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XLVI.

Der Winter war vorüber. Der frühe südliche Lenz zog mit Mandelblütenduft über Hellas, über Thessalien, wo Mardonios inmitten der ihm wohlgesinnten Fürsten des Landes mit seinem Heere sein Winterlager aufgeschlagen hatte. Die Athener, die wieder in ihre verbrannte Stadt eingezogen waren, – die sie aber nur notdürftig wiedererbaut hatten wegen der Unsicherheit der kommenden Dinge – und die Peloponnesier, die die Mauer über den Isthmos von Korinth vollendet hatten, glaubten, der Augenblick sei gekommen, um ihre gemeinschaftliche Flotte, hundertzehn Schiffe, nach Aigina zu schicken: Leutychides, Sohn des Menares, war Strategos und Nauarchos über die peloponnesischen, Xanthippos, Sohn des Ariphron, über die athenischen Schiffe.

Denn Themistokles lernte Persisch. Themistokles lernte Persisch, nachdem er den dreifachen Hafen Piräus bei Athen gegründet hatte, weil die Bucht von Phaleron sich für eine emporstrebende Macht, wie sie die athenische Flotte darstellte, als zu klein erwies. Themistokles lernte, nachdem er um Athen Mauern errichtet hatte – er hatte als Gesandter in Sparta die Verhandlungen so lange hingeschleppt, bis die Mauern um Athen plötzlich eine vollendete Tatsache bildeten – Themistokles lernte Persisch. Aus welchem Grunde, hätte er selbst vielleicht nicht sogleich zu sagen vermocht. Vielleicht empfand er es, daß Athen einen, der im Staate zu mächtig wurde, einen, der zu viel tat und getan hatte, einen, der den Staat zu so großem Ansehen über die anderen hellenischen Staaten erhoben hatte, nicht dauernd lieben werde. Möglich, daß Themistokles aus diesem Grunde Persisch lernte. Es war, als ahne er, was in späteren Jahren kommen werde: die wütenden Anklagen Spartas, daß er mit dem König von Persien gemeinsame Sache gemacht habe, und dann seine Verbannung und seine Flucht.

Seine Flucht nach Persien lag zwar im Augenblick noch in ferner Zukunft, nun, da Themistokles, als habe er vorausschauend die Zukunft geahnt, Persisch lernte.

Inzwischen arbeitete Mardonios seinen großen Angriff aus. Er überlegte ihn mit den befreundeten thessalischen Fürsten und tat noch mehr: er entsandte Mys, einen Griechen und keinen Perser, zu allen Orakeln von Hellas. Aber es hatte den Anschein, als sei Mardonios nach seiner prächtigen Geste, nachdem er vor Xerxes kniend versichert hatte, daß er die Griechen unter Persiens Joch zwingen oder sterben werde, finster geworden und mißtrauisch. Der Winter voll gespannter Erwartung war wie eine Verbannung hier in Thessalien, und Mys kehrte zurück mit verschiedenen Antworten verschiedener Orakel, und Mardonios wurde dadurch nicht freudiger gestimmt.

Bevor er sich zu dem großen, entscheidenden Angriff entschloß, faßte Mardonios plötzlich den Gedanken, den Griechen den Frieden anzubieten.

Wozu eigentlich dieser Krieg, zu dem er selber so sehr gedrängt hatte aus Rache wegen seiner einstigen Niederlage vor zehn Jahren, als er noch ein begeisterter jugendlicher Feldherr gewesen, ein blühender Prinz, der die großen Dinge vor sich erstrahlen sah und der in Susa, umgeben von der Weichlichkeit und den Ränken der Frauengemächer, sich gelangweilt hatte? Wozu eigentlich dieser Krieg? Um Atossa lazedämonische und korinthische Sklavinnen zu verschaffen? Wozu dieser Krieg? Um Rache zu nehmen wegen der Einfälle der Griechen in Kleinasien? Mardonios wußte es selber kaum noch. Es schien, als sei er um zehn Jahre gealtert, er, der Schwager des Xerxes, während der träge sich hinschleppenden Monate, die der Niederlage von Salamis und der Flucht des Königs gefolgt waren. Gleich wie Xerxes schlief auch er nicht mehr, empfand er es nicht mehr mit solcher Gewißheit, was er wollte, war in ihm beinahe etwas wie ein Widerwille, den Krieg fortzusetzen. Er sehnte sich nach Persien, nach Susa, nach seiner Gemahlin Artozostra, nach seinen jungen Kindern. Er fühlte, wie gegen ihn eine geheime Kraft am Werke war, ein Schicksal, das in diesen feindlichen Lüften sich barg, wie sehr sie auch in diesen Tagen von den Düften der blühenden Mandeln durchtränkt sein mochten. Es schien, als schwebten die Götter von Hellas irgendwo hinter den langsam treibenden Frühjahrswolken im blauen Äther, als würden sie stärker sein denn Persiens Götter, was Xerxes auch immer behaupten mochte.

Mardonios fühlte sich müde und voller Heimweh. Nach Athen schickte er einen hohen Abgesandten, Alexandros, Sohn des Amyntas, Fürsten von Makedonien, der sehr persisch gesinnt war, aus persischer Sippe, eine durch und durch persische Seele und dazu befreundet mit den Athenern, die ihm von früher her viel schuldeten. Mardonios sandte Alexandros nach Athen, um zu bewirken, daß die starke, junge Seemacht die persische Hand nicht zurückweisen möge. Dann werde er, meinte Mardonios, mit den Verbündeten zu Lande schon fertig werden.

Es war ein Trugbild, geboren aus Erschlaffung. Es war ein schwacher Augenblick, über den sich Mardonios selber kaum Rechenschaft ablegte. Mardonios bot den Frieden an.


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