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Im Gerstenmonat, das ist der Oktober, war Ulenspiegel in Gent und sah Egmont von einem Festgelage kommen, das er in der vornehmen Gesellschaft des Abts von St. Bavon gefeiert hatte. Er summte träumend vor sich hin und ließ sein Pferd im Schritt gehen. Plötzlich gewahrte er einen Mann, der, eine brennende Laterne in der Hand, neben ihm herging.
»Was willst du von mir?« fragte Egmont. »Gutes«, erwiderte Ulenspiegel, »Gutes, wie es an einer Laterne ist, die man angezündet hat.« »Du willst wohl einen Peitschenhieb abbekommen?« »Ich wollte gern ihrer zehn bekommen, wenn ich Euch so eine Laterne in den Kopf stellen könnte, die Euch klar von hier nach dem Eskorial sehen lassen könnte.« »Mich kümmert weder deine Laterne noch der Eskorial«, antwortete der Graf. »So, so!« sagte Ulenspiegel, »mich aber brennt es, Euch einen Fingerzeig zu geben.«
Dann faßte er das Pferd, das ausschlug und sich bäumte, am Zügel und sprach: »Mein edler Herr, bedenket, daß Ihr jetzt auf Eurem Pferd tänzelt und daß auch Euer Kopf auf Euern Schultern in Ruhe tänzelt, daß aber der König, wie man sagt, diesen schönen Tanz unterbrechen und Euch wohl Euern Körper lassen, aber Euern Kopf in einem so weit entfernten Lande tanzen lassen will, daß Ihr ihn niemals wieder holen könnt. Gebt mir einen Gulden, ich hab' ihn wohl verdient.«
»Die Peitsche, wenn du dich nicht davonmachst, du übler Berater!« »Mein edler Herr, ich bin Ulenspiegel, der Sohn Claesens, der den Feuertod für seinen Glauben fand, und Soetkins, die vor Schmerz verstarb. Die Asche schlägt über meiner Brust und sagt mir, daß Egmont, der tapfere Soldat, mit den Truppen, die er kommandiert, dem Herzog von Alba sein dreimal siegreiches Heer entgegenstellen könnte.« »Geh«, antwortete Egmont, »ich bin kein Verräter.« »Rette das Land, du allein vermagst es zu tun!« sagte Ulenspiegel.
Der Graf machte Miene, Ulenspiegel zu peitschen, aber der hatte nicht darauf gewartet, sondern machte sich davon und rief: »Esset Laternen, esset Laternen, Herr Graf! Rettet das Land!«
An einem anderen Tage hielt Egmont, den der Durst quälte, vor der Herberge »Zum Bunten Ferkel«, die von einer Frau aus Courtrai, einem liebenswürdigen Frauenzimmer, bewirtschaftet wurde, das Musekin – Mäuschen – genannt wurde. Der Graf stellte sich in die Steigbügel und rief: »Zu trinken!« Ulenspiegel, der bei Musekin diente, kam auf den Grafen zu, reichte ihm mit einer Hand einen Zinnhumpen und mit der andern eine Flasche voll Rotwein.
Der Graf sah ihn an und sagte: »Du hier, du Rabe der schwarzen Weissagung!« »Mein edler Herr«, sagte Ulenspiegel, »wenn meine Weissagung schwarz ist, so kommt das daher, daß sie schlecht gewaschen ist, aber sagt mir, was ist röter: der Wein, der durch die Kehle fließt, oder das Blut, das aus dem Halse spritzt? Das ist's, wonach meine Laterne gefragt hat.«
Der Graf antwortete nicht, trank, bezahlte und entfernte sich.
Ulenspiegel und Lamme, die jeder auf einem Esel ritten, den ihnen Simon Simonsen geschenkt hatte, einer der Vertrauten des Prinzen von Oranien, Ulenspiegel und Lamme ritten durch alle Ortschaften und unterrichteten die Bürger von den schwarzen Plänen des Blutkönigs und waren immer auf dem Posten, um die Neuigkeiten zu erfahren, die aus Spanien kamen. Als Bauern verkleidet, verkauften sie Gemüse und liefen über alle Märkte.
Als sie vom Brüsseler Markt zurückkehrten, sahen sie in einem steinernen Haus am »Quai aux Briques« in einem ebenerdigen Saal eine schöne in Atlas gekleidete Dame von lebhaften Gesichtsfarben, stattlicher Büste und strahlenden Augen. Sie sagte zu einem jungen, munteren Scheuermädchen: »Reibe mir diese Pfanne ab, ich liebe die Soße nicht mit Rost!«
Ulenspiegel steckte die Nase durchs Fenster und sagte: »Was mich betrifft, ich liebe alles, wie es ist, denn ein hungriger Wanst sucht sich die Braten nicht aus.« Die Dame wandte sich um und sagte: »Wer ist das Männlein, das sich in meine Suppe mischt?« »Ach, schöne Dame!« sagte Ulenspiegel, »wenn Ihr mich nur Euch Gesellschaft leisten ließet, würde ich Euch in Wanderer-Ragouts unterweisen, wie sie schönen Damen, die im Hause sitzen, unbekannt sind.« Dann schnalzte er mit der Zunge und sagte: »Ich habe Durst!« »Auf was?« fragte sie. »Auf dich«, antwortete er.
»Das ist ein hübscher Mann«, sagte das Scheuermädchen zu der Dame. »Lassen wir ihn eintreten, und er soll uns seine Abenteuer erzählen.« »Es sind aber zwei«, sagte die Dame. »Für einen will ich sorgen«, sagte das Mädchen. »Madame«, sagte Ulenspiegel, »wir sind zwei, das ist wahr, ich und mein armer Lamme, der keine hundert Pfund auf dem Rücken tragen kann, der aber gerne fünfhundert an Fleisch und Wein im Magen trägt.« »Mein Sohn«, sagte Lamme, »mache dich nicht lustig über mich Unglückseligen, den es soviel Geld kostet, seinen Wanst zu füllen.« »Heute wird es dich keinen Heller kosten«, sagte die Dame, »kommt beide herein!«
»Es sind aber auch noch zwei Esel da, auf denen wir sitzen«, sagte Lamme. »Im Stall des Herrn Grafen von Meghem fehlt es nicht an vollen Scheffeln«, sagte die Dame.
Das Scheuermädchen ließ seine Pfanne im Stich und führte Ulenspiegel und Lamme auf ihren Eseln, die alsogleich zu schreien begannen, in den Hof. »Das ist die Fanfare der nahenden Mahlzeit«, sagte Ulenspiegel, »sie trompeten ihre Freude aus, die armen Esel.« Als die beiden abgestiegen waren, sagte Ulenspiegel zu der Köchin: »Wenn du eine Eselin wärest, würdest du einen Esel, wie mich, wollen?« »Wenn ich eine Frau wäre«, sagte sie, »so wollte ich einen Burschen mit fröhlichem Gesicht.« »Was bist du denn, wenn du weder Frau noch Eselin bist?« fragte Lamme. »Ich bin Jungfrau«, sagte sie, »und eine Jungfrau ist keine Frau, viel weniger eine Eselin, begreifst du, Dickwanst?«
Ulenspiegel sagte zu Lamme: »Glaub ihr nicht, sie ist die Hälfte einer Schelmendirn und das Viertel von zwei Teufelinnen. Wegen ihrer fleischlichen Bosheit wird schon ein Platz in der Hölle für sie bereitgehalten, auf einer Matratze, wo sie Beelzebub verzärteln soll.« »Boshafter Spötter!« sagte die Köchin, »wenn deine Haare das Futter dazu wären, wollte ich nicht einmal darauftreten.« »Was mich betrifft«, sagte Ulenspiegel, »so möchte ich deine Haarkrone aufessen.«
»Eine goldene Zunge!« sagte die Dame, »mußt du alle ihre Haare haben?« »Nein«, antwortete Ulenspiegel, »tausend würden mir genügen, wenn sie in eines von den Euren verwandelt würden!«
Die Dame sagte: »Trink zunächst eine Kanne Braunbier, iß ein Stück Schinken, schneide dir von diesem Hammelbraten ab, weide mir diese Pastete aus und schlürf diesen Salat.« Ulenspiegel faltete die Hände und sagte: »Der Schinken ist ein gutes Fleisch, das Braunbier ist ein himmlisches Bier, der Hammel ist ein göttlicher Braten, eine Pastete, die man ausweidet, läßt einem die Zunge im Mund erbeben vor Vergnügen, ein fetter Salat ist eine fürstliche Leckerei. Aber beglückt wird der sein, dem Ihr nach Speis' und Trank des Nachts Eure Schönheit schenkt.« »Sieh einer, wie der schwatzt«, sagte sie, »iß zunächst einmal, Taugenichts!« Ulenspiegel erwiderte: »Wollen wir nicht das Benedikte vor der Gnade sprechen?« »Nein«, sagte sie.
Und Lamme seufzte: »Ich habe Hunger.« »Du wirst gleich essen«, sagte die Dame, »da du ja keine anderen Sorgen hast als die um den Braten.« »Wenn er ebenso knusperig ist wie meine Frau!« sagte Lamme. Das Scheuermädchen wurde ob dieser Rede verdrießlich. Immerhin aßen sie, was das Zeug halten wollte, und tranken in vollen Zügen. Und die Dame gewährte Ulenspiegel noch in derselben Nacht das erbetene Gelage und tat so auch in den folgenden Tagen.
Die Esel bekamen doppelte Scheffel und Lamme doppelte Ration. Eine Woche lang verließ er die Küche nicht und beschäftigte sich angelegentlich mit den Schüsseln, nicht aber mit der Köchin, denn er gedachte seiner Frau. Das kränkte das Mädchen, und es sagte, daß es nicht die Mühe lohne, die arme Welt mit so einem Dickwanst zu beschweren, der an nichts andres als an seinen Bauch denke.
Inzwischen pflegten Ulenspiegel und die Dame vertrauten Umgang. Eines Tages sagte sie zu ihm: »Thyl, du bist sittenlos! Wer bist du eigentlich?« »Ich bin ein Sohn des glücklichen Zufalls, der mich eines Tages mit der Frau vom Guten Abenteuer zeugte.« »Damit verunglimpfst du dich nicht«, sagte sie. »Das sage ich aus Angst davor, daß die anderen mich nicht loben«, antwortete er. »Würdest du die Verteidigung deiner Brüder, die man verfolgt, auf dich nehmen?« »Die Asche Claesens schlägt über meiner Brust«, erwiderte Ulenspiegel. »Wie schön bist du jetzt!« sagte sie, »wer ist das, Claes?« Ulenspiegel antwortete: »Mein Vater, der für den Glauben verbrannt wurde.« »Der Graf von Meghem gleicht dir nicht«, sagte sie, »denn er will das Blut meines geliebten Vaterlandes vergießen, ich bin nämlich in Antwerpen, der ruhmreichen Stadt, geboren. Wisse, daß er mit Scheyf, dem Ratsherrn von Brabant, im Einverständnis ist, um seine zehn Regimenter Fußvolk in Antwerpen einmarschieren zu lassen.« »Ich werde es den Bürgern anzeigen«, sagte Ulenspiegel, »und ich gehe auf der Stelle, schnell wie ein Gespenst.«
Er machte sich auf den Weg, und am nächsten Tage standen die Bürger unter Waffen. Für alle Fälle hatten Ulenspiegel und Lamme ihre Esel bei einem Torwart Simon Simonsens untergebracht und versteckten sich aus Angst vor dem Grafen von Meghem, der sie suchen ließ, um sie zu henken. Denn man hatte ihm gesagt, daß zwei Ketzer von seinem Wein getrunken und von seinem Fleisch gegessen hätten. Er ward eifersüchtig und sagte es seiner schönen Dame, die knirschte vor Wut mit den Zähnen, weinte und fiel siebzehnmal in Ohnmacht. Die Köchin tat ein gleiches, aber nicht so oft, und erklärte bei ihrem Anteil am Paradies und am ewigen Seelenheil, daß weder sie noch ihre Herrin etwas anderes getan hätten, als daß sie die Überreste des Mittagessens zwei armen Pilgern gegeben hätten, die, auf armseligen Eseln reitend, vor dem Fenster der Küche angehalten hätten. Und an diesem Tage wurden so viele Tränen vergossen, daß die Diele ganz feucht war. Als Herr von Meghem das sah, war er sicher, daß sie nicht gelogen hatten.
Lamme wagte nicht, das Haus des Herrn von Meghem zu betreten, denn die Köchin nannte ihn immerzu: »Meine Frau.« Und das schmerzte ihn sehr, denn er gedachte der guten Kost, aber Ulenspiegel brachte ihm immer irgendein gutes Gericht mit, denn er betrat das Haus durch die Rue Catherine und verbarg sich am Dachboden.
Am nächsten Tag teilte der Graf von Meghem seiner schönen Gemahlin um die Vesperstunde mit, daß er beschlossen habe, seine Truppen noch vor Tagesanbruch in 's-Hertogenbosch einmarschieren zu lassen. Dann legte er sich schlafen. Aber die schöne Gemahlin ging auf den Dachboden und erzählte Ulenspiegel, was sie erfahren hatte.
Ulenspiegel machte sich unverzüglich auf, um, ohne Wegzehrung und Geld, nach 's-Hertogenbosch zu gehen und die Bürger zu warnen. Er rechnete darauf, unterwegs bei Jeroen Praet, einem Bruder Simons, für den er Briefe vom Prinzen hatte, ein Pferd zu bekommen und dann in scharfem Trab die Wege entlang bis 's-Hertogenbosch reiten zu können. Während er die Landstraße überquerte, sah er einen großen Trupp von Soldaten und ward wegen der Briefe von großer Angst ergriffen. Aber er beschloß, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, blieb stehen und erwartete so, seine Paternoster murmelnd, die Soldaten.
Als sie an ihm vorbeikamen, marschierte er neben ihnen her und erfuhr, daß sie nach 's-Hertogenbosch zogen. Eine Abteilung Wallonen marschierte, vom Kapitän Lamotte mit seiner Garde von sechs Hellebarden geführt, an der Spitze, dann folgten, je nach ihrem Rang und mit einem Gardisten weniger, die anderen, der Profos mit seinen Hellebardieren und zwei Häschern, der Wachkommandant, der Troßführer, der Nachrichter und sein Gehilfe und Pfeifer und Trommler, die einen großen Lärm vollführten. Dann kam eine zweihundert Mann starke Abteilung Flamen mit ihrem Kapitän und Fähnrich, sie war in zwei Hundertschaften geteilt, die von Unteroffizieren befehligt wurden und sich selbst wieder in Zehnertrupps teilten, an deren Spitze die rot-meesters standen. Dem Profos und den Stockknechten gingen ebenfalls Pfeifer und Trommler voran.
Hinter ihnen kamen, mit schallendem Gelächter, zwitschernd wie Finken und singend wie Nachtigallen, trinkend und tanzend, stehend, liegend und rittlings sitzend, ihre Gefährtinnen, hübsche und tolle Mädchen, in zwei ungedeckten Karren. Einige waren wie Landsknechte, aber in feines, weißes Leinen gekleidet, mit Brustausschnitt und Schlitzen an Armen, Beinen und Hosen, die ihr liebliches Fleisch sehen ließen, sie trugen Kappen aus feinem Leinen, die an den Seiten mit Gold eingefaßt und mit schönen Straußfedern geschmückt waren. An ihren Gürteln von rotem Atlas, die mit Goldrosetten besetzt waren, hingen die aus goldgewebtem Tuch verfertigten Scheiden ihrer Dolche. Ihre Schuhe, Strümpfe, Hosen, Wämser, Verschnürungen und Knöpfe waren aus Gold und weißer Seide.
Andere wieder waren nach Landsknechtsart gekleidet, blau, grün, scharlachrot, azurfarben, karminrot, und je nach ihrer Phantasie waren ihre Kleider geschlitzt, bestickt und mit Wappen versehen. Und alle trugen am Arm das farbig gestickte Rädchen, das ihren Beruf kundtat. Ein hoer-wyfel, ihr Anführer, wollte sie zum Schweigen bringen, aber durch scherzhafte Grimassen und Reden zwangen sie ihn zum Lachen und gehorchten ihm nicht.
Ulenspiegel marschierte neben den zwei Trupps wie ein kleines Boot neben einem großen Schiff und murmelte sein Vaterunser. Plötzlich fragte ihn Lamotte: »Wohin gehst du eigentlich, Pilger?« »Herr Kapitän«, sagte Ulenspiegel, der Hunger hatte, »ich habe einst eine große Sünde begangen und wurde von dem Domkapitel Unserer Lieben Frau verurteilt, zu Fuß nach Rom zu gehen und von dem Heiligen Vater Vergebung zu erflehen, was er mir auch gewährt hat. Rein gewaschen kehre ich in dieses Land zurück, mit der Verpflichtung, allen Soldaten, die mir unterwegs begegnen, die heiligen Mysterien zu predigen, und die sollen mir als Entgelt für meine Predigten Brot und Fleisch geben. Und so redend, friste ich mein armes Leben. Gebt Ihr mir die Erlaubnis, meinem Gelübde bei der nächsten Rast nachzukommen?« »Ja«, sagte Herr von Lamotte.
Die tollen Mädchen steckten ihre lebhaften Gesichter aus dem Wagenplan heraus und sagten: »Du bist zu jung, um den Soldaten was vorzuschwatzen. Steig zu uns in den Karren, wir wollen dich süßer sprechen lehren.« Ulenspiegel hätte gern gehorcht, konnte es aber nicht wegen seiner Briefe. Schon streckten zwei von ihnen ihre runden, weißen Arme aus dem Karren, um ihn zu sich heraufzuziehen, aber der Hurenweibel war eifersüchtig und sagte zu Ulenspiegel: »Wenn du dich nicht aus dem Staub machst, so werd' ich dir die Gurgel durchschneiden!« Ulenspiegel entfernte sich ein gutes Stück und sah betrübt den munteren Mädchen nach, die von der Sonne, die den Weg beschien, golden überstrahlt wurden.
Man kam nach Berchem. Philipp de Lannoy, Sieur de Beauvoir, der Kommandant der Flamen, befahl, daß Rast gemacht werde. An dieser Stelle stand eine Eiche mittlerer Größe, die ihrer Äste beraubt war bis auf einen starken in der Mitte geknickten Ast, an dem man im vergangenen Monat einen Wiedertäufer aufgeknüpft hatte. Die Soldaten machten halt, und die Marketender kamen zu ihnen, um ihnen Brot, Wein, Bier und allerlei Fleischspeisen zu verkaufen. Den ausgelassenen Mädchen verkauften sie Zuckerwerk, Kastanien, Mandeln und Törtchen. Als Ulenspiegel das sah, wuchs sein Hunger noch mehr.
Plötzlich kletterte er wie ein Affe auf den Baum und setzte sich rittlings auf den breiten Ast, der sieben Fuß über der Erde war, dort begann er, sich mit einer Peitsche zu schlagen, während die Soldaten und die tollen Mädchen einen Kreis um den Baum bildeten, und er sprach: »Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes! Amen. Es steht geschrieben: Wer den Armen gibt, der leiht Gott! Soldaten und ihr, schöne Damen, herrliche Liebesgefährtinnen dieser tapferen Krieger, leihet Gott! Das will sagen: Gebet mir Brot, Fleisch, Wein, Bier, und wenn's euch beliebt, auch Törtchen, und der Herrgott, der reich ist, wird es euch wiedergeben in Gestalt von Haufen von Fettammern, Bächen von Malvasier, Bergen von Kandiszucker und rystpap, den ihr im Paradies mit silbernen Löffeln essen werdet!« Dann fuhr er klagend fort: »Seht ihr nicht, durch welch grausame Leiden ich die Verzeihung meiner Sünden zu verdienen suche? Wollt ihr mir nicht den brennenden Schmerz mildern, den mir die Peitsche bereitet, die meinen Rücken wund und blutend macht?«
»Wer ist dieser Narr?« fragten die Soldaten.
»Meine Freunde«, antwortete Ulenspiegel, »ich bin nicht närrisch, sondern reuig und hungrig, denn während mein Geist seine Sünden beklagt, weint mein leerer Wanst über die Abwesenheit eines Bratens. Gesegnete Soldaten und ihr, schöne Mädchen, ich sehe da in euren Händen Schinken, Gänsebraten, Würste, Wein, Bier und Törtchen. Wollt ihr dem Pilger nichts geben?« »Ja, ja«, sagten die flämischen Soldaten, »er hat ein gutes Prassergesicht, der Prediger.« Und alle warfen ihm Stücke ihres Essens zu wie Bälle. Ulenspiegel blieb rittlings auf seinem Ast sitzen und aß und sprach ohne Unterlaß.
»Der Hunger«, sagte er, »macht die Menschen dem Gebet gegenüber hart und unzugänglich, aber der Schinken vertreibt diese garstige Verstimmung urplötzlich.« »Gib acht, Hohlkopf!« rief ein Unteroffizier und warf ihm eine halbvolle Flasche zu. Ulenspiegel fing die Flasche im Flug auf und trank in kleinen Zügen. »Wie der wütend nagende Hunger für den armen Leib des Menschen ein schädlich Ding ist«, sagte er, »so ist auch noch etwas anderes verderblich: das ist eines armen Pilgers Herzensangst vor großmütigen Soldaten, von denen einer ihm eine Scheibe Schinken gibt und der andere eine Flasche Bier. Denn der Pilger ist gewohnterweise nüchtern, und wenn er, mit so winziger Nahrung im Magen, trinkt, so ist er gleich betrunken.« Während er so sprach, fing er wieder etwas im Flug, diesmal eine Ganskeule. »Das ist eine wunderliche Sache, in der Luft die Wiesenfische zu fangen«, sagte er, »aber sie sind schon samt den Knochen verschwunden. Was ist durstiger als trockener Sand? Ein unfruchtbares Weib und ein hungriger Magen.«
Plötzlich fühlte er sich von dem Eisen einer Hellebarde ins Gesäß gepiekt und hörte von einem Fähnrich sagen: »Verschmähen die Pilger neuerdings Hammelfleisch?« Ulenspiegel sah eine große Hammelstelze, die auf die Hellebarde aufgespießt war, er nahm sie und sagte: »Ich liebe diese Stelzen über alles und werde mit meinen Zähnen eine Flöte daraus machen, um dein Lob zu singen, barmherziger Hellebardier.«
Plötzlich begannen die Tamboure zu trommeln und die Pfeifer zu spielen, und die Soldaten machten sich auf den Marsch. Herr von Beauvoir sagte zu Ulenspiegel, daß er von seinem Baum herabsteigen und neben der Truppe hergehen solle, er wünschte sich hundert Meilen weit fort, denn er hatte die Reden einiger Soldaten mit mürrischen Gesichtern aufgefangen, aus denen hervorging, daß er ihnen verdächtig war, und er wußte, daß sie ihn in kurzem als Spion ergreifen, durchsuchen und henken würden, wenn sie seine Sendschreiben fänden. Darum ließ er sich in einen Graben fallen und rief: »Erbarmen, ihr Herren Soldaten! Mein Bein ist gebrochen, ich kann nicht mehr weitergehen, lasset mich in den Karren der Mädchen steigen!« Aber er wußte sehr gut, daß der Hurenweibel ihm das nicht erlauben würde.
Die Mädchen riefen ihm aus ihren Karren zu: »Komm doch, freundlicher Pilger, komm! Wir werden dich lieben, liebkosen, feiern und in einem Tag kurieren!« »Ich weiß das«, sagte er, »eine Frauenhand ist ein himmlischer Balsam für alle Wunden.« Aber der eifersüchtige Hurenweibel sagte zu Herrn de Lamotte: »Mein Herr, ich glaube, daß dieser Pilger sich über uns lustig macht mit seinem gebrochenen Bein, er will nur in den Karren der Mädchen steigen. Befehlet doch, daß man ihn auf dem Weg zurücklasse.« »Ich will es tun«, antwortete Herr de Lamotte, und Ulenspiegel wurde im Graben liegengelassen. Etliche Soldaten, die glaubten, daß er sich wirklich den Fuß gebrochen habe, waren darüber zornig, weil sie an seinem Frohsinn Freude hatten; sie ließen ihm Fleisch und Wein für zwei Tage zurück. Die Mädchen wollten ihm gerne helfen, aber sie konnten es nicht und warfen ihm alle Kastanien zu, die ihnen übriggeblieben waren.
Als die Truppe sich entfernt hatte, schlug sich Ulenspiegel mit seinem Pilgergewand in die Büsche, kaufte ein Pferd und sauste wie der Wind über Straßen und Pfade dahin nach 's-Hertogenbosch.
Auf die Nachricht von dem Kommen der Herren Beauvoir und Lamotte bewaffneten sich die Bürger der Stadt, achthundert an der Zahl, ernannten Hauptleute und sendeten Ulenspiegel, als Köhler verkleidet, nach Antwerpen, um die Hilfe Brederodes, des Herkules der Trinker, zu erbitten. Und die Soldaten Lamottes und Beauvoirs konnten nicht in 's-Hertogenbosch, der wachsamen, zu tapferer Verteidigung bereiten Stadt, einmaschieren.
Im folgenden Monat gab ein gewisser Doktor Agileus Ulenspiegel zwei Gulden und etliche Briefe, mit denen er sich zu Simon Praet begeben sollte, der ihm sagen würde, was er weiter zu tun hätte.
Ulenspiegel fand bei Praet Verköstigung und Obdach. Sein Schlaf war gut und sein jugendlich strahlendes Gesicht stets fröhlich. Der ärmliche Praet trug, im Gegensatz zu ihm, eine bekümmerte Miene zur Schau und schien stets in traurige Gedanken versunken zu sein.
Wenn Ulenspiegel zufällig des Nachts erwachte, erstaunte er, Hammerschläge zu hören. Wenn dann der Morgen anbrach, stand Praet vor ihm, und seine Miene war noch bekümmerter, und seine Augen waren noch trauriger und hatten einen Glanz wie die eines Menschen, der sich auf den Tod oder die Schlacht bereitet. Oft seufzte Praet, faltete die Hände zum Gebet und schien immer voll Entrüstung zu sein. Seine Finger wie auch seine Arme und das Hemd waren schwarz und fettig. Ulenspiegel beschloß, in Erfahrung zu bringen, woher die Hammerschläge, Praets schwarze Hände und seine Melancholie kamen. Als er eines Abends mit Simon, der nur ungern mithielt, in der Schenke »Zur Blauen Gans« gewesen war, tat er, als ob er vom Wein so betrunken wäre und einen so schweren Kopf hätte, daß er sich unverzüglich aufs Ohr legen müßte, und Praet führte ihn traurig heim. Ulenspiegel schlief am Dachboden bei den Katzen, Praet unten neben dem Keller. Ulenspiegel setzte seine Trunkenheit fort, stieg wankend die Treppe hinauf und hielt sich am Strick fest, als ob er zu stürzen drohte. Simon half ihm dabei mit der zärtlichen Fürsorge eines Bruders. Nachdem er ihn, über seine Trunkenheit klagend, zu Bett gebracht hatte, bat er Gott, er möge ihm vergeben und stieg in den Keller hinab, bald hörte Ulenspiegel die gleichen Hammerschläge, die ihn schon öfter geweckt hatten.
Er erhob sich geräuschlos und stieg bloßfüßig die schmalen Treppen hinab, nachdem er so zweiundsiebzig Stufen hinabgegangen war, fand er sich vor einer niedrigen Tür, durch die ein schmaler Lichtstreif drang. Simon bedruckte lose Blätter mit einer altertümlichen Schrift, wie sie zu Zeiten Laurenz Costers, des großen Förderers der edlen Druckerkunst, üblich gewesen war.
»Was machst du da?« fragte Ulenspiegel. Simon antwortete erschrocken: »Wenn du des Teufels bist, dann gib mich an, auf daß ich hingerichtet werde, bist du aber von Gott, dann sei dein Mund das Gefängnis deiner Zunge.« »Ich bin von Gott und will dir kein Leid tun«, sagte Ulenspiegel, »was machst du da?« »Ich drucke Bibeln«, antwortete Simon, »denn tagsüber fertige ich, um meine Frau und meine Kinder zu ernähren, die grausamen und bösen Edikte Seiner Majestät an, und des Nachts säe ich Gottes wahres Wort und mache so das Übel gut, das ich während des Tages anrichte.« »Du bist gut«, sagte Ulenspiegel. »Ich halte am Glauben fest«, sagte Simon.
In der Tat war es diese heilige Druckerei, aus der die flämischen Bibeln hervorgingen und von wo aus sie nach Brabant, Flandern, Holland, Zeeland, Utrecht, Nord-Brabant, Over-Yssel und Geldern verbreitet wurden, bis zu dem Tag, an dem Simon zur Köpfung verurteilt wurde, also beschloß er sein Leben im Dienste Christi und der Gerechtigkeit.
Eines Tages sagte Simon zu Ulenspiegel: »Höre, Bruder, hast du Mut?« »Ich habe davon soviel, wie nötig ist, um einen Spanier zu Tode zu peitschen, einen Meuchelmörder zu töten und einen Henker kaltzumachen«, sagte Ulenspiegel. »Könntest du dich«, sagte Simon, »geduldig in einem Kamin versteckt halten, um zu belauschen, was im Zimmer gesprochen wird?« Ulenspiegel antwortete: »Da ich durch Gottes Gnade starke Hüften und geschmeidige Knie mitbekommen habe, könnte ich wie eine Katze, wo ich wollte, lange Zeit aushalten.« »Hast du Geduld und ein gutes Gedächtnis?« fragte Simon. »Die Asche Claesens schlägt über meiner Brust«, antwortete Ulenspiegel.
»Höre also«, sagte der Buchdrucker, »du nimmst diese besonders zusammengefaltete Spielkarte, gehst nach Dendermonde und klopfst zweimal laut und einmal leise an die Tür des Hauses, dessen Äußeres hier abgebildet ist. Jemand wird dir öffnen und dich fragen, ob du der Schornsteinfeger bist. Du antwortest, daß du mager bist und daß du die Karte nicht verloren hast, und zeigst sie ihm. Dann, Thyl, tust du deine Pflicht. Großes Unheil schwebt über Flandern.
Man wird dir einen vorbereiteten und schon gefegten Kamin zeigen. Du wirst dort gute Steigeisen für deine Füße und ein kleines hölzernes Brettchen als Sitz vorfinden, das dich wohl tragen kann. Wenn der, der dir geöffnet hat, sagen wird, daß du in den Kamin steigen sollest, so tue es und bleibe ganz still. In dem Zimmer, in dessen Kamin du stecken wirst, werden vornehme Edle zusammenkommen; Wilhelm der Schweiger, der Prinz von Oranien, die Grafen Egmont, Hoorne und Hoogstraeten und Ludwig von Nassau, der tapfere Bruder des Schweigers. Wir Reformierten wollen erfahren, was diese Herren beginnen wollen und können, um das Land zu retten.«
Am ersten April führte Ulenspiegel aus, was man ihm aufgetragen hatte, und kroch in den Kamin. Er war zufrieden zu sehen, daß kein Feuer im Ofen brannte, und dachte, daß er, da es keinen Rauch gab, um so besser hören werde. Bald darauf wurde die Tür des Zimmers geöffnet, und eine heftige Zugluft ging ihm durch Mark und Bein. Aber er hielt geduldig aus und sagte sich, daß der Wind die Aufmerksamkeit wachhalte. Dann hörte er, wie Oranien, Egmont und die anderen das Zimmer betraten. Sie begannen von den Befürchtungen zu sprechen, die sie wegen des Zornes des Königs und wegen der schlechten Verwaltung des Münzwesens und der Finanzen hegten.
Einer sprach mit scharfer, hoher und klarer Stimme, das war Egmont, Ulenspiegel erkannte ihn ebenso, wie er Hoogstraeten an seiner heiseren Stimme erkannte, Hoorne an seiner lauten Stimme und den Grafen Ludwig von Nassau an seiner nüchternen und kriegerischen Art zu reden, schließlich unterschied er auch den Schweiger, der jedes Wort so langsam aussprach, als wöge er's erst ab.
Graf Egmont fragte, warum man sie ein zweites Mal versammelt hätte, da sie doch schon in Hellegat hinreichend Muße gehabt hätten, zu entscheiden, was sie beginnen wollten. Hoorne antwortete: »Die Stunden vergehen rasch, der König ist erzürnt, hüten wir uns zu zaudern!« Da sagte der Schweiger: »Das Land ist in Gefahr, es muß gegen den Angriff einer fremden Armee verteidigt werden.« Egmont antwortete entrüstet, daß er erstaunt sei, daß der König, sein Herr, glaube, ein Heer nach Flandern senden zu müssen, da doch durch die Bemühungen der Herren, vornehmlich durch seine eigenen, alles ganz friedfertig gestimmt sei. Doch der Schweiger sagte: »Philipp hat in den Niederlanden vierzehn Heeresabteilungen, deren sämtliche Soldaten dem ergeben sind, der sie bei Gravelines und St. Quentin befehligt hat . . .« »Das begreife ich nicht«, sagte Egmont. Der Prinz erwiderte: »Ich will weiter nichts sagen, aber es sollen Euch und den anderen versammelten Herren gewisse Briefe vorgelesen werden, zuerst die des armen Gefangenen Montigny. In diesen Briefen schreibt Herr Montigny unter anderem: »Der König ist über das, was sich in den Niederlanden zugetragen hat, höchlichst erbost und wird die Förderer der Wirren zur gegebenen Zeit bestrafen.«
Nun las der Graf Hoogstraeten die abgefangenen Briefe Alavas, des spanischen Gesandten, die an die Regentin gerichtet waren. »Der Gesandte«, sagte er, »schreibt, daß alles Übel, das über die Niederlande gekommen ist, das Werk der Drei sei, er meint die Herren Oranien, Egmont und Hoorne. ›Man muß‹, sagt der Gesandte, ›den drei Herren ein freundliches Gesicht zeigen und ihnen sagen, daß der König anerkenne, daß der Gehorsam in diesem Lande durch ihre Dienste aufrechterhalten worden sei.‹ Was Montigny und de Berghes beträfe, so seien sie dort, wo sie bleiben sollen.«
»Ach!« sagte Ulenspiegel bei sich, »mir ist ein rußiger Kamin in Flandern lieber als ein luftiger Kerker in Spanien, denn dort wachsen Knebel aus den feuchten Mauern.«
»Besagter Gesandter fügt hinzu, daß der König in Madrid gesagt habe: ›Durch all das, was sich in den Niederlanden zugetragen hat, wird Unser königliches Ansehen verringert, die Religion ist entwürdigt, und Wir werden eher alle Unsere anderen Länder den Beschwerlichkeiten des Krieges aussetzen, als einen solchen Aufruhr ungestraft lassen. Wir sind entschlossen, Uns in eigener Person nach den Niederlanden zu begeben und den Beistand des Papstes und des Kaisers anzusprechen. Das gegenwärtige Übel trägt den Samen des künftigen Guten in sich. Wir werden die Niederlande zu unbedingtem Gehorsam zurückführen und Kirche und Regierung nach Unserem Gutdünken umgestalten.‹«
Ach, dachte Ulenspiegel, wenn ich dich nach meiner Weise umgestalten könnte, König Philipp, so unterzöge ich deine Schenkel, Arme und Beine unter meinem flandrischen Stecken einer großen Umgestaltung, ich würde dir den Kopf mit zwei Nägeln in die Mitte des Rückens heften, um zu sehen, ob du auch in dieser Verfassung, während du auf den Friedhof blickst, den du hinter dir lassest, noch das Lied von der tyrannischen Umgestaltung nach deinem Gutdünken sängest.
Man brachte Wein zu Tisch. Hoogstraeten erhob sich und sagte: »Ich trinke auf das Wohl des Landes!« Alle folgten seinem Beispiel, und er fügte hinzu, indem er seinen leeren Humpen auf den Tisch stellte: »Für den belgischen Adel schlägt die Stunde des Ungemachs. Er muß über die Mittel zu seiner Verteidigung nachdenken.« Er erwartete eine Antwort und sah Egmont an, der aber sprach kein Wort. Doch der Schweiger begann: »Wir leisten Widerstand, wenn Egmont, der zweimal bei St. Quentin und bei Gravelines den Franzosen zittern machte und der den größten Einfluß auf die flämischen Soldaten hat, uns zu Hilfe kommen will, um den Spanier zu verhindern, in unsere Lande einzubrechen.«
Herr Egmont sprach: »Meine Meinung über den König ist zu achtungsvoll, als daß ich glauben könnte, er wolle uns zwingen, uns im Aufruhr gegen ihn der Waffen zu bedienen. Die seinen Zorn fürchten, ziehen sich zurück, ich werde bleiben, da ich ohne seine Hilfe keine Möglichkeit habe, zu leben.«
»Philipp kann sich grausam rächen«, sagte der Schweiger. »Ich habe Vertrauen«, sagte Egmont. »Den Kopf mit inbegriffen?« fragte Ludwig von Nassau. »Mit inbegriffen Kopf und Leib, die ihm in Ergebenheit zugehören«, sagte Egmont. »Freund und Bruder, ich handle wie du«, sagte Hoorne. Der Schweiger sagte: »Wir müssen vorsichtig sein und dürfen nicht abwarten.« Da sagte Egmont erregt: »Ich habe in Grammont vierundzwanzig Reformierte henken lassen. Wenn die Predigten aufhören und wenn man die Bilderstürmer bestraft, so wird der Zorn des Königs abflauen.« Der Schweiger entgegnete: »Das ist eine ungewisse Hoffnung.« »Bewaffnen wir uns mit Vertrauen«, sagte Egmont. »Bewaffnen wir uns mit Vertrauen«, wiederholte Hoorne. »Mit Eisen muß man sich wappnen, nicht mit Vertrauen«, erwiderte Hoogstraeten.
Hierauf bedeutete der Schweiger durch eine Gebärde, daß er fortzugehen wünsche. »Adieu, Prinz ohne Land«, sagte Egmont. »Adieu, Graf ohne Kopf«, sagte der Schweiger. »Dem Schlächter das Schaf«, sagte Ludwig von Nassau, »aber den Ruhm für den Soldaten, der das Land unserer Väter errettet!« »Ich kann es nicht und will es nicht«, sagte Egmont.
Und Ulenspiegel dachte bei sich: Blut der Opfer, falle zurück auf das Haupt des Höflings!
Die Herren zogen sich zurück. Ulenspiegel kletterte aus seinem Kamin und machte sich unverzüglich auf den Weg zu Praet, um ihm die Neuigkeiten mitzuteilen. Dieser sagte: »Egmont ist ein Verräter, aber mit dem Prinzen ist Gott!«
»Der Herzog! Der Herzog in Brüssel! Wo sind die Truhen, die Flügel haben?«