Hermann Eris Busse
Bauernadel
Hermann Eris Busse

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Der zweite Verspruch

Es hatte den Anschein, als bessere es sich mit Markus Götz. Sixta war tagelang nach der Hochzeit noch voll nagendem Groll, um so mehr, als Marie kein Wort von Albin Hebenstreit verriet. Sie dachte leise verächtlich: »Sieh, er hat jetzt doch wieder jemand gefunden, dem er anhängen kann, so ein Lehrer ist was anderes als das eigene Weib. Der redet ein paar Worte mit dunklem Sinn an ihn hin, die kein gerader Mensch versteht, und schon hat er den Bauern am Bändel. So war es doch mit dem Knecht damals auch, mit dem Schneider Albiez auch, mit dem Vater Wendel auch, aber das jetzt hebt ebenso lang sicherlich wie die Freundschaften vorher: bloß ein paar Wochen.«

Nun, gegen den Hebenstreit stellte sie sich, wenn er es wagte, in die Stube zu kommen. Sie wollte einsprechen gegen die Ehe. 151 Gleichviel ob sich Marie noch so heimlich mit dem Vater unterhielt durch Blicke und Handreichungen.

Abends, als Sixta dann ihrem Bauern nachsah, wie er mit müden Schultern noch einmal gegen den Grasgarten hinausschritt, um die Stellfalle am Mühlenbach nachzuschauen, stieg es ihr doch warm in die Augen, und eine Flutwelle von Liebe überströmte ihr Herz. Sie konnte sich nicht denken, was sie so rührte und in traurige Liebe stürzte. Ihr Groll war vergessen. Der schmale Männerkopf mit dem grauschimmernden Haar und den knabenhaft geneigten Schultern schien ihr unnennbar vornehm und schön. Das hatte sie noch nie so gesehen und empfunden. Ja doch, da wurde man miteinander alt, zwar Weile hatte das schon noch, aber der Sommer ging dahin, und man hatte sich nicht viel mehr Liebe gezeigt als die in der kurzen Spanne der ersten Ehewochen. Dann schien die Sonne alltäglich, und es regnete alltäglich, man säte und erntete, gebar Kinder und spann Leinen, betete und arbeitete, dachte nicht weiter ins Leben hinaus. Vielleicht er, Markus, schon. Hatte sie ihn nicht anfangs, als er Träume vor sie hinbreitete, lachend und kühl abgewiesen? Da verlor er sich auf eigenen Wegen. Und dann hatte er doch hie und da gestanden, daß er widerwillig Bauer sei. Daß ihm Wald im Blut rausche, Wald und Wild. Dagegen stemmte sie sich; wenn er die Flinte nur anschaute, verzog sie das Gesicht. Lieber Gott, man sollte die Menschen verbrauchen, wie sie erschaffen sind; man bezwang keinen Trieb, oder er schlug in wilde, böse Schosse aus, die keiner verhindern konnte. So dachte Sixta und machte sich bereit, die Schuld an der Entfremdung auf ihren Teil zu nehmen. Sie dachte an ihre Mutter, die dem schrulligen Vater so klug den Willen gelassen und dennoch im eigentlichen geherrscht hatte. Und sie nahm sich vor, die Mutter selig als Vorbild anzuschauen, immer wenn ihr im Grunde heftiges Gemüt unkluge Wege einschlagen wollte. So brachte sie es diesmal über sich, dem Manne langsam nachzugehen, wie von ungefähr, und schweigend an seiner Seite zu bleiben. So, als habe sie in der Mühle noch etwas zu tun, trat sie ein, schaute sich suchend um. Markus rauchte seine Pfeife und schien nicht erstaunt. Er beobachtete den Himmel und meinte, es könne wohl halten mit dem Wetter noch ein paar Tag, bis das Öhmd daheim sei. 152

»Heides, wie schnell ist das Jahr wieder herum gewesen, meinst nicht, Marks, es denkt einem ja noch wie gestern, da wir Reute gebrannt haben an der Götzenhalde, und nun haben wir schon den Weizen daheim von dem Reutacker, eine schöne Frucht, ich hab' eine Weltsfreud daran.«

»Wohl, wohl.«

»Den ersten Stumpen Mehl davon müssen wir der jungen Erlenmoosbürin ins Haus tragen, Markus, das bringt Glück.«

»Wohl, wohl.«

»Und, was denkst du, ich meine, wir könnten es mit den Obstbäumchen doch einmal versuchen in dem Grüble, es lockt einen, dort ein paar Äpfel reifen zu sehen und Birnen, so warm und geschützt liegt das Tälchen vor dem Wald.«

»Wohl, wohl.«

»Der Erlenmooser hat Erfahrung dabei, der Alte, er wird uns schon raten können, wie wir es anstellen müssen, um gesunde Sorten zu bekommen.«

Jetzt nahm Markus endlich die Pfeife aus dem Mund, lächelte still und sah seinem Weib ins Gesicht.

»Da werden wir wohl auf den Sonntag anspannen und ins Erlenmoos kutschieren müssen, wegen dem Stumpen Mehl und dem Obst, und in der Hauptsach wegen noch was.«

Sixta lachte warm: »Wegen noch was?«

»He, weil es dich blangert, dem jungen Ehestand unserer Magdalen einmal in die Winkel zu gucken. Mütter sind Mütter, brauchst nicht zundelrot zu werden deshalb.«

Sixta klopfte ihrem Mann in übermütiger Verlegenheit auf den Rücken. Sie merkten in ihrer warmen Laune beide nicht, daß Marie mit einer Blache voll Grünfutter den Rain herabkam und mit Augen rund wie Pflugrädchen verwundert auf die einigen Eltern sah. Beglückt wollte sie sich so heimlich wie möglich hinter die Mühle schleichen, um nicht zu stören, aber das feine Jägerohr des Markus hatte sie längst erlustert. Er drehte sich um und rief: »Holla, vorwärts, vorwärts, Maidle.«

Er schlug in letzter Zeit einen besonderen Ton an, wenn er mit Marie sprach, ähnlich dem, der ihn mit Andreas damals verbunden hatte. Die Augen waren ihm durch Hebenstreit aufgetan worden, und er entdeckte, wie dieses Kind in seine Art 153 schlug, scheu und wild, eigenwillig und still. Nur von innerer Glut erfüllt, von heimlichem Brand und Verlangen nach weiß Gott was. Wußte er es von sich denn genau, wonach es ihn verlangte in unruhiger Spannung?

Sixta war fürderhin auf der Hut vor sich selber. Sie wollte Markus keine Gelegenheit geben, wieder in seine düstere Teilnahmslosigkeit zurückzugleiten. So zeigte sie auch Hebenstreit ein freundliches, wenn auch kühles Gesicht, als er eines Sonntags den Hof betrat, da ihn der Bauer von der Kirche weg mit heimgenommen. Wieder kamen nun zwei lachend und heiter an wie schon einmal. Damals Simon Gsell und Markus, jetzt der Lehrer. Und das fiel auch auf, wie sie einander wieder ähnlich waren, nicht auf den ersten Blick; denn Albin reichte Markus mit dem Haarschopf bis an die Jochbögen, jedoch fühlte man ihr gemeinsames Wesen, und im Gesicht, dessen Schmalheit und großäugiges Schauen bei beiden gleich war, las man es auch ab. Besonders wenn man so scharfsichtig geworden wie Sixta. Man aß miteinander am großen Tisch in der Stube mit dem Gesinde und den Kindern. Wieder knüpfte der Fremde gleich eine Freundschaft mit den beiden Buben Martin und Urban an. Genoveva lachte zutraulich und mit der Keckheit, die Mädchen auf der Schwelle der Kindheit an sich haben. Sälme indessen blickte kaum vom Teller auf, sie litt unter einer Scheu vor fremden Menschen, die ihr von Kindheit her noch anhaftete. Die Farbe kam und ging in ihrem bräunlichen, schmalen Gesicht mit den auffallend schön geschnittenen Augen und den mit dünnem, scharfem Strich in die Stirn gezeichneten Brauen, die sich kaum bogen, und deren seltsam lange Linie, über der Nasenwurzel beginnend, leise stieg und an ihrem Ende nicht wieder fiel wie sonst, sondern unerwartet abbrach in der Nähe der Schläfe. In schwerem, schlichtem Fall hing das gescheitelte Haar tiefer als üblich an den Seiten herunter, sorgsam geglättet und in zwei starke Zöpfe gefaßt, die im Schiltebachtal auch von den Frauen hängend getragen wurden.

Albin Hebenstreit schaute Sälme, sooft er konnte, nachdenklich an. Sie hat ein Gesicht wie eine edle, schöne Katze, dachte er, als er die merkwürdigen Augen betrachtete. Er verglich sie mit den anderen Michelshofleuten und fand bei Marie dieselben Züge, nur weniger auffällig, auch bei dem Knaben 154 Martin. Sie haben etwas Mondsüchtiges, sann er weiter, und es scheint von Vaters Seiten vererbt.

Er fuhr auf, tief in sein prüfendes Sinnen geraten, als Marie ihm etwas zurief. Er hatte keine Ahnung, was sie wollte. Auf seine Gegenfrage runzelte sie nur aufgeregt die Stirne, während Genoveva kicherte in der etwas gurrenden, leichtsinnigen Art der echten, an Leib und Seele gesunden Blonden. Es war wahrhaftig eine Freude, dem hellen Mädchen auf den lachenden Mund zu sehen, der klein, gut geschnitten und fruchtig rot war, dem man ansah, wie gern er lachte und schwätzte. Es fehlte ihm jede Strenge. Freilich beschwichtigten die kühlen, graublauen Augen darüber seine kindliche Offenheit und verrieten eine lebenstüchtige Frau schon dahinter mit ernsthaften Gedanken. Man konnte sich keinen größeren Unterschied denken als den zwischen Genoveva und Sälme, er war womöglich noch größer als der zwischen den Zwillingsschwestern Magdalen und Marie. Beide waren ruhig und voll im Körperbau wie in den Bewegungen, die anderen hingegen geschmeidig, katzenhaft, unfolgsam und spröd vor Eigensinn.

Nun, Marie würde sich jetzt hüten, in nächster Zeit noch einmal das Wort an ihn zu richten. Ach, er kannte sie schon. Wenn sie nicht mehr wollte, schmeichelte und schnurrte sie um die Welt nicht. Für heute hatte er es wohl mit ihr verschüttet. Da es, wie das so geht, wenn in einem gewohnten Kreis ein Fremder unvermutet sitzt, eine ziemlich spürbare und leicht quälende Pause gab, hob Sälme ganz mutig und bewußt die Augen zu Hebenstreit empor, dem sie gegenübersaß, und fragte, ob er etwas von der Malerin Marie Ellenrieder wisse. Sie errötete stark und sprach hastig. Alle schauten erstaunt auf sie. Wieso sie auf die käme, fragte Albin leise, als dürften die andern nichts hören von dem Zwiegespräch.

Ja, eine Frau aus Furtwangen, die Base von Johann Baptist Kirner, dem Maler, habe ihr erzählt von diesem merkwürdigen Konstanzer Fräulein, das mit Kirner in Rom befreundet gewesen sei und berühmte Bilder, fromme Bilder gemalt habe. Sie möchte gern einmal eines sehen davon. Doch wo und wann? Sälme seufzte leidenschaftlich auf. Jedoch noch ehe Albin richtig antworten konnte, erhob sich Frau Sixta und winkte der Großmagd, das Dankgebet zu sprechen. Mit zwei 155 merkwürdig eckigen Schritten sprang dieses ältliche, abgeschaffte Wesen vom Tisch weg in die Mitte der Stube, faltete, wie von einem Triebwerk bewegt, ruckhaft die Hände, senkte rasch den Kopf und schnuttelte Unverständliches herunter, rief hart: »Grüß Gott!« und verschwand aus der Tür. Hinterdrein die Jungmagd, die beiden Knechte, der Taglöhner, der Hüterbub, die Knaben Urban und Martin, die Genoveva mit lustigem Schelten hinaustrieb, selber die Stube verlassend, und zuletzt Frau Sixta. Markus und Albin steckten sich Zigarren an, Marie stellte sich unschlüssig und in gezwungener Trotzigkeit an ein Fenster. Sälme sah Albin an und paßte auf Antwort.

»Ja, da werde ich ein bissel helfen können«, meinte Hebenstreit, »ich habe zufällig eine Schrift über die Ellenrieder daheim, das heißt ein Zeitungsblatt und auch in einem Malerbuch ein paar Abbildungen nach Gemälden.«

Der Vater ließ keinen Blick von Sälme. Schließlich fragte er, Sälme konnte sich nicht erinnern, wann der Vater zum letztenmal überhaupt das Wort an sie gerichtet: »Ja, Mädchen, warum mußt du das denn wissen und schauen, willst amend Malerin werden?«

»Ach wollen?« sagte Sälme, zuckte schmerzlich die Achseln und zeichnete mit dem Zeigefinger Schnörkel auf die Tischplatte.

»Kann denn eine Bauerntochter so etwas wollen?« Es klang sehr erwachsen und zweiflerisch.

Da drehte sich plötzlich Marie rack um und rief ihr zu, halb zornig, halb gerührt: »Dumme Gans, kannst doch gacksen! Zeig deine Sachen vor, die du schon gemalt hast.«

»Hab's schon lange denkt, daß du auch spinnst«, sagte der Vater zu Sälme, drauf zu Albin gewandt: »Alle, die in die Götzenhof-Bruderhofsippe schlagen, treiben irgendwas Besonderes. Die der Bäuerin nachwachsen, sind ganz anders, sind normal sozusagen.«

»Nun, der Großvater Wendel hat auch seine Nauben gehabt«, sagte Marie, dunkel lachend. Albin klang es versöhnlich und stolz; vielleicht weil sie sich auch als Besondere fühlte.

»Hast recht, vom Wendelin steckt auch was in eurem Blut. Er war ein Schwärmer und Erfinder, er hätte die Welt neu erfunden, wenn sie noch nicht dagewesen wäre«, gab Markus zu.

»Willst du uns nicht deine Kunst vorweisen«, bat Albin das 156 verschüchterte Mädchen Sälme. Doch das schüttelte den Kopf, stand auf und verließ die Stube.

»Wer nicht will, hat gehabt«, rief Marie ihr nach.

Sie war ganz aus dem Häuschen vor Eifersucht. Denn verriet nicht Albin mit einem weichen, stillen Nachschauen, wie gut ihm die junge Sälme gefiel, dieses dumme Kind, das tat, als könne es nicht auf drei zählen?

Markus, der das Gewitter spürte, das von Mariens heißem Blut her über Albin zu jagen drohte, schickte das tolle Mädchen in die Küche, einen Kaffee zu machen und die Mutter herbeizurufen. Es gäbe eine gute Sache zu bereden.

Marie sah Hebenstreit an, der sie so anlächelte, daß sie Herzklopfen bekam und beschämt aus der Stube wich, draußen auf Sälme fast hinaufstürzte, die mit der Schürze vor den Augen weinend im Stiegenwinkel stand. Sie wallte heiß auf in Liebe zu der jungen Schwester, nahm sie in die Arme und küßte sie heftig ab: »Dummes Ding, du, ich schau schon, daß er deine Sachen in guter Stunde zu sehen kriegt, dummes Dingle du, du einfältigs. Ich helf dir, ganz sicher. Der Albin versteht was davon, er hilft dir schon. Heul nicht. Davon wirst wüst.«

Dann ließ sie Sälme stehen und huschte in die Küche, den Auftrag des Vaters auszurichten.

Sixta fragte nichts, sie strich sich den Scheitel glatt, vertauschte die Zeuglesschürze mit einer halbseidenen. In der Stube brachte dann Albin Hebenstreit in wohlgesetzten Worten zuversichtlich seine Werbung um Marie vor.

»Was meinst du, Frau?« fragte Markus, wenig überrascht, als Hebenstreit schwieg.

»Oh«, sagte sie, leise die Achseln hebend und streng zu Albin hinschauend: »Die Marie wird ja schon wissen, was sie tut, in die Stadt hinein zu heiraten, aber eines schon zum voraus, die Tracht behält sie, mit Damenflänken braucht sie mir nicht die Stube verunzieren, wir leiden das nicht. Heiratet Ihr schon eine Bauerntochter, so soll sie es auch zeigen.«

Im Innersten freute sich Sixta, so im Handumkehr etwas gefunden zu haben, womit sie ihr glattes Ja rauh machen konnte. Sie war klug genug, zu verstehen, daß Marie nicht allzulang mehr als Frau Lehrer die unbequeme Tracht tragen durfte, weil sie es nicht überwinden würde, wenn man sie schief 157 ansah, ihr die bäuerliche Herkunft zum Spott auslegte, denn der Bauer wurde nachgerade als minderer Mensch angesehen. Jedoch diesen Trumpf mußte Sixta gegen das Dreiblatt kräftig ausspielen, weil man sie eigentlich nun richtig überrumpelte.

Albin Hebenstreit bewegte sich unruhig auf seinem Stuhle und schaute ratlos zu Markus hinüber. »Ach, Bäuerin«, sagte der jäh aufstehend und Albin die Hand reichend: »Das wollen wir der Marie ganz allein überlassen, sie liegt hernach, wie sie sich bettet. Wir können uns nur freuen, wenn sie einen guten Mann bekommt, denn sie ist heiklig genug im Wesen und für das Bauerngeschäft zu zart.«

»Ja, halt ihr nur die Stange«, gab Sixta säuerlich lachend nach, »ich wasch' meine Händ' in Unschuld«, erhob sich gleichfalls und ging aus der Stube, rief nach Marie, schickte sie zu den Männern und sagte nur bündig: »Der Vater hat ja gesagt.«

»Und die Mutter?« Marie senkte die Augen, sie ahnte den leisen Widerstand der Bäuerin. »Und die Mutter?«

»Ach, Marie, das Hintenherum hättet ihr euch sparen sollen, nun hat für mich diese ganze Abmachung einen unguten Geschmack. Ich hab' es immer klar mit euch allen gemeint, und mit dir besonders, du Trotzkopf, doch ich bin die Letzte, die euch im Wege steht. Und noch eines«, sie trat nahe an die Tochter, schluckte, wie von Tränen gehemmt, »stell' es dir nur ja nicht zu leicht vor mit diesem Albin Hebenstreit, er ist dem Vater ähnlich.«

Marie nickte nur: »Ich weiß wohl« und schlüpfte an der Mutter vorbei in die Stube.

Sixta stand noch ein Weilchen reglos in der düstern Küche, seufzte hart auf, legte ein paar Spächele an das Feuer und brühte Kaffee an, dessen fremdartiger Duft durchs ganze Haus zog, und seine Seltenheit verkündete, daß im Michelshof wieder einmal ein Fest fällig war.

Der Knecht, der mit dem anderen Gesinde auf der Heubühne hockte und seiner Ziehharmonika flotte Walzer entlockte, sog den Duft ein, zog die Handorgel ganz auseinander und fing an, übermütig eines der spöttisch-derben Schwarzwälder Hochzeitslieder zu singen. Er hatte aber eine schlechte, grölige Stimme, und die Kleinmagd stand hinter ihm und preßte ihm 158 entsetzt beide Hände auf den Mund, Gelächter und Scherzreden wie an der Kirchweih schwirrten in dem weltsgroßen Bühnenraum herum. Der Knecht, der im Verdacht stand, Marie heimlich begehrt zu haben, gluckste hinter den rauhen Händen der kecken Magd und verdrehte die Augen, stieß dabei die Harmonika wieder zusammen, daß sie in wirren Tönen aufschrie. Die Magd ließ ab von ihm und floh hinter einen Strohhaufen, den sie gerichtet hatten zum Häckselschneiden, aber der Knecht kam ihr nicht nach, mit ihr zu balgen, wie sie in ihrer derben Sinnlichkeit gemeint hatte. Er spielte ganz zart eine der trägen, süßen Weisen, die den Liebesklagen des Volkes eigen sind.

Auf einmal brach das überlaute Rufen Urbans in ihre Runde, der sie in die Stube rief, es gäbe etwas Rares. Und wie das wilde Heer rannten die jungen Leute über die Einfahrt hinab, welche die Heubühne über eine grob gemauerte Brücke hinweg mit dem hinteren Hause verband, damit man mit den beladenen Wagen einfahren konnte, wobei dem, der unten in den Stuben weilte, der Kopf dröhnte. Der Knecht mit der Großmagd, einer ältlichen Person, schritt gemächlich hintendrein. Sie wußten schon, es gab jetzt den Verspruchskaffee, und gestern war frisches Brot und mit dem Rest des Teiges waren ansehnliche Äpfel und Speckkuchen gebacken worden.

 


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