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Unabsehbar, unwahrscheinhch groß erscheint der Tempel des Heliogabal, obwohl er in Wirklichkeit viel kleiner ist als das Heiligtum zu Emesa; unabsehbar, unwahrscheinlich groß schimmert der Tempel in der Nacht in dem flackernden Licht der Fackeln, während Antoninus, mit rotem Opfermantel bekleidet, von sechs Magiern umgeben, sich nähert. Mit großen, blutroten Blumen ist die Schleppe seines Gewandes geschmückt. In diesen Tagen ist Antoninus ernst und wehmütig, lässig und gleichsam gebrochen von einer Schwere, die auf seiner Seele lastet, und seine schönen Züge erscheinen noch weiblicher, während er starr vor sich hinblickt und die schmalen Lippen fest geschlossen hält. Wo ist sein lockendes Lächeln, wo sein verführerischer Blick? Er grübelt, er starrt und geht langsamen, lässigen Schrittes zwischen den großen, schwarzbärtigen Magiern, die, mit hoch erhobenen Händen hinter den Fackelträgern des Tempels einherschreitend, dem Schwarzen Stein sich nähern. Der stellt dort in der Ferne, kaum sichtbar in dunstig rotem Qualm, einen Kegel dar auf hohem Altar, um den sich drei terrassenförmig ansteigende Umgänge hinziehen. Es ist tiefe Nacht; Rom schläft. Niemand im Palast und in der Stadt weiß, daß der Kaiser sich mit den Magiern im Tempel aufhält: nur Aristomachos und Antiochianus und wenige Prätorianer, unnötige Wachen, da der Kaiser so beliebt ist, daß er nichts zu fürchten braucht. Hoch aufgerichtet stehen die beiden Fackelträger zu beiden Seiten des Schwarzen Steines. Antoninus ist die Stufen emporgeschritten. – Es ist das Gleiche wie zu Emesa und doch nicht das Gleiche ... Dort ist der Tempel größer, die Apadana unabsehbarer, das Heiligtum heiliger. Dieser Tempel des Heliogabal, wie er auch leuchten möge von Marmor, Gold, Jaspis, Chrysolith, von riesengroßen Gemmen und dem neuen Symbol, den Adlern der Sonne – ist doch nur eine Herberge für den Gott, so wie Rom selbst Antoninus nur noch wie eine nächtliche Taberne erscheint ... Wie eine Blume schwer sinkt des Antoninus rot umkränztes Haupt vornüber, dort auf den höchsten Stufen des Altars, und seine Stirn berührt den Schwarzen Stein, den er fromm und ehrfürchtig mit seinen nackten Armen umfängt. Die wenigen Magier stimmen, die Hände hoch erhebend, die Hymne an, während Antoninus betet: »Sancte Deus Sol, Deus Invicte Sol, Sancte Deus Heliogabale.«
Ein Geheimnis vollzieht sich dort in dem Tempel; ein Priester ist von seitwärts eingetreten und trägt in seinen Armen, unter einem durchsichtigen Gewebe halb verborgen, ein Kindchen, sehr klein noch, das wimmert und ächzt, als verlange es nach der Mutter. Antoninus hat das Haupt nicht erhoben; noch immer liegt er über den Stein gebeugt, wärmt ihn mit der Wärme seiner Stirn, während die Kühle des Steines ihn wohlig umfängt. Er betet mit großer Inbrunst: »Gott, großer Gott, unbesiegbarer Gott, großes, unbesiegbares Licht: schenke mir Glück für mein irdisches Leben in meiner Liebe zu Hierokles ... Füge es, oh Allmacht, daß die Vorzeichen günstig seien... Günstig ist mir das Wetterleuchten, günstig liegt mir das Eingeweide der heiligen Hühner... günstig deutet mir der Augur der Vögel Flug. Du, Allmacht, großer Gott, füge es so, daß die Magier das Eingeweide in dem zuckenden Körper des Säuglings günstig gezeichnet finden. Du ewiges Licht, das du auf mich herabfunkeltest, von dem einen Teil ich ausmache, unvollkommen in demütiger Menschlichkeit, ohne das Gleichgewicht in meiner Zweieinigkeit gefunden zu haben ...«
Der Kaiser hat nach dem Gebet den Kopf nicht erhoben, sondern lauscht dem Wimmern und Ächzen des Kindleins. Der Priester hat es auf den Opferaltar niedergelegt und ob der Kälte der marmornen Opferplatte beginnt der Säugling laut zu weinen. Gedämpft, die Hände erhoben, stimmen die fünf Magier die Hymne an: »Sancte Deus Sol, Deus Invicte Sol.. .« Der sechste, der Archimagus, zückt das goldene Messer, plötzlich schnellen die großen Hände der Magier wie in einer einzigen Bewegung auf das Kind herab, drücken es auf die Platte, das goldene Messer blitzt auf und trifft das Kind mit einem sicheren Schnitt quer über das zitternde Bäuchlein. Ein Schrei ... das Blut spritzt auf, ergießt sich dünn und unsichtbar über die roten Mäntel. Fünf Magier entnehmen dem noch zuckenden Körper die Eingeweide und breiten sie auf goldener Schale behutsam aus; andächtig prüfen sie die Voraussagungen der zarten Eingeweide, die heute die Zukunft verheißen.
»Göttlicher Antoninus, gnädig ist dir der Gott!« rufen die Magier aus, »günstig die Zukunft! Heil, göttlicher Antoninus, du angebetete Verkörperung des Heliogabal! Heil dir, der du zwei bist in Einem! Und Heil Hierokles, dem Gemahl, den du dir erwähltest!«
Nun hat der Kaiser die Stirn erhoben. Ein tiefer Seufzer entringt sich langsam seiner Brust. Welch eine Befreiung! Welch ein Glück! Denn sicherer als Blitz und Hühnereingeweide und der Flug der Vögel deutet das Eingeweide eines zarten, von Magierhand getöteten Säuglings die Verborgenheit der Zukunft...
Mit weit geöffneten, starren Augen, ein Lächeln um die halbgeöffneten Lippen, hat Antoninus den Stein umarmt, die Lippen auf den schwarzen Monolithen gepreßt. So fromm und dankbar fühlt er sich, daß er in Ekstase verweilen möchte, während die Magier eintönig weiter singen und stets von neuem die Hymne anstimmen. Doch nun vergißt er seine Devotion, löst die Arme von dem angebeteten Symbol, wendet sich und schreitet die Stufen hinab. Seine veilchendunklen Augen schmachten vor Glückseligkeit. Langsam schreitet er die Stufen des Hochaltars hinab; er wagt es nicht, den Blick auf das Eingeweide des Kindes zu richten, aus Furcht, er könne anderes sehen als die Magier. Sie wissen es, sie haben das Glück verheißen. Hierokles, Hierokles...! Die Arme breitet er seiner Liebe entgegen... Bevor er geht, läßt er dankbar seinen Blick durch den Tempel schweifen. Dort liegen aufgestapelt Teppiche und goldene Quasten und frisch besprengte Lorbeergewinde in dunklen Massen, zur Ausschmückung des Tempels bestimmt; denn am Abend soll die Hochzeitsfeier stattfinden. Dankbar lässt Antoninus seinen Blick durch den Tempel schweifen... unermesslich erscheint das Heiligtum, über dem die Sterne funkeln; doch es sind nicht die Sterne von Emesa... Rom ist eine Taberne... in Rom aber ist Hierokles dem Antoninus erschienen und beinahe könnte er Rom liebgewinnen, weil das Glück ihm hier genaht ist... das sichere Glück, nun, da die Magier ihm günstig geweissagt haben.