Felix Dahn
Gelimer
Felix Dahn

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Viertes Kapitel.

An Cethegus Prokopius.

»Wir rücken immer vor. Und zwar wie in Freundes Land. Unsere Helden, sogar die Hunnen, haben es begriffen, dank weniger meinem Lagerbefehl, als der handgreiflichsten Erfahrung, daß sie sich beim besten Willen nicht soviel Vorräte erplündern können mit Gewalt, als ihnen die Leute freiwillig zutragen, falls sie die Bauern bezahlen, nicht berauben. Belisar gewinnt alle Provinzialen durch Freundlichkeit und Güte. So kommen denn von allen Seiten die Colonen an unsere Lager, die wir, müssen wir im freien Felde übernachten, am Abend sorgfältig verschanzen, – und sie verkaufen uns alles, was wir gebrauchen, zu billigen Preisen.

Wo es aber angeht, übernachten wir in Städten, – so in Leptis und in Adrumetum. Der Bischof mit der katholischen Geistlichkeit zieht uns entgegen, sobald unsere hunnischen Reiter sichtbar werden. Die ›Senatoren‹, die vornehmsten Bürger folgen bald nach. Doch lassen diese sich gern ›zwingen‹. Das heißt: sie warten, bis wir auf dem Forum stehen: damit sie, falls wir doch noch alle miteinander von diesen unfindbaren Feinden ins nahe Meer geworfen werden sollten, bevor wir Karthago erreichen, sich auf unsere grausame Gewalt berufen können für ihre Freundlichkeiten gegen uns. Noch hab' ich, – ein paar katholische Geistliche abgerechnet, – keinen Römer in Afrika gesehen, vor dem ich Achtung spürte. Ich meine fast, sie, die Befreiten, sind noch weniger wert als wir, die Befreier.


Wir legen täglich im Durchschnitt zehn Meilen – zehntausend Schritt – zurück. Heute kamen wir von Adrumetum über Horrea bis Grasse: – noch etwa vierundvierzig römische Meilen von Karthago: – ein herrlicher Lagerplatz! Unser Staunen wächst von Tag zu Tag, je mehr wir die Üppigkeit dieser Provinz Afrika kennen lernen: sie übertrifft alle Schilderung, jede Erwartung. Wahrlich, unter diesem Himmel, in dieser Landschaft nicht erschlaffen, – das mag Menschenkraft übersteigen. Und dieses Grasse! Hier ist ein Landhaus: – richtiger ein stolzer, säulengetragener, marmorglänzender Palast des Vandalenkönigs, umgeben von Lustgärten, derengleichen ich nirgend, in Europa oder Asien, geschaut! Rings sprudeln, durch kunstvolle Leitungen hergeführt aus weiter Ferne oder auch durch die zauberkundigen Quellsucher aus dem Sandboden erbohrt, köstliche Brunnen. Und welche Fülle von Bäumen! Und darunter keiner, der nicht die Zweige biegt, unter der Last der herrlichsten Edelfrüchte! Unser ganzes Heer lagert in diesem Fruchthain, unter diesen Wohlthat spendenden Bäumen: jeder Soldat ersättigt sich reichlich und jeder hat sich den Lederranzen gefüllt: – denn morgen in aller Frühe geht es wieder fort – und doch ist kaum eine Minderung wahrzunehmen. Überall welche Fülle von Reben! – Alles ringsum voll von Trauben! Viele, viele Jahrhunderte lang, bevor ein Scipio dies Land betrat, haben fleißige Phöniker hier, zwischen Meer und Wüste, die sorgfältig beschnittene Rebe, niedrig gehalten, reihenweise an wenig Fuß hohen Stäblein gezogen. Hier wächst der beste Wein in ganz Afrika: aus ihren Helmen sollen ihn die Vandalen – ungemischt! – in großen Zügen trinken. Ich nippte nur an dem fast schwarzroten Getränk, das mir Agnellus zur Hälfte mit Wasser versetzen muß: – und doch fühle ich mich schläfrig. – Ich mag nicht mehr schreiben! Schlafe wohl, Cethegus, im fernen Rom! Schlaft wohl, ihr meine Kriegsgenossen! – Noch einen halben Becher: es mundet gar zu gut! – Schlaft wohl – der Wein macht gutmütig! – schlaft auch ihr wohl, Barbaren! Es ist gar so behaglich hier! – Das Gemach, das mir zugeteilt worden – die Sklaven, lauter Römer und Katholiken – sind nicht geflüchtet vor uns und bedienen uns mit eifrigster Beflissenheit – ist gar schön mit Wandmalereien geziert. Das Bett ist so weich und bequem! Vom Meere her weht ein kühler Wind durch die offenen Fensterbogen. – Noch einen Viertelbecher darf ich wagen! – Und heute Nacht, liebe Barbaren, wo möglich: keinen Überfall! Schlafet ihr wohl, Vandalen, auf daß auch ich süß schlafen kann. Ich glaube fast, schon hat mich die afrikanische Krankheit ergriffen: die Scheu vor jeder Anstrengung.


Vier Tagemärsche seit dem Wundergarten von Grasse. Wir übernachten im Freien. Morgen erreichen wir Decimum, nicht mehr ganz neun römische Meilen von Karthago: und noch nicht Einen Vandalen haben wir gesehen. –

Es ist spät Abend. Schon leuchten weithin unsere Lagerfeuer: ein schöner Anblick! Etwas Ahnungsvolles liegt in der weichen, dunkeln Luft. Rasch sinkt die Nacht unter den fernen Bäumen im Westen. Da klingen die schrillen Hörner unserer Hunnen. Ich sehe ihre weißen Schafspelzmantel verschwinden. Sie beziehen die Wachen auf allen drei Seiten. Zur Rechten, im Nordosten, deckt uns ja das Meer und unsere Flotte. Das heißt: heute noch! Morgen sollen die Schiffe nicht, wie bisher, unseren Zug begleiten können, wegen der Klippen des Vorgebirges des Merkur, die hier weit hinausgehen vom Gestade, und welche sie umsegeln müssen. Belisar befahl daher dem Quästor Archelaos, der die Flotte befehligt, sich nicht an Karthago selbst zu wagen, sondern, nach Umschiffung des Vorgebirges, vor Anker zu gehen und weitere Befehle zu erwarten. Da wir nun also morgen zum erstenmal ungedeckt von den treuen Begleitern, den Schiffen, vorrücken müssen, auch der Weg vor Decimum durch schlimme Engen führen soll, hat Belisarius die Zugordnung für morgen sorgfältig im voraus festgestellt und sie schriftlich allen Führern, heute Abend schon, zugehen lassen, morgen früh beim Aufbruch Zeit zu sparen.


Die Tuba weckt die Schläfer mit kriegerischem Ton. Wir brechen auf. Ein Adler fliegt von Westen her aus der Wüste über unser Lager.

Es verlautet, auf unsern alleräußersten Vorposten im Westen habe in der Nacht das erste Zusammentreffen mit ein paar feindlichen Reitern stattgefunden. Einer unserer Hunnen sei gefallen, und einer ihrer Geschwaderführer, Bleda, werde vermißt. Allein ich konnte nichts Bestimmtes erfahren. Wohl nur ein Lagergerücht, wie es die Ungeduld der Erwartung schon ein paarmal ausgeheckt hat. Heute Nacht kommen wir also nach Decimum: – morgen Nacht vor die Thore von Karthago: – und wo bleiben die Vandalen?«

 


 


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