Alexander Dumas d. Ä.
Die Fünfundvierzig
Alexander Dumas d. Ä.

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Wie man den Wolf in Navarra jagte.

Als Chicot die Vorbereitungen zum Aufbruch sah, konnte er sich nicht erwehren, mit halber Stimme zu bemerken, die Jagden des Königs von Navarra seien minder kostbar, als die des Königs Heinrich von Frankreich. Nur zwölf bis fünfzehn Edelleute, darunter der Vicomte von Turenne, bildeten das Gefolge Seiner Majestät. Dabei trugen beinahe alle, statt der damals üblichen Jagdanzüge, Helm und Panzer, was Chicot zu der Frage veranlaßte, ob die Gaskogner Wölfe Musketen und schweres Geschütz hätten.

Heinrich hörte die Frage, obgleich sie nicht unmittelbar an ihn gerichtet war; er näherte sich Chicot, berührte seine Schulter und sagte zu ihm: »Nein, mein Sohn, Gaskogner Wölfe haben weder Musketen noch schweres Geschütz; aber es sind wilde Bestien mit Klauen und Zähnen, und sie locken die Jäger in das Gestrüpp, wo man Gefahr läuft, seine Kleider an den Dornen zu zerreißen; einen Panzer zerreißt man aber nicht.« – »Das ist ein Grund,« brummte Chicot, »doch er ist nicht vortrefflich.«

»Ah, du machst Glossen?« – »Ist das verboten?«

»Nein, mein Freund, nein, das Glossenmachen ist in Gaskogne gangbare Münze.« – »Alle Wetter! Ihr begreift, Sire, ich bin kein Jäger und muß mich mit etwas beschäftigen, während ihr die Schnurrbärte nach dem Geruche der guten Wölfe leckt, die ihr, zwölf oder fünfzehn Mann stark, wie ihr seid, schon zur Strecke bringen werdet.«

»Ah! ja,« sagte der König, über den Spötter lächelnd; »zuerst die Kleidung, dann die Zahl; spotte, mein lieber Chicot, spotte!« – »Oh! Sire.«

»Doch, wenn ich auch nicht mit zweihundert Jägern ausziehe, sondern nur mit zwölf, so kommt es doch zuweilen vor, daß Landedelleute, die erfahren, ich jage, ihre Schlösser verlassen und sich mir anschließen, wodurch ich manchmal ein ziemlich hübsches Gefolge bekomme.« – »Ihr werdet sehen, Sire, daß ich nicht das Glück habe, einer solchen Jagd beizuwohnen,« sagte Chicot; »in der Tat, Sire, ich habe Unglück.«

»Wer weiß?« erwiderte Heinrich mit seinem spöttischen Lachen.

Als sie dann eine halbe Stunde auf dem freien Felde marschierten, sagte Heinrich zu Chicot, indem er seine Hand über die Augen hielt: »Halt, sieh doch, ich glaube, ich täusche mich nicht.« – »Was gibt es?«

»Schau doch, dort bei den Toren des Fleckens Moiras; sind das nicht Reiter, was ich erblicke?« – Chicot erhob sich auf den Steigbügeln und erwiderte: »Reiter, ja, Sire, doch Jäger, nein.«

»Warum keine Jäger?« – »Weil sie bewaffnet sind wie Roland.«

»Ei! was liegt am Kleide, du hast das schon an uns erfahren, das Kleid macht den Jäger nicht.« – »Aber ich sehe wenigstens zweihundert Mann dort.«

»Nun wohl! was beweist das, mein Sohn? Daß Moiras ein guter Flecken ist.«

Chicot fühlte seine Neugierde immer mehr gestachelt.

Die Truppe, die aus zweihundertundfünfzig Reitern bestand, schloß sich in der Stille an die Eskorte an; jeder von den Männern war gut beritten, gut equipiert, und an der Spitze stand ein Mann von stattlichem Aussehen, der Heinrich höflich und untertänig die Hand küßte.

Man ritt durch den Gers; zwischen dem Gers und der Garonne, auf einer Erhöhung des Terrains, fand man eine zweite Truppe von etwa hundert Mann; der Anführer näherte sich Heinrich und schien sich zu entschuldigen, daß er keine größere Anzahl von Jägern bringe. Heinrich empfing seine Entschuldigungen, indem er ihm die Hand reichte.

Man marschierte weiter bis zur Garonne, durch die man zog, wie durch den Gers; nur, da die Garonne viel tiefer ist als der Gers, verlor man nach einiger Zeit den Boden und war genötigt, dreißig bis vierzig Schritte zu schwimmen; doch gegen alles Erwarten erreichte man das andere Ufer ohne Unfall.

»Alle Wetter!« sagte Chicot, »welche Übungen nehmt Ihr da vor, Sire? Wahrend Ihr oberhalb und unterhalb Agen Brücken habt, taucht Ihr so Eure Panzer ins Wasser?«

»Mein lieber Chicot,« erwiderte Heinrich, »wir sind Wilde, und du mußt uns verzeihen; du weißt wohl, daß mein seliger Schwager Karl mich seinen Eber nannte, der Eber aber kümmert sich um nichts, er geht stets gerade aus, und ich als Eber mache es ebenso. Zeigt sich ein Fluß auf meinem Weg, so durchschneide ich ihn; erhebt sich eine Stadt vor mir, Ventre-saint-gris! ich verspeise sie wie eine Pastete.«

Dieser Scherz des Béarners rief ein gewaltiges Gelächter in seiner Umgebung hervor.

Herr von Mornay allein, der stets an der Seite des Königs blieb, lachte nicht laut; er kniff sich nur die Lippen, was bei ihm ein Merkmal außerordentlicher Heiterkeit war.

»Mornay ist heute sehr guter Laune,« sagte der Béarner ganz freudig Chicot ins Ohr; »er hat über meinen Scherz gelacht.«

Chicot fragte sich, über welchen von beiden er lachen sollte, über den Herrn, der so glücklich war, daß er seinen Wiener zum Lachen gebracht, oder über den Wiener, der so schwer zu erheitern war.

Jenseits der Garonne, ungefähr eine halbe Meile vom Fluß, erschienen dreihundert in einem Tannenwalde verborgene Reiter vor Chicots Augen.

»Oh! oh! gnädigster Herr,« sagte er leise zu Heinrich, »sollten das nicht Eifersüchtige sein, die von Eurer Jagd gehört haben und sich ihr zu widersetzen beabsichtigen?«

»Nein,« sagte Heinrich, »du täuschst dich abermals, mein Sohn, diese Leute sind Freunde, die von Puymirol zu mir kommen, wahre Freunde.« – »Ei! ei! Sire, Ihr werdet mehr Menschen in Eurem Gefolge haben, als Ihr Bäume im Walde findet.«

»Chicot, mein Sohn, Gott vergebe mir, ich glaube, das Gerücht von deiner Ankunft hat sich schon in der Gegend verbreitet, und diese Leute eilen von allen vier Ecken der Provinz herbei, um dem König von Frankreich, dessen Botschafter du bist, die Ehre zu erweisen.«

Chicot hatte zu viel Geist, um nicht zu bemerken, daß man schon seit einiger Zeit seiner spotte. Das machte ihn mißtrauisch, ohne ihn in üble Laune zu versetzen.

Der Tag endigte in Monroy, wo die Edelleute der Gegend, die sich versammelt hatten, als wären sie zum voraus benachrichtigt gewesen, der König von Navarra müsse durchkommen, diesem ein schönes Abendessen boten.

»Wann werden wir denn unsere Jagd beginnen?« fragte Chicot Heinrich, als dieser sich zur Ruhe begeben wollte.

»Wir sind noch nicht im Gebiete der Wölfe, mein lieber Chicot.« – »Und wann werden wir dort sein, Sire?«

»Neugieriger!« – »Nein, Sire; doch Ihr begreift, man möchte wissen, wohin man geht.«

»Du wirst es morgen erfahren, mein Sohn, mittlerweile lege dich nieder auf die Kissen zu meiner Linken; sieh, Mornay schnarcht schon zu meiner Rechten.« – »Pest! er macht im Schlafe mehr Geräusch als im Wachen.«

»Ja, es ist wahr, er ist kein Schwätzer; doch du mußt ihn bei der Jagd sehen, und du wirst ihn sehen.«

Der Tag fing kaum an zu grauen, als ein gewaltiges Getrappel von Pferden den König von Navarra und Chicot erweckte. Sobald man den Imbiß genommen hatte, wurde zum Aufsitzen geblasen.

»Auf, auf,« sagte Heinrich, »wir haben heute einen guten Tagesmarsch zu machen; zu Pferde, meine Herren, zu Pferde!«

Chicot sah mit Erstaunen, daß fünfhundert Reiter, die während der Nacht eingetroffen waren, die Eskorte verstärkt hatten.

»Ah! ah!« sagte er, »das ist kein Gefolge mehr, was Ihr da habt, Sire, es ist eine Armee.«

Heinrich antwortete nur die drei Worte: »Warte noch, warte!«

In Lauzerte schlossen sich sechshundert Mann zu Fuß der Reitertruppe hinten an.

»Infanteristen!« rief Chicot, »Fußvolk!«

»Treiber,« erwiderte der König, »nichts anderes als Treiber.«

Chicot faltete die Stirn und sprach von diesem Augenblick an nichts mehr. Zwanzigmal wandten sich seine Augen dem Felde zu, zwanzigmal durchzuckte seinen Geist der Gedanke zu entfliehen. Doch er hatte seine Ehrenwache, ohne Zweifel als Vertreter des Königs von Frankreich.

Jetzt zog man durch die Stadt Montcuq, und vier kleine Feldstücke reihten sich dem Heere an.

»Ich komme auf meinen ersten Gedanken zurück, Sire,« sagte Chicot, »die Wölfe in diesem Lande sind Hauptwölfe, und man behandelt sie mit mehr Rücksichten als andere Wölfe, schweres Geschütz für sie, Sire!«

»Ah! du hast es bemerkt,« versetzte Heinrich; »das liegt an den Leuten von Montcuq; seitdem ich ihnen für ihre Übungen diese vier Feldstücke geschenkt habe, schleppen sie sie überallhin.«

»Werden wir heute ankommen, Sire?« – »Nein, morgen.«

»Morgen früh oder morgen abend?« – »Morgen früh.«

»Dann jagen wir in Cahors, nicht wahr, Sire?« – »In dieser Gegend.«

»Doch wie kommt es, Sire, daß Ihr nicht auch die königliche Standarte mitgenommen habt? Die Ehre wäre für die Wölfe dann vollständig gewesen.«

»Man hat es nicht vergessen, Chicot, Ventre-saint-gris! Man läßt sie nur im Überzug, um sie nicht zu beschmutzen. Doch da du eine Standarte haben willst, mein Kind, um zu wissen, unter welchem Banner du marschierst, so wird man dir eine schöne zeigen. Zieht die Standarte aus ihrem Futteral! Herr Chicot wünscht zu wissen, wie das Wappen von Navarra aussieht.«

»Nein, nein, es ist unnötig,« rief Chicot, »laßt sie, wo sie ist.«

Man brachte die zweite Nacht in Catus ungefähr ebenso zu wie die erste; seitdem Chicot sein Ehrenwort gegeben, daß er nicht entfliehen werde, achtete man nicht mehr auf ihn.

Er machte einen Gang durch die Stadt und bis zu den Vorposten. Von allen Seiten trafen Truppen von hundert, hundertundfünfzig, zweihundert Mann beim Heer ein. In dieser Nacht versammelten sich die Infanteristen.

»Es ist ein Glück, daß wir nicht bis Paris marschieren,« sagte Chicot, »wir würden dort mit hunderttausend Mann ankommen.«

Am andern Morgen um acht Uhr war man vor Cahors, mit tausend Mann zu Fuß und zweitausend Pferden.

Man fand die Stadt im Belagerungszustand; die äußersten Posten hatten Alarmzeichen gegeben, und Herr von Vesins hatte seine Vorsichtsmaßregeln getroffen.

»Ah! ah!« sagte der König, dem Mornay diese Kunde mitteilte, »man ist uns zuvorgekommen, das ist ärgerlich.«

»Wir werden eine regelmäßige Belagerung vornehmen müssen, Sire,« sagte Mornay; »wir erwarten noch ungefähr zweitausend Mann, und so viel brauchen wir wenigstens, um die Chancen ins Gleichgewicht zu stellen.«

»Versammeln wir den Rat und beginnen wir die Laufgräben,« sagte Herr von Turenne.

Chicot hörte dies alles mit erstaunter Miene.

Das nachdenkliche und beinahe klägliche Aussehen des Königs von Navarra bestärkte ihn in dem Verdacht, Heinrich sei ein armseliger Kriegsmann, und diese Überzeugung allein vermochte ihn ein wenig zu beruhigen.

Heinrich hatte alle stumm angehört; plötzlich erwachte er aus seiner Träumerei, hob den Kopf empor und sagte im Tone des Befehls: »Meine Herren; hört, was zu tun ist. Wir haben dreitausend Mann und zwei erwartet Ihr, Mornay? Das macht fünftausend Mann. Bei einer regelmäßigen Belagerung wird man uns in zwei Monaten an fünfzehnhundert töten; dies wird die anderen entmutigen, und wir werden die Belagerung aufheben und uns fechtend zurückziehen müssen; auf unserem Rückzug werden wir abermals tausend Mann verlieren, was die Hälfte unserer Streitkräfte ist. Opfern wir sogleich fünfhundert Mann und nehmen Cahors.«

»Wie ist das zu verstehen?« fragte Mornay.

»Mein lieber Freund, wir marschieren gerade auf das Tor zu, das uns am nächsten liegt. Wir werden einen Graben auf unserem Wege finden; wir füllen ihn mit Faschinen; wir lassen zweihundert Mann auf dem Platz, – doch wir erreichen das Tor.«

»Dann, Sire?«

»Dann sprengen wir das Tor mit Petarden und stellen uns fest . . . das ist nicht sehr schwierig.«

Chicot schaute Heinrich ganz erschrocken an.

»Ja,« brummte er, »Prahler und Großsprecher, so ist mein Gaskogner; wirst du die Petarde unter das Tor legen?«

In diesem Augenblick fügte der König hinzu, als ob er Chicots leise Bemerkung gehört hätte: »Verlieren wir keine Zeit, meine Herren, das Mahl würde kalt werden, vorwärts, und wer mich liebt, folgt mir!«



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