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Am andern Tage, gegen zwei Uhr nachmittags, hielt eine mit zwei prächtigen Pferden bespannte Kalesche vor der Tür des Grafen. Ein Mann von etwa fünfzig Jahren in blauem Frack und weißer Weste mit ungeheurer goldener Uhrkette streckte seinen Kopf aus dem Coupé, auf dessen Füllung eine Baronenkrone gemalt war, und schickte seinen Diener zum Hausmeister, um zu fragen, ob der Graf von Monte Christo zu Hause sei.
Inzwischen betrachtete er mit großer Aufmerksamkeit das Äußere des Hauses und die Livree einiger Bedienten, die hin und her gingen. Sein Auge war lebhaft, aber mehr verschmitzt als geistreich; seine Lippen waren so dünn, daß sie, statt gegen außen vorzuspringen, in den Mund zurücktraten; die breiten und hervorragenden Backenknochen, die niedergedrückte Stirn, die Ausbuchtung des Hinterhauptes, die übermäßige Ohrmuschel trugen dazu bei, für jeden Physiognomiker dem Gesichte dieser Person einen fast abstoßenden Charakter zu verleihen.
Der Diener klopfte an das Fenster des Hausmeisters und fragte: Wohnt hier nicht der Graf von Monte Christo?
Seine Exzellenz wohnt hier, antwortete der Hausmeister; aber . . . Er befragte Ali mit einem Blicke. Ali machte ein verneinendes Zeichen.
Aber Seine Exzellenz ist nicht zu sprechen, sagte der Hausmeister.
Dann nehmen Sie diese Karte des Herrn Baron von Danglars und geben sie dem Herrn Grafen. Sagen Sie ihm, daß mein Herr, der jetzt zur Kammer fährt, einen Umweg macht, um sich die Ehre zu geben, ihm einen Besuch abzustatten.
Der Diener kehrte zum Wagen zurück und meldete, was man ihm gesagt.
Oh! oh! rief Danglars, dieser Herr ist also so vornehm, daß man ihn Exzellenz nennt, und daß nur sein Kammerdiener mit ihm sprechen darf; gleichviel, da er einen Kredit auf mich hat, muß ich ihn besuchen, für den Fall, daß er Geld zu erheben wünscht.
Und er warf sich in seinen Wagen zurück und rief dem Kutscher so laut zu, daß man es auf der andern Seite der Straße hören konnte: In die Deputiertenkammer!
Durch eine Jalousie hatte Monte Christo den Baron gesehen und ihn mit derselben Aufmerksamkeit gemustert, mit der Danglars das Haus, den Garten und die Livreen besichtigt hatte.
Dieser Mensch, sagte er, ist offenbar ein häßliches Geschöpf; erkennt man nicht sofort, wenn man ihn sieht, die Schlange an der platten Stirn, den Geier an dem gewölbten Schädel und den Habicht an dem scharfen Schnabel?
In demselben Augenblick trat der Intendant ein. Monte Christo wandte sich an ihn und sagte: Haben Sie die Pferde gesehen, die soeben vor meiner Tür hielten?
Allerdings, Exzellenz, sie sind sehr schön.
Wie kommt es, fragte Monte Christo, die Stirn faltend, daß es, wenn ich die zwei schönsten Pferde von Paris verlange, hier noch zwei andere Pferde gibt, die so schön sind, wie die meinigen, und daß diese Pferde nicht in meinem Stalle stehen?
Herr Graf, sagte Bertuccio, die Pferde, von denen Sie sprechen, waren nicht käuflich.
Monte Christo zuckte die Achseln und erwiderte: Lassen Sie sich sagen, mein Herr Intendant, daß stets alles für den käuflich ist, der den Preis zu machen weiß.
Herr Danglars hat 16 000 Franken dafür bezahlt.
Dann hätte man ihm 32 000 bieten müssen; er ist Bankier, und ein Bankier versäumt nie eine Gelegenheit, sein Kapital zu verdoppeln.
Spricht der Herr Graf im Ernste? fragte Bertuccio.
Monte Christo schaute den Intendanten wie ein Mensch an, der darüber erstaunt, daß man eine solche Frage an ihn zu richten wagt, und sagte sodann: Ich habe heute abend einen Besuch zu erwidern, die zwei Pferde müssen dann mit neuem Geschirr an meinen Wagen gespannt sein.
Bertuccio verbeugte sich, um wegzugehen; an der Tür blieb er noch einmal stehen und fragte: Um wieviel Uhr gedenkt Exzellenz den Besuch zu machen? – Um fünf Uhr.
Ich erlaube mir, Eure Exzellenz zu bemerken, daß es zwei Uhr ist, sagte der Intendant.
Ich weiß es, erwiderte Monte Christo mit trockenem Tone; dann fügte er, zu Ali gewendet, hinzu: Laß alle Pferde an Madame vorüberfahren, damit sie sich das Gespann auswählen kann, das ihr am meisten gefällt; will sie mit mir zu Mittag speisen, so mag sie es mir sagen lassen, man serviert dann bei ihr; geh und schicke mir den Kammerdiener.
Ali war kaum verschwunden, als der Kammerdiener ebenfalls eintrat.
Herr Baptistin, sagte der Graf, Sie sind seit einem Jahre in meinem Dienst; das ist die Probezeit, die ich gewöhnlich meinen Leuten auferlege. Sie sagen mir zu.
Baptistin verbeugte sich.
Nun fragt es sich nur noch, ob ich Ihnen zusage.
Oh! Herr Graf! rief Baptistin.
Hören Sie mich zu Ende! Sie erhalten im Jahr fünfzehnhundert Franken, Sie haben eine Tafel, wie sie sich viele wünschen würden. Ein Diener, haben Sie selbst wieder Diener, die für Ihr Weißzeug und Ihre andern Bedürfnisse sorgen. Außer den fünfzehnhundert Franken Gehalt stehlen Sie mir bei den Ankäufen, die Sie für meine Toilette zu machen haben, noch ungefähr weitere fünfzehnhundert Franken jährlich.
Oh! Herr Graf.
Ich beklage mich nicht, Herr Baptistin, denn ich finde dies nicht übermäßig; doch wünsche ich, daß es hierbei bleiben möge. Sie werden also nirgends einen Posten dem ähnlich finden, den Sie Ihr Glück finden ließ. Ich schlage meine Leute nie, ich fluche nie, ich gerate nie in Zorn, ich vergebe stets einen Irrtum, doch nie eine Nachlässigkeit oder Vergeßlichkeit. Meine Befehle sind gewöhnlich kurz, aber klar und genau; ich will sie lieber zwei- oder dreimal wiederholen, als falsch ausgelegt zu sehen. Ich bin reich genug, um alles zu erfahren, was ich erfahren will, und ich bin sehr neugierig, das sage ich Ihnen zum voraus. Erfahre ich nun, Sie hätten im Guten oder im Schlechten von mir gesprochen, meine Handlungen beurteilt, mein Tun überwacht, so würden Sie auf der Stelle mein Haus verlassen. Ich warne meine Diener nur ein einziges Mal, Sie sind gewarnt, gehen Sie! Baptistin verbeugte sich und machte ein paar Schritte, um sich zu entfernen.
Doch halt, sagte der Graf, ich vergaß, Ihnen zu sagen, daß ich jedes Jahr eine gewisse Summe auf den Kopf meiner Leute anlege. Die, welche ich wegschicke, verlieren natürlich dieses Geld, das den Bleibenden zu gut kommt, die nach meinem Tode ein Recht darauf haben. Sie sind ein Jahr bei mir; die Ansammlung Ihres Vermögens hat begonnen, sorgen Sie dafür, daß es zunimmt.
Diese in Gegenwart von Ali, der kein Wort Französisch verstand, gehaltene Rede brachte auf Baptistin eine große Wirkung hervor.
Es soll mein Bestreben sein, mich in allen Punkten mit den Wünschen Eurer Exzellenz in Einklang zu setzen, sagte er; überdies werde ich mir Herrn Ali zum Vorbild nehmen. Oh! keineswegs, sagte der Graf eiskalt. Bei Ali sind viele Fehler mit guten Eigenschaften vermischt. Nehmen Sie sich kein Beispiel an ihm, denn Ali ist eine Ausnahme; er hat keinen Lohn, er ist kein Diener; er ist mein Sklave, mein Hund; verfehlt er sich gegen seine Pflicht, so jage ich ihn nicht fort, sondern töte ihn.
Baptistin riß die Augen weit auf.
Sie zweifeln? sagte Monte Christo.
Und er wiederholte arabisch die Worte, die er französisch zu Baptistin gesprochen hatte.
Ali hörte, lächelte, näherte sich seinem Herrn, setzte ein Knie auf die Erde und küßte ihm ehrfurchtsvoll die Hand. Diese kleine Zugabe zu der Lektion seines Gebieters machte das Maß des Erstaunens bei Baptistin voll. Der Graf hieß ihn nun durch ein Zeichen weggehen und Ali ihm folgen. Beide begaben sich in sein Kabinett, wo eine lange Unterredung stattfand.
Um fünf Uhr schlug der Graf dreimal auf sein Glöckchen. Ein Schlag rief Ali, zwei riefen Baptistin, drei Bertuccio.
Meine Pferde! sagte Monte Christo.
Sie sind angespannt, Exzellenz, erwiderte Bertuccio. Habe ich den Herrn Grafen zu begleiten?
Nein, der Kutscher, Ali und Baptistin, sonst niemand.
Der Graf ging hinab und erblickte an seinem Wagen die Pferde, die er wenige Stunden zuvor an Danglars' Wagen bewundert hatte.
Diese Tiere sind in der Tat schön, sagte er, und Sie haben wohl daran getan, sie zu kaufen, nur war es ein wenig spät.
Exzellenz, entgegnete Bertuccio, es hat mir viele Mühe gemacht, sie zu erhalten, und der Preis ist sehr hoch.
Kommen Ihnen die Pferde darum minder schön vor? fragte der Graf, die Achseln zuckend.
Dieses Gespräch fand oben auf der Freitreppe statt. Bertuccio tat einen Schritt, um die erste Stufe hinabzusteigen. Sacht, mein Herr, rief Monte Christo, ihn zurückhaltend. Ich bedarf eines Gutes an der Seeküste, sagen wir, in der Normandie, zwischen Havre und Boulogne. Ich gebe Ihnen Raum, wie Sie sehen. Bei diesem Ankauf müssen Sie auf einen kleinen Hafen, eine kleine Bucht bedacht sein, wo meine Korvette einlaufen und sich halten kann; ihr Tiefgang beträgt nur fünfzehn Fuß. Das Schiff muß stets bereit sein, in See zu gehen, zu welcher Stunde des Tages oder der Nacht es mir beliebt. Sie erkundigen sich bei allen Notaren nach einem Gute, das den von mir angegebenen Bedingungen entspricht. Haben Sie ein solches in Erfahrung gebracht, so besichtigen Sie es, und wenn Sie damit zufrieden sind, kaufen Sie es in meinem Namen. Die Korvette ist auf dem Wege nach Fécamp, nicht wahr?
An demselben Abend, an dem wir Marseille verließen, sah ich sie in See gehen.
Und die Jacht?
Die Jacht hat Befehl, in Martigues zu bleiben.
Gut! Sie korrespondieren von Zeit zu Zeit mit den Patronen, welche die Schiffe befehligen, damit sie nicht einschlafen. Und dazu noch eins: Für das Dampfboot, das in Chalons ist, geben Sie dieselben Befehle wie für die Segelschiffe.
Sehr wohl.
Sobald das Gut gekauft ist, muß ich auf der Straße nach dem Norden und auf der nach dem Süden frische Pferde haben von zehn zu zehn Stunden.
Eure Exzellenz kann auf mich bauen.
Der Graf machte ein Zeichen der Zufriedenheit, stieg die Stufen hinab und sprang in seinen Wagen, der, von dem herrlichen Gespann im Trabe gezogen, erst vor dem Hotel des Bankiers anhielt.
Danglars führte eben den Vorsitz bei einer für Eisenbahn-Angelegenheiten ernannten Kommission, als man ihm den Besuch des Grafen von Monte Christo meldete. Die Sitzung war übrigens fast zu Ende. Bei dem Namen des Grafen stand er auf und sagte zu seinen Kollegen, von denen mehrere Kammermitglieder waren:
Meine Herren, verzeihen Sie mir, wenn ich Sie verlasse, aber denken Sie sich, daß das Haus Thomson und French in Rom einen gewissen Grafen von Monte Christo an mich weist und ihm zugleich einen unbegrenzten Kredit bei mir eröffnet. Es ist der possierlichste Scherz, den sich je meine Korrespondenten im Ausland gegen mich erlaubt haben. Sie werden begreifen, die Neugierde hat mich gepackt und hält mich noch fest; ich bin auch heute früh bei dem angeblichen Grafen vorgefahren. Wäre er ein wirklicher Graf, so könnte er, wie Sie einsehen werden, nicht so reich sein. Der Herr war nicht sichtbar. Sind die Manieren, die sich der Herr von Monte Christo erlaubt, Ihrer Ansicht nach nicht die einer Hoheit oder einer hübschen Frau? Das Haus auf den Champs-Elysées ist übrigens, wie ich erfahren habe, sein Eigentum und gar nicht zu verachten. Ich halte mich für mystifiziert. Aber sie wissen dort nicht, mit wem sie es zu tun haben; wer zuletzt lacht, lacht am besten.
Nachdem er diese Worte von sich gegeben hatte, die er mit einem seine Nasenlöcher schwellenden Nachdruck sprach, verließ der Herr Baron seine Gäste und ging in einen weiß und goldenen Salon, der in der Chaussée d'Antin in hohem Ansehn stand. Er hatte Befehl gegeben, den Grafen hier einzuführen, um ihn mit dem ersten Schlage zu blenden.
Monte Christo betrachtete ein paar Kopien von Albano und Fattore, die man bei dem Bankier für Originale ausgegeben hatte, aber bei dem Geräusch, das Danglars machte, wandte er sich um. Danglars grüßte leicht mit dem Kopfe und bedeutete dem Grafen durch ein Zeichen, er möge sich auf einen mit weißem, goldgesticktem Atlas überzogenen Polsterstuhl von vergoldetem Holze setzen.
Ich habe die Ehre, mit Herrn von Monte Christo zu sprechen?
Und ich, antwortete der Graf, mit dem Herrn Baron von Danglars, Ritter der Ehrenlegion, Mitglied der Kammer der Abgeordneten?
Monte Christo wiederholte alle Titel, die er auf der Karte des Barons gefunden hatte. Danglars fühlte den Stich, biß sich in die Lippen und antwortete:
Entschuldigen Sie mich, daß ich Ihnen nicht sogleich den Titel gegeben habe, unter dem Sie sich ankündigten; aber Sie wissen, wir leben unter einer volkstümlichen Regierung, und ich bin ein Vertreter der Rechte des Volkes.
So sehr, daß Sie zwar die Gewohnheit, sich selbst Baron nennen zu lassen, beibehielten, die, andere Graf zu nennen, aber vergessen haben!
Ah! ich halte auch für meine Person nichts darauf, mein Herr, entgegnete Danglars gleichgültig, man hat mich wegen einiger Dienste, die ich geleistet, zum Baron ernannt und zum Ritter der Ehrenlegion gemacht; daher . . .
Doch Sie entsagten Ihren Titeln und gaben ein schönes Beispiel!
Nicht ganz; Sie begreifen, für die Bedienten . . .
Ja, ja, für Ihre Leute heißen Sie gnädiger Herr, für die Journalisten Herr und für Ihre Wähler Bürger. Das sind unter einer konstitutionellen Regierung höchst praktische Abstufungen, wie ich vollkommen begreife.
Danglars kniff sich abermals die Lippen; er sah, daß er auf diesem Gebiete Monte Christo nicht gewachsen war, und suchte auf ein anderes überzugehen, mit dem er besser vertraut war.
Herr Graf, sagte er sich verbeugend, ich habe eine Mitteilung von dem Hause Thomson und French erhalten.
Ich bin darüber entzückt, Herr Baron, ich werde nicht nötig haben, mich selbst vorzustellen, was immer ein wenig peinlich ist. Sie haben also bereits eine Mitteilung empfangen?
Ja, aber ich gestehe, daß ich den Sinn derselben nicht vollkommen begriff. – Bah!
Dieser Brief, ich habe ihn, glaube ich, bei mir. Ja, hier ist er. Dieser Brief eröffnet dem Herrn Grafen einen unbegrenzten Kredit auf mein Haus.
Nun, Herr Baron, was finden Sie hierin Dunkles?
Nichts, außer dem Worte unbegrenzt.
Wie, ist der Ausdruck nicht gut? Sie begreifen, der Brief ist von Engländern geschrieben.
Ah! ganz gewiß, hinsichtlich der Grammatik ist nichts dagegen einzuwenden, anders steht es geschäftlich.
Scheint Ihnen das Haus Thomson und French nicht vollkommen sicher, Herr Baron? sagte Monte Christo mit der naivsten Miene der Welt. Teufel! das wäre mir ärgerlich, denn ich habe einige Fonds dort angelegt.
Vollkommen sicher, erwiderte Danglars mit beinahe spöttischem Lächeln; aber der Sinn des Wortes unbegrenzt ist bei finanziellen Dingen so unbestimmt . . .
Daß er unbegrenzt ist, nicht wahr?
Das ist es gerade, was ich sagen wollte; das Unbestimmte aber ist der Zweifel, und im Zweifel enthalte dich, spricht der Weise.
Und das bedeutet, daß, wenn das Haus Thomson und French geneigt ist, Tollheiten zu begehen, das Haus Danglars keine Lust hat, dem Beispiel zu folgen.
Wieso, Herr Graf?
Ja gewiß, die Herren Thomson und French machen Geschäfte ohne bestimmte Zahlen, aber Herr Danglars hat eine Grenze bei den seinigen; er ist ein weiser Mann, wie er soeben bemerkte.
Mein Herr, sagte der Bankier stolz, es hat noch niemand an meiner Kasse etwas auszusetzen gefunden.
Dann werde ich anfangen, wie es scheint, erwiderte Monte Christo.
Wer sagt Ihnen das?
Die Erläuterungen, die Sie von mir verlangen, denn sie sind Zögerungen sehr ähnlich.
Danglars biß sich in die Lippen; zum zweiten Male wurde er von diesem Manne geschlagen, und zwar diesmal auf dem Gebiete, das er als sein eigenstes bezeichnete. Seine spöttische Höflichkeit war nur geheuchelt und berührte jenes Extrem, das der Unverschämtheit so nahe steht. Monte Christo dagegen lächelte aufs anmutigste und besaß, wenn er wollte, ein gewisses naives Wesen, das ihm sehr zum Vorteile gereichte.
Mein Herr, sagte Danglars nach kurzem Stillschweigen, ich will versuchen, mich dadurch verständlich zu machen, daß ich Sie bitte, selbst die Summe zu bestimmen, die Sie von mir zu erheben gedenken.
Mein Herr, antwortete Monte Christo, entschlossen, keinen Zoll breit bei dieser Verhandlung zurückzuweichen, wenn ich einen unbegrenzten Kredit auf Sie verlangt habe, so geschah dies, weil ich den Betrag der Summen, deren ich vielleicht bedarf, nicht kannte.
Der Bankier glaubte, der Augenblick sei gekommen, den Meister zu zeigen, er warf sich in seinen Polsterstuhl zurück und sagte mit stolzem, plumpem Lächeln: Oh! mein Herr, scheuen Sie sich nicht, Ihren Wunsch auszudrücken, Sie werden sich überzeugen, daß die Kasse des Hauses Danglars, so beschränkt sie auch ist, doch den ausgedehntesten Forderungen zu entsprechen vermag, und sollten Sie auch eine Million verlangen . . .
Wie beliebt?
Ich sage eine Million, wiederholte Danglars mit dem Nachdruck der Gemeinheit.
Und was soll ich mit einer Million tun? entgegnete der Graf. Guter Gott! wenn ich nur eine Million gebraucht hätte, . . . einer solchen Erbärmlichkeit wegen würde ich mir nicht haben einen Kredit auf Sie eröffnen lassen! Eine Million habe ich stets in meiner Brieftasche. Hierbei zog Monte Christo aus einem kleinen Täschchen, das auch seine Visitenkarten enthielt, zwei Anweisungen auf die Staatsbank, je über 500 000 Franken.
Einen Menschen wie Danglars mußte man mit einem Keulenschlage niederstrecken, leichte Stiche taten ihm nichts. Der Bankier wankte betäubt und schaute Monte Christo mit verdutzten Augen an, deren Stern sich furchtbar erweiterte.
Gestehen Sie mir, daß Sie dem Hause Thomson und French mißtrauen? sagte Monte Christo. Mein Gott, das ist ganz einfach, ich habe diesen Fall vorgesehen. Hier sind noch zwei Briefe, dem ähnlich, den Sie erhalten haben, der eine ist von Arnstein in Wien an den Herrn Baron Rothschild, der andere von Baring in London an Herrn Laffitte. Sagen Sie ein Wort, und ich überhebe Sie jeder Unruhe, indem ich mich an eins von den beiden Häusern wende.
Das wirkte, Danglars war besiegt. Er öffnete sichtbar zitternd die beiden Briefe von Wien und London, die ihm der Graf mit den Fingerspitzen reichte, und untersuchte die Echtheit der Unterschriften mit einer ängstlichen Aufmerksamkeit, die für Monte Christo beleidigend gewesen wäre, wenn er sie nicht der Verwirrung des Bankiers zu gut gehalten hätte.
Oh! mein Herr, diese drei Unterschriften sind Millionen wert, sagte Danglars, indem er sich erhob, als wollte er in dem Manne, der vor ihm stand, die personifizierte Macht des Geldes begrüßen. Drei unbegrenzte Kredite auf unsere größten Häuser! Verzeihen Sie, Herr Graf, aber wenn man auch aufhört, mißtrauisch zu sein, so kann man doch noch erstaunt bleiben.
Oh! ein Haus wie das Ihrige dürfte wohl nicht staunen, erwiderte Monte Christo mit aller ihm zu Gebote stehenden Höflichkeit. Sie können mir also einiges Geld schicken?
Befehlen Sie, Herr Graf, ich bin zu Ihren Diensten.
Nun, da wir uns verstehen . . . nicht wahr, wir verstehen uns?
Danglars machte ein bejahendes Zeichen mit dem Kopfe.
Und Sie haben kein Mißtrauen mehr? fuhr Monte Christo fort.
Oh! Herr Graf, rief der Bankier, ich hatte es nie.
Nun also, da wir uns verstehen, wollen wir eine runde Summe für das erste Jahr feststellen, sechs Millionen etwa.
Sechs Millionen, gut! versetzte der Bankier ganz betäubt.
Brauche ich mehr, fuhr Monte Christo gleichgültig fort, so setzen wir mehr. Doch ich gedenke nur ein Jahr in Frankreich zu bleiben, und während dieses Jahres überschreite ich diese Summe wohl nicht . . . übrigens werden wir sehen . . . Schicken Sie mir morgen zunächst 500 000 Franken, ich werde bis zur Mittagsstunde zu Hause sein; und wäre dies auch nicht der Fall, so fände sich ein Empfangsschein bei meinem Intendanten.
Das Geld wird morgen vormittag um zehn Uhr bei Ihnen sein, Herr Graf, erwiderte Danglars.
Der Graf stand auf.
Ich muß Ihnen gestehen, Herr Graf, sagte Danglars, ich glaubte von allen großen Vermögen in Europa Kenntnis zu haben, aber das Ihre, das doch beträchtlich zu sein scheint, war mir völlig unbekannt; ist es neu?
Nein, mein Herr, es ist von sehr altem Datum; es war eine Art Familienschatz, den man nicht berühren durfte, der Zuschlag der Zinsen hat das Kapital verdreifacht. Die vom Erblasser festgesetzte Frist ist erst vor ein paar Jahren abgelaufen, und erst seitdem bin ich im Genuß; somit ist es ganz natürlich, daß Ihnen von diesem Kapital nichts bekannt ist. Übrigens werden Sie den Stand der Dinge in einiger Zeit genauer kennen lernen.
Der Graf begleitete diese Worte mit jenem bleichen Lächeln, das Franz d'Epinay so bange gemacht hatte.
Mit Ihrem Geschmack und Ihrer Gesinnung, mein Herr Graf, fuhr Danglars fort, werden Sie in der Hauptstadt einen Luxus entwickeln, der uns arme kleine Millionäre insgesamt in den Staub treten muß. Doch dürfte ich um die Ehre bitten, Sie der Frau Baronin von Danglars vorstellen zu dürfen? Entschuldigen Sie meinen Eifer, Herr Graf, doch ein Kunde, wie Sie, gehört beinahe zur Familie.
Monte Christo verbeugte sich. Danglars läutete, und es erschien ein Lakai in auffallender Livree, den sein Herr fragte: Ist die Frau Baronin zu Hause?
Ja, Herr Baron. Die Frau Baronin hat Gesellschaft.
Und wer ist bei der Frau Baronin? Herr Debray? fragte Danglars mit einer Gelassenheit, die Monte Christo, der bereits von den durchsichtigen Geheimnissen im Hause des Finanzmannes unterrichtet war, innerlich lächeln ließ.
Ja, Herr Baron, Herr Debray, antwortete der Lakai.
Danglars machte ein Zeichen mit dem Kopfe. Dann, sich gegen Monte Christo wendend, sagte er: Herr Lucien Debray, ein alter Freund von uns, ist geheimer Sekretär beim Minister des Innern. Was meine Frau betrifft, so muß ich Ihnen bemerken, daß sie einer sehr alten Familie angehört; sie ist ein Fräulein von Servières, Witwe aus erster Ehe mit dem Obersten Marquis von Nargonne.
Ich habe nicht die Ehre, die Frau Baronin von Danglars zu kennen; aber Herrn Lucien Debray traf ich unmittelbar nach meiner Ankunft bei Herrn von Morcerf.
Ah! Sie kennen den kleinen Vicomte.
Wir waren miteinander zur Zeit des Karnevals in Rom.
Ah! ja; habe ich nicht so etwas wie von einem sonderbaren Abenteuer mit Banditen sprechen hören, deren Händen er auf eine wunderbare Weise entrissen wurde? Ich glaube, er hat meiner Frau und meiner Tochter bei seiner Rückkehr aus Italien dergleichen erzählt.
Die Frau Baronin erwartet die Herren, meldete der Lakai.