf dem Wahlplatz auf, Ihr Schwager Charlie, der gerade aus dem Gefängnis entlassen war und aus verschiedenen Gründen, unter anderem, weil er die Rache eines Mitgefangenen fürchtete, am nächsten Morgen mit dem Dampfer nach Amerika wollte und mußte. Hierzu aber hatte er die Summe von tausend Kronen nötig, und Sie gehen aus, um ihm das Geld zu verschaffen. Da war es ein Uhr nachts und Sie hegten keine Bedenken, durch die Dunkelheit geschützt, sich zur Abbéwohnung zu begeben, um in der Bibliothek das Geld zu holen.«

»Ich holte das Geld und kam damit zurück.«

»Aber Sie vergaßen Ihr Schlüsselbund auf dem Tisch in der Bibliothek.«

»Ja, leider.«

»Und die Photographie Ihrer Frau.«

»Sie war in einer Schublade eingeschlossen. Ich nahm sie nur hin und wieder heraus, um sie zu betrachten. Ich liebe meine Frau.«

»Gut,« sagte Krag, »soweit sind wir also gekommen. Während Sie alles dies vornahmen, die Bibliothek verließen und zu Ihrer Frau zurückkehrten, nahm indessen das Verbrechen, das so seltsam mit Ihrer Angelegenheit verquickt wurde, an einem anderen Ort seinen Anfang.

Von Grimm erfüllt und voller Begierde nach dem Gold, das er in Ihrem Geldschrank sah, hat Strantz einige schlechte Subjekte seiner Bekanntschaft aufgesucht, dazwischen einen neuerdings angekommenen Seemann dänischer Herkunft, namens Hans Christian Andersen, einen alten Bekannten der Polizei.

Diese Menschen nun beschließen einen Einbruch in der Bibliothek und setzen ihren Plan auch ins Werk, unmittelbar nachdem Sie den Garten verlassen haben. Der Geldschrank wird erbrochen und geplündert, und zwischen der Beute, die Strantz an sich rafft, sind auch die Schlüssel, von denen er sich viel verspricht. Er kennt ja Ihre heimliche Wohnung. Ich nehme an, daß Strantz erst später seinen Kameraden von diesem Geheimnis Mitteilung gemacht hat, und darauf versuchen die Verbrecher, die Polizei auf falsche Spur zu bringen, indem sie Ihre Handschrift nachahmen und Ihrem juristischen Beirat Dr. Wiede einen Brief schicken.«

»Die Verbrecher sind auch in meiner heimlichen Wohnung gewesen,« schob Montrose ein, »dort ist alles durcheinander gewühlt.«

»Der verrückte Professor ist auf alle Fälle dort gewesen,« antwortete Krag, »denn ich habe die Ehre gehabt, ihn in einem Ihrer priesterlichen Gewänder auftreten zu sehen. Es war kurz bevor er als Opfer seiner Kameraden fiel. Ich, kehre indessen zur Plünderung und zur Bibliothek zurück.

Der Schutzmann, der in der Nähe patrouillierte, wurde aus einen ungewohnten Lärm in der Bibliothek aufmerksam. Es ist wahrscheinlich, oder richtiger, es ist Tatsache, daß die Verbrecher bei der Verteilung der Beute in Streit gerieten und sich in eine wilde Schlägerei verwickelten, von der die Bibliothek deutliche Spuren trägt. Zerbrochene Stühle, zerrissene Decken, zerschmetterte Fenster. Einer hat einen Schlag auf die Nase bekommen, wobei das Blut durch das Zimmer gespritzt ist. Das ist die Erklärung dafür, daß man annahm, daß Sie, Herr Abbé, überfallen und schließlich tot oder lebendig entführt worden seien. Indessen hörten die Verbrecher, daß die Schutzleute sich näherten. Sie packten in aller Eile das geraubte Gut in einen Ihrer Priesterröcke und stiegen damit übers Staket. Ein Zipfel des Rockes blieb an den Eisenstangen des Stakets hängen und daraus meinte man schließen zu können, daß Sie, Herr Abbé, freiwillig oder mit Gewalt denselben Weg genommen hätten.

Dann begann die Arbeit der Detektive. Unsere Mißgriffe find durch die eigentümliche Natur der Umstände zu entschuldigen. Wie es sich zeigt, stimmen die Fingerabdrücke auf der Photographie vollständig mit denen des Arbeiters Arnold Singer überein. Der Arbeiter kann keine befriedigende Erklärung wegen der tausend Kronen geben. Überhaupt scheint alles darauf hinzudeuten, daß er der Verbrecher ist. Was nun den verhafteten Arbeiter Arnold Singer betrifft, so weiß er, daß er gerettet ist, wenn er aus dem Gefängnis entkommen kann, um so mehr als er erfährt, daß die Verbrecher den verrückten Professor ermordet haben, weil er mit seinem betrunkenen Geschwätz drauf und dran war, alles an zwei Detektive, die mit ihm in einem Hotelzimmer sprachen, zu verraten. Darum versucht er zu entkommen, das erstemal mißglückt der Fluchtversuch, das zweitemal aber glückt er, nachdem er mit Intelligenz und Phantasie eine Falle ausgelegt bat, in die mein tüchtiger, aber etwas naiver Freund Keller glatt und willig hineingeht. Ich habe Ihnen einen speziellen Gruß von ihm zu entrichten. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich die Sache indessen bereits durchschaut. Ich begriff, was Sie mit Ihrem phantastischen Geständnis bezweckten, wollte aber die Patience nicht am Aufgehen hindern. Sie war bereits damals ihrer Lösung nahe.

Und jetzt«, schloß Krag, und ging auf die Tür des Nebenzimmers zu, »werde ich mir erlauben, Euer Eminenz die Person vorzustellen, die mich hierher begleitet hat, eine arme unglückliche Frau, die mitten in ihrem Glück einen furchtbaren Schlag erlitt, die aber jetzt ihr Glück zurückerhalten kann, kraft menschlicher Nachsicht.«

Er führte Clary Singer ins Zimmer.

Sie eilte in die Arme ihres Mannes.

Und hier verließ Asbjörn Krag die Wiedervereinten und kehrte zum Verbrechen zurück.

Dank Bischof de Marnys Fürsorge wurde Abbé Montroses an und für sich unschuldige Teilnahme an der Affäre ohne Aufsehen abgewickelt.

Kurze Zeit darauf wurde der Abbé aus dem Verband der Kirche gelöst. Er hat später mit großem Erfolg seine interessanten Studien über die Verbrechertypen bei Shakespeare fortgesetzt.

Harry und Bussi wurden für ihre Verbrechen zur Rechenschaft gezogen.

Und was das Morgengewölk betrifft, so verlebte er seine letzten behaglichen Tage als Obergärtner in dem Garten, den Dr. phil. Armand Montrose auf seinem Landsitz anlegte.

Denn der »Vergoldete Pfau« wurde für immer geschlossen.

Krag aber ist von neuem an der Arbeit.


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