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Neunundzwanzigstes Capitel.
Ein Augenblick des Triumphes.


Der alte Kerl ist verschwunden, hat am nächsten Tage den Weg nach Arezzo eingeschlagen, kann wahrscheinlich die Franzosen nicht riechen, nachdem er ihr Gefangener gewesen. Ich ging in's Hospital, mich nach ihm zu erkundigen, wollte wissen, ob die suppemachenden Mönche entdeckt hätten, ob er seine gesunden Sinne habe oder nicht. Sie sagten mir, daß er keine Spur von Verrücktheit offenbart habe, nur daß er auf die Fragen, die man an ihn richtete, gar nicht merkte und ganz wo anders mit seinem Geiste beschäftigt zu sein schien. Es war ein mysteriöser alter Tiger. Ich hätte gern etwas Näheres über ihn gewußt.«

So sprach Piero di Cosimo in Nello's Laden am vierundzwanzigsten November, gerade acht Tage nach dem Einzuge der Franzosen. Es waren sechs oder sieben Leute zu dieser ungewöhnlichen Stunde, nämlich um drei Uhr Nachmittags dort versammelt, denn es war ein Tag, an dem ganz Florenz wegen irgend einer bevorstehenden, entscheidenden politischen Begebenheit bewegt war. Jeder Plauderwinkel war voll, und jeder Ladeninhaber, der keine Frau oder keinen Stellvertreter hatte, stand vor der Ladenthüre, die Daumen in den Gurt gesteckt, während die Straßen fortwährend mit Handwerkern besät waren, die still standen oder vorüber schlenderten, gleich umhertreibenden Splittern, die alsbald ungestüm vorwärts fliegen, wenn irgend ein Gegenstand sie anzieht.

Nello klimperte auf der Guitarre, während er halb auf dem Tisch am Ladenfenster saß und auf die Piazza hinaussah.

»Ach,« sagte er endlich, die Laute weglegend, emphatisch, »nicht für einen Goldgulden hätte ich den Anblick der französischen Soldaten weggeben mögen, wie sie in ihren breiten Schuhen dem entwischten Gefangenen nachwatschelten! Das kommt aber davon, wenn ich meinen Laden verlasse, um die Gesichter Ihrer Magnificenzen zu rasiren! So geht es mir immer; wenn ich einmal diesen Mittelpunkt der Erde verlasse, so passirt irgend etwas auf meiner Piazza.«

»Ja, Ihr hättet dasein sollen,« sagte Piero in seiner beißenden Manier, »um Euren geliebten Griechen zu sehen, wie er erschrocken war, als ob ihn der Satan erfaßt hätte. Mir macht es Spaß, Eure so bereitwillig lächelnden Messeri zu sehen, wenn sie von einem Windstoß gepackt und gezwungen werden, wider ihren Willen das Zeug, womit sie gefüttert sind, zu zeigen. Von welcher Farbe, meint Ihr, ist die Leber eines Menschen, der wie ein weiß gewordenes Wild aussieht, sobald zufällig irgend ein Fremder ihn plötzlich anfaßt?«

»Piero, behalte Deinen Essig als Würze für Deine Eier! Donnerwetter! Was beweist das gegen meinen schönen Gelehrten, daß er erschrocken aussah, als er sich von einem Paar Klauen angepackt fühlte und einen losgelassenen Wahnsinnigen dicht neben sich sah? So ein Gelehrter ist nicht wie Eure viehischen Schweizer oder Deutschen, deren Köpfe zu nichts als zu Sturmböcken taugen, und die einen solchen Heißhunger haben, daß sie sich gar nichts daraus machen, eine Kanonenkugel vor dem Frühstück zu sich zu nehmen. Wir Florentiner wollen noch andere Eigenschaften bei einem Menschen als den gemeinen Plunder: Tapferkeit genannt, die man bekommen kann, wenn man Dummköpfe, das Dutzend zu so und so viel, miethet. Ich sage Euch, sobald die Menschen entdeckten, daß sie mehr Gehirn hatten, als Ochsen, so brauchten sie die Ochsen zum Ziehen für sich; und als wir Florentiner entdeckten, daß wir klüger waren als andere Menschen, brauchten wir diese, um für uns zu fechten.«

»Hochverrath, Nello!« rief eine Stimme aus dem inneren Heiligthum der Wohnung, »das ist nicht die Doctrin des Staates. Florenz schleift seine Waffen, und die jüngste wohlbeglaubigte, vom Mönch verkündete Vision war Mars, der auf dem alten Palast stand, den Arm auf die Schulter Johannis des Täufers gelehnt, der ihm ein Stück Honigfladen anbot.«

»Es ist gut, Francesco,« erwiderte Nello, »Florenz hat einige dickere Schädel, die dazu taugen könnten, Pisa mit ihnen zu bombardiren; die klügeren Geister werden doch zu Hause gelassen, um das Denken und Rasiren zu besorgen. Und wenn unser Piero hier so sehr für die Tapferkeit ist, nun, so mag er seinen dicksten Pinsel als Waffe, seine Palette als Schild nehmen, und den breitmäuligsten Schweizer, den er im Prato finden kann, zum Zweikampf fordern.«

»Geh, Nello,« brummte Piero, »Deine Zunge ist wieder lose wie gewöhnlich, gleich einer Mühle, wenn der Arno voll ist, ob Mahlkorn da ist oder nicht.«

»Vortreffliches Korn, sage ich Dir. Denn es würde eben so vernünftig sein, zu erwarten, daß es einem graubärtigen Maler, wie Du bist, angenehm sein könnte, einen Speer in den Leib zu bekommen, als zu denken, daß ein Mann, dessen Geist an den Klassikern geschärft ist, sein schönes Gesicht gern von einem wilden Thier zerfleischt sehen möchte.«

»Da schwatzt Ihr wieder darauf los und meint, Ihr würdet es dahin bringen, daß die Leute ihre Beine in einen Sack stecken, weil Ihr sagt, es seien ein Paar Strümpfe!« rief Piero. »Wer hat von einem wilden Thier gesprochen, oder daß ein unbewaffneter Mann in die Schlacht gehen soll? Fechten ist ein Gewerbe, aber nicht das meinige. Ich wäre verrückt, wenn ich der Gefahr nachliefe; aber ich könnte ihr entgegentreten, wenn sie mir nahte.«

»Weshalb fürchtet Ihr Euch denn so sehr vor dem Donner, mein lieber Piero?« fragte Nello, entschlossen, den Ankläger bis auf's Aeußerste zu verfolgen. »Ihr solltet doch begreifen können, daß ein Mensch von irgend einer Sache erschüttert werden kann, die für Andere eine Kleinigkeit ist, Ihr, der sich zugleich mit den Ratten versteckt, wenn ein Gewitter im Anzuge ist.«

»Das kommt daher, weil ich besonders empfindlich gegen jedes laute Geräusch bin; das hat aber nichts mit meinem Muthe oder meinem Gewissen zu thun.«

»Nun gut, Tito Melema kann ja besonders empfindlich dagegen sein, unerwartet von Gefangenen angepackt zu werden, die französischen Soldaten entwischt sind. Die Menschen werden mit Antipathieen geboren; ich zum Beispiel kann den Geruch der Pfeffermünze nicht vertragen. Tito wurde mit der Antipathie gegen alte Gefangene, die straucheln und Leute anfassen, geboren. Ecco

Ein allgemeines Gelächter erhob sich bei Nello's Vertheidigungsrede, und es zeigte sich, daß die Gesellschaft Piero's Abneigung gegen Tito nicht theilte. Der Maler nahm nun mit seiner unerklärbaren Grimasse das Werg aus seiner Tasche und stopfte es zum Zeichen zürnender Verachtung in die Ohren, während Nello triumphirend also fortfuhr:

»Nein, mein lieber Piero, das geht nicht an, – daß ich meinen schönen Gelehrten so verlästern lasse; und Florenz kann es eben so wenig leiden, während die Gelehrten der Stadt sich ihr in dem frühen Alter von vierzig Jahren fortfedern. Unser Phönix Pico della Mirandola ist eben geraden Weges, wie uns der Mönch mittheilte, in's Paradies eingegangen, und der unvergleichliche Polizian ging vor noch nicht zwei Monaten, – nun gleichviel, wir wollen hoffen, daß er nicht zu den berühmten Gelehrten im Höllenpfuhl versammelt ist.«

»Beiläufig gesagt,« rief Francesco Cei »habt Ihr schon gehört, daß Camilla Rucellai mit ihren Prophezeiungen den Mönch geschlagen hat? Sie weihsagte vor zwei Jahren, daß Pico während der Lilienzeit sterben würde. Er starb im November. Das ist ja gar nicht die Lilienzeit! riefen die Spötter. – Ach was, antwortete Camilla, ich meinte die Lilien Frankreichs, und mir scheint, daß Euch die ziemlich nahe unter der Nase wachsen. Ich sage: Brava, Camilla! Wenn der Mönch beweisen kann, daß irgend eine seiner Visionen so in Erfüllung gegangen ist, so werde ich morgenden Tages ein ›Heuler‹.«

»Ihr sprecht doch etwas gar zu leichtfertig von dem Mönche,« sagte Pietro Cennini, der Gelehrte, »wir Alle sind ihm in diesen letzten Wochen Dank schuldig, daß er zu Gunsten des Friedens, der Ruhe und der Beseitigung aller Parteistreitigkeiten gesprochen hat. Das sind Leute von geringer Urteilskraft, welche sich darüber freuen, wenn das Volk gerade jetzt sich vom Leitband des Mönchs losmachte. Und wenn heute der Allerchristlichste König wegen des Tractats sich eigensinnig zeigt, und nicht unterzeichnen will, was für Florenz ehrenvoll und billig ist, so müssen wir uns auf Fra Girolamo verlassen, daß er der Mann ist, der ihm den Kopf zurecht setzt.«

»Da sprecht Ihr wahr, Messer Pietro,« sagte Nello, »der Mönch ist einer der festesten Nägel, woran sich Florenz hängen kann, wenigstens ist das die Ansicht der achtungswerthesten Kinne, die ich die Ehre habe zu rasiren. Messer Niccolo sagte hier neulich Morgens, und sicherlich will Francesco dasselbe sagen, daß Visionen einer wunderbaren Ausdehnungskraft fähig sind, gerade wie Dido's Stierhaut. Mir scheint, ein Traum kann Alles bedeuten, was sich nachher ereignet. Es ist, wie unser Franco Sacchetti sagt: einer Frau träumt über Nacht, daß sie von einer Schlange gebissen wird, am nächsten Tage zerbricht sie eine Trinkschale, und ruft: Seht Ihr, ich dachte gleich, daß mir etwas zustoßen würde, jetzt ist es ganz klar, was die Schlange zu bedeuten hatte.«

»Aber die Visionen des Frate sind nicht von dieser Art,« sagte Cronaca, »er sagt nicht aus, was sich ereignen wird, daß die Kirche gezüchtigt und verjüngt werden soll, und daß sich die Heiden alsdann bekehren; er sagt, daß dieses Alles sehr bald geschehen wird. Er ist kein glatter Scheinheiliger, der sich Luftlöcher läßt, er ist – –«

»Was ist das? Was giebt's da?« rief Nello, vom Tisch aufspringend und seinen Kopf aus der Thüre steckend, »da strömt ja eine Masse Volks der Piazza zu und macht dabei einen ungeheuern Lärm. Da muß etwas in der Via Larga geschehen sein. Aha!« schrie er dann entzückt laut auf, hinausstürzend, lachend und die Mütze schwenkend.

Alle Uebrigen eilten der Thüre zu. Neuigkeiten von der Via Larga waren es eben, die sie erwartet hatten. Waren nun diese Neuigkeiten auch auf die Piazza gelangt, so war man doch über die Art, wie sie dahin kamen, nicht wenig erstaunt. Auf den Schultern des Volks getragen und auf einer, wahrscheinlich von der Straße weggenommenen Bank saß Tito Melema, über den Zwang, den man ihm anthat, lächelnd und sich freuend. Seine Mütze war ihm vom Kopf herniedergeglitten und hing an der Tuchkrause, die lose um seinen Hals gewunden war, und als er die Gruppe vor Nello's Thüre sah, winkte er mit der Hand zum Zeichen des Erkennens. Gleich darauf sprang er von der Bank zu Boden, und von da auf einen mit Waarenballen gefüllten, auf dem breiten Platz zwischen der Taufkapelle und der Kirchenthüre stehenden Wagen, während die Menge ihn mit der lärmenden Geschäftigkeit eines Futter erwartenden Hühnerhofs umschwärmte. Aber sogleich trat Schweigen ein, als er seine helle weiche Stimme erhob:

»Bürger von Florenz! Ich habe keine andere Vollmacht, die Neuigkeiten mitzutheilen, als Euren Willen. Die Neuigkeiten sind aber gut und werden Niemandem schaden, wenn ich sie verkünde. Der Allerchristlichste König unterzeichnet einen für Florenz sehr ehrenvollen Tractat; das verdankt Ihr aber einem Eurer Mitbürger, der eine des alten Römerthums würdige Sprache führte. Ihr verdankt es dem Piero Capponi!«

Ein stürmisches Geschrei erhob sich alsbald.

»Capponi! Capponi! Was sagte unser Piero? Ja, der läßt sich nicht so von Herodes zu Pilatus schicken! Wir kannten unseren Piero wohl! Also theilt uns mit, was er sagte!«

Als der Tumult sich etwas gelegt hatte, fuhr Tito, wie folgt, fort:

»Der Allerchristlichste König verlangte ein wenig zu viel, er war eigensinnig und sagte endlich: Ich werde meine Trompeten blasen lassen! Darauf, o Ihr Bürger von Florenz, sagte Euer Piero, mit der Stimme einer freien Stadt sprechend: Wenn Ihr Eure Trompeten blasen laßt, so lassen wir unsere Glocken läuten! Damit riß er die Abschrift der unehrenvollen Bedingungen dem Secretarius aus der Hand, zerfetzte sie in Stücke und wendete sich um, sich vom Könige entfernend.«

Wieder erhob sich lautes Geschrei und ungeduldiges Fragen um den weiteren Verlauf der Begebenheit.

»Da, o Florentiner, fühlte Seine Majestät von Frankreich vielleicht zum ersten Male die ganze Majestät einer freien Stadt, und der Allerchristlichste König eilte in höchsteigener Person Eurem Piero Capponi nach, um ihn zurückzurufen. Der erhabene Geist Eurer Stadt wirkte durch ein erhabenes Wort, ohne daß er nöthig hatte, zu großen Thaten, die schon bereit waren, ihm zu folgen, seine Zuflucht zu nehmen. Der König aber hat eingewilligt, den Vertrag zu unterzeichnen, der die Ehre und zugleich die Sicherheit der Stadt Florenz aufrecht erhält. Das Banner Frankreichs wird auf jeder florentinischen Galeere als Zeichen der Freundschaft und gleicher Rechte wehen, aber über dem Banner wird das Wort: Freiheit zu lesen sein!

Das ist Alles, was ich Euch an Neuigkeiten erzählen kann; ist das nicht genug? da es zum Ruhme jedes Einzelnen unter Euch ist, Bürger von Florenz, daß Ihr einen Mitbürger besitzt, der es versteht, Euren Willen in Worte zu kleiden.«

Als das Jauchzen von Neuem ertönte, sah Tito mit innerem Behagen auf die bunte Menge umher, von der Jeder stolz war auf das Bewußtsein, daß Piero Capponi irgendwie ihn repräsentirt habe, und daß er selbst die Seele war, der Piero Capponi als Mundstück gedient hatte. Ihn freute der Humor, der in dem Zufall lag, welcher ihn, den Fremdling, den Freund der Medici so urplötzlich in einen Redner verwandelt hatte, der die Ohren des schreienden Volkes nach einem unbekannten Gute, das sie Freiheit nannten, kitzelte. Er war ordentlich froh darüber, daß die Menge ihn festgehalten und fortgeschleppt hatte, als er eben aus dem Palaste in der Via Larga mit einem Auftrage an die Signoria entsendet worden war. Es war sehr leicht, sehr unterhaltend, zur allgemeinen Zufriedenheit zu sprechen; ein Mann, der sich darauf verstand, die Leute zu überreden, hatte nie von irgend einer Partei etwas zu befürchten, da er jede überzeugen konnte, daß er die anderen nur hinter's Licht führe. Die Mienen und Gesten von Webern und Färbern waren gewiß unterhaltend, wenn man sie auf diese Art von oben herab betrachtete. Tito fing an, sich in seiner Rüstung bequemer zu fühlen, und in diesem Augenblick merkte er gar nicht, daß er sie trug. Er stand da, mit einer Hand seine wieder ergriffene Mütze haltend und die andere am Gürtel, während das Leuchten eines lieblichen Lächelns in seinen großen, glänzenden Augen schimmerte, als er sich vor seinen Zuhörern zum Abschied verneigte, ehe er von den Waarenballen herabsprang, als plötzlich sein Blick dem eines Mannes begegnete, der durchaus nicht den unterhaltenden Anblick der triumphirenden Weber, Färber und Wollkämmer gewährte. Das Gesicht dieses Mannes war glatt geschoren, sein Haar kurz geschnitten, und er trug einen anständigen Filzhut. Ein einziger Blick würde schwerlich einem Anderen als Tito genügt haben, zu erkennen, daß dies das Gesicht des entwischten Gefangenen war, der ihn auf der Kirchentreppe angefaßt hatte. Ihm aber erschien es nicht einfach als das Gesicht des entflohenen Gefangenen, es waren Züge, mit denen er vor langen, langen Jahren bekannt war.

Der Anblick Baldassarre's, der ihn ansah, die Empfindung, die Tito wie ein Feuerpfeil durchfuhr, und das Herabspringen vom Wagen, dies Alles schien ihm in eine Secunde zusammengedrängt. Er wäre aber dennoch gerade in jenem Augenblicke herabgesprungen, ob er Baldassarre erblickt hätte oder nicht, denn er mußte sich beeilen, zum alten Palaste zu gelangen. Dieses Mal hatte er sich weder durch einen Blick, noch durch eine Bewegung verrathen, und er gelobte sich innerlich, daß er sich nicht wieder würde überraschen lassen, und daß er darauf vorbereitet sein würde, dieses Gesicht fortwährend auftauchen zu sehen, wie den aussetzenden Fleck in krankhaften Gesichten. Aber dieses Wiedererscheinen Baldassarre's, und zwar mit seinem gewöhnlichen Aussehen machte den Druck der Angst noch fühlbarer; der Glaube an seine Tollheit verlor seine Wahrscheinlichkeit, jetzt, da er rasirt und wie ein anständiger, aber armer Bürgersmann gekleidet war. Allerdings waren seine Züge sehr verändert, wie konnte dem aber anders sein? Und doch, wenn er vollkommen bei gesunden Sinnen war, warum zauderte er auf diese Weise, ehe er sich zu erkennen gab? Doch wol nur, um einen Racheplan desto vollständiger auszubrüten. Aber er zögerte doch, und das gab Tito nun Gelegenheit zur Flucht, und er meinte, daß diese seine einzige Rettung sein möchte.

Während er aber, den Rücken der Piazza del Duomo zugekehrt, die Erinnerung an die neue Rolle, die er soeben gespielt hatte, verlor und nicht mehr der vielen Dinge, welche ein schneller Verstand und eine fertige Zunge ihm so leicht gemacht, sondern einiger weniger Dinge gedachte, die das Schicksal ihm etwas sehr schwierig gemacht, veranlaßte der Enthusiasmus, den er voll Geringschätzung hervorgerufen hatte, einen Auftritt auf der Piazza, welcher gar sehr von der inneren in sich selbst aufgehäuften Furcht, die er von jenem Orte mit hinweggenommen hatte, abstach.

Nach Tito's Entfernung hatte die Volksmenge sich eben den Ausgängen der Piazza, nach der Via Larga hin, zugewendet, als das Erscheinen von Stabträgern, die von der Via de' Martelli herkamen, die Nähe hoher Beamten verkündete. Es mußten die Syndici oder mit dem Abschluß des Tractats beauftragten Commissarien sein; der Tractat war sicher schon unterzeichnet und sie kamen vom Könige. Piero Capponi nahte, der beherzte Mann, der so wohl verstanden hatte, für Florenz zu sprechen. Die Wirkung auf den Volkshaufen war außerordentlich; sie traten leise sprechend, dann gänzlich schweigend bei Seite. Dieses Schweigen war so tief, daß die Schritte der Syndici auf dem breiten Pflaster und das Rauschen ihrer schwarzen seidenen Gewänder vernehmbar war, wie Regen zur Nachtzeit. Es waren ihrer Vier, aber das Volk wartete nicht auf die beiden gelehrten Doctoren der Rechte, Messer Guidantonio Vespucci und Messer Domenico Bonsi, und eben so wenig auf Francesco Valori, obgleich derselbe in der letzten Zeit ein großer Volksliebling geworden war. Der Augenblick war einem Andern gewidmet, einem Manne von fester Haltung, eben so wenig geneigt, dem Volke, als anderen unvernünftigen Drängern zu schmeicheln, die Ordnung liebend, wie Jemand, den das Geschick zum Kaufmann, der Charakter aber zum Soldaten gemacht hat. Erst als er am Eingange zur Piazza sichtbar ward, wurde das Schweigen unterbrochen, und ein einziger stürmischer Schrei: »Capponi! Brav Capponi!« schallte auf der ganzen Piazza.

Der schlichte, entschlossene Mann blickte mit ernster Freudigkeit um sich. Seine Mitbürger hielten ihm zwei Jahre später eine große Leichenfeier, als er im Kampfe gefallen war; der gesammte Magistrat trug Fackeln hinter seinem Sarge, und dann kamen noch mehr Fackeln und ganze Schaaren von Bannern. Es ist aber nicht bekannt, daß er bei der Rede, die zu seinem Preise gehalten wurde, als die Fahnen über dem Sarge wallten, Freude empfunden hätte. Wir wollen froh sein, daß er auch schon bei seinen Lebzeiten Dank und Preis einerntete.



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