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Achtes Kapitel

Die alte Stadtmauer, ein mächtiger Backsteinbau, ist ein Teil der ehemaligen mittelalterlichen Befestigung und zieht sich im Süden der Stadt dem Flußufer entlang. Wind und Wetter ist über sie ergangen, manchen Sturm hat sie erlebt und viele Generationen freier Bürger sah sie kommen und gehen. Aber sie selbst ist geblieben, unerschütterlich, trotz Wind und Wetter, trotz Wasser und Feuer, trotz Sturm- und Kriegsnot.

Jetzt bildet sie mit ihrem breiten, von Brustwehren umsäumten Rücken einen freundlichen Spaziergang, und die Städter lustwandeln auf ihr und erfreuen sich des lieblichen Anblicks ihres Stroms mit seinen wechselnden Bildern und sehen hinaus in die weite grüne Ebene jenseits des Wassers.

Müßiggänger hat es immer gerade genug auf der Stadtmauer.

Ungefähr in der Mitte der Mauer, da wo ein Nebenflüßchen durch einen gewölbten Torbogen einmündet, stehen Leute, alte und junge, Männer, Frauen und Kinder, und beugen sich über die Brüstung und sehen unverwandt hinunter in das grüne Wasser.

Es ist nichts mehr und nichts weniger dort zu sehen, als ein Mensch, der mit einer ungeheuer langen Angelrute den spärlichen Fischen nachstellt, und wenn er von Zeit zu Zeit mit einem schnellen Ruck die Angelrute aufzieht, geht eine Bewegung durch die Neugierigen und man hört heiteres Lachen, spöttische Worte und gutmütigen Hohn, weil die Erwartung wieder einmal getäuscht wurde.

Die einen gehen und schütteln den Kopf und wundern sich, daß es einen Menschen gibt, der solch übermenschliche Geduld hat und über diesem seinem einförmigen Geschäft nicht vor langer Weile umkommt, und sie denken nicht daran, daß sie selbst über eine halbe Stunde zubrachten, dieses Geschäft zu beobachten.

Andre aber harren aus und wanken und weichen nicht von der Stelle, und geben immer wieder zehn Minuten zu in der Hoffnung, es zu erleben, daß dem Angler ein Fischzug gelingt, und immer wiederholt sich das gleiche Spiel, der Angler schnellt die Angelrute in die Höhe und läßt sie wieder sinken, höchstens daß er einmal zur Abwechslung die Angel ganz aus dem Wasser nimmt und den verbrauchten Köder neu richtet.

Unter den fleißigsten Zuschauern war auch ein kleines Männchen mit häßlichen, mißfarbenen langen Haaren und einem mißfarbenen häßlichen Gesicht, und als er einmal gelegentlich sich von der Brüstung der Mauer aufrichtete, weil ihm der Rücken weh tat oder die Ellbogen schmerzten, erkannte August Wiedmann, der soeben die Stadtmauer herab kam, den Kommissionär und Inhaber eines Detektivinstituts Christian Philibert Schwägerle.

Und nun kam es wie eine Erleuchtung über ihn. Das war der richtige Mann, dem er seine Sorge anvertrauen konnte, der Mann des Volkes, mit dem man reden konnte, weil er seinesgleichen war, und der Ratschläge, Mittel und Wege wußte in jeder Lebenslage und Ausflüchte kannte wie ein gehetzter Fuchs.

Er drückte das Päckchen, das er in der Tasche trug und das ihm jetzt solche Sorge bereitete, an sich und ging geradeswegs auf das Männchen zu. Aber da er nicht wußte, wie er die Sache einleiten sollte, schob er sich neben ihm in die Reihe der Gaffer und starrte hinunter in das einmündende Flüßchen.

»Feierabend?« sagte Schwägerle und fuhr eilig fort, den Angler zu beobachten, damit ihm nichts entging, und nun begleitete er jede Bewegung des Fischers mit beifälligen oder mißbilligenden Bemerkungen: »Ah! …Jetzt, jetzt! …Wieder nichts!«

Dann richtete er sich auf und zog die Schnupftabaksdose heraus. »Der Mann versteht nichts. Er zieht nicht rechtzeitig auf, er wartet nicht lange genug, bis der Fisch gebissen hat …Als ich seinerzeit ein Fischwasser hatte, zog ich Kerle heraus, so lang!« Dabei machte er ein Zeichen in der Länge seines Armes. »Und den richtigen Köder hat er auch nicht. Mit Blut sollte er angeln, mit Blut!«

Zu andrer Zeit hätte August Wiedmann mit größter Aufmerksamkeit seinen Ausführungen gelauscht, aber heute hat er seine Gedanken wo anders. Seit ihm Marianne das Paketchen mit der Uhr gab, hat er keine ruhige Minute mehr gehabt. Die Polizei hat die Marianne im Verdacht gehabt, denkt er. Sie werden sich überlegen, was sie mit der Uhr angefangen haben könnte, und da werden sie darauf kommen, sie könnte einen Geliebten haben, dem sie die Uhr schenkte. Und der bin ich. Und sie werden zu mir kommen und auch bei mir nach der Uhr suchen. Und wenn sie die Uhr bei mir finden, was dann? Dann werden sie trotz aller Beteuerungen die Marianne für die Diebin halten und mich selbst, August Wiedmann, für den Hehler.

Da fällt ihm zu seinem Schrecken noch ein, daß er in seiner Prahlerei ja dem Schutzmann Wachter II sagte, er werde zu seinem Geburtstage von der Marianne eine Uhr verehrt bekommen. Auf dies hat es ihn nicht mehr länger gelitten und er hat das Päckchen genommen und hat es in seine Tasche gesteckt und ist auf und davon gegangen, damit sie ihn nicht zu Hause finden, wenn sie kommen und suchen.

Der Kommissionär sah dem ehrlichen offenen Burschen sofort an, daß ihn etwas bedrückte. »Nun?« sagte er und hielt ihm die Dose hin zum Schnupfen. »Was gibt's, Freundchen? Was geht in dir um?«

Schwägerle sagt zu dieser Art von Klienten stets das vertrauliche »Du«, während sie ihn natürlich mit Herr Doktor anreden müssen.

Der Bursche sah ihn scheu an und schlug sofort die Augen nieder. Es ist merkwürdig, dachte er, dieser Herr merkt und weiß doch auch sofort alles. Seit er das verdammte Päckchen trug, verlor er sein ganzes Selbstbewußtsein. »Könnte ich Sie einen Augenblick sprechen, Herr Doktor? Ich habe etwas, aber es ist dringend.«

In den Augen Schwägerles leuchtete es auf, denn in der Ferne sah er irgend ein vorteilhaftes Geschäft herausgucken, aber er unterdrückte sofort seine Freude und verbarg sie hinter einem väterlich wohlwollenden Gesichte. »Nun, nun? Um den Kopf wird es wohl nicht gehen? Schieß los, erzähl deinen Kummer, mein Lieber!«

»Ach nein! Es wäre mir recht, wenn Sie mit mir nach Hause gingen, Herr Doktor.«

Schwägerle rieb sich die Hände, verzog aber keine Miene. Anscheinend hat er etwas auf dem Kerbholz, denkt er und freut sich. Das sind gerade die allerbesten Fälle. »Wie du willst, mein Sohn! Der da fängt ja doch nichts. Da könnten wir noch lange stehen!«

Aber doch schied er mit einem bedauernden Blick von dem Angler und stieg die von der Stadtseite her auf die Mauer führende leiterartige Treppe hinab, während August Wiedmann trübselig folgte.

Herr Schwägerle wohnte nicht weit, unter der Metzig, wie das Quartier hieß, einem der ältesten Viertel der Stadt. Durch ein Gewirre enger, krummer Gäßchen führte der Weg zu niederen, schiefen und halbzerfallenen Hütten auf der Höhe des alten Stadtgrabens, der einstigen Behausung der städtischen Soldaten, deren eine nun Geschäft und Wohnraum des Inhabers des Detektivinstituts Helios bildete.

Schwägerle öffnete die krumm in den Angeln hängende, ungestrichene tannene Haustür, zündete ein Streichholz an und beleuchtete eine schmale steile, ausgetretene Stiege.

»Bitte, ganz ungeniert eintreten!«

Der Maler fand sich bald zurecht; am Lauterberge, wo der Meister war, waren die Wohnungen auch nicht viel prunkvoller. Das heimelte ihn also an und machte ihm Mut.

Er sah sich in dem kleinen Stübchen um mit den kahlen schiefen Wänden und den zwei kleinen gardinenlosen Fensterchen. Auf dem alten, wackligen Tische stand eine geleerte Bierflasche und der Rest eines Stückes Schwarzbrot und ein zerbrochenes Salzfaß; daneben aber wies ein schmutziges Schreibzeug und ein alter Kalender mit umgebogenen Ecken auf den gelehrten Beruf des Besitzers dieser Herrlichkeiten hin.

»Es ist eine verteufelte Geschichte,« sagte August Wiedmann.

Der Rechtsagent stützte das Kinn in beide Hände und sah ihn freundlich an. »Nun, was haben wir? Hat es Händel gegeben? Habt Ihr einem eins gegeben?«

August Wiedmann schüttelte den Kopf. »Keine Rede! Ich hab' gar nichts angestellt« – o Enttäuschung! – »das da ist's!« Damit zog er das Paketchen aus der Tasche und warf es ziemlich unsanft auf den Tisch.

Herrn Christian Philibert Schwägerles Augen begannen wieder hoffnungsvoller zu werden.

»Sie haben es vielleicht schon in der Zeitung gelesen, Herr Doktor? Das da ist nämlich die Uhr des Herrn Steinhauser am Weinhof!«

Fast gar wäre nun dem alten Praktiker, der auf dem Stuhle mit dem durchgebrochenen Rohrgeflecht saß, doch ein Ausruf des Erstaunens entschlüpft. Aber er nahm sich im Augenblick wieder zusammen und hütete sich um alle Welt, die Frage zu stellen, die der andre erwartete, nämlich die Frage, wo er die Uhr her habe.

Darum mußte sich jetzt August Wiedmann entschließen, von sich aus weitere Auskunft zu geben.

Er nahm also einen Anlauf. »Es ist wirklich eine ganz verfluchte Sache, man könnte da in einen falschen Verdacht kommen! Ich habe nämlich mit der Uhr gar nichts zu tun und meine Braut, von der ich die Uhr habe, auch nicht. Sie ist nämlich Köchin bei Herrn Steinhauser.«

»Ganz richtig, die Marianne!«

August Wiedmann sah mit offenem Mund dieses Männchen an, das alles erriet und alles wußte. »Woher wissen Sie denn, daß sie Marianne heißt?«

»Nun, nun,« gab Schwägerle zur Antwort, »das ist Nebensache. Man weiß eben allerlei.«

»Das Merkwürdigste ist, daß das Fräulein von Mariannes Herrschaft, die eigene Tochter, die Uhr gestohlen hat, und als die Polizei kam und alles durchsuchte, schubste sie geschwind die Uhr der Marianne weiter, daß es nicht herauskommen solle, und die Marianne ist ungeschickt genug, weil sie ein gutes Ding ist und Mitleid mit dem Fräulein hat, und läßt sich die Uhr zustecken …Nun sieht aber die Sache natürlich so aus, als hätte die Marianne die Uhr genommen, oder nicht?«

Herr Schwägerle lächelte fein. Selbstverständlich hat die Marianne die Uhr gestohlen, denkt er, und das mit dem Fräulein ist alles täppischer Schwindel. Aber er tut so, als glaube er alles.

»Natürlich,« sagte er, »das war sehr unvorsichtig von der Marianne. Wie kann man so etwas tun?«

Der ehrliche Maler ließ einen schweren Seufzer hören. »Gerade das sagte ich mir auch. Deshalb möchte ich den Herrn Doktor um Rat fragen, was man jetzt mit der Uhr anfangen soll.«

Herr Schwägerle wiegte den Kopf. – Das ist eine furchtbar heikle Sache und will reiflich überlegt sein, soll das heißen. – Er darf natürlich nicht sogleich Antwort geben, sonst verliert seine Auskunft an Wert und muß er seine Kostenrechnung geringer stellen. »Das war sehr ungeschickt von der Marianne,« wiederholte er deshalb nur.

August Wiedmann wurde noch ängstlicher als zuvor. »Ich habe gedacht,« meinte er verzagt, »man sollte die Uhr der Frau Steinhauser wieder zustellen. Ich hätte das ja auch selbst tun können, aber schick' ich sie durch die Post zu, oder durch sonst jemand, so wird es heißen: Die Marianne hat es trotz alledem getan und nun hat sie es gereut und sie hat die Uhr heimlich zurückgeschickt.« – Er seufzte noch einmal recht von Herzen. »Es sollte eben kein Verdacht zurückbleiben auf der Marianne und nebenbei sollte die Geschichte mit dem Fräulein doch auch nicht herauskommen. Darum habe ich gedacht, wenn Sie die Geschichte in die Hand nähmen?«

In den gelblichen Augen des kleinen Mannes zuckte es blitzschnell auf, aber gleich darauf sah er ungemein ärgerlich aus. Sein erster Gedanke war nämlich: Das ist sehr einfach. Ich will die Sache in die Hand nehmen – und die Uhr behalten. Aber nachher sah er sich gezwungen, ihn als unmöglich wieder zu verwerfen, und darum sah er ärgerlich aus. – August Wiedmann wird natürlich nachfragen, ob die Uhr an die Frau Steinhauser zurückkam, sagte er sich, und wenn es nicht der Fall ist, komme ich in die Verlegenheit.

Sodann erwog er den Gedanken, die Uhr der Frau Steinhauser zurückzubringen und sich den Anschein zu geben, als ob es seinen Bemühungen gelungen wäre, die Uhr zu entdecken.

So bestechend er war, so mußte er ihn aber doch zu seinem Leidwesen ebenfalls aufgeben. Denn da nun schon die Polizei die Nase hineingesteckt hatte, gab es kein Vertuschen mehr, sie wäre der Sache auf die Spur gekommen und Marianne wäre geliefert gewesen. Das wollte er aber nicht, weil er ganz richtig dachte, er würde dadurch bei August Wiedmann furchtbar einbüßen, und ein solcher Vertrauensmißbrauch schwatzte sich sofort bei den Leuten herum, aus deren Kreisen sich hauptsächlich seine Klientel rekrutierte.

Auf einmal kam ihm eine solch kostbare Idee, daß er sich nicht enthalten konnte, vor Freuden auf seinem Stuhl auf- und niederzuhüpfen und sich vor Vergnügen die Hände zu reiben. »Ach, so geht es,« sagte er sich laut, »so geht es famos! Kennen Sie den Professor Nußotter?«

»Ei, ist es der, von dem die Marianne sagte, daß er auch im Hause war und der auch ein bißchen in Verdacht kam?«

»Ganz richtig, ganz richtig! Weißt du, was wir machen, mein Sohn? Ich schmuggle dem Professor die Uhr zu.«

August Wiedmann erschrak. »Dann wird man ja meinen, er habe die Uhr gestohlen. Und wenn er dann eingesperrt wird?«

»Ach, keine Rede! Kein Mensch glaubt, daß der Professor die Uhr gestohlen hat. Jedermann wird glauben, er habe sie aus Versehen eingesteckt. Und das feinste ist, er wird es selbst glauben! Der Professor ist ein solch zerstreuter Mensch, daß er ganz sicher selbst überzeugt ist, er habe die Uhr aus Versehen eingeschoben. Er wird die Uhr sogleich der Frau Steinhauser zurückbringen und sich entschuldigen, die Frau Steinhauser ist zufrieden, daß sie die Uhr wieder hat, die Polizei ist zufrieden, weil sie sieht, daß die Uhr überhaupt nicht gestohlen wurde, daß ein bloßes Versehen vorlag, und die Hauptsache ist, daß die Marianne glänzend gerechtfertigt ist. –

Das leuchtet nun auch dem Maler ein, namentlich was Schwägerle zum Schluß gesagt hat, und bringt ihn über alle Bedenken hinweg. Der Professor läuft ja keine Gefahr, denkt er, und darum ist es auch kein Unrecht. Schließlich ist es ein famoser Streich, ein wirklicher Spaß, und dabei ist der Marianne geholfen und dem Fräulein ist auch geholfen. »Eingeschlagen, Herr Doktor,« sagte er fröhlich, »eingeschlagen!« Und er reichte ihm die Hand hin.

Der gescheite Herr Schwägerle stand auf. »Freundchen, darauf trinken wir eines! Diese Idee muß gefeiert werden« – das Freundchen wird die Zeche schon bezahlen, denkt er – »ich schlage den ›Schwanen‹ vor.«

August Wiedmann hatte gegen den ›Schwanen‹ nichts einzuwenden. »Wie wollen Sie aber dem Professor die Uhr zuschmuggeln, daß er es nicht merkt?« fragte er.

»Laß das nur mir über,« erwiderte der Kommissionär schlau.

-

Der Wein ist der Sorgenlöser und er hat diese Eigenschaft schon seit Jahrtausenden bewährt, insbesondere aber, wenn er gut ist.

Der Wein im ›Schwanen‹ war gut, das kleine Männchen kannte sich aus darin.

So geriet auch August Wiedmann sehr bald in eine heitere Stimmung, zumal er von Natur nicht sehr sorgenvoll veranlagt war, und je heiterer er wurde, um so häufiger füllte er dem kleinen Männchen das Glas, und er begann seinen ganzen Lebenslauf zu erzählen, der sich allerdings bisher in einfachen Bahnen bewegt hatte. Christian Philibert Schwägerle aber hörte mit Wohlwollen zu nach dem Grundsatze: Nützt es nichts, so schadet es auch nichts.

Es ist klar, daß August Wiedmann, dessen Herz voll war und der Mund überging, in der Schilderung seines Lebenslaufs alsbald auf seine Braut Marianne zu reden kam – er wäre ein schlechter Bräutigam gewesen, wenn er nicht von seiner Braut angefangen hätte – und daß er demnächst mit ihr vor den Altar treten werde, und als er erst so weit war, kam es ganz von selbst, daß er sie aufs neue verteidigen zu müssen glaubte und die ganze Geschichte von der Uhr, so weit er sie kannte, von vorne anfing.

Dies hätte das kleine Männchen alles nicht belästigt, er rauchte behaglich die gute Zigarre, die der Maler auftragen ließ, und trank dazu in kleinen, aber häufigen Schlückchen den feurigen Beutelsbacher, als ihn plötzlich eine lebhafte Unruhe ergriff.

Das kam davon her, daß August Wiedmann auf die wiederholte Durchsuchung durch die Polizei zu sprechen kam und wie notwendig es war, daß Marianne die Uhr aus dem Hause schaffte. »Glauben Sie nicht,« sagte er, »wenn man die Uhr bei Marianne gefunden hätte, so hätte das Fräulein einfach geleugnet und die Sache wäre unfehlbar an der Marianne hängen geblieben? Man weiß ja, wie es geht in der Welt!«

»Ei der Tausend!« sagte Schwägerle.

»Glauben Sie es oder glauben Sie es nicht?«

»Natürlich würde sie es getan haben.« – Was nun den Rechtsagenten bei diesen harmlosen Bemerkungen derart beunruhigte, daß er sein Glas von sich schob und ihm der Wein nicht mehr zu schmecken schien, war der Gedanke: Wenn die Polizei zweimal zu der Marianne kam, kann sie nicht auch zum zweitenmal zu mir kommen? Und wenn sie die Uhr bei mir findet und dieser wackere Bursche, der mir kein Dummkopf zu sein scheint, macht es wie das Fräulein und leugnet, etwas von der Geschichte zu wissen, was dann? Dann geht es mir, wie es der Marianne gegangen wäre, wenn sie die Uhr nicht aus dem Hause geschafft hätte.

Und in dem unangenehmen Gedanken an einen gewissen langen Auszug aus dem Strafregister des Kommissionärs und ehemaligen Rechtsanwaltsgehilfen Christian Philibert Schwägerle rieb er sich den Rücken und in feinem Gesicht drückte sich ein lebhaftes Mißbehagen aus. – Die Uhr muß aus dem Hause, dachte er, und zwar so bald als möglich! Und zum großen Erstaunen des Malers erklärte er plötzlich die Sitzung für beendet. »Zuerst die Arbeit und dann das Vergnügen! Wenn sie erst gelungen ist, wollen wir morgen weitermachen.«

Und dabei blieb er.


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