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XVIII.

Während der König der Könige mit seinem stets mehr anwachsenden Heere durch Thessalien zog, fuhr die ungeheure persische Flotte an der Küste von Magnesia entlang und warf Anker zwischen der Stadt Kasthanaia und dem Vorgebirge Sepias. Da waren keine Häfen, da war kein einziger Hafen. Die vorderste Reihe der Schiffe säumte mit ihren Schnäbeln den Strand. Die übrigen warfen Anker hinter den ersten. In acht Reihen lagen die Hunderte von Schiffen hintereinander verankert. Bereits vor der letzten Reihe fielen die Anker so tief, daß die Besatzungen ängstlich wurden. Die Nacht war dunkel und drohend. Eine kalte Brise wehte. Es war, als bedrohe Boreas, der eine athenische Jungfrau Oreithyia, Tochter des Enechtheus, geehelicht hatte, die persische Flotte mit seinen Nordstürmen. Hatte nicht ein Orakel verheißen, daß Athen auf die Hilfe seines Eidams rechnen dürfe? War nicht Boreas, der Nordwind, Athens Eidam? Athens Eidam blies in jener Nacht um die persischen Kiele, daß sie wankten, wankten auf den Wellen und gegeneinander tanzten. Das Ägäische Meer lag weit und schwarz unter einem schwarzen Nachthimmel und rollte seine hohen Wellen heran. Gegen Morgen erhob sich plötzlich ein starker Sturm. Das sei der Hellespontias, riefen die Bewohner der Küsten, die kamen, um den Seeleuten, die sich an ihren sich verwirrenden Tauen zu schaffen machten, Vorrat zu bringen. Es ward plötzlich ein rasender Sturm. Trotz des Morgengrauens blieb es Nacht, und der Orkan rollte die Wogen höher und höher und warf und schmetterte die Triremen gegeneinander. Die Besatzungen der ersten Schiffsreihe zogen diese an Land und lagen nun dort gleichsam gestrandet, aber geborgen vor der größten Gefahr. Doch die Schiffe, die Boreas auf offenem Meere umtobte, riß er von ihren Ankern los und schleuderte sie gegeneinander. Wütend zertrümmerte er sie oder blies sie mit himmelhohem Wellenschlag gegen die Felsen und Riffe des Pelion, der dort unmittelbar an der Küste wie eine lange, steile Schicksalsmauer seinen titanischen Schutz erhob. Bis nach Kasthanaia, bis nach Meliboia wurden die verzweifelten Schiffe verschlagen und zerschellten.

Drei Tage und Nächte dauerte die Katastrophe. Mehr als vierhundert Schiffe spülten am vierten Tage, da das sommerliche Meer wieder in Bläue lachte, ihre Wracks an, die Fetzen ihrer Segel und die Leichen ihrer Bemannung. Am Vorgebirge Sepias bewohnte ein Magnesier, Ameinokles, Sohn des Kretines, eine ausgedehnte Besitzung, die sich vom Gebirge bis an den felsigen Strand erstreckte. Während er den Tod seiner Söhne, die in dem Sturm umgekommen waren, mit all den Seinen laut beweinte, spülten die ruhigeren Wellen ihm spöttisch einen goldenen Becher nach dem anderen zu, rollten die silbernen Schalen, die noch nicht gesunken waren, ihm zu Füßen. An einem einzigen Tage entrissen die Götter ihm seine Nachkommenschaft und machten ihn gleichzeitig reich mit persischen Schätzen. Er wußte nicht, ob er weinen oder lachen solle.

Dann opferten die Magier den Winden, der Thetis und den Nereiden. Doch es war bereits ruhig geworden ohne diese Opfer. Indes sind die nutzlosesten Dinge, die die Menschen glauben tun zu müssen, insbesondere zur Versöhnung der Götter, von der allergrößten Schönheit, der Schönheit der Gebärde und des Gedankens.

Xerxes hörte nicht sogleich von der Katastrophe. Er war mit seinen Heeren durch Thessalien bis an den malischen Meerbusen gezogen. Seine Heere zählten jetzt annähernd sechs Millionen Mann. Das Land war überall leer gegessen, die Flüsse waren ausgetrunken. Es schien, als sei Xerxes in diesen Tagen gewachsen. Seine Gestalt war größer und erschien königlicher denn je. In seinem umherschweifenden Blick lag indes eine seltsame Unruhe, und seit der Heerschau von Doriskos schlief er schlecht. Am Ufer des malischen Meerbusens ist jeden Tag mehr als einmal Ebbe und Flut, und Xerxes starrte auf die Flut und auf die Ebbe, wenn die eine sich seinen Füßen näherte, wenn die andere sich zurückzog über den feuchten, gerillten Sand. Er dachte nach und träumte, wenn er eben eingeschlafen war, von der Ebbe und von der Flut.

Jetzt war er um den malischen Meerbusen herum in die Ebene von Trachis gelangt. Die Gegend hier fesselte ihn, weil sie übervoll war von Erinnerungen an Herakles, den Sohn des Zeus und den großen Helden von Hellas. Dort hinter der Stadt Trachis, dem alten Herakleia, reckte sich der Öta, auf dessen Gipfel Herakles auf dem Scheiterhaufen seine Seele den Göttern ausgehaucht hatte. Es sei hier sehr fesselnd, meinte Xerxes, während er sich umschaute. Zwischen den beiden Flüssen Melas und Asopos über die weite Ebene in Sehweite vom Meere breitete sich die Zeltwelt seiner Heere aus.

Mit seinen Feldherren beratschlagte Xerxes, wie er weiter nach Hellas hineinziehen solle. Denn die Berge, zu denen er aufblickte, erschienen ihm wie eine unübersteigbare Mauer. Da wurde Ephialtes, der Verräter, vor ihn geführt.


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