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In diesem Augenblicke öffnete sich leise die Tür, und ein Mädchen trat, sich schüchtern umschauend, ins Zimmer. Alle wandten sich erstaunt und neugierig nach ihr hin. Raskolnikow erkannte sie nicht gleich auf den ersten Blick. Es war Sofja Semjonowna Marmeladowa. Gestern hatte er sie zum ersten Male gesehen, aber in einem solchen Augenblicke, in einer solchen Umgebung und in einer solchen Aufmachung, daß sein Gedächtnis das Bild ihrer Persönlichkeit in ganz anderer Form aufgenommen hatte. Jetzt war sie ein bescheiden, ja ärmlich gekleidetes Mädchen, noch sehr jung, beinahe kindlich, mit bescheidenem, anständigem Benehmen, mit offenem, aber anscheinend recht ängstlichem Gesichtsausdruck. Sie trug ein sehr schlichtes Hauskleid und auf dem Kopfe einen alten, unmodernen Hut; nur hatte sie, wie gestern, einen Sonnenschirm in der Hand. Als sie unerwartet das Zimmer voll Menschen fand, wurde sie nicht etwa nur verlegen, sondern sie verlor vollständig die Fassung, bekam Furcht wie ein kleines Kind und machte sogar eine Bewegung, als ob sie wieder zurücktreten wollte.
»Ach . . . Sie sind es!« sagte Raskolnikow äußerst erstaunt und wurde auf einmal selbst verlegen.
Es fiel ihm sofort ein, daß seine Mutter und seine Schwester bereits so nebenbei aus Lushins Briefe etwas über ein »Mädchen von notorisch schlechtem Lebenswandel« erfahren hatten. Eben erst hatte er gegen Lushins Verleumdung protestiert und dabei erwähnt, daß er dieses Mädchen zum ersten Male gesehen habe, und nun trat sie auf einmal selbst herein. Er erinnerte sich auch, daß er gar nicht gegen den Ausdruck »von notorisch schlechtem Lebenswandel« protestiert hatte. Diese Gedanken huschten ihm unklar und blitzschnell durch den Kopf. Aber als er Sonja aufmerksamer ansah, bemerkte er, wie demütig dieses erniedrigte Geschöpf war, und fühlte Mitleid mit ihr. Und als sie eine Bewegung machte, als wollte sie vor Furcht wieder fortlaufen, tat ihm geradezu das Herz weh.
»Ich habe gar nicht erwartet, daß Sie herkommen würden«, sagte er hastig und hielt sie durch seinen Blick zurück. »Bitte, nehmen Sie Platz. Sie kommen gewiß von Katerina Iwanowna. Wenn es Ihnen gefällig ist, nicht dorthin; bitte, setzen Sie sich hierher . . .«
Bei Sonjas Eintritt war Rasumichin, der auf einem von Raskolnikows drei Stühlen dicht neben der Tür gesessen hatte, aufgestanden, um ihr beim Hereinkommen Platz zu machen. Zuerst war Raskolnikow schon im Begriff, ihr den Platz in der Sofaecke anzuweisen, auf dem Sossimow gesessen hatte; aber er sagte sich doch, daß dieses Sofa, das ihm als Bett diente, ein gar zu familiärer Platz sei, und wies ihr daher schnell Rasumichins Stuhl an.
»Und du, setz dich hierher«, sagte er zu Rasumichin und schob ihn in die Ecke, wo Sossimow gesessen hatte.
Sonja setzte sich fast zitternd vor Angst hin und blickte schüchtern nach den beiden Damen. Man sah ihr an, daß sie selbst nicht begriff, wie sie es fertiggebracht hatte, sich neben sie hinzusetzen. Als ihr die Lage zum Bewußtsein gekommen war, erschrak sie so, daß sie schnell wieder aufstand und sich in größter Verwirrung an Raskolnikow wandte.
»Ich . . . ich . . . bin nur für einen Augenblick hergekommen; verzeihen Sie, daß ich Sie gestört habe«, sagte sie stockend. »Ich komme von Katerina Iwanowna; sie hatte sonst niemand zum Schicken. Katerina Iwanowna läßt Sie sehr bitten, doch morgen zum Totenamt zu kommen, . . . bei der Mittagsmesse . . . auf dem Mitrofan-Friedhof, . . . und dann bei uns . . . bei ihr . . . am Gedächtnismahl teilzunehmen. Sie möchten ihr doch die Ehre erweisen . . . Sie läßt sehr bitten.«
Sie stockte und schwieg.
»Wenn es irgend möglich ist, werde ich bestimmt, . . . ganz bestimmt . . .«, antwortete Raskolnikow, indem er gleichfalls aufstand und gleichfalls stockte und nicht zu Ende redete. »Tun Sie mir den Gefallen und setzen Sie sich«, sagte er dann. »Ich möchte noch mit Ihnen reden. Wenn Sie es nicht zu eilig haben, so tun Sie mir bitte den Gefallen und schenken Sie mir zwei Minuten . . .«
Er rückte ihr den Stuhl hin. Sonja setzte sich wieder, blickte dann wieder schüchtern und ängstlich nach den beiden Damen und schlug die Augen nieder.
Raskolnikows blasses Gesicht rötete sich; sein ganzes Wesen schien gleichsam einen Ruck zu bekommen; seine Augen flammten auf.
»Mama«, sagte er fest und nachdrücklich, »dies ist Sofja Semjonowna Marmeladowa, die Tochter eben jenes unglücklichen Herrn Marmeladow, der gestern vor meinen Augen überfahren wurde und von dem ich Ihnen schon erzählt habe . . .«
Pulcheria Alexandrowna blickte Sonja an und kniff dabei die Augen ein wenig zusammen. Obwohl Rodjas energischer, herausfordernder Blick sie einschüchterte, konnte sie sich dieses Vergnügen doch nicht versagen. Dunja sah ernst und forschend dem armen Mädchen gerade ins Gesicht und betrachtete sie mit Erstaunen. Als Sonja hörte, daß sie vorgestellt wurde, versuchte sie wieder aufzublicken, wurde aber noch verlegener als vorher.
»Ich wollte Sie fragen«, wandte sich Raskolnikow schnell zu ihr, »wie hat sich heute alles bei Ihnen gestaltet? Sind Ihnen keine Ungelegenheiten gemacht worden? . . . Zum Beispiel von Seiten der Polizei?«
»Nein, es ist alles ohne Störung gegangen . . . Die Todesursache war ja doch ganz klar; man hat uns keine Ungelegenheiten gemacht; nur die andern Mieter sind aufgebracht.«
»Warum?«
»Weil die Leiche so lange dasteht . . . Es ist doch jetzt heiß, da riecht es . . . Darum soll sie auch heute abend nach dem Friedhof gebracht werden und bis morgen in der Kapelle bleiben. Katerina Iwanowna wollte es zuerst nicht; aber jetzt sieht sie schließlich selbst ein, daß es nicht anders geht . . .«
»Also heute?«
»Sie bittet Sie, uns die Ehre zu erweisen, morgen dem Totenamte in der Kirche beizuwohnen und dann nach ihrer Wohnung zu kommen, zum Gedächtnismahl.«
»Also ein Gedächtnismahl veranstaltet sie?«
»Ja, nur einen kleinen Imbiß; sie läßt Ihnen sehr danken, daß Sie uns gestern unterstützt haben, . . . ohne Ihre Beihilfe hätten uns die Mittel zur Beerdigung gefehlt.«
Lippen und Kinn begannen ihr krampfhaft zu zucken; aber sie nahm sich zusammen und beherrschte sich; sogleich schlug sie wieder die Augen nieder.
Während des Gesprächs betrachtete Raskolnikow sie aufmerksam. Sie hatte ein außerordentlich mageres, blasses, etwas spitzes Gesichtchen, mit kleinem, spitzem Näschen und Kinn und ziemlich unregelmäßigen Zügen. Hübsch konnte man sie eigentlich nicht nennen; aber dafür waren ihre blauen Augen so klar und verliehen, wenn sie sich belebten, dem Gesichte einen so guten, treuherzigen Ausdruck, daß man sich unwillkürlich zu ihr hingezogen fühlte. Außerdem lag in ihrem Gesichte und in ihrer ganzen Gestalt noch eine besonders charakteristische Eigenheit: trotz ihrer achtzehn Jahre sah sie weit jünger aus, als sie wirklich war, beinahe wie ein Kind, und das trat manchmal bei bestimmten Bewegungen in einer geradezu komisch wirkenden Weise hervor.
»Hat denn Katerina Iwanowna mit einer so kleinen Summe alles bestreiten können, wenn sie sogar noch einen Imbiß zu geben beabsichtigt?« fragte Raskolnikow, eifrig bemüht, das Gespräch im Gange zu halten.
»Der Sarg ist ganz einfach, . . . und auch alles andere ist ganz einfach, so daß es nicht allzuviel kostet . . . Ich habe vorhin mit Katerina Iwanowna alles berechnet; es bleibt noch so viel übrig, um ein Gedächtnismahl zu veranstalten, . . . und Katerina Iwanowna wünscht so sehr, daß eines stattfinden möchte . . . Da müssen wir wohl . . . Ihr ist es ein Trost, . . . das liegt nun einmal so in ihrem Wesen, Sie wissen wohl . . .«
»Ich verstehe, ich verstehe . . . Gewiß . . . Warum mustern Sie denn mein Zimmer so? Meine Mama hier sagt auch, es sehe aus wie ein Sarg.«
»Sie haben uns gestern Ihr ganzes Geld gegeben!« sagte plötzlich, statt auf die Frage zu antworten, Sonja hastig in einem eigenartigen, lauten Flüstertone und senkte dann wieder den Kopf.
Lippen und Kinn zuckten ihr wieder. Raskolnikows ärmliche Behausung war ihr schon längst aufgefallen, und nun waren ihr diese Worte ganz unwillkürlich entschlüpft. Eine Weile schwiegen alle. Dunjas Augen hatten einen merkwürdigen Glanz bekommen, und Pulcheria Alexandrowna blickte Sonja ganz freundlich an.
»Rodja«, sagte sie aufstehend, »wir essen selbstverständlich zusammen zu Mittag. Komm, Dunja . . . Und du, Rodja, solltest ausgehen, einen kleinen Spaziergang machen und dich dann hinlegen und ein bißchen ausruhen; und dann komm recht früh . . . Ich fürchte, das Gespräch mit uns hat dich doch angegriffen . . .«
»Ja, ja, ich werde kommen«, antwortete er eilig und stand auf. »Aber ich habe allerdings noch etwas Notwendiges vorher zu besorgen . . .«
»Na, ihr werdet doch nicht der eine hier, der andre da Mittag essen?« rief Rasumichin und sah Raskolnikow verwundert an. »Was hast du denn?«
»Ich sage ja, ich werde kommen, gewiß, gewiß . . . Aber bleib du noch einen Augenblick hier. Sie brauchen ihn ja doch wohl im Augenblick nicht, Mama? Oder entziehe ich ihn euch vielleicht?«
»O nicht doch, nicht doch! Kommen Sie doch auch mit zum Mittagessen, Dmitrij Prokofjitsch, wollen Sie so gut sein?«
»Bitte, kommen Sie!« bat auch Dunja.
Rasumichin verbeugte sich zusagend und strahlte über das ganze Gesicht. Eine wunderliche Verlegenheit überkam alle für einen Augenblick.
»Adieu, Rodja, oder lieber: Auf Wiedersehen! Ich sage nicht gern ›Adieu‹. Adieu, Nastasja . . . Ach, da habe ich ja doch wieder ›Adieu‹ gesagt!« sagte Pulcheria Alexandrowna.
Sie war nahe daran, auch Sonja eine Verbeugung zu machen; aber sie brachte es doch nicht fertig und ging eilig aus dem Zimmer.
Aber Dunja wartete, bis die Reihe, herauszugehen, an sie kam, und als sie hinter der Mutter an Sonja vorbeiging, machte sie ihr eine freundliche, höfliche und ordnungsmäßige Verbeugung. Die arme Sonja wurde verlegen und verbeugte sich hastig und erschrocken; auf ihrem Gesichte spiegelte sich sogar eine Art von schmerzlicher Empfindung wieder, als ob Dunjas Höflichkeit und Freundlichkeit ihr drückend und peinlich wären.
»Adieu, Dunjetschka!« rief Raskolnikow, als diese schon auf dem Flur war. »Gib mir doch die Hand!«
»Ich habe sie dir doch gegeben; hast du das schon vergessen?« antwortete Dunja freundlich und drehte sich mit dem Oberkörper noch einmal nach ihm um.
»Nun, das schadet ja nichts; so reich sie mir noch einmal!«
Er drückte kräftig ihre feinen Fingerchen. Dunja lächelte ihm zu, errötete, entriß ihm schnell ihre Hand und lief der Mutter nach; auch sie fühlte sich auf einmal ganz glücklich.
»Nun schön!« sagte er zu Sonja, als er in sein Zimmer zurücktrat, und blickte sie mit klaren Augen an. »Gott gebe den Toten eine sanfte Ruhe; aber die Lebenden mögen leben! Nicht wahr? Nicht wahr? Das ist doch das Richtige!«
Mit Erstaunen sah Sonja, wie sein Gesicht plötzlich hell geworden war; er schaute sie einige Augenblicke schweigend und unverwandt an; alles, was ihr verstorbener Vater über sie erzählt hatte, kam ihm wieder ins Gedächtnis.
»Herrgott, Dunja!« begann Pulcheria Alexandrowna, sowie sie auf die Straße hinaustraten. »Ich bin ordentlich froh, daß wir weggegangen sind; es ist mir gleich leichter ums Herz. Hätte ich wohl gestern auf der Eisenbahn gedacht, daß ich mich darüber freuen würde!«
»Ich kann Ihnen nur wiederholen, liebe Mama: er ist noch sehr krank. Sehen Sie das denn nicht? Vielleicht haben gerade die Sorgen, die er sich um uns gemacht hat, seine Gesundheit zerrüttet. Man muß mit ihm Nachsicht haben und kann ihm vieles, vieles verzeihen.«
»Aber du hast keine Nachsicht mit ihm gehabt!« unterbrach Pulcheria Alexandrowna sie hitzig und mit einer Art von Eifersucht. »Weißt du, Dunja, ich habe euch beide vorhin angesehen: du bist sein vollständiges Ebenbild, und noch nicht einmal so sehr im Gesicht als in der Seele; beide habt ihr so etwas Melancholisches, Finsteres und Aufbrausendes; beide seid ihr hochmütig und beide hochherzig . . . Das ist doch gar nicht denkbar, daß er ein Egoist sein sollte, Dunja, nicht wahr? . . . Aber wenn ich daran denke, was uns heute abend noch bevorsteht, dann wird mir himmelangst!«
»Beunruhigen Sie sich nicht, Mama; es wird geschehen, was eben geschehen muß.«
»Aber bedenke nur, Dunja, in welcher Lage wir jetzt sind! Was sollen wir anfangen, wenn Pjotr Petrowitsch sich von uns lossagt?« rief die arme Pulcheria Alexandrowna mit unüberlegter Offenheit.
»Wenn er das wirklich tut, dann haben wir an ihm nichts verloren!« antwortete Dunja schroff und geringschätzig.
»Wir haben ganz gut daran getan, daß wir jetzt weggegangen sind«, fuhr Pulcheria Alexandrowna, sie unterbrechend, hastig fort, um abzulenken. »Er hat einen eiligen Gang vor, um etwas zu besorgen; da mag er sich ein bißchen Bewegung machen und wenigstens ein bißchen Luft schöpfen, . . . bei ihm ist es ja schrecklich dumpf, . . . aber wo kann man wohl hier in Petersburg frische Luft atmen? Hier ist es auch auf den Straßen gerade wie in einem Zimmer, das nie gelüftet wird. Herrgott, was ist das nur für eine Stadt! . . . Halt, halt! Tritt auf die Seite, du wirst dich noch totquetschen lassen; da wird etwas getragen! Ein Klavier tragen sie, wahrhaftig, . . . wie sie sich durchdrängen . . . Vor diesem jungen Mädchen habe ich auch große Bange.«
»Vor was für einem jungen Mädchen, Mama?«
»Nun, ich meine diese Sofja Semjonowna, die eben zu Rodja kam . . .«
»Warum haben Sie denn Bange vor der?«
»Es ahnt mir so etwas, Dunja. Magst du es mir nun glauben oder nicht, gleich wie sie hereinkam, in demselben Augenblick dachte ich: ›Aha, da sitzt der Hauptknoten . . .‹«
»Gar nichts sitzt da!« rief Dunja ärgerlich. »Was Sie auch immer für Ahnungen haben, Mama! Er ist erst seit gestern mit ihr bekannt, und als sie jetzt hereinkam, erkannte er sie nicht einmal sogleich.«
»Na, du wirst ja sehen! . . . Sie beunruhigt mich; du wirst ja sehen, du wirst ja sehen! Und ich habe einen ordentlichen Schreck vor ihr bekommen: sie sah mich an und sah mich an; was hat sie für Augen; ich konnte kaum auf meinem Stuhle stillsitzen; erinnerst du dich, als er sie vorstellte? Und das kommt mir doch auch ganz merkwürdig vor: Pjotr Petrowitsch schreibt solche Dinge von ihr, und er stellt sie uns vor, und noch dazu dir! Also muß er sie doch wohl sehr gern haben!«
»Was der nicht alles schreibt! Über uns ist doch auch allerlei geredet und geschrieben worden; haben Sie das vergessen? Und ich bin überzeugt, daß sie ein prächtiges Mädchen ist und daß das alles dummes Gerede ist.«
»Gott gebe es!«
»Und Pjotr Petrowitsch ist ein häßlicher Zwischenträger!« schloß Dunja kurz und bestimmt.
Pulcheria Alexandrowna duckte sich unwillkürlich. Das Gespräch brach ab.
»Hör mal, ich wollte dich da etwas fragen . . .«, begann Raskolnikow und führte Rasumichin zum Fenster.
»Ich darf also an Katerina Iwanowna bestellen, daß Sie kommen werden . . .«, sagte Sonja schnell und wollte sich verabschieden.
»Sogleich, Sofja Semjonowna! Wir haben keine Geheimnisse; Sie stören uns nicht. Ich möchte Ihnen gern noch ein paar Worte . . . Hör mal«, wandte er sich, ohne zu Ende zu sprechen, wieder an Rasumichin. »Du kennst doch diesen . . . na, wie heißt er gleich! . . . Porfirij Petrowitsch?«
»Na und ob! Er ist ja ein Verwandter von mir. Weshalb fragst du denn?« fügte er neugierig hinzu.
»Er hat doch jetzt diese Sache in Händen, . . . na, diese Mordsache, von der ihr gestern spracht?«
»Ja, . . . nun?« Rasumichin riß die Augen weit auf.
»Er hat die Verpfänder befragt; nun, es liegen von mir auch ein paar Pfänder da, nur so Kleinigkeiten; aber das eine ist ein Ring von meiner Schwester, den sie mir zum Andenken schenkte, als ich hierherzog, und dann die silberne Uhr meines Vaters. Es hat zusammen nur einen Wert von fünf bis sechs Rubel; aber für mich sind diese Gegenstände kostbar, als Andenken. Also, was soll ich jetzt tun? Ich möchte nicht, daß mir die Sachen verlorengehen, namentlich nicht die Uhr. Ich schwebte vorhin in der größten Angst, meine Mutter könnte die Uhr zu sehen wünschen, als von Dunjas Uhr die Rede war. Es ist das einzige Stück, das noch von meinem Vater übrig ist. Sie würde krank werden, wenn wir diese Uhr verlören. Wie die Weiber nun einmal sind! Also nun gib mir einen Rat, wie ich mich zu verhalten habe. Ich weiß, daß ich eigentlich auf dem Polizeibureau Anzeige machen müßte. Aber wäre es nicht besser, wenn ich mich an Porfirij persönlich wendete? Wie denkst du darüber? Ich möchte die Sache möglichst schnell erledigen. Du wirst sehen, daß meine Mutter mich noch vor dem Mittagessen danach fragt!«
»Wende dich nicht an das Polizeibureau, sondern auf jeden Fall an Porfirij!« rief Rasumichin in lebhaftem Eifer. »Das freut mich aber! Da ist nichts weiter zu überlegen; wir können sofort hingehen; es sind nur ein paar Schritte; wir treffen ihn gewiß zu Hause!«
»Mir recht! Gehen wir!«
»Er wird sich sehr freuen, ganz außerordentlich wird er sich freuen, dich kennenzulernen! Ich habe ihm viel von dir erzählt, bei verschiedenen Gelegenheiten . . . Auch gestern habe ich von dir gesprochen. Gehen wir hin! Also du hast die alte Frau gekannt? So, so! . . . Das hat ja alles eine ganz ausgezeichnete Wendung genommen! . . . Ach ja . . . Sofja Iwanowna . . .«
»Sofja Semjonowna«, verbesserte Raskolnikow. »Sofja Semjonowna, das ist mein Freund Rasumichin, ein sehr guter Mensch . . .«
»Wenn Sie jetzt gehen müssen . . .«, begann Sonja; sie hatte Rasumichin gar nicht angesehen und war durch die Vorstellung noch schüchterner geworden.
»Nun, dann wollen wir gehen!« sagte Raskolnikow entschlossen.
»Ich komme heute noch einmal kurz zu Ihnen, Sofja Semjonowna; sagen Sie mir nur, wo Sie wohnen.«
Er war nicht eigentlich verlegen, aber er tat eilig und vermied ihren Blick. Sonja gab ihm ihre Adresse und errötete dabei. Sie gingen alle drei gleichzeitig hinaus.
»Schließt du denn nicht zu?« fragte Rasumichin, der hinter den beiden andern die Treppe hinabstieg.
»Das tue ich nie! . . . Schon seit zwei Jahren will ich immer ein Schloß kaufen«, fügte er nachlässig hinzu. »Glücklich, wer nichts zu verschließen hat, nicht wahr?« wandte er sich lachend an Sonja.
Auf der Straße blieben sie am Tor stehen.
»Sie gehen nach rechts, Sofja Semjonowna? Dabei fällt mir ein: wie haben Sie es denn möglich gemacht, mich zu finden?« fragte er; aber es klang, als möchte er ihr etwas ganz anderes sagen. Er hätte gar zu gern noch einmal in ihre stillen, klaren Augen geblickt; aber es wollte ihm nicht so recht glücken . . .
»Sie haben doch gestern unsrer Polenjka Ihre Adresse angegeben?«
»Polenjka? Ach ja . . . Polenjka! Das war die Kleine . . . Das ist Ihre Schwester? Also der habe ich meine Adresse gegeben?«
»Wissen Sie das denn nicht mehr?«
»Doch . . . doch, . . . ich erinnere mich.«
»Und von Ihnen hat mir der Verstorbene noch zu seinen Lebzeiten erzählt . . . Ich kannte nur damals Ihren Namen nicht, und er selbst kannte ihn auch nicht . . . Aber gestern erfuhr ich nun Ihren Namen und Ihre Adresse, und als ich heute herkam, da fragte ich: wo wohnt hier Herr Raskolnikow? . . . Ich wußte gar nicht, daß Sie auch in einem möblierten Zimmer wohnen . . . Adieu! Ich werde alles an Katerina Iwanowna bestellen . . .«
Sie war sehr froh, endlich loszukommen; sie ging mit gesenktem Kopfe eilig dahin, um ihnen nur recht schnell aus dem Gesichtskreis zu kommen, um nur recht schnell diese zwanzig Schritte bis zu der Straßenecke, wo sie nach rechts einbiegen mußte, zurückzulegen und endlich allein zu sein und dann im eiligen Dahinschreiten, achtlos und unbekümmert um die Begegnenden und alles ringsumher, nachzudenken, sich zu erinnern und sich jedes gesprochene Wort, jeden Umstand noch einmal zu vergegenwärtigen. Noch niemals hatte sie etwas Ähnliches empfunden. Ihre Seele hatte in eine große, neue Welt, die ihr noch ganz unbekannt gewesen war, einen – freilich flüchtigen – Blick geworfen. Da fiel ihr auf einmal ein, daß Raskolnikow selbst noch heute zu ihr kommen wollte, vielleicht noch am Vormittag, vielleicht sogar jetzt gleich!
›Nur nicht heute schon, bitte, nicht heute!‹ murmelte sie mit heftiger Herzbeklemmung, als ob sie jemanden anflehte, wie ein geängstigtes Kind. ›O Gott! Zu mir . . . in dieses Zimmer, . . . er wird alles sehen . . . o Gott!‹
Sie war in diesem Augenblicke natürlich nicht imstande, einen ihr unbekannten Herrn zu beachten, der sie angelegentlich beobachtete und ihr auf dem Fuße folgte. Er begleitete sie schon, seit sie aus dem Torwege herausgetreten war. In dem Augenblicke, als alle drei, Rasumichin, Raskolnikow und sie, auf dem Trottoir standen und noch ein paar Worte miteinander redeten, war dieser Passant plötzlich zusammengezuckt, als er, um die Gruppe herumgehend, zufällig Sonjas Worte auffing: »Da fragte ich: wo wohnt hier Herr Raskolnikow?« Er hatte schnell, aber aufmerksam alle drei gemustert und besonders Raskolnikow, zu dem Sonja sprach; darauf hatte er sich das Haus angesehen und gemerkt. Alles dies hatte sich in einem Augenblicke, während er vorbeiging, abgespielt, und der Fremde war, ohne sich etwas merken zu lassen, weitergegangen, jedoch in etwas langsamerem Schritte, wie wenn er auf jemand wartete. Er hatte auf Sonja gewartet; denn er hatte gesehen, daß sie sich verabschiedete, und vermutet, daß sie nun wohl irgendwohin gehen würde, wo sie ihre Wohnung hätte.
›Wo mag sie wohnen? Ich habe dieses Gesicht doch schon irgendwo gesehen‹, hatte er gedacht und sich zu erinnern gesucht. ›Das muß ich herausbekommen.‹
Als er die Straßenecke erreicht hatte, ging er auf die andere Seite der Straße hinüber, drehte sich um und sah, daß Sonja, ohne auf irgend etwas zu achten, . . . bereits hinter ihm ging, denselben Weg; denn als sie an die Straßenecke gekommen war, war auch sie in die Seitenstraße eingebogen. Er hatte sie nun auf dem gegenüberliegenden Trottoir begleitet, allmählich zurückbleibend, ohne sie aus den Augen zu lassen; nach etwa fünfzig Schritten war er wieder nach dem Trottoir hinübergegangen, auf welchem Sonja ging, hatte sie eingeholt und ging nun in einem Abstande von ungefähr fünf Schritten hinter ihr her.
Es war ein Mann von ungefähr fünfzig Jahren, etwas über Mittelgröße, wohlbeleibt, mit breiten, dicken Schultern, was seine Haltung etwas gebückt erscheinen ließ. Er war elegant und bequem gekleidet und machte einen recht stattlichen Eindruck. In der Hand hatte er einen hübschen Spazierstock, den er bei jedem Schritte auf das Trottoir aufschlagen ließ; seine Hände steckten in neuen Handschuhen. Sein breites Gesicht mit den starken Backenknochen wirkte ganz angenehm, und die Gesichtsfarbe war frisch und gesund, wie es bei einheimischen Petersburgern nicht der Fall zu sein pflegt. Das noch sehr dichte Haar war ganz hellblond und nur äußerst wenig mit Grau meliert, und der breite, dichte Bart, der schaufelförmig herabhing, war noch heller als das Kopfhaar. Seine Augen waren blau; ihr Blick hatte etwas Kaltes, Starres, Überlegendes; die Lippen zeigten eine frische Röte. Überhaupt hatte er sich vorzüglich erhalten und sah viel jünger aus, als er wirklich war.
Als Sonja die Kanalstraße erreichte, waren sie die beiden einzigen Passanten auf dem Trottoir. Bei seinen Beobachtungen hatte er bereits ihre Nachdenklichkeit und Zerstreutheit bemerkt. Als Sonja ihr Haus erreicht hatte, bog sie in den Torweg ein; er folgte ihr und schien einigermaßen erstaunt zu sein. Auf dem Hofe wandte sie sich nach rechts, nach derjenigen Ecke, wo sich die zu ihrer Wohnung hinaufführende Treppe befand. »Na, so was!« murmelte der unbekannte Herr und begann hinter ihr her die Stufen hinaufzusteigen. Erst jetzt bemerkte ihn Sonja. Sie ging bis zum zweiten Stockwerk in die Höhe, bog in eine Außengalerie ein, die sich auf der Hofseite entlangzog, und klingelte an der Wohnung Nr. 9, an deren Tür mit Kreide angeschrieben stand: »Kapernaumow, Schneider«. »Na, so was!« sagte der Unbekannte noch einmal, verwundert über dieses eigentümliche Zusammentreffen, und klingelte daneben, bei Nr. 8. Die beiden Türen waren nur etwa sechs Schritte voneinander entfernt.
»Sie wohnen bei Kapernaumow«, sagte er und sah Sonja lachend an. »Er hat mir gestern eine Weste umgeändert. Und ich wohne hier neben Ihnen, bei Madam Gertruda Karlowna Rößlich. Wie sich das trifft!«
Sonja blickte ihn aufmerksam an.
»Wir sind also Nachbarn«, fuhr er in sehr heiterem Tone fort. »Ich bin erst seit vorgestern in der Stadt. Nun, vorläufig adieu, auf Wiedersehen!«
Sonja antwortete nicht; die Tür wurde geöffnet, sie schlüpfte hinein und ging in ihre Stube. Sie schämte sich, und ein seltsames Angstgefühl überkam sie.
Rasumichin befand sich, während sie zu Porfirij gingen, in einem Zustande besonderer Aufregung.
»Das ist prächtig, Bruder!« wiederholte er einmal über das andre. »Und ich freue mich, ich freue mich!«
›Worüber freust du dich denn nur?‹ fragte sich Raskolnikow im stillen.
»Das habe ich ja gar nicht gewußt, daß du auch etwas bei der alten Frau versetzt hattest. Und . . . und . . . ist das schon lange her? Ich meine: wann bist du zuletzt dagewesen?«
›Ist das ein naiver Tropf!‹ dachte Raskolnikow.
»Wann ich zuletzt da war?« antwortete er, indem er stehenblieb und nachdachte. »Zwei Tage vor ihrem Tode mag es gewesen sein, daß ich da war. Übrigens, die Sachen auszulösen ist jetzt bei diesem Gange nicht meine Absicht«, fügte er hastig und mit einer geflissentlich herausgekehrten Besorgtheit um die Sachen hinzu. »Ich habe ja wieder nur einen einzigen Rubel in meinem Besitze . . . infolge des Streiches, den ich gestern im Fieber begangen habe.«
Das Wort »Fieber« sprach er mit besonderem Nachdruck.
»Nun ja, ja, ja!« stimmte ihm Rasumichin eilig zu, wobei aber unklar blieb, worauf sich seine Zustimmung eigentlich bezog. »Also das ist der Grund, weshalb damals . . . das Gespräch von dem Morde so auf dich wirkte, . . . und weißt du, auch im Fieber hast du immer von Ringen und Ketten phantasiert! . . . Na ja, ja . . . Das ist ja klar, nun ist alles klar.«
›Holla!‹ dachte Raskolnikow. ›Dieser Gedanke hat sich bei ihnen also doch festgesetzt! Der gute Mensch hier würde sich für meine Unschuld ans Kreuz schlagen lassen, und doch ist er froh, daß es sich, wie er meint, aufgeklärt hat, warum ich im Fieber von Ringen geredet habe! Wie fest sich dieser Gedanke bei ihnen allen eingenistet hat!‹
»Werden wir ihn auch zu Hause antreffen?« fragte er laut.
»Ganz bestimmt, ganz bestimmt«, erwiderte Rasumichin. »Du wirst sehen, Bruder, er ist ein prächtiger Mensch. Ein bißchen plump; das heißt, er hat gewandte Formen, aber ich meine plump in anderer Hinsicht. Ein gescheiter Kerl, sogar sehr klug und gescheit, nur hat seine ganze Art zu denken etwas Eigentümliches. Mißtrauisch, skeptisch, prosaisch ist er, . . . er betrügt einen gern, das heißt, er betrügt einen nicht eigentlich, sondern führt einen an. Na, und in seinem Amte verwendet er die alte Methode der Beweisführung aus materiellen Gründen . . . Aber er versteht seine Sache, gründlich versteht er sie. Er hat im vorigen Jahre in eine Mordsache Licht gebracht, wo fast alle Spuren schon verloren waren. Er wünscht sehr, aber sehr, dich kennenzulernen!«
»Ja, weshalb wünscht er denn das so sehr?«
»Das heißt, nicht etwa daß . . . Siehst du, in der letzten Zeit, als du krank warst, hat es sich so gemacht, daß ich oft und viel mit ihm über dich sprach . . . Na, er hörte zu, . . . und als er erfuhr, daß du Jura studiertest und äußerer Umstände halber das Studium nicht zu Ende führen könntest, da sagte er: ›Wie schade!‹ Daraus schloß ich, . . . das heißt aus allem zusammen, nicht daraus allein; und gestern hat Sametow . . . Siehst du, Rodja, ich habe dir gestern in meiner Betrunkenheit, als wir zusammen nach deiner Wohnung gingen, allerlei hingeschwatzt, . . . und da fürchte ich, Bruder, daß du dem zuviel Bedeutung beimißt, siehst du wohl . . .«
»Was meinst du denn? Daß sie mich für verrückt halten? Da haben sie vielleicht recht.«
Er lächelte gezwungen.
»Ja, ja . . . oder vielmehr: nein, wollte ich sagen . . . Na, alles, was ich gesagt habe . . . (auch über etwas andres), das war alles dummes Zeug, wie es einem so die Trunkenheit eingibt.«
»Warum entschuldigst du dich denn noch? Die ganze Geschichte ist mir zum Ekel geworden!« rief Raskolnikow mit übermäßiger Gereiztheit, die zum Teil erkünstelt war.
»Ich weiß, ich weiß, ich kann dir das nachfühlen. Sei überzeugt, daß ich dir das nachfühlen kann. Ich schäme mich, darüber auch nur ein Wort zu verlieren . . .«
»Wenn du dich schämst, dann sprich nicht davon!«
Beide schwiegen. Rasumichin war höchst vergnügt, und Raskolnikow fühlte das mit Widerwillen. Auch beunruhigte ihn das, was Rasumichin soeben über Porfirij erzählt hatte.
›Vor dem muß ich auch den kranken Bettler spielen‹, dachte er erblassend und mit starkem Herzklopfen, ›und zwar recht natürlich. Das natürlichste wäre allerdings, wenn ich gar keine solche Rolle spielte, mir fest vornähme, es nicht zu tun! Nein, fest vornehmen . . . das würde wieder nicht natürlich herauskommen . . . Nun, wir wollen sehen, wie der Hase läuft, . . . wir werden es ja bald sehen . . . Ob es wohl gut oder schlecht ist, daß ich hingehe? Die Motte fliegt von selbst in die Kerze hinein. Das Herz klopft mir so stark; das ist nicht gut!‹
»Hier in diesem grauen Hause wohnt er«, sagte Rasumichin.
›Das wichtigste ist‹, überlegte Raskolnikow weiter, ›ob Porfirij es weiß oder nicht weiß, daß ich gestern in der Wohnung dieser Hexe war . . . und nach dem Blute gefragt habe. Darüber muß ich sofort ins klare kommen; gleich beim ersten Schritte, wenn ich hereinkomme muß ich das aus seiner Miene entnehmen; sonst . . . Erfahren will ich das, und wenn ich darüber ins Unglück stürze!‹
»Weißt du was?« wandte er sich auf einmal mit schlauem Lächeln an Rasumichin. »Ich habe heute die Beobachtung gemacht, daß du dich schon vom Morgen an in einer außerordentlichen Aufregung befindest. Habe ich recht?«
»Wieso in Aufregung? Ich bin in gar keiner Aufregung!« rief Rasumichin mit einer Grimasse.
»Nein, Bruder, es ist dir wirklich anzumerken. Auf deinem Stuhle saßest du vorhin in einer Weise, wie du es sonst nie tust, nur so auf einer Ecke, und dann zucktest du immer so wunderlich. Fortwährend sprangst du ohne jeden Anlaß auf. Bald sahst du ärgerlich aus, und dann machtest du auf einmal wieder ein Gesicht so süß wie der süßeste Bonbon. Sogar rot wurdest du; namentlich als du zum Mittagessen eingeladen wurdest, da wurdest du furchtbar rot.«
»Ach, bewahre! Was redest du für Unsinn! Was willst du denn damit sagen?«
»Und warum wendest und drehst du dich denn so verlegen hin und her wie ein Schuljunge? Ei, ei, er ist schon wieder rot geworden!«
»Aber warum wirst du denn so verlegen? Du Romeo! Warte nur, das erzähle ich heute noch anderswo weiter, ha-ha-ha! Da wird meine Mama drüber lachen . . . und noch jemand anders . . .«
»Hör mal, hör mal, aber im Ernst, das ist ja . . . Was soll denn das heißen?« rief Rasumichin; er war völlig verwirrt geworden, und es überlief ihn vor Schreck ganz kalt. »Was willst du ihnen erzählen, Bruder? Ich habe . . . Ach, was bist du für ein Dummkopf!«
»Wie eine Pfingstrose siehst du aus! Und wenn du wüßtest, wie gut dir das steht; ein baumlanger Romeo! Und wie du dich heute gewaschen hast, und die Nägel gereinigt, was? Wann ist das sonst je dagewesen? Und wahrhaftig, pomadisiert hast du dich auch! Bück dich mal!«
»Dummkopf!«
Raskolnikow lachte so, daß er sich anscheinend gar nicht mehr beherrschen konnte; so betraten sie denn noch lachend Porfirijs Wohnung. Gerade das hatte Raskolnikow beabsichtigt: von den Zimmern aus mußte man es hören können, daß sie lachend eintraten und auch im Vorzimmer immer noch weiterlachten.
»Kein Wort hier davon, oder ich zermalme dich!« flüsterte Rasumichin wütend und packte Raskolnikow an der Schulter.