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Die Antwerpener schauten indessen den feindlichen Vorkehrungen des Herzogs von Anjou nicht ruhig zu, und Joyeuse täuschte sich nicht, wenn er ihnen allen möglichen schlimmen Willen zuschrieb. Antwerpen war wie ein Bienenkorb, wenn der Abend kommt: ruhig, und verlassen außen, Gesumm und Bewegung im Innern.
Die bewaffneten Flamländer patrouillierten in den Straßen, verrammelten ihre Häuser, verdoppelten die Ketten und schlossen Brüderschaft mit den Bataillonen des Prinzen von Oranien, von denen schon ein Teil in Antwerpen in Garnison lag, während ein anderer Teil in Gruppen zurückkehrte, die, sobald sie herein waren, sich in der Stadt zerstreuten.
Als alles zu einem kräftigen Widerstand bereit war, kam der Prinz von Oranien an einem finsteren, mondlosen Abend, ohne alles Gepränge, aber mit der Ruhe und Entschiedenheit in die Stadt, die stets bei Ausführung seiner Entschlüsse, wenn diese einmal gefaßt waren, herrschten.
Er stieg im Stadthause ab, wo seine Vertrauten alles zu seiner Aufnahme bereithielten.
Hier empfing er alle Viertelsherren und Hauptleute der Stadt, ließ die besoldeten Truppen die Revue passieren und versammelte sodann die vornehmsten Offiziere um sich, um ihnen seine Pläne mitzuteilen.
Unter seinen Plänen stand obenan, das Unternehmen des Herzogs von Anjou gegen die Stadt zu benützen, um mit ihm zu brechen. Der Herzog von Anjou tat, was der Schweigsame gewünscht hatte, und dieser sah zu seiner großen Freude den neuen Bewerber um die souveräne Gewalt im Lande sich wie die anderen zugrunde richten.
An demselben Abend, an dem der Herzog von Anjou sich, wie wir gesehen, zum Angriff anschickte, hielt der Prinz von Oranien, der seit zwei Tagen in der Stadt war, eine Beratung mit dem Kommandanten des Platzes.
Bei jedem Einwurf, den der Gouverneur gegen den Offensivplan des Herzogs von Oranien machte, schüttelte der Prinz den Kopf wie ein Mensch, der über eine solche Unsicherheit erstaunt ist.
Doch bei jedem Kopfschütteln erwiderte der Kommandant des Platzes: »Prinz, Ihr wißt, daß es ausgemacht ist, daß Monseigneur kommen muß; erwarten wir ihn also.«
Dieses magische Wort machte, daß der Schweigsame die Stirn faltete; doch während er die Stirn faltete und vor Ungeduld an den Nägeln kaute, wartete er. Dann heftete jeder seinen Blick auf eine Uhr mit schweren Schlägen und schien das Werk zu bitten, die Ankunft der so ungeduldig erwarteten Person zu beschleunigen.
Es schlug neun Uhr; die Ungewißheit war zu wirklicher Angst geworden; einige Wachen behaupteten, eine Bewegung im französischen Lager bemerkt zu haben.
Eine kleine Barke war auf der Schelde abgeschickt worden; unruhiger über das, was auf der Seeseite, als über das, was auf dem Lande vorging, wünschten die Antwerpener genaue Nachricht über die französische Flotte zu erhalten, aber die kleine Barke war nicht zurückgekehrt.
Der Prinz von Oranien stand auf, biß vor Zorn auf seine büffelledernen Handschuhe und sagte zu den Antwerpenern: »Monseigneur wird euch so lange warten lassen, meine Herren, daß Antwerpen genommen und verbrannt ist, wenn er ankommt; die Stadt wird dann darüber urteilen können, welcher Unterschied in dieser Hinsicht zwischen den Spaniern und den Franzosen stattfindet.«
Diese Worte waren nicht geeignet, die Herren bürgerlichen Offiziere zu beruhigen; sie schauten sich auch mit großer Bewegung an.
In diesem Augenblick kam ein Spion, den man auf die Straße nach Mecheln geschickt hatte, und der bis Saint-Nicolas geritten war, zurück und meldete, er habe weder etwas gesehen noch gehört, was die Ankunft der erwarteten Person verkündigt hätte.
»Meine Herren,« rief der Schweigsame bei dieser Nachricht, »ihr seht, wir würden vergebens warten; gehen wir selbst vorwärts, die Zeit drängt. Es ist gut, Vertrauen auf höhere Talente zu haben, aber ihr seht, daß man sich vor allem auf sich selbst verlassen muß. Beraten wir also.«
Er hatte noch nicht vollendet, als der Türvorhang aufgehoben wurde; ein Diener der Stadt trat ein und sprach das einzige Wort, das in diesem Augenblick tausend andere wert zu sein schien: »Monseigneur!«
In dem Tone dieses Mannes, in der Freude, die er bei Erfüllung seiner Pflicht als Huissier offenbarte, vermochte man die Begeisterung des Volkes und sein ganzes Vertrauen auf den zu lesen, den man mit dem unbestimmten und ehrfurchtsvollen Namen: Monseigneur! nannte.
Kaum war der Ton der bebenden Stimme erloschen, als ein Mann von hoher, gebieterischer Gestalt, der mit der höchsten Anmut den Mantel trug, der ihn ganz umhüllte, in den Saal trat und die Anwesenden höflich grüßte.
Doch mit dem ersten Blick fand sein stolzes, durchdringendes Auge den Prinzen mitten unter den Offizieren heraus. Er ging gerade auf ihn zu und reichte ihm die Hand.
Der Prinz drückte diese Hand herzlich und beinahe ehrfurchtsvoll. Beide nannten einander Monseigneur.
Nach diesem kurzen Austausch von Höflichkeiten legte der Unbekannte seinen Mantel ab. Er trug ein Wams von Büffelleder, tuchene Beinkleider und lange lederne Stiefel. Bewaffnet war er mit einem langen Degen, der einen Teil nicht seines Kostüms, sondern seiner Glieder zu bilden schien, so leicht spielte er an seiner Seite; ein kleiner Dolch stak in seinem Gürtel, neben dem eine mit Papieren gefüllte Ledertasche hing.
In dem Augenblick, als er seinen Mantel abwarf, konnte man seine langen Stiefel ganz von Staub und Kot befleckt und seine Sporen blutgerötet sehen.
Er nahm an der Ratstafel Platz und fragte: »Nun, wie weit sind wir, Monseigneur?« – »Monseigneur,« antwortete der Schweigsame, »Ihr mußtet, als Ihr hierherkamt, sehen, daß die Straßen verrammelt sind.«
»Ich habe das bemerkt.« – »Und die Häuser mit Schießscharten versehen,« sagte ein Offizier.
»Was konnte ich nicht sehen, doch es ist eine gute Vorsichtsmaßregel.« – »Und die Ketten verdoppelt,« sagte ein anderer.
»Vortrefflich,« – »Monseigneur billigt diese Vorkehrungen zur Verteidigung nicht?« fragte eine Stimme, der Unruhe und Verdruß leicht anzumerken waren.
»Doch, doch,« sagte der Unbekannte; »aber ich glaube nicht, daß sie zur Zeit sehr nützlich sind; sie ermüden die Soldaten und beunruhigen die Bürger. Ich denke, Ihr habt einen Angriffs- und Verteidigungsplan?« – »Wir erwarteten Monseigneur, um ihn mitzuteilen,« antwortete der Bürgermeister.
»Sprecht, meine Herren, sprecht!« – »Monseigneur ist ein wenig spät gekommen, und mittlerweile mußte ich handeln lassen,« fügte der Prinz hinzu.
»Und Ihr habt wohlgetan, Monseigneur; man weiß überdies, daß Ihr, wenn Ihr handelt, gut handelt. Glaubt mir, ich habe meine Zeit auf dem Wege auch nicht verloren.«
Dann wandte er sich zu den Bürgern.
»Wir wissen, daß sich eine Bewegung im Lager der Franzosen vorbereitet,« sagte der Bürgermeister; »sie treffen Anstalten zu einem Angriff; doch da wir nicht wissen, von welcher Seite der Angriff stattfinden wird, so haben wir unsere Kanonen so aufgepflanzt, daß sie gleichmäßig auf der ganzen Ausdehnung des Walles verteilt sind.«
»Das ist weise,« erwiderte der Unbekannte mit leichtem Lächeln, wobei er verstohlen den Schweigsamen anschaute, der, obgleich ein Kriegsmann, schwieg und die Bürger reden ließ.
»Dasselbe ist mit unsern bürgerlichen Truppen geschehen,« fuhr der Bürgermeister fort; »sie sind in doppelten Posten auf der ganzen Ausdehnung der Mauern verteilt und haben Befehl, auf der Stelle zum Angriffspunkte zu eilen. Übrigens handelt es sich sicher nur um eine Finte, um uns zu einem Vergleich geneigt zu machen.«
»Ei! meine Herren,« entgegnete der Unbekannte, »ihr seid in einem völligen Irrtum; es ist keine Finte, was bevorsteht, sondern ein regelrechter Angriff, den ihr auszuhalten habt.« – »Wahrhaftig?«
»Eure Pläne sind unvollständig.« – »Aber, Monseigneur . . .« erwiderten die Bürger.
»Unvollständig, insofern, als ihr einen Angriff erwartet und alle eure Maßregeln dafür genommen habt.« – »Allerdings.«
»Nun! diesen Angriff werdet ihr nach meinem Dafürhalten nicht abwarten, sondern machen.« – »Das gefällt mir,« rief der Prinz von Oranien, »das heiße ich sprechen.«
»In diesem Augenblick,« fuhr der Unbekannte fort, froh, beim Prinzen von Oranien eine Unterstützung zu finden, »in diesem Augenblick machen sich die Schiffe des Herzogs von Joyeuse segelfertig.« – »Woher wißt Ihr das?« riefen gleichzeitig der Bürgermeister und die andern Mitglieder des Rates.
»Ich weiß es,« erwiderte der Unbekannte. – Ein Murmeln des Zweifels durchzog wie ein Hauch die Versammlung; aber so leicht es auch war, streifte es doch die Ohren des geheimnisvollen Kriegsmannes.
»Zweifelt ihr daran?« fragte er mit der größten Ruhe. – »Wir zweifeln nicht daran, da Ihr es sagt, Monseigneur. Doch Eure Hoheit erlaube uns, zu bemerken . . .«
»Nun?« – »Daß, wenn dem so wäre . . .«
»Nun?« – »Wir Nachricht darüber hätten.«
»Durch wen?« – »Durch unsern Seespion.«
In diesem Augenblick trat ein Mensch, vom Huissier geschoben, schwerfällig in den Saal, machte ehrfurchtsvoll ein paar Schritte auf den geglätteten Platten und ging halb auf den Bürgermeister, halb auf den Prinzen von Oranien zu.
Es war der vom Bürgermeister ausgesandte Späher. Dieser berichtete, er sei mit seinem Boot die Schelde hinabgefahren, dort habe er plötzlich hinter sich rufen hören: »Admiralsbarke!« Gleich darauf habe er einen furchtbaren Stoß erhalten und sei im Strom versunken; aber die Schelde habe ihren alten Freund erkannt und wiedergegeben.
»Nun!« fragte der Unbekannte den Bürgermeister, »was sagt Ihr zu diesem Berichte? Zweifelt Ihr noch, daß sich die Franzosen segelfertig machen, und glaubt Ihr, Herr von Loyeuse begebe sich aus dem Lager auf die Admiralsgaleere, um die Nacht an Bord zuzubringen?« – »Ihr seid also ein Seher, Monseigneur?« riefen die Bürger.
»Nicht mehr als Monseigneur der Prinz von Oranien, der, wie ich fest überzeugt bin, in allen Dingen meiner Ansicht ist. Doch wie Seine Hoheit bin ich gut unterrichtet und kenne auch die Leute dort.«
Und er wies mit der Hand nach den Poldern.
»Ich wäre somit,« fuhr er fort, »sehr erstaunt gewesen, wenn ich sie nicht in dieser Nacht hätte angreifen sehen . . . Haltet euch also bereit, meine Herren, denn wenn ihr ihnen die Zeit gönnt, werden sie euch ernstlich angreifen.«
»Diese Herren werden mir die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß ich vor Eurer Ankunft, Monseigneur, gerade so zu ihnen sprach, wie Ihr nun sprecht.«
»Aber wie glaubt Monseigneur, daß die Franzosen angreifen werden?« fragte der Bürgermeister.
»Folgendes ist wahrscheinlich: Die Infanterie ist katholisch, sie wird sich allein schlagen, das heißt sie wird auf einer Seite angreifen. Die Kavallerie ist kalvinistisch und wird sich auch allein schlagen. Zwei Seiten. Die Marine gehört Herrn von Joyeuse; er wird seinen Anteil am Kampf und am Ruhm haben wollen. Drei Seiten.«
»Machen wir also drei Korps,« sagte der Bürgermeister.
»Macht eins, meine Herren, macht eins mit allem, was ihr an besten Soldaten habt, und laßt die minder Verläßlichen zur Bewachung der Mauern zurück! Mit diesem Korps unternehmt sodann einen kräftigen Ausfall in dem Augenblick, in dem es die Franzosen am wenigsten erwarten. Sie glauben anzugreifen, man muß ihnen zuvorkommen und sie angreifen; wenn ihr sie beim Sturm erwartet, so seid ihr verloren, da die Franzosen beim Sturm nicht ihresgleichen haben, wie ihr, meine Herren, nicht euresgleichen habt, wenn ihr im freien Feld die Zugänge eurer Stadt verteidigt.«
Die Stirn der Flamländer strahlte.
»Was sagte ich, meine Herren?« fragte der Schweigsame.
»Es ist eine große Ehre für mich,« sagte der Unbekannte, »wenn ich, ohne es zu wissen, derselben Ansicht gewesen bin, wie der erste Feldherr seines Jahrhunderts.«
Beide verbeugten sich höflich.
»Das ist also abgemacht,« fuhr der Unbekannte fort, »ihr macht einen wütenden Ausfall auf die Infanterie und die Kavallerie. Ich hoffe, eure Offiziere werden diesen Ausfall so führen, daß ihr die Belagernden zurückwerft.«
»Aber ihre Schiffe, ihre Schiffe,« sagte der Bürgermeister, »sie werden unsere Sperrung bezwingen und, da der Wind Nordwest ist, in zwei Stunden in der Stadt sein.«
»Ihr habt selbst sechs alte Schiffe und dreißig Barken in Sainte-Marine, eine Stunde von hier, nicht wahr? Das ist Eure Seebarrikade, das ist Eure Kette, die die Schelde schließt.« – »Ja, Monseigneur, so ist es. Woher wißt Ihr dies alles?«
Der Unbekannte lächelte.
»Ich weiß es, wie Ihr seht,« sagte er, »dort ruht das Schicksal der Schlacht.«
»Dann muß man unsern braven Seeleuten Verstärkung schicken,« sagte der Bürgermeister.
»Im Gegenteil, Ihr könnt noch über vierhundert Mann verfügen, die dort waren; zwanzig verständige, brave, ergebene Leute werden genügen.«
Die Antwerpener rissen die Augen weit auf.
»Wollt ihr die ganze französische Flotte auf Kosten eurer sechs alten Schiffe und eurer dreißig alten Barken zerstören?« fragte der Unbekannte. – »Hm!« machten die Antwerpener, indem sie einander anschauten, »unsere Schiffe und Barken sind nicht so gar alt.«
»Nun, so schätzt sie, man wird euch ihren Wert bezahlen.«
»Seht,« sagte ganz leise der Schweigsame zum Unbekannten, »das sind die Menschen, mit denen ich jeden Tag zu kämpfen habe. Oh! wären es nur die Ereignisse, die hätte ich längst überwunden.«
»Sprecht, meine Herren,« sagte der Unbekannte, indem er seine Hand an seine strotzende lederne Tasche legte, »schätzt rasch! Ihr sollt in Wechseln auf euch selbst bezahlt werden, die ihr hoffentlich gut finden werdet.« – »Monseigneur,« sagte der Bürgermeister, nachdem er sich einen Augenblick mit den hochmögenden Herren beraten hatte, »wir sind Kaufleute und keine Männer vom hohen Adel, Ihr müßt uns also ein gewisses Zögern vergeben, denn seht Ihr, unsere Seele ist nicht in unserem Körper, sondern in unsern Kontoren. Doch es gibt gewisse Umstände, wo wir für das allgemeine Beste Opfer zu bringen wissen. Verfügt also über unsere Schiffe, wie es Euch gut dünkt.«
»Wahrhaftig, Monseigneur,« sagte der Schweigsame, »Ihr wißt das gut zu machen; ich hätte sechs Monate gebraucht, um von ihnen zu erlangen, was Ihr in zehn Minuten erreicht habt.«
»Ich verfüge also über eure Sperrung, doch hört, wie ich darüber verfüge: Die Franzosen werden den Durchgang zu erzwingen suchen. Ich verdopple die Ketten der Sperrung, indem ich ihnen genug Länge lasse, daß die Flotte mitten zwischen eure Barken und eure Schiffe einfährt. Dann schleudern von euren Barken und euren Schiffen die zwanzig Tapfern, die ich zurückgelassen, Schiffshaken, und wenn sie diese Schiffshaken geworfen haben, entfliehen sie, nachdem sie zuvor eure mit entzündbaren Stoffen beladene Sperrung in Brand gesteckt.«
»Und ihr versteht,« rief der Schweigsame, »die ganze französische Flotte verbrennt.«
»Ja, die ganze,« sagte der Unbekannte; »dann kein Rückzug mehr zur See, dann kein Rückzug mehr durch die Polder, denn ihr laßt die Schleusen von Mecheln, von Berchem, von Lier, von Düffel und von Antwerpen los. Zuerst von euch zurückgetrieben, dann von euren durchbrochenen Dämmen verfolgt, von allen Seiten eingeschlossen, von der unerwarteten, stets wachsenden Flut, von dem Meer, das nur eine Strömung und keine Gegenströmung hat, werden die Franzosen ertränkt, vernichtet sein.«
Die Offiziere stießen einen Freudenschrei aus.
»Es ist nur eine Schwierigkeit hierbei,« sagte der Prinz.
»Welche, Monseigneur?« fragte der Unbekannte.
»Man hätte einen ganzen Tag nötig, um die Befehle an die verschiedenen Städte gelangen zu lassen, und wir haben nur eine Stunde.« – »Eine Stunde genügt.«
»Aber wer wird die Flotille benachrichtigen?« – »Sie ist benachrichtigt.«
»Durch wen?« – »Durch mich. Hätten sich diese Herren geweigert, mir sie zu geben, so würde ich sie ihnen abgekauft haben.«
»Aber Mecheln, Lier, Düffel?« – »Ich bin durch Mecheln und Lier gekommen und habe einen sichern Agenten nach Düffel geschickt. Um elf Uhr sind die Franzosen geschlagen, um Mitternacht ist die Flotte verbrannt, um ein Uhr sind die Franzosen in vollem Rückzug begriffen, um zwei Uhr durchbricht Mecheln seine Dämme, öffnet Lier seine Schleusen, schleudert Düffel seine Kanäle aus ihrem Bett; dann wird die Ebene ein wütender Ozean werden, der Häuser, Felder, Waldungen, Dörfer ersäuft, zugleich aber auch, ich wiederhole es, die Franzosen ersäufen wird, und zwar so, daß nicht einer von ihnen nach Frankreich zurückkehrt.«
Diese Worte wurden mit Bewunderung, beinahe mit Schrecken aufgenommen; dann brachen die Flamländer in einen Beifallssturm aus.
Der Prinz von Oranien machte zwei Schritte gegen den Unbekannten, reichte ihm die Hand und sagte: »So ist also alles von uns aus bereit, Monseigneur?« – »Alles. Und seht, auf seiten der Franzosen ist, glaube ich, auch alles bereit.«
Dabei deutete der Unbekannte mit dem Finger auf einen Offizier, der eben den Türvorhang aufhob.
»Eure Hoheiten und meine Herren,« sagte der Offizier, »man meldet uns soeben, daß die Franzosen auf dem Marsch sind und gegen die Stadt vorrücken.«
»Zu den Waffen!« rief der Bürgermeister.
»Zu den Waffen!« wiederholten die Anwesenden.
»Wartet einen Augenblick, meine Herren,« unterbrach sie der Unbekannte mit seiner männlichen und gebieterischen Stimme; »Ihr vergeßt, mich euch eine letzte Ermahnung geben zu lassen, die noch wichtiger ist, als alle anderen.«
»Tut das! Tut das!« riefen alle Stimmen.
»Die Franzosen sollen überfallen werden, es wird also kein Kampf, es wird ein Rückzug, eine Flucht werden; um sie zu verfolgen, müßt ihr leicht sein. Die Panzer herab, alle Wetter! Eure Panzer sind es, in denen ihr euch nicht rühren könnt, durch die ihr alle Schlachten, in denen ihr unterlegen seid, verloren habt. Eure Panzer herab, meine Herren!«
Und der Unbekannte zeigte seine breite Brust, die nur durch ein Koller von Büffelleder beschützt war.
»Wir werden uns bei den Streichen wiedersehen, meine Herren Kapitäne,« fuhr der Unbekannte fort; »mittlerweile begebt euch auf den Rathausplatz, wo ihr alle eure Leute aufgestellt findet. Wir folgen euch dahin.«
»Ich danke Euch, Monseigneur,« sagte der Prinz zu dem Unbekannten, »Ihr habt zugleich Belgien und Holland gerettet.«
»Prinz, Ihr seid zu gütig,« erwiderte dieser.
»Wird sich Eure Hoheit herbeilassen, das Schwert gegen die Franzosen zu ziehen?« fragte der Prinz.
»Ich werde es so einrichten, daß ich den Hugenotten gegenüber kämpfe,« erwiderte der Unbekannte, indem er sich mit einem Lächeln verbeugte, um das ihn sein düsterer Gefährte beneidet hätte, und das Gott allein verstand.