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Ich will, mein lieber Leser, nicht das Unmögliche versuchen, so große Lust ich auch habe, dir die Freude, das Glück, ja ich möchte sagen das Rauschgefühl, zu schildern, das ich empfand, als ich mich in jener geliebten Parthenopolis wiedersah, die mir so süße Erinnerungen zurückgelassen und wo ich vor achtzehn Jahren zum erstenmal mein Glück gemacht hatte, als ich von Morterano zurückkehrte. Da ich zum zweitenmal Neapel nur besuchte, um das Versprechen zu halten, das ich während meines Aufenthaltes in Paris dem Herzog von Matalone gegeben hatte, so hätte ich mich sofort zu diesem hohen Herrn begeben sollen; da ich jedoch voraussah, daß er mir wenig Freiheit lassen würde, sobald ich ihn aufgesucht hätte, so erkundigte ich mich zunächst nach allen meinen Bekannten.
Ich ging in aller Frühe zu Fuß aus und stellte mich zunächst dem Bankier vor, an den Belloni mich gewiesen hatte. Er nahm meinen Kreditbrief entgegen, gab mir so viele Banknoten, wie ich wünschte, und versprach mir auf sein Ehrenwort, daß kein Mensch von unseren geschäftlichen Beziehungen erfahren solle. Von ihm begab ich mich nach der Wohnung des Don Casanova; man sagte mir aber, er lebe in der Nähe von Salerno auf einem Landgut, das er gekauft und wodurch er den Titel eines Marchese erlangt habe. Dies war mir verdrießlich; indessen durfte ich nicht erwarten, in Neapel den Status quo zu finden, der ja nirgends zu finden ist. Polo war tot, und sein Sohn wohnte in Santa Lucia mit seiner Frau und seinen Kindern; bei meiner Abreise damals war er ein Kind gewesen. Obwohl ich ihn gerne gesehen hätte, fand ich doch keine Zeit dazu. Wie man sich denken kann, vergaß ich nicht den Advokaten Castelli, den Gatten meiner teuren Lucrezia, die ich in Rom so sehr geliebt und mit der ich in Tivoli so süße Augenblicke verbracht hatte. Ich sehnte mich danach, sie wiederzusehen, und fühlte einen süßen Schauer bei dem Gedanken an den Genuß, womit wir uns einer zu früh entschwundenen Zeit erinnern würden, die mir ewig unvergeßlich bleiben wird. Aber Castelli war schon lange tot, und seine Witwe wohnte zwanzig Miglien von Neapel. Ich nahm mir vor, nicht wieder abzureisen, ohne sie umarmt zu haben. Von Don Lelio Caraffa wußte ich, daß er noch lebte und daß er im Mataloneschen Palast wohnte.
Ermüdet von meinen Gängen kam ich nach Hause. Ich speiste gut zu Mittag, machte Toilette, stieg in meinen Mietwagen und begab mich nach dem Palazzo Matalone, wo man mir sagte, der Herzog sei bei Tisch. Trotzdem ließ ich mich anmelden. Der Herzog kam mir entgegen und erwies mir die Ehre, mich zu umarmen und mich zu duzen; hierauf stellte er mich seiner Gemahlin, einer Tochter des Herzogs von Bovino, sowie der zahlreichen Gesellschaft vor, die er bei Tisch hatte. Ich sagte ihm, ich wäre nur nach Neapel gekommen, um ihm den Besuch zu machen, den ich ihm in Paris versprochen hätte.
»Dann, lieber Freund, ist es nicht mehr als recht, daß ich dich beherberge.« Und ohne meine Antwort abzuwarten, rief er: »Man gehe schnell in den Gasthof, wo Herr Casanova abgestiegen ist, und bringe sein ganzes Gepäck hierher! Wenn er einen eigenen Wagen hat, soll dieser bei mir untergestellt werden.«
Ich nahm die Einladung an.
Ein schöner Mann, der sich unter den Gästen befand, sagte, als er meinen Namen hörte, mit fröhlichem Lachen: »Wenn du meinen Namen trägst, kannst du nur ein Bankert meines Vaters sein.«
»Nicht deines Vaters,« versetzte ich augenblicklich, »sondern deiner Mutter.«
Die Gesellschaft lachte laut auf und klatschte meiner Antwort Beifall; mein Gegner aber fühlte sich dadurch keineswegs beleidigt, sondern stand auf, um mich zu umarmen. Man erklärte mir das Mißverständnis. Statt Casanova hatte der Herr »Casalnovo« verstanden; er war Herzog und Besitzer des gleichnamigen Lehens.
»Weißt du,« fragte mich der Herzog von Madalone, »daß ich einen Sohn habe?«
»Man hat es mir gesagt, und ich habe es nicht glauben wollen; aber ich tue Abbitte wegen meiner Ungläubigkeit, denn ich sehe einen Engel, der gewiß dieses Wunder bewirkt hat.«
Die Herzogin errötete, belohnte aber mein Kompliment nicht mit einem einzigen Blick; doch die Gesellschaft gab mir Genugtuung, indem sie in die Hände klatschte. Es war allgemein bekannt, daß der Herzog vor seiner Verheiratung für unvermögend galt. Der Herzog ließ seinen Sohn hereinkommen; ich bewunderte ihn und sagte, er sehe ihm vollkommen ähnlich. Ein gutgelaunter Mönch, der an der rechten Seite der Herzogin saß, war aufrichtiger und sagte, der Knabe sähe dem Herzog nicht ähnlich. Kaum hatte er diese Worte gesprochen, als die Herzogin mit der größten Kaltblütigkeit ihm eine Ohrfeige gab, die der Mönch mit der besten Manier hinnahm.
Tausend heitere Bemerkungen machten mich in weniger als einer halben Stunde bei der ganzen Gesellschaft beliebt. Nur die Herzogin suchte durch hoheitsvollen Ton mich in Schranken zu halten. Sie war schön, aber ungeheuer hochmütig, wußte zur rechten und unrechten Zeit stumm und taub zu sein und hatte stets ihre Augen in der Gewalt. Zwei Tage lang bot ich alles Mögliche auf, um sie zu einem Gespräch zu bringen; es wollte mir nicht gelingen. Da ich keine Absichten auf sie hatte – und es mag wohl gut gewesen sein, daß dies nicht der Fall war –, so überließ ich sie ihrem Stolz.
Der Herzog führte mich selber nach den Zimmern, die er für mich bestimmt hatte; als er bei dieser Gelegenheit meinen Spanier sah, fragte er mich, wo mein Sekretär sei, und als er sah, daß dies der Abbate Alfani war, der sich für meinen Sekretär ausgegeben hatte, um in Neapel unbeachtet zu bleiben, sagte er zu mir: »Daran hat der Abbate sehr gut getan; denn mit seinen angeblichen Antiken hat er so viele Leute betrogen, daß ihm recht wohl irgend jemand einen bösen Streich hätte spielen können.«
Er zeigte mir seinen Marstall, worin er herrliche Pferde von den schönsten Rassen, Araber, Andalusier und Engländer, hielt; sodann seine Galerie, die sehr reich war, und seine zahlreiche und gutgewählte Bibliothek; endlich seine Privatgemächer, in denen sich eine reiche Sammlung verbotener Bücher befand.
Nachdem ich mehrere Titel angesehen und in einigen Bänden geblättert hatte, sagte er: »Ich will dir etwas zeigen; aber versprich mir strengste Geheimhaltung.«
Dies versprach ich ihm gerne. Ich erwartete irgendein Wunder zu sehen, aber was er mir zeigte, war eine Satire, von der ich nichts verstand, die aber den ganzen Hof lächerlich machen sollte. Niemals ist es mir leichter geworden, ein Geheimnis zu bewahren.
Sodann sagte er: »Du wirst in das Theater San Carlo gehen; ich werde dich den schönsten Damen von Neapel vorstellen, und du kannst dann hingehen, so oft du Lust hast; denn meine Loge steht allen meinen Freunden offen. Ich werde dich auch meiner Geliebten in ihrer Loge vorstellen, und sie wird dich mit Vergnügen empfangen, so oft du sie besuchen willst.«
»Wie, mein lieber Herzog? Du hast eine Maitresse?«
»Ja, lieber Freund; aber nur der Form wegen, denn ich liebe meine Frau. Trotzdem glaubt man, daß ich in meine Maitresse verliebt und sogar eifersüchtig auf sie sei, weil ich ihr keinen Menschen vorstelle und ihr nicht erlaube, einen Besuch zu empfangen.«
»Und nimmt denn die junge Herzogin es nicht übel, daß du eine Geliebte hast?«
»Meine Frau kann nicht eifersüchtig auf sie sein, denn sie weiß, daß ich bei allen Frauen impotent bin ..... außer bei ihr.«
»Ich verstehe; aber die Geschichte ist wirklich spaßhaft und zugleich unglaublich; denn kann man eine Maitresse unterhalten, die man nicht liebt?«
»Ich habe ja nicht gesagt, daß ich sie nicht liebe; ich liebe sie im Gegenteil sehr, denn sie ist geistvoll wie ein Engel; sie erheitert mich, aber sie interessiert nur meinen Geist.«
»Ich verstehe; dann wird sie wohl häßlich sein.«
»Häßlich? Du wirst sie heute Abend sehen und kannst mir dann berichten. Sie ist schön, siebzehn Jahre alt und hochgebildet.«
»Spricht sie französisch?«
»Du machst mir die größte Lust, sie zu sehen.«
Im Theater San Carlo stellte er mich mehreren Damen vor; keine einzige davon war jedoch nur leidlich hübsch. Der sehr junge König saß in seiner Loge, umgeben von einem sehr reich, aber geschmacklos gekleideten Hofstaat. Das Parkett und die Logen waren vollbesetzt; letztere sind mit Spiegelgläsern geschmückt; sie waren an diesem Abend aus Anlaß irgendeiner Gedenkfeier glänzend beleuchtet. Es war ein zauberhafter Anblick, aber ein solcher Glanz beeinträchtigt die Wirkung des Bühnenbildes.
Nachdem ich einige Augenblicke dieses Schauspiel bewundert hatte, das man wohl nur in Neapel findet, führte der Herzog mich in seine Loge und stellte mich allen seinen Freunden vor; es waren die Schöngeister der Hauptstadt.
Ich habe oft gelacht, wenn ich Gelehrte behaupten hörte, der Geist einer Nation hänge viel weniger von dem Einfluß des Klimas als von der Erziehung ab. Man muß diese Gelehrten erst nach Neapel und dann nach St. Petersburg schicken, damit sie nachdenken oder auch nur einfach sehen. Wäre der große Boerhave in Neapel gewesen, so hätte er die Natur des Schwefels besser erkannt, indem er dessen Wirkungen auf Pflanzen und noch mehr auf Tiere beobachtet hätte. Nur in diesem Lande ist das Wasser das einzige Heilmittel, zum mindesten gegen eine Anzahl von Krankheiten, die in allen anderen Ländern den Kranken töten, der mit Arzneien und Ärzten zu tun haben muß.
Der Herzog hatte mich einen Augenblick in dieser ausgezeichneten Gesellschaft gelassen; bald kam er wieder und führte mich in die Loge seiner Geliebten, die ich in Gesellschaft einer alten Dame von anständigem Aussehen fand. Er sagte ihr beim Eintreten: »Leonilda mia, ti presento il cavalier Don Giacomo Casanova, Veneziano, amico mio – Liebe Leonilda, ich stelle dir den Ritter Don Giacomo Casanova aus Venedig, meinen Freund, vor.« Sie empfing mich mit liebenswürdigem und bescheidenem Wesen und wandte ihre Aufmerksamkeit von der Musik ab, um ein Gespräch mit mir zu beginnen.
Wenn eine Frau hübsch ist, braucht man nur einen Augenblick, um sie hübsch zu finden; wenn sie, um günstig beurteilt zu werden, erst näher betrachtet werden muß, werden die Reize ihres Gesichtes problematisch. Donna Leonilda machte augenblicklich Eindruck. Ich lächelte und zwinkerte dem Herzog zu, der mir gesagt hatte, er liebe sie wie ein Vater seine Tochter und halte sie nur des Luxus wegen. Er verstand mich und sagte: »Du kannst mir's glauben.«
»Es ist unglaublich,« versetzte ich.
Leonilda, die ohne Zweifel unsere rätselhaften Bemerkungen verstanden hatte, mischte sich in unser Gespräch ein und sagte mit einem feinen Lächeln:
»Was möglich ist, ist auch glaublich.«
»Das gebe ich zu; aber man kann glauben oder nicht glauben, je nachdem einem die Sache mehr oder weniger schwierig erscheint.«
»Außerordentlich richtig; aber mich dünkt, in solchen Fällen soll man lieber glauben. Sie sind gestern in Neapel angekommen; das ist unglaublich und doch wahr.«
»Warum soll denn das unglaublich sein?«
»Kann man glauben, daß ein Fremder in dem Augenblick nach Neapel kommt, wo alle Einheimischen vor Furcht zittern?«
»Ich habe allerdings bis jetzt Furcht gehabt; nun aber fühle ich mich vollkommen ruhig; denn da Sie hier sind, muß der heilige Januarius die Stadt beschützen.«
»Warum?«
»Weil ich überzeugt bin, daß er Sie liebt; aber Sie lachen?«
»Ja, über einen recht komischen Gedanken; mir fällt nämlich ein: wenn ich einen Liebhaber hätte, der dem heiligen Januarius gliche, so wäre der recht unglücklich.«
»Der Heilige ist also wohl sehr häßlich?«
»Wenn sein Bild ähnlich ist – ja. Sie können sich davon überzeugen, wenn Sie seine Statue sehen.«
Solch ein heiterer Ton führt leicht zur Offenherzigkeit, und Offenherzigkeit führt zur Freundschaft. Anmut des Geistes ist noch sieghafter als alle Schönheit.
Leonildas liebenswürdige Laune flößte mir Vertrauen ein; ich brachte das Gespräch auf die Liebe, und sie machte über dieses Thema ausgezeichnete Bemerkungen.
»Wenn die Liebe nicht zum Besitze des geliebten Gegenstandes führt, so muß sie eine Qual sein; wenn es verboten ist, sich einer Leidenschaft hinzugeben, muß man nicht lieben.«
»Sie haben recht – um so mehr, da der Besitz einer schönen Person kein wahrer Genuß ist, wenn man sie nicht schon vorher geliebt hat.«
»Wenn die Liebe vorher da war, begleitet sie ohne Zweifel auch den Genuß; aber ob sie nachher noch da ist, das ist fraglich.«
»Allerdings, denn oft tötet der Genuß die Liebe.«
»Er ist ein eigensüchtiger Knabe, der seine Mutter tötet; wenn aber nach dem Genuß die Liebe nur in dem einen der beiden Beteiligten weiterlebt, so ist das schlimmer als ein Mord; denn was ohne Gegenliebe noch weiter liebt, ist unglücklich.«
»Außerordentlich richtig bemerkt, meine Gnädige! Aber wenn Sie diesen Schluß ziehen, der ja den Regeln der strengsten Dialektik entspricht, muß ich annehmen, daß Sie die Sinne zu ewigem Fasten verdammen. Das ist grausam.«
»Gott soll mich vor solchem Platonismus ohne Liebe bewahren! Aber ich überlasse es Ihnen selber, den Schluß zu ziehen.«
»Lieben und genießen und dann wieder genießen und lieben!«
»Ganz recht.«
Bei diesen letzten Worten mußte Leonilda unwillkürlich lachen, und der Herzog küßte ihr die Hand.
Ihre Gesellschafterin, die kein Französisch verstand, beschäftigte sich mit der Oper. Ich aber hatte nur für Leonilda Augen, denn ich hatte Feuer gefangen.
Leonilda war erst siebzehn Jahre alt; sie war mehr als schön: sie war zum Anbeißen hübsch. Der Herzog zitierte ein etwas schlüpfriges Epigramm über den Genuß von Lafontaine; man findet es nur in der ersten Ausgabe. Es beginnt mit den Versen:
La jouissance et les désirs
Sont ce que l'homme a de plus rare;
Mais ce ne sont pas vrais plaisirs
Dès le moment qu'on les sépare.
Ich habe dieses Epigramm ins Italienische und ins Lateinische übersetzt: in dieser letzteren Sprache konnte ich Lafontaine so einigermaßen Vers für Vers wiedergeben; aber ich brauchte zwanzig italienische Verse für die ersten zehn Verse des französischen Dichters – was übrigens nichts für den Vorzug der einen vor der anderen Sprache beweist.
In Neapel erfordert der gute Ton, besonders in der hohen Gesellschaft, als erstes Freundschaftszeichen, einen Neuankömmling, den man besonders auszeichnen will, zu duzen. Beide Teile fühlen sich hierdurch behaglicher, doch schließt dieser vertraute Ton nicht die Rücksichten aus, die man sich gegenseitig schuldet.
Meine Bewunderung für Leonilda war bereits einem süßeren und zugleich innigerem Gefühl gewichen; so kam es, daß die Oper, die fünf Stunden dauerte, mir in einem Augenblick vergangen zu sein schien.
Als die beiden Damen sich entfernt hatten, sagte der Herzog zu mir: »Wir müssen uns jetzt trennen, wenn du nicht etwa ein Freund des Glücksspieles bist.«
»Ich habe durchaus nichts dagegen, wenn ich mit angenehmen Spielern zu tun habe.«
»Nun, dann bitte ich dich, mich zu begleiten: du wirst zehn oder zwölf Herren meines Standes bei einer Pharaobank versammelt finden; später wird ein gutes Abendessen eingenommen. Ich muß dich jedoch darauf aufmerksam machen, daß die Sache geheim bleiben muß; denn das Spiel ist verboten. Ich bürge für dich.«
»Das kannst du.«
Er führte mich zum Herzog von Monte Leone, wo wir im dritten Stock, nachdem wir ein Dutzend Zimmer durchschritten hatten, den Spielsaal betraten. Ein Bankhalter von freundlichem Aussehen, der ungefähr vierhundert Zechinen vor sich liegen hatte, gab die Karten. Der Herzog stellte mich als seinen Freund vor und ließ mich an seiner Seite Platz nehmen. Ich zog meine Börse; man machte mich jedoch darauf aufmerksam, daß nur auf Wort gespielt und binnen vierundzwanzig Stunden bezahlt werde. Der Bankhalter gab mir ein Spiel Karten und ein Körbchen mit tausend Marken. Ich kündigte an, daß jede Marke einen neapolitanischen Dukaten gelten solle, und in weniger als zwei Stunden war mein Korb leer. Ich hörte auf zu spielen und speiste in heiterer Laune zu Abend. Es war ein Nachtmahl auf neapolitanische Art, bestehend aus einer riesigen Schüssel Makkaroni und zehn oder zwölf Gerichten aus verschiedenen Muscheln, die das Meer an jenen Küsten in verschwenderischer Fülle bietet. Als wir fortgingen, ließ ich dem Herzog keine Zeit, mir in der herkömmlichen Weise sein Beileid wegen des Verlustes auszusprechen, sondern unterhielt ihn auf angenehme Weise von seiner Leonilda.
Am nächsten Morgen ließ er mir in aller Frühe durch seinen Pagen sagen, wenn ich mit ihm zu Hofe gehen wolle, um dem König die Hand zu küssen, müsse ich Gala anlegen. Ich zog einen rosafarbenen, mit Gold gestickten Samtrock an und hatte die ungeheuere Ehre, eine kleine, neunjährige, ganz mit Frostbeulen bedeckte Hand zu küssen. Der Fürst von San Nicandro hat den jungen König erzogen, so gut er es verstand; die Natur aber hat aus ihm einen leutseligen, duldsamen, gerechten und freigebigen Monarchen gemacht. Er wäre vollkommen gewesen, hätte er mehr Würde gehabt; aber er ist ein König ohne Umstände, und dies ist nach meiner Meinung an einem Manne, der dazu bestimmt ist, allen anderen zu gebieten, ein Fehler.
Ich hatte die Ehre, beim Mittagessen der Herzogin zur Rechten zu sitzen; sie geruhte, mir zu sagen, sie habe niemals einen eleganteren Anzug gesehen.
»Auf diese Weise, Madame,« antwortete ich ihr, »suche ich meiner Person einer zu strengen Prüfung zu entziehen.«
Sie lächelte; aber hierauf beschränkte sich auch so ziemlich ihre Artigkeit gegen mich.
Nach Tisch führte der Herzog mich in die Gemächer seines Oheims Don Lelio, der mich sofort erkannte. Ich küßte dem würdigen Greise die Hand und bat ihn wegen meiner Jugendstreiche um Entschuldigung.
»Vor achtzehn Jahren,« sagte er zum Herzog, »hatte ich Herrn Casanova zu deinem Studiengenossen ausersehen.«
Ich machte ihm großes Vergnügen, indem ich ihm in aller Kürze erzählte, wie es mir in Rom beim Kardinal Acquaviva ergangen war. Als ich fort ging, bat er mich, ihn oft zu besuchen.
Gegen Abend sagte der Herzog zu mir: »Wenn du in die Komische Oper gehen willst, wirst du Leonilda ein Vergnügen machen.«
Er nannte mir die Nummer ihrer Loge und fuhr fort: »Ich werde dich gegen Ende des Stückes abholen, und dann werden wir wie gestern zum Souper gehen.«
Ich brauchte nicht erst anspannen zu lassen; denn ein Wagen mit zwei prachtvollen Pferden stand beständig im Hofe für mich bereit.
Die Oper hatte bereits begonnen, als ich bei den Florentinern ankam. Ich stellte mich Leonilda vor, die mit honigsüßer Stimme zu mir sagte: »Caro Don Giacomo, ich sehe Sie mit großem Vergnügen wieder.«
Ohne Zweifel hielt sie es für angemessen, mich nicht zu duzen, aber der freundliche Ton ihrer Stimme und der Ausdruck ihrer Augen waren mehr wert als das »Du«, mit welchem man in Neapel so verschwenderisch umgeht, daß es oft keinen Wert mehr hat.
Das verführerische Gesicht der reizenden Person war mir nicht unbekannt; aber ich konnte mich nicht darauf besinnen, an welche Frau es mich erinnerte. Leonilda war eine Schönheit, ja, wie ich bereits sagte, mehr als eine Schönheit, wenn dieses überhaupt möglich ist. Sie hatte prachtvolle hellbraune Haare, und ihre schöngeschnittenen großen schwarzen Augen von einem Glanze, der durch ihre langen Wimpern gedämpft wurde, hörten, fragten und sprachen gleichzeitig. Am meisten aber entzückte sie mich durch den Ausdruck, den sie ihren Erzählungen zu geben wußte, indem sie sie mit den anmutigsten, stets den Umständen angemessenen Bewegungen begleitete. Es war, wie wenn ihre Zunge nicht ausreichte, um die Gedanken auszudrücken, die in ihrem von Natur glänzend gestalteten und durch eine glänzende Erziehung noch mehr entwickelten Geiste sich drängten.
Das Gespräch kam auf das Epigramm Lafontaines, von dem ich nur die ersten zehn Verse hergesagt hatte, weil die übrigen zu frei sind. Sie sagte: »Es ist gewiß nur eine Dichterlaune, und über eine solche kann man nur lachen.«
»Das mag sein; aber ich wollte Ihre Ohren nicht verletzen.«
»Du bist sehr freundlich,« sagte sie, das angenehme »Du« wieder aufnehmend, »ich danke dir dafür. Indessen machen bloße Worte nicht so leicht Eindruck auf mich, denn ich habe ein Kabinett, das der Herzog mit chinesischen Tapeten hat ausschlagen lassen, worauf eine Menge verliebter Stellungen abgebildet sind. Wir besuchen es zuweilen, und ich kann dir versichern, daß diese Bilder nicht im geringsten Eindruck auf mich machen.«
»Vielleicht ist daran ein Mangel an Temperament schuld; denn wenn ich erotische Bilder sehe, die gut gemacht sind, so gerate ich in Feuer und Flamme. Ich wundere mich, daß ihr bei der Betrachtung derselben nicht zuweilen Lust bekommt, einige von ihnen darzustellen.«
»Wir haben nur freundschaftliche Gefühle füreinander.«
»Das glaube, wer will.«
»Ich könnte allerdings darauf schwören, daß er ein Mann ist; aber ich könnte nicht sagen, ob er imstande ist, einer Frau Beweise tatsächlicher Zärtlichkeit zu geben.«
»Er hat aber doch einen Sohn.«
»Ja, er hat ein Kind, das ihn Vater nennt; aber er gesteht selber, daß er nur bei seiner Frau Mann sein kann.«
»Das ist ein Märchen; denn Sie sind ganz danach angetan, Begierden einzuflößen, und ein Mann, der mit Ihnen zusammen lebte, ohne Sie zu besitzen, dürfte eigentlich nicht mehr leben.«
»Denken Sie wirklich so?«
»Teuere Leonilda, wenn ich an seiner Stelle wäre, würde ich Ihnen beweisen, was ein Mann vermag, der Sie liebt.«
»Caro Don Giacomo, ich bin entzückt, zu hören, daß du mich liebst; da du jedoch nicht in Neapel bleiben kannst, wirst du mich bald vergessen.«
»Verdammtes Spiel! Denn müßte ich nicht zum Spiel gehen, so könnten wir köstliche Abende miteinander verbringen.«
»Der Herzog hat mir erzählt, du habest mit dem vornehmsten Anstand gestern Abend tausend Dukaten verloren. Du bist wohl ein unglücklicher Spieler?«
»Nicht immer; aber wenn ich an dem Tage spiele, wo ich mich verliebt habe, verliere ich ganz gewiß.«
»Du wirst dein Geld heute Abend wieder gewinnen.«
»Heute ist der Tag der Erklärung; ich werde abermals verlieren.«
»So spiele doch heute nicht!«
»Man würde sagen, ich hätte Angst vor dem Verlust oder ich hätte kein Geld.«
»So hoffe ich doch, du wirst ein anderes Mal deinen Verlust wieder hereinbringen und mir in meinem Hause Nachricht davon geben. Besuche mich doch morgen früh mit dem Herzog.«
In diesem Augenblick trat der Herzog ein und fragte mich, ob die Oper mir gefallen habe. Leonilda kam mir zuvor und rief:
»Wir wissen gar nicht, was gespielt wurde, denn wir haben die ganze Zeit über Liebe gesprochen.«
»Das war recht!«
»Ich bitte Sie, morgen mit Herrn Casanova zu mir zu kommen; denn ich hoffe, er wird mir mitteilen, daß er heute Abend gewonnen hat.«
»Heute Abend, meine Liebe, ist an mir die Reihe, Bank zu halten; aber ich werde dir meinen Freund zuführen, einerlei, ob er verliert oder gewinnt. Du wirst uns ein Frühstück geben.«
»O, mit großem Vergnügen.«
Wir küßten dem reizenden Mädchen die Hand und begaben uns dann an denselben Ort wie am Abend vorher.
Die Gesellschaft war bereits versammelt und wartete auf den Herzog. Sie bestand aus zwölf Mitgliedern, die abwechselnd Bank hielten. Sie behaupteten, dadurch gliche das Spiel sich aus; aber ich mußte über diese Behauptung lachen, denn nichts ist schwieriger, als gleiche Aussichten für alle Spieler herzustellen.
Der Herzog von Matalone nahm seinen Platz ein, zog seine Börse und seine Brieftasche hervor und legte zweitausend Dukaten in die Bank, indem er die Gesellschaft um Verzeihung bat, daß er zugunsten des Gastes die Bank verdoppele; sonst betrug nämlich die Bank stets nur tausend Dukaten.
»Ich werde also,« bemerkte ich, »ebenfalls zweitausend Dukaten aufs Spiel setzen und nicht mehr, denn man sagt in Venedig, ein kluger Spieler dürfe nicht mehr riskieren, als was er gewinnen kann. Meine Marken werden also je zwei Dukaten gelten.« Mit diesen Worten zog ich zehn Banknoten von je hundert Dukaten aus der Tasche und gab sie dem Spieler, der sie mir am Abend vorher abgewonnen hatte.
Das Spiel begann. Obgleich ich nur auf eine einzige Karte und sehr vorsichtig spielte, war doch nach drei Stunden mein Körbchen leer. Ich hörte auf, obgleich ich noch fünfundzwanzigtausend Dukaten besaß; ich hatte aber gesagt, daß ich nicht höher spielen würde, und ich wollte nicht gerne mein Wort brechen.
Ich bin gegen Spielverluste stets sehr empfindlich gewesen; da ich mich jedoch immer zu beherrschen wußte, hat man niemals meinen Ärger bemerken können, eben weil ich mir stets Mühe gab, meine natürliche Heiterkeit zu verdoppeln und dadurch meine Stimmung zu verdecken. Dadurch gefiel ich in allen Gesellschaften, in die ich kam, und fand leicht neue Mittel.
Ich speiste mit gutem Appetit, und eine gewisse Aufregung, in der ich mich befand, gab mir so glückliche Bemerkungen ein, daß die ganze Gesellschaft in die heiterste Stimmung versetzt wurde. Es gelang mir sogar, die Traurigkeit des Herzogs von Matalone zu verscheuchen, der in Verzweiflung war, daß er einem Fremden, der bei ihm wohnte und den er seinen Freund nannte, eine so große Summe abgewonnen hatte. Er befürchtete, mich in Geldverlegenheiten gebracht zu haben, noch mehr aber, daß man glauben könnte, er habe mich in seinem Hause aufgenommen, um mir mein Geld abzugewinnen; denn er war reich, edel, prachtliebend, freigebig und von anständiger Gesinnung.
Unsere Unterhaltung auf der Heimfahrt war von seiner Seite teilnehmend, von der meinigen aber lustig. Ich bemerkte wohl, daß ihn irgend etwas bedrückte, und erriet auch, was es war; er fürchtete mein Zartgefühl zu verletzen und wagte mir darum nicht zu sagen, daß er mir zur Bezahlung gerne Zeit lassen wollte. Aber nachdem er sich in seine Gemächer zurückgezogen hatte, konnte er sich nicht enthalten, mir in freundlicher Weise zu schreiben: wenn ich Kredit brauche, möge ich nur zu seinem Bankier gehen; dieser werde mir soviel Geld geben, wie ich nötig habe. Ich antwortete ihm sofort: ich fühlte den vollen Wert seines großmütigen Verhaltens; sollte ich in die Lage kommen, Geld nötig zu haben, so würde ich von seinem großmütigen Anerbieten Gebrauch machen.
Am nächsten Morgen ging ich in aller Frühe in sein Zimmer, umarmte ihn herzlich und bat ihn, nicht zu vergessen, daß wir bei seiner schönen Geliebten frühstücken sollten. Er zog wie ich einen Morgenrock an, und wir gingen zu Fuß nach der Fontana Medina, wo Leonilda in einem hübschen Hause wohnte.
Wir fanden sie noch im Bett; sie empfing uns aufrechtsitzend in einer anständigen Bettoilette mit einem Basinleibchen, das vorne von rosenfarbenen Schleifen zusammengehalten wurde. Sie war entzückend schön, und ihre anmutige Stellung vermehrte noch ihre Reize. Sie las das »Sofa« vom eleganten jüngeren Crébillon. Der Herzog setzte sich auf das Fußende ihres Bettes, ich aber blieb wie betäubt vor Bewunderung stehen und sah sie nur immer an; vergeblich bemühte ich mich, das Urbild dieses zauberhaften Gesichtes, das ich, wie mich dünkte, schon einmal geliebt haben müßte, in mein Gedächtnis zurückzurufen. Ich sah sie zum erstenmal ohne den trügerischen Glanz des Kerzenlichtes. Sie lachte darüber, daß ich so zerstreut war, und bat mich im freundlichsten Ton, mich in den Lehnstuhl zu setzen, der am Kopfende ihres Bettes stand. Der Herzog sagte ihr, ich sei sehr erfreut, zweitausend Dukaten an seine Bank verloren zu haben, denn dieser Verlust gebe mir die Überzeugung, daß sie mich liebe.
»Caro mio Don Giacomo, wie leid tut mir das! Es wäre besser gewesen, du hättest gar nicht gespielt; denn darum würde ich dich ja doch lieben, und du hättest zweitausend Dukaten mehr.«
»Die ich weniger hätte!« rief der Herzog lachend.
»Tröste dich, reizende Leonilda, heute Abend werde ich gewinnen, wenn du mir heute irgendeine Gunst gewährst. Sonst aber werde ich meine Seele verlieren, und in ein paar Tagen wirst du meinem Leichenbegängnisse beiwohnen.«
»So gewähre doch, liebe Leonilda, meinem Freunde irgendeine Gunst.«
»Das ist unmöglich.«
Der Herzog bat sie, sich anzukleiden und mit uns im chinesischen Kabinett zu frühstücken. Sie tat es sofort und war weder zu freigebig mit dem, was sie uns sehen ließ, noch geizig mit dem, was sie uns verbergen zu müssen glaubte; sie hielt gerade die richtige Mitte, um einen Mann zu entflammen, den ihr Gesicht, ihr Geist und ihr Benehmen bereits verführt hatten. Immerhin konnte ich einen unbescheidenen Blick auf ihren Busen werfen, und dieser Anblick wirkte, wie wenn Öl ins Feuer gegossen wird. Ich gestehe, daß ich mir diesen Genuß nur durch eine Art Diebstahl verschaffte; doch würde mir dieser niemals gelungen sein, wenn nicht auch ein bißchen Absicht von ihrer Seite dabei gewesen wäre. Ich tat, wie wenn ich nichts gesehen hätte.
Wir sprachen über die Zerstreutheit, die eine Frau sich beim Ankleiden erlauben dürfe, und sie vertrat sehr geistreich die Ansicht, daß ein anständiges junges Mädchen gegen einen Mann, den sie liebe, viel zurückhaltender sein müsse als gegen einen anderen, den sie nicht liebe, und zwar aus dem einfachen Grunde, daß sie den ersteren zu verlieren fürchten muß, während sie sich aus dem zweiten nichts macht.
»Bei mir, reizende Leonilda,« sagte ich, »würde das Entgegengesetzte zutreffen.«
»Ich bin überzeugt, du irrst dich.«
Die chinesischen Bilder, mit denen das Frühstückskabinett ausgeschlagen war, waren wundervoll, mehr wegen der Schönheit der Farben und Zeichnung als durch die Darstellung der abgebildeten Liebesszenen.
»Auf mich macht so etwas gar keinen Eindruck,« sagte der Herzog; zugleich zeigte er es uns. Leonilda wandte ihren Blick ab; mich ärgerte der Zynismus, doch wußte ich meine Gefühle zu verbergen und sagte: »Ich befinde mich in demselben Zustand wie Sie, doch wünsche ich durchaus nicht, Sie davon zu überzeugen.«
»Das ist nicht möglich!« rief er; zugleich überzeugte er sich durch eine schnelle Handbewegung.
»Erstaunlich!« sagte er; »du mußt auch impotent sein wie ich.«
»Um diese Behauptung zu widerlegen, brauche ich nur Leonilda in die Augen zu sehen.«
»O Leonilda, mein Herz, sieh doch bitte meinen Freund an, damit ich mich davon überzeugen kann.«
Leonilda sah mich mit einem zärtlichen Blick an, und dieser brachte sofort die von mir erwartete Wirkung hervor.
»Fassen Sie hin!« sagte ich zum armen Herzog; er tat es und rief: »Ich habe unrecht.«
Als er sich jedoch anschickte, den Gegenstand seiner Überraschung zu entblößen, widersetzte ich mich; er blieb hartnäckig, und dies brachte mich auf den Gedanken, ihm einen Streich zu spielen. Ich ergriff Leonildas Hand, preßte meine Lippen darauf und überströmte in dem Augenblick, wo der Herzog zu triumphieren glaubte, seine Hand mit dem Lebenssaft, indem ich laut auflachte. Er lachte ebenfalls und stand auf, um ein Tuch zu holen.
Von dem ganzen Vorgang hatte das entzückende Mädchen nichts sehen können, denn ein Tischchen trennte uns; aber während meine glühenden Lippen auf ihrer schönen Hand ruhten, waren meine Augen auf die ihrigen geheftet, und ihr Atem vermischte sich beinahe mit dem meinigen. Dieser Berührung verdanke ich das Feuer, das nötig gewesen war, um den Herzog zu bespritzen. Als nun auch sie vom Lachen ergriffen wurde, bildeten wir ein Trio, das des Pinsels eines Albano oder der Feder eines Aretino würdig gewesen wäre.
Es war eine entzückende Partie, obgleich wir gewisse Grenzen überschritten, die der Anstand uns hätte setzen sollen; doch blieb Leonilda so unschuldig dabei, wie die Lage es erlaubte. Wir beendigten den Auftritt, indem wir uns gegenseitig umarmten; aber als ich mich von Leonildas wonnigen Lippen loslöste, verzehrte mich eine Glut, die ich nicht mehr dämpfen konnte.
Als wir das Haus verlassen hatten, sagte ich dem Herzog, ich würde seine Geliebte nicht mehr wiedersehen, wenn er sie mir nicht abträte; ich wäre bereit, sie zu heiraten und ihr ein Witwengeld von fünftausend Dukaten auszusetzen.
»Sprich mit ihr; wenn du ihr recht bist, werde ich mich nicht widersetzen. Du wirst von ihr selber erfahren, was sie besitzt.«
Ich kleidete mich um und begab mich zum Mittagessen. Ich fand die Herzogin in zahlreicher Gesellschaft, und sie sagte mir mit gütiger Miene, mein Unglück tue ihr leid.
»Nichts ist unbeständiger als das Glück, Madame! Dennoch beklage ich mich nicht über meinen Verlust, denn der freundliche Anteil, den Sie deswegen an mir nehmen, macht ihn mir angenehm; ich glaube sogar, ich werde infolgedessen heute Abend gewinnen.«
»Ich wünsche es, doch zweifle ich daran; denn du hast heute Abend gegen Monte-Leone zu kämpfen, und dieser ist ein sehr glücklicher Spieler.«
Im Laufe des Nachmittags überlegte ich mir meine Lage und beschloß, nur bar zu spielen, zunächst, um mich nicht der Gefahr der Entehrung auszusetzen, indem ich, von der Spielwut fortgerissen, mehr verlöre als ich besäße; außerdem aber, damit der Bankhalter, nachdem ich zweimal verloren, nicht befürchtete, daß ich kein Geld mehr hätte; endlich aber auch, wie ich gestehen muß, aus einem gewissen Spieleraberglauben, der von einer Änderung der Spielweise einen Umschwung des Glückes bestimmt erwartet oder doch wenigstens erhofft.
Ich verbrachte im Theater San Carlo vier Stunden in der Loge meiner schönen Leonilda; ich fand sie fröhlich, reicher gekleidet und glänzender als an den vorhergehenden Tagen.
»Teure Leonilda,« sagte ich zu ihr, »die Liebe, die du mir eingeflößt hast, ist derart, daß sie weder Aufschub noch Nebenbuhler duldet, ja daß sie nicht einmal den geringsten Anschein einer künftigen Unbeständigkeit verträgt. Ich habe dem Herzog gesagt, ich sei bereit, dich zu heiraten und dir ein Witwengeld von fünftausend Dukaten auszusetzen.«
»Was hat er dir geantwortet?«
»Ich solle dir den Vorschlag machen; er hat durchaus nichts dagegen.«
»Wir werden also zusammen abreisen?«
»Auf der Stelle, mein Herz, und nur der Tod soll uns trennen.«
»Wir werden morgen früh darüber sprechen, caro Don Giacomo; du wirst mich glücklich machen, wenn ich dich glücklich machen kann.«
Diese Worte erfüllten mich mit hoher Freude; in demselben Augenblick trat der Herzog ein, und Leonilda sagte zu ihm: »Lieber Freund, zwischen Don Giacomo und mir ist nur noch von einer richtigen Heirat die Rede.«
»Eine Heirat, mia carissima, muß man sich so lange wie möglich überlegen, bevor man sie schließt.«
»Ja, so lange wie möglich, wenn man Zeit dazu hat; mein lieber Giacomo kann aber nicht warten, weil er abreisen will; darum müssen wir nachher darüber nachdenken.«
»Lieber Freund,« sagte der Herzog zu mir, »da es sich um eine Heirat handelt, könntest du deine Abreise aufschieben oder später wiederkommen und dich jetzt mit Leonilda nur verloben.«
»Ich kann sie nicht aufschieben, mein lieber Herzog, und kann nicht wiederkommen. Wir sind entschlossen, und wenn wir uns täuschen, werden wir nachher Zeit genug haben, es zu bereuen.«
Er lachte und sagte, wir würden am nächsten Tage darüber sprechen. Ich umarmte meine künftige Gattin, die mir beglückt meinen Kuß zurückgab. Hierauf gingen wir in unsere Spielergesellschaft, wo wir den Herzog von Monte-Leone als Bankhalter trafen.
»Herr Herzog,« sagte ich zu ihm, »ich habe Pech, wenn ich auf Wort spiele; ich hoffe daher, Sie werden mir erlauben, mit barem Gelde zu spielen.«
»Ganz wie Sie wollen; mir ist es einerlei, tun Sie sich nur keinen Zwang an. Ich habe eine Bank von viertausend Dukaten gelegt, damit Sie Ihren Verlust wieder einholen können.«
»Nun, ich verspreche Ihnen, die Bank zu sprengen oder ebensoviel zu verlieren.«
Ich legte sechstausend Dukaten auf den Tisch, von denen ich zweitausend dem Herzog von Matalone gab; hierauf spielte ich mit Sätzen von hundert Dukaten. Der Herzog entfernte sich, nachdem er einigemal gesetzt hatte. Nach einem langen Kampfe sprengte ich die Bank. Ich fuhr allein nach dem Palast des Herzogs zurück, und als ich ihm am nächsten Tage meinen Sieg meldete, umarmte er mich mit Freudentränen in den Augen und riet mir, nur noch gegen bar zu spielen. Da die Fürstin della Valle ein großes Souper gab, fand an diesem Tage keine Spielpartie statt. Es war Ruhetag. Wir gingen zu Leonilda, um ihr guten Tag zu sagen, verschoben jedoch eine Aussprache über unseren Heiratsplan bis zum nächsten Morgen und verbrachten den Tag damit, die Naturwunder der Umgegend von Neapel zu besehen. Am Abend wurde ich von meinem Freunde der Fürstin vorgestellt und sah bei ihr den vornehmsten Adel der Stadt.
Am nächsten Morgen sagte der Herzog mir, er habe einige Geschäfte zu ordnen; ich könne daher allein zu Leonilda gehen, er werde mich abholen. Ich ging zu ihr; da der Herzog jedoch nicht kam, konnten wir über unsere künftige Heirat keine Beschlüsse fassen. Ich verbrachte mehrere Stunden bei ihr, doch konnte ich mich nur in Worten verliebt zeigen, da ich mich ihrem Willen anbequemen mußte. Bevor ich sie verließ, wiederholte ich die Versicherung, daß es nur von ihr abhänge, durch unlösliche Bande ihr Geschick an das meinige zu knüpfen und binnen kürzester Frist mit mir abzureisen.
Als ich den Herzog wiedersah, empfing er mich mit den Worten: »Nun, Don Giacomo? Du hast den ganzen Morgen mit meiner Geliebten unter vier Augen verbracht; hast du immer noch Lust, sie zu heiraten?«
»Mehr denn je; aber was ist denn deine Meinung davon?«
»Ich habe gar keine, lieber Freund; ich habe dich mit Absicht auf diese Probe gestellt, und da die Sache nun einmal so steht, so wollen wir morgen darüber sprechen, und ich hoffe, du wirst das reizende Mädchen glücklich machen. Sie hat alles, was nötig ist, um einen wackeren Mann glücklich zu machen.«
»Ich bin ganz deiner Meinung.«
Am Abend fand ich bei Monte-Leone einen Bankhalter, der viel Gold vor sich liegen hatte. Mein Freund sagte mir, es sei Don Marco Ottoboni. Er war ein anständig aussehender Kavalier, aber er hielt die Karten so fest in der linken Hand, daß ich sie nicht sehen konnte. Dies flößte mir kein Vertrauen ein, und ich setzte immer nur mit einem Dukaten. Obwohl ich entschiedenes Unglück hatte, verlor ich nur etwa zwanzig Dukaten. Nach fünf oder sechs Taillen fragte der Bankhalter mich mit vornehmer Höflichkeit, warum ich gegen ihn so klein spiele. Ich antwortete ihm:»Wenn ich nicht mindestens die Hälfte des Kartenspieles sehe, fürchte ich zu verlieren!«
über diese Bemerkung lachten mehrere von den Spielern.
In der nächsten Nacht sprengte ich die Bank des Fürsten von Cessaro. Dieser liebenswürdige, reiche Herr verlangte von mir Revanche, indem er mich zum Abendessen nach seinem hübschen Hause am Pausilippo einlud, wo er mit einer Sängerin lebte, in die er sich in Palermo verliebt hatte. Er lud außer mir auch den Herzog von Matalone und noch drei oder vier andere Herren ein. Ich habe in Neapel nur dieses eine Mal Bank gehalten. Ich legte eine Bank von sechstausend Dukaten, nachdem ich gesagt hatte, daß ich am nächsten Tage abreisen und daher nur gegen bar spielen würde.
Der Herzog von Cessaro verlor zehntausend Dukaten und gab die Partie nur auf, weil er kein bares Geld mehr hatte. Alle entfernten sich, und auch ich wäre gegangen, wenn nicht die Geliebte des Fürsten, die nach einem Verlust von etwa vierzig Unzen auf Wort gespielt hatte, mir etwa hundert Unzen schuldig gewesen wäre. In der Hoffnung, daß sie ihr Geld zurückgewinnen würde, zog ich weiter ab; da ich jedoch sah, daß sie immer mehr verlor, legte ich die Karten hin und sagte ihr, sie würde mir ihre Schuld in Rom bezahlen. Sie war schön und angenehm; trotzdem flößte sie mir keine Begierde ein, ohne Zweifel, weil ich von einer anderen stark in Anspruch genommen war. Sonst hätte ich einen Wechsel auf Sicht gezogen und mich bezahlt gemacht, ohne daß sie hätte in die Börse zu greifen brauchen. Es war zwei Uhr morgens, als ich fortging.
Ich wollte Neapel nicht verlassen, ohne Caserta gesehen zu haben, und da Donna Leonilda denselben Wunsch hatte, ließ der Herzog uns in einem bequemen Wagen hinfahren, der mit sechs schönen Maultieren bespannt war, deren gleichmäßiger, schöner Trab den gewöhnlichen Galopp von Pferden übertraf. Leonildas Gesellschaftsdame nahm ebenfalls an dem Ausflug teil. Am nächsten Tage setzten wir in einer zweistündigen Unterredung die Bedingungen unserer künftigen Vereinigung fest.
»Leonilda«, sagte der Herzog zu mir, »hat noch ihre Mutter, die auf einem nicht weit entfernten Landgut von einem jährlichen Einkommen von sechshundert Dukaten lebt, die ich ihr auf Lebenszeit ausgesetzt habe; es ist die Entschädigung für ein ihr von ihrem Gatten hinterlassenes Landgut, das ich von ihr übernahm. Leonilda hängt jedoch nicht von ihr ab. Sie hat sie vor sieben Jahren mir abgetreten, und ich habe ihr eine lebenslängliche Rente von fünfhundert Dukaten sichergestellt; diese wird sie dir nebst allen ihren Diamanten und einer reichen Aussteuer als Mitgift zubringen. Ihre Mutter überließ sie gänzlich meiner Zärtlichkeit und meinem Ehrenwort, daß ich für eine vorteilhafte Heirat sorgen würde. Ich habe besondere Sorgfalt auf ihre Erziehung verwandt; als ich ihren Geist sich entwickeln sah, bestrebte ich mich, sie vor allen Vorurteilen zu bewahren, mit Ausnahme desjenigen, das einer Frau gebietet, sich ausschließlich für den Mann zu bewahren, den der Himmel ihr zum Gatten bestimmt. Du kannst überzeugt sein, du wirst der erste Mann sein, den Leonilda, die ich wie meine Tochter liebe, an ihr Herz gedrückt hat.«
Ich bat den Herzog, den Heiratsvertrag fertig machen zu lassen und der Mitgift meiner Braut fünftausend Reichsdukaten hinzuzufügen, die ich ihr bei der Unterzeichnung des Vertrages auszahlen würde.
»Ich werde«, sagte er, »diese Summe als Hypothek auf ein Haus eintragen lassen, das das Doppelte wert ist.« Hierauf wandte er sich zu Leonilda, die vor Glück weinte, und sagte zu ihr: »Ich werde deine Mutter holen lassen; sie wird hochbeglückt sein, den Ehevertrag zu unterzeichnen und die Bekanntschaft eines Mannes zu machen, der dich gewiß glücklich machen wird. Die Mutter lebt eine Tagesreise von Neapel in der Familie des Marchese Galiani. Ich werde ihr morgen einen Wagen schicken, und übermorgen werden wir zusammen zu Abend speisen. Am dritten Tage bringen wir alles vor einem Notar in Ordnung; hierauf gehen wir in die kleine Kirche von Portici, wo ein Priester euch vermählen wild. Die Kosten übernehme ich. Hierauf bringen wir deine Mutter nach Santa Agata zurück, speisen bei ihr zu Mittag, und ihr setzt, begleitet von ihrem Segen, eure Reise fort.«
Bei diesen Schlußworten überlief mich unwillkürlich ein Schauer. Leonilda sank ohnmachtig in die Arme des Herzogs, der sie seine teure Tochter nannte und sie mit Liebkosungen überhäufte, bis sie wieder zu sich kam. Zum Schluß dieses Auftrittes mußten wir alle unsere Tränen trocknen, denn wir alle waren gerührt.
Da ich mich als verheiratet ansah und infolgedessen mich verpflichtet hielt, einen anderen Lebenswandel zu beginnen – denn ich bin überzeugt, ich würde alles aufgeopfert haben, um eine Frau, die es verdiente, glücklich zu machen –, so spielte ich nicht mehr. Ich hatte mehr als fünfzehntausend Dukaten gewonnen. Diese Summe nebst dem Gelde, das ich bereits besaß, und Leonildas Mitgift mußten zu einer anständigen Existenz ausreichen; es würde mir leicht geworden sein, ein vernünftiges Leben zu führen.
Als ich am nächsten Abend mit dem Herzog und Leonilda speiste, sagte meine Braut zu mir: »Was wird meine Mutter sagen, wenn sie dich morgen Abend sieht?«
»Sie wird sagen, du machst eine Dummheit, daß du einen Fremden heiratest, den du erst seit acht Tagen kennst. Hast du ihr meinen Namen, meine Heimat, mein Land, mein Alter mitgeteilt?«
»Ich habe nur ein paar Zeilen geschrieben: Kommen Sie sofort, liebe Mama, und unterzeichnen Sie meinen Ehevertrag mit einem Manne, den ich aus den Händen des Herrn Herzogs empfangen und mit welchem ich morgen nach Rom abreisen werde!«
»Und ich«, sagte der Herzog, »habe ihr folgendes mitgeteilt: Komme unverzüglich, liebe Freundin, unterzeichne den Heiratsvertrag deiner Tochter und gib ihr deinen Segen; sie hat mit klugem Sinne einen Gatten gewählt, der ihr Vater sein könnte und mein Freund ist!«
»Das ist nicht wahr!« rief Leonilda, indem sie sich in meine Arme warf, »sie wird dich für alt halten, und das ärgert mich.«
»Ist deine Mutter alt?«
»Ihre Mutter«, sagte der Herzog, »ist eine reizende, geistvolle Frau, die noch nicht achtunddreißig Jahre alt ist.«
»Sie ist die vertraute Freundin der Marchesa; sie lebt bei ihnen in der Familie, bezahlt aber ihre Pension.«
Da ich am nächsten Tag die Rechnung mit meinem Bankier abzuschließen hatte, bat ich den Herzog, mich erst zum Abendessen bei Leonilda zu erwarten. Ich kam erst gegen acht Uhr und fand sie alle vor dem Kamin sitzen.
»Ah, da ist er!« rief der Herzog.
Die Mutter stieß bei meinem Anblick einen Schrei aus und sank halb ohnmächtig in einen Lehnstuhl. Ich sah sie einen Augenblick an und rief: »Donna Lucrezia! Wie bin ich glücklich!«
»Lassen Sie mich einen Augenblick Atem schöpfen, lieber Freund, und setzen Sie sich neben mich. Sie wollen also meine Tochter heiraten?«
Ich setzte mich auf einen Stuhl. Ich erriet alles. Die Haare sträubten sich mir auf dem Kopf, und ich versank in ein düsteres Schweigen.
Unmöglich wäre es mir, die Bestürzung Leonildas und des Herzogs zu schildern. Sie begriffen wohl, daß wir uns bereits kannten, aber das Weitere konnten sie nicht erraten. In meine traurigen Gedanken versunken, verglich ich Leonidas Alter mit dem Zeitpunkt, da ich Lucrezia Castelli gekannt hatte, und ich erkannte, daß sie recht wohl meine Tochter sein konnte. Ich sagte mir jedoch, die Mutter könne unmöglich die Gewißheit haben, denn sie lebte im ehelichen Verkehr mit ihrem Gatten, der damals kaum fünfzig Jahre alt war und sie liebte. Ich konnte die Ungewißheit nicht länger ertragen, stand auf, ergriff einen Leuchter, bat den Herzog und Leouilda um Verzeihung und ersuchte Lucrezia, mit mir in ein Nebenzimmer zu gehen.
Lucrezia setzte sich, zog mich an ihre Seite und sprach: »O, mein lieber Freund, den ich so sehr geliebt habe, – muß ich dich so sehr betrüben! Leonilda ist deine Tochter, dessen bin ich gewiß. Ich habe sie stets als deine Tochter angesehen, und mein Mann wußte es; aber er war darob nicht böse, im Gegenteil, er betete sie an. Ich werde dir ihren Geburtsschein zeigen; du kannst dann selber nachrechnen. Mein Mann hat mich in Rom nur ein einziges Mal besucht, und meine Tochter ist zur rechten Zeit geboren worden.
Du wirst dich eines Briefes erinnern, den meine Mutter dir mitgeteilt haben muß und worin ich ihr schrieb, ich sei schwanger. Dies war im Januar 1744, und in sechs Monaten wird meine Tochter siebzehn Jahre alt. Mein seliger Mann gab ihr in der Taufe die Namen Leonilda Giacomina, und im Scherz rief er sie immer bei diesem letzteren Namen. Diese Heirat, mein lieber Freund, erfüllt mich mit Entsetzen; aber du wirst begreifen, daß ich mich ihr nicht widersetzen werde, denn ich könnte mich nicht entschließen, den Grund meines Widerspruches anzugeben. Wie denkst du darüber? Hast du jetzt noch den Mut, sie zu heiraten? Du zögerst. Solltet ihr bereits einen Abschlag auf die Zukunft genommen haben?«
»Nein,geliebte Lucrezia, nein! Deine Tochter ist rein wie eine Perle!«
»Ich atme auf!«
»Ja, aber du zerreißest mir das Herz.«
»Ich bin in Verzweiflung darüber.«
»Sie sieht mir nicht im geringsten ähnlich.«
»Allerdings nicht; aber das beweist nichts, denn sie sieht mir ähnlich. Du weinst, lieber Freund; du durchbohrst mir das Herz.«
»Wer sollte da nicht weinen! Ich werde den Herzog zu dir schicken; nach meinem Gefühl müssen wir ihnen alles sagen.«
Ich ließ Lucrezia allein und bat meinen Freund, mit ihr zu sprechen. Die zärtliche Leonilda setzte sich ganz erschreckt auf meinen Schoß und bat mich, ihr zu sagen, was das für ein Geheimnis sei, das sie schon ganz unglücklich mache. Ich konnte ihr nicht antworten, denn mir war das Herz zusammengeschnürt; sie küßte mich, und wir brachen in Tränen aus. So saßen wir in traurigem Schweigen, bis der Herzog und die Mutter wieder eintraten. Donna Lucrezia war die einzige unter uns, die bei klarer Vernunft war.
Sie sagte: »Meine liebe Leonilda, du mußt in dieses unangenehme Geheimnis eingeweiht werden, und von deiner Mutter mußt du alles erfahren. Erinnerst du dich, mein liebes Kind, welchen Namen dir oft mein seliger Mann gab, wenn er dich liebkoste?«
»Er nannte mich seine reizende Giacomina.«
»Du hast diesen Namen nach Herrn Casanova; es ist der Name deines Vaters. Umarme ihn, meine Tochter; sein Blut fließt in deinen Adern, und wenn er dein Liebhaber gewesen ist, so bereue deine Sünde, die glücklicherweise unbeabsichtigt war.«
Es war eine rührende Szene, die uns alle tief bewegte. Leonilda umklammerte die Knie ihrer Mutter und sagte mit tränenerstickter Stimme: »Mutter, ich habe für meinen Vater nur Gefühle kindlicher Zärtlichkeit empfunden!«
Hierauf schwiegen wir alle; die Stille wurde nur durch das Schluchzen der beiden schönen Geschöpfe unterbrochen, die sich eng umschlungen hielten; der Herzog und ich standen unbeweglich wie zwei Bildsäulen, gesenkten Hauptes und mit gekreuzten Armen, ohne auch nur einen Blick zu wechseln.
Das Abendessen wurde aufgetragen. Wir saßen drei Stunden bei Tisch in trauriger Unterhaltung und ohne zu essen. Wir sprachen nur über diese dramatische, mehr unglückliche als glückliche Wiederfindungsszene und trennten uns erst um Mitternacht, Bitterkeit im Herzen und sehnsüchtig dem nächsten Morgen entgegensehend; denn wir hofften, dann würden wir ruhiger sein und den einzigen Entschluß fassen können, der uns übrig blieb.
Als wir nach Hause fuhren, stellte der Herzog eine Menge Betrachtungen an über alles, was man in der Moralphilosophie Vorurteil nennen kann. Kein Philosoph wird anzunehmen oder gar zu behaupten wagen, daß die Verbindung eines Vaters mit seiner Tochter vom natürlichen Standpunkt aus etwas Schreckliches sei, denn die Abneigung dagegen ist ein rein gesellschaftliches Vorurteil; aber es ist so weit verbreitet, und die Erziehung hat es so tief in unsere Herzen eingewurzelt, daß nur ein gänzlich verderbter Geist sich darüber hinwegsetzen könnte. Dieses Vorurteil ist eine Frucht der Achtung vor den Gesetzen; es entspricht der gesellschaftlichen Ordnung, bürgerlicher Sitte, politischer Gewohnheit, einer guten Erziehung und der Moral der Völker; wird es so aufgefaßt, so ist es kein Vorurteil mehr, sondern wird Grundsatz, unbedingte Pflicht.
Diese Pflicht kann als eine natürliche angesehen werden, insofern die Natur uns antreibt, denen, die wir lieben, alles Gute zuzuwenden, das wir uns selber wünschen. Wie es scheint, erheischt gegenseitige Liebe vollkommene Gleichheit in allem: Alter, Stand, Charakter. Man sieht auf den ersten Blick, daß eine solche Gleichheit zwischen Vater und Tochter nicht vorhanden ist. Die Ehrfurcht, welche man Kindern vor ihren Erzeugern einflößen muß, ist bereits ein Hindernis für die Zärtlichkeit, wie zwei Liebende sie füreinander empfinden müssen. Und wenn ein Vater vermöge der Gewalt, welche Natur und Kraft ihm verleihen, sich seiner Tochter zu bemächtigen wagt, so begeht er einen abscheulichen Willkürakt, den die Natur und die gesellschaftliche Ordnung in gleicher Weise verdammen müssen. Die natürliche Liebe zur Ordnung bewirkt auch, daß die Vernunft eine solche Verbindung ungeheuerlich findet. Die Früchte einer so übelpassenden Ehe können nur Liederlichkeit und Auflehnung sein. Kurz und gut, obgleich ich selber recht vorurteilsfrei bin, finde ich eine solche Verbindung in jeder Beziehung abscheulich; doch ist sie es nicht, wenn Vater und Tochter sich lieben, ohne von ihrem Verhältnis etwas zu wissen, über die Blutschande, die den immer wiederkehrenden Stoff der griechischen Tragödie bildet, kann ich nicht weinen, sondern nur lachen; über Phädra dagegen muß ich Tränen vergießen, aber daran ist Racine schuld.
Ich ging zu Bett; aber wie immer, wenn ich sehr aufgeregt bin, konnte ich kein Auge schließen. Der erzwungene schnelle und unerwartete Übergang von fleischlicher zu väterlicher Liebe versetzte alle meine körperlichen und geistigen Kräfte in eine solche Aufregung, daß ich kaum dem starken Widerstreit aller meiner Gefühle standhalten konnte. Gegen Morgen beschloß ich endlich, am nächsten Morgen abzureisen; dann schlief ich einen Augenblick ein; als ich erwachte, war ich abgemattet wie ein Liebender, der eine lange Winternacht hindurch sich der Wollust ergeben hat. Als ich aufgestanden war, teilte ich dem Herzog meinen Vorsatz mit. Er machte mich darauf aufmerksam, daß ja meine demnächstige Abreise allgemein bekannt sei, daß aber eine solche Überstürzung Anlaß zu hämischen Bemerkungen geben werde.
»Trinke mit mir eine Tasse Fleischbrühe,« fuhr er fort; »laß uns deinen gescheiterten Heiratsplan als einen der tausend Schwänke ansehen, die du in deinem Leben verübt hast. Wir wollen die letzten drei oder vier Tage in heiterer Laune zubringen und uns Mühe geben, diesem Mißverständnis alles Traurige zu benehmen; vielleicht finden wir es zuletzt nur noch komisch. Laß dir von mir raten: die Mutter ist so gut wie die Tochter; Erinnerung ist oft besser als Hoffnung; tröste dich mit Lucrezia! Du mußt sie wenig anders gefunden haben, als sie vor achtzehn Jahren war; denn es scheint unmöglich, daß sie damals schöner war als jetzt.«
Diese kleine Zurechtweisung brachte mich zur Vernunft. Ich fühlte, daß es das beste Heilmittel war, eine Schimäre zu vergessen, die mich vier oder fünf Tage lang in Hoffnungen eingewiegt hatte. Es konnte mir nicht schwer werden, denn mein Selbstgefühl war nicht verletzt; aber ich war verliebt, und die Geliebte konnte nicht die Leidenschaft dämpfen, die sie in mir hervorgerufen hatte.
Die Liebe ist nicht wie eine Ware, die man begehrt und an Stelle deren man eine andere, mehr oder weniger ähnliche wählt, wenn man die gewünschte nicht haben kann. Die Liebe ist ein Gefühl oder eine Laune der Sympathie; nur das Wesen, das sie eingeflößt hat, kann sie verlöschen oder zu größerer Glut anfachen.
Wir begaben uns zu meiner Tochter. Der Herzog war in seiner gewöhnlichen Stimmung; ich aber war bleich, niedergeschlagen und verstört wie ein Schüler, der eine Züchtigung erhalten soll. Zu meiner großen Überraschung fand ich Mutter und Tochter in fröhlicher Stimmung; dies trug nicht wenig zu meiner schnellen Heilung bei. Leonilda fiel mir um den Hals, nannte mich »lieber Papa« und küßte mich mit der ganzen Hingebung einer Tochter, Donna Lucrezia streckte mir ihre Hand entgegen und nannte mich ihren lieben Freund. Ich heftete meine Blicke auf sie und konnte nicht umhin, anzuerkennen, daß die achtzehn Jahre, die zwischen Tivoli und Neapel lagen, ihren Reizen keinen Eintrag getan hatten. Es war derselbe lebhafte Blick, dieselbe rosige Haut, dieselbe vollendete Schönheit der Formen, dieselbe Frische der Lippen, mit einem Wort, alles, was mich in meiner Jugend bezaubert hatte.
Ohne ein Wort zu sagen, liebkosten wir uns aufs zärtlichste. Leonilda gab und empfing die zärtlichsten Küsse; sie schien nicht zu bemerken, daß sie Begierden erregen konnte. Ohne Zweifel wußte sie, daß ich in meiner neuen Eigenschaft als Vater Kraft zum Widerstand haben würde, und sie hatte recht. Man gewöhnt sich an alles; ich schämte mich und war nicht mehr traurig.
Ich erzählte Donna Lucrezia, wie eigentümlich mich ihre Schwester in Rom empfangen hätte, und sie lachte herzlich darüber. Dann gedachten wir der Nacht in Tivoli, und diese Erinnerungen rührten uns. Von Rührung zur Liebe ist ein kurzer Weg; aber der Ort, an dem wir uns befanden, war nicht günstig; darum taten wir, wie wenn wir nicht daran dächten.
Nach einem kurzen Schweigen, das wir nötig hatten, um unsere Sinne zu beruhigen, sagte ich ihr, wenn sie mit mir nach Rom reisen wolle, um ihre Schwester Angelika zu besuchen, wolle ich mich verpflichten, sie zu Anfang der Fastenzeit wieder nach Neapel zu bringen. Sie versprach mir eine Antwort für den nächsten Tag.
Beim Essen saß ich zwischen ihr und Leonilda. Da ich an meine Tochter nicht mehr denken konnte, so war es natürlich, daß meine alte Leidenschaft für Lucrezia wieder erwachte. Ihre Heiterkeit, Liebenswürdigkeit und Schönheit, vielleicht auch mein Liebesbedürfnis und die Güte der Weine bewirkten, daß ich beim Nachtisch völlig verliebt war und ihr den Vorschlag machte, den Platz einzunehmen, der ihrer Tochter bestimmt gewesen war. »Ich heirate dich,« rief ich, »und Montag reisen wir alle drei nach Rom; denn da Leonilda meine Tochter ist, will ich sie nicht in Neapel lassen.«
Meine drei Tafelgenossen sahen einander an, und niemand sprach ein Wort. Ich ließ das Thema fallen und brachte das Gespräch auf einen anderen Gegenstand.
Nach dem Essen fühlte ich mich schläfrig und mußte mich auf ein Bett werfen; ich erwachte erst um acht Uhr und sah zu meiner Überraschung nur Lucrezia, die mit Schreiben beschäftigt war. Als sie hörte, daß ich mich bewegte, trat sie an mein Bett und sagte zärtlich: »Mein lieber Freund, du hast fünf Stunden geschlafen; um dich nicht allein zu lassen, habe ich die Aufforderung, den Herzog und unser liebes Kind in die Oper zu begleiten, abgelehnt.« Die Erinnerung an alte Liebe erwacht gar schnell, wenn man sich in der Nähe des Wesens befindet, das sie einst in uns entzündete; die Begierden werden unwiderstehlich, wenn die Illusion nicht durch die Abwesenheit aller Reize gestört wird. Wenn in zwei Wesen die gleiche Erinnerung erwacht, kommt eines dem anderen entgegen. Es ist dann, als setze man sich in den Besitz eines Gutes, das einem gehört und dessen man nur durch grausame Schicksalsfügungen lange Zeit beraubt war. In diesem Falle befanden wir uns, und ohne Umschweife, ohne eitle Worte, ohne verstellte Angriffe, bei denen stets der eine der beiden Parteien seine eigenen Begierden belügen muß, überließen wir uns der wahren, der einzigen Schöpferin der Natur: der Liebe.
Nach dem ersten Akt brach ich das Schweigen. Wenn ein Mensch von Natur zum Scherzen geneigt ist, wie könnte er wohl seiner Anlage gerade während jener köstlichen Ruhe widerstehen, die einem siegreichen Liebeskampfe folgt?
»So bin ich also wieder«, rief ich, »in jenem reizenden Lande, in das ich zum erstenmal bei Trommelwirbel und Flintengeknatter im Dunkel der Nacht eindrang!«
Über diesen Witz mußte sie lachen; er frischte ihr Gedächtnis auf. Mit Entzücken erinnerten wir uns an alle unsere Erlebnisse auf Monte Testaccio, in Frascati, in Tivoli. Wir taten diesen Rückblick nur zu unserer Ergötzung; aber wenn zwei Liebende beieinander sind, werden alle solche Ergötzlichkeiten nur zum Anlaß, das köstliche Opfer Cytherens immer von neuem zu beginnen!
Am Schlusse des zweiten Aktes rief ich in der Begeisterung, die eine glückliche Liebe einflößt: »Laß uns einander fürs Leben angehören! Wir stehen im gleichen Alter; wir lieben uns, unser Vermögen ist hinreichend, wir dürfen hoffen, glücklich miteinander zu leben, ja zu sterben.«
»Es ist der innigste Wunsch meines Herzens,« antwortete Lucrezia mir; »aber wir wollen in Neapel bleiben und Leonilda dem Herzog lassen. Wir werden in trauter Gemeinschaft leben, werden einen würdigen Gatten für sie finden, und unser Glück wird vollkommen sein.«
»Ich kann mich nicht in Neapel niederlassen, meine liebe Freundin; wie du weißt, war deine Tochter bereit, mit mir fortzureisen.«
»Meine Tochter! Sage doch: Unsere Tochter. Ich sehe, du möchtest lieber nicht ihr Vater sein; du liebst sie.«
»Leider! Ja, ich bin sicher, daß meine Leidenschaft schweigen wird, solange ich mit dir leben kann; aber ich würde für nichts einstehen, wenn du nicht da wärest. Ich würde fliehen; aber Flucht ist kein Glück. Leonilda ist reizend, und ihr Geist verführt mich noch mehr als ihre Schönheit. Ich war sicher, daß sie mich liebte; nur darum habe ich sie nicht verführt, weil ich fürchtete, sie mißtrauisch zu machen, denn wenn ich sie beunruhigt hätte, würde ich vielleicht ihre Zärtlichkeit geschwächt haben. Ich wollte sie glücklich machen, darum wollte ich mir ihre Achtung verdienen und ihre Unschuld schonen. Ich wollte gleiche Rechte für uns beide. Wir haben einen Engel in die Welt gesetzt, meine liebe Lucrezia, und ich kann nicht begreifen, wie der Herzog ...«
»Der Herzog, lieber Freund, ist ganz und gar ein Unmann. Begreifst du jetzt, wie ich ihm meine Tochter habe anvertrauen können?«
»Unmann? Ich habe es, wie alle Welt, geglaubt; aber er hat einen Sohn.«
»Seine Frau könnte dir sagen, wie das zugegangen ist. Glaube mir nur, der arme Herzog wird jungfräulich sterben müssen, und er ist davon mehr als jeder überzeugt.«
»Sprechen wir nicht mehr davon! Laß mich mit dir sein, wie einst in Tivoli.«
»Nicht jetzt! Ich höre einen Wagen.«
Im selben Augenblick öffnete sich die Tür, und Leonilda lachte laut auf, als sie ihre Mutter in meinen Armen sah. Sie warf sich auf uns und bedeckte uns mit Küssen. Gleich darauf kam der Herzog, und wir speisten sehr fröhlich zu Abend. Er erklärte mich für den glücklichsten aller Sterblichen, als ich ihm sagte, ich würde die Nacht in allen Ehren mit meiner Frau und meiner Tochter verbringen. Er hatte recht; denn in jenem Augenblick war ich es.
Nachdem der prächtige Mensch sich entfernt hatte, gingen wir zu Bett. Doch ich muß einen Schleier über die wollüstigste Nacht ziehen, die ich in meinem ganzen Leben verbracht habe. Wenn ich alles sagte, würde ich Ohren verletzen, die sich für keusch zu halten gewohnt sind. Übrigens hat keine Palette Farben genug, ist keine Dichtkunst bilderreich genug, um würdig wiederzugeben, was in jener Nacht wollüstiger Raserei, verliebter Ausgelassenheit und Zurückhaltung das schwache Licht zweier Kerzen beschien, die auf einem Tischchen brannten, wie ein von frommer Hand angezündetes Lichtstümpfchen vor dem Bilde eines Heiligen glimmt.
Die Sonne hatte uns schon lange geleuchtet, als wir den Schauplatz der Liebe verließen, den ich mit meinem Blute benetzt hatte. Kaum waren wir angekleidet, so kam der Herzog.
Leonilda schilderte ihm unsere nächtlichen Arbeiten; aber bei seiner traurigen Nichtigkeit mußte er sich glücklich schätzen, daß er nicht dabei gewesen war.
Ich hatte beschlossen, am nächsten Tage abzureisen, weil ich die letzte Woche des Karnevals in Rom verbringen wollte; ich bat daher den Herzog um Erlaubnis, Leonilda die fünftausend Dukaten schenken zu dürfen, die ich ihr als Witwengeld zugedacht hätte, wenn sie meine Frau geworden wäre.
»Da sie deine Tochter ist,« antwortete der Herzog, »darf und muß sie dieses Geschenk von ihrem Vater annehmen; wir können es ja als Mitgift bezeichnen.«
»Machst du mir das Vergnügen, meine Gabe anzunehmen, liebe Leonilda?«
»Ja, lieber Papa,« sagte sie mit einer zärtlichen Umarmung, »aber nur unter der Bedingung, daß du nach Neapel zurückkommst und mich besuchst, sobald du vernimmst, daß ich verheiratet bin.«
Ich versprach ihr dieses und habe Wort gehalten.
»Da du morgen abreisen willst, lieber Freund,« sagte der Herzog zu mir, »so will ich dir zu Ehren heute Abend den ganzen Adel Neapels bei mir sehen. Ich lasse dich bei deiner Tochter; bei Tisch sehen wir uns wieder.«
Er ging, und ich speiste mit meiner Frau und mit meiner Tochter in ungetrübter Fröhlichkeit. Fast den ganzen Nachmittag verbrachte ich mit Leonilda; ich hielt mich in den Grenzen väterlicher Ehrbarkeit; doch geschah dieses vielleicht weniger aus Achtung vor der guten Sitte als infolge meiner nächtlichen Anstrengungen.
Wir küßten uns erst im Augenblick unserer Trennung, und Mutter und Tochter zeigten mir, wie schmerzlich ihnen meine Abreise war.
Nachdem ich auf das sorgfältigste Toilette gemacht hatte, begab ich mich zum Souper; ich fand etwa hundert Herren und Damen vom vornehmsten Adel versammelt. Die Herzogin war sehr liebenswürdig; als ich ihr zum Abschied die Hand küßte, war sie so gütig, mir zu sagen: »Ich hoffe, Don Giacomo, Ihr kurzer Aufenthalt in Neapel hat Ihnen keine unangenehmen Erinnerungen zurückgelassen, und Sie werden zuweilen mit Vergnügen an diese Tage denken.«
Ich erwiderte, ich könne nur mit Entzücken daran zurückdenken, besonders, nachdem sie sich an diesem Abend so gütig gegen mich gezeigt habe.
In der Tat konnte niemand daran zweifeln, daß Neapel mir glückliche Erinnerungen zurücklassen müsse.
Nachdem ich die Dienerschaft des Herzogs auf das freigebigste beschenkt hatte, begleitete dieser vornehme Herr, den das Glück so gut, aber die Natur, die ihm die süßesten Genüsse verwehrte, so schlecht behandelt hatte, mich bis an meinen Wagen, und ich reiste ab.