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Flußteufel oder Tarzan

Ein Waziri, der vom Dorfe des Kannibalenhäuptlings Odebe zurückkam, sah ein Stück menschliches Gerippe neben der Fährte liegen. Das war an sich noch nichts Auffälliges. Auf den Wildpfaden im dunklen Afrika bleichen viele Gebeine. Aber dies eine fiel ihm auf, weil es von einem Kinde stammte. Doch nicht dieser Umstand allein hätte genügt, um einen schwarzen Kriegsmann mitten im feindlichen Lande auf dem Rückweg zu seinen eigenen Leuten aufzuhalten.

Usula, den Gerüchte wegen seines teuren Herrn, des Großen Bwana, nach Odebes Dorf geführt hatten, hatte dort merkwürdige Geschichten gehört. Zwar wollte Odebe von Affentarzan nicht das Mindeste gehört oder gesehen haben. Jahrelang hatte er schon den weißen Riesen nicht mehr erblickt. Viele Male gab er Usula diese Versicherung, aber von anderen Waziri hatte Usula vernommen, daß Odebe ein ganzes Jahr lang oder länger einen Weißen gefangengehalten hatte, der ihm erst vor kurzem entkommen war. Usula dachte anfangs, dieser Weiße könne Tarzan gewesen sein, aber als er sich die Zeitangaben über die Gefangenschaft dieses Mannes zurechtlegte, fand er, daß es sich unmöglich um seinen Herrn gehandelt haben könnte, und so machte er sich denn wieder auf den Heimweg. Doch als er die Teile eines Kindergerippes liegen sah, erinnerte er sich mit einem Male der Erzählung von der verschwundenen Uhha und machte doch einen Augenblick halt, just, um die armseligen Reste zu betrachten. Da sah er bei einigen etwas abseits geschleppten Knochen ein Fellsäckchen liegen. Usula bückte sich und hob es auf. Als er das Band löste und sich etwas vom Inhalt auf die Hand schüttete, wußte er gleich, was er da gefunden hatte. Er erkannte das Eigentum seines Herrn, denn Usula hatte als Häuptling genügend Einblick in dessen Angelegenheiten. Das waren sicher die Diamanten, um die jene weißen Männer, die damals Opar herausgefunden hatten, Tarzan vor vielen Monaten bestahlen. Nun konnte er sie wenigstens der Gattin seines Großen Bwana wiederbringen.

Drei Tage später, als er still auf der Fährte am Rande des großen Dornwaldes vorbeiwanderte, hielt er plötzlich starr an und nahm seinen schweren Speer kampfbereit zur Hand. An einer ungeschützten Stelle sah er einen Menschen, einen völlig unbekleideten Mann, auf dem Boden liegen. Der Mann war nicht tot, denn er bewegte sich, aber was mochte er wohl da tun? Usula kroch ohne jedes Geräusch näher. Der Mensch, ein Weißer, lag neben dem Kadaver eines vor mehreren Tagen gefallenen Büffels und kaute gierig an den Hautresten, die noch an dem bleichenden Gerippe hingen.

Der Mann hob jetzt den Kopf, Usula blickte ihm ins Gesicht und stieß einen Schreckensschrei aus. Da sah der andere mit schauerlichem Grinsen auf. Es war der Große Bwana!

Usula rannte zu ihm hin, suchte ihn aufzurichten, aber der Mann lachte nur und lallte so sinnlos wie ein kleines Kind. Daneben hing, an einem Horn des Büffels verfangen, seines Großen Bwana goldenes, mit Diamanten besetztes Anhängsel. Usula machte es los und hing es dem des Verstandes beraubten Manne um den Hals. Dann baute er ihm eine starke Schutzhütte in nächster Nähe und jagte ein Wild. Viele Tage lang blieb er an dieser Stelle, bis er den kranken Mann wieder zu Kräften gebracht hatte, aber zu Verstand konnte er ihn nicht wieder bringen. Das war der Zustand, in dem der treue Usula seinen Herrn heimbrachte.

Sie fanden Tarzans Körper und Kopf mit Wunden und Schmarren bedeckt, mit neuen und alten, unbedeutenden und ernsteren. Da ließen sie einen berühmten Chirurgen aus England kommen, der versuchen sollte, das arme Geschöpf wieder zu heilen, das einst Affentarzan gewesen war.

Selbst die Hunde, die sonst dem Lord Greystoke auf Schritt und Tritt gefolgt waren, gingen dieser vernunftberaubten Gestalt scheu aus dem Wege und Dschadbalja, der goldene Löwe, brüllte wütend, wenn der Kranke an seinem Käfig vorbeigefahren wurde.

Korak, der Töter, ging in stummer Verzweiflung herum, denn seine Mutter war bereits von England aus unterwegs, und wie sollte sie diesen schrecklichen Schlag ertragen? Er getraute sich nicht einmal, daran auch nur zu denken.

*

Der Zauberdoktor Khamis suchte immer noch unablässig nach seiner Tochter Uhha, die der Flußteufel aus Odebes Kannibalennest gestohlen hatte. Manche Wanderung nach anderen Dörfern selbst bis in weit entfernte Gegenden unternahm er, aber nirgends fand er eine Spur von ihr oder ihrem Entführer.

Wieder kehrte er von einer fruchtlosen Nachforschung zurück, die sich weit nach dem Osten erstreckt hatte, da kam er einige Kilometer nördlich des Ugogo unmittelbar am Bande des Dornwaldes vorbei. Er war um die allererste Morgenstunde auf seinem einsamen Lager aufgebrochen, um sich auf das letzte Stück seines Heimwegs zu machen, da entdeckten seine immer noch scharfen Augen etwas in hundert Schritt Entfernung am Rande einer kleinen Lichtung. Was es war, ließ sich nicht erkennen, aber der Instinkt bewog ihn, nachzusehen. Vorsichtig näherschleichend, erspähte er zunächst ein über die Pflanzen herausragendes menschliches Knie. Er kroch näher und fuhr vor Erregung zusammen. Dort lag der Körper des Flußteufels auf dem Rücken.

Mit hocherhobenem Speere näherte sich der Zauberdoktor. War der Flußteufel tot oder schlief er nur? Khamis richtete die Spitze seines Speeres gegen die braune Brust und versetzte ihr einen leichten Stich. Aber der Teufel erwachte nicht.

Also war er nicht eingeschlafen. Doch tot schien er auch nicht zu sein! Khamis kniete nieder und lauschte am Herzen des Liegenden. Nein, tot war er nicht.

In des Zauberdoktors Hirn jagten sich die Gedanken. Er für sein Teil glaubte nicht an Flußteufel, aber schließlich konnte es solche Wesen doch geben, und vielleicht stellte sich dieser da nur bewußtlos oder er war für einige Zeit abwesend aus dem Leibe, den er nur benützte, um sich, ohne Verdacht zu erregen, unter den Menschen bewegen zu können. Aber andererseits hatte er ihm die Tochter entführt. Er mußte aus diesem Wesen die Wahrheit herausbekommen, und wenn es zehnmal ein Teufel war.

Er band sich das Bastseil ab, das er um den Leib trug, wälzte den regungslosen Körper herum und band ihm flink die Hände auf dem Rücken. Dann setzte er sich daneben und wartete. Es dauerte eine volle Stunde, ehe sich die ersten Anzeichen des wiederkehrenden Bewußtseins bemerken ließen, aber endlich öffnete der Flußteufel seine Augen.

Wo ist meine Tochter Uhha? fragte der Zauberdoktor.

Der Flußteufel versuchte zunächst seine Arme freizumachen, aber sie waren gut gebunden. Auf' Khamis' Frage gab er keine Antwort; es war, als ob er sie gar nicht gehört hätte. Er ließ vom Versuch, seine Banden zu sprengen, ab und legte sich mit geschlossenen Augen auf den Rücken zurück. Nach einiger Zeit öffnete er die Augen wieder und sah Khamis an, sprach aber kein Wort.

Steh auf! befahl der Zauberdoktor und versetzte ihm mit dem Speer einen Stoß.

Der Flußteufel wälzte sich auf die Seite und kam mit Hilfe von Knie und Ellenbogen schließlich auf die Füße. Khamis trieb ihn auf der Fährte vor sich her, und bei Einbruch der Dunkelheit gelangten sie ans Dorf des Kannibalen Odebe.

Als Krieger, Weiber und Kinder sahen, wen Khamis da ins Dorf brachte, wußten sie sich vor Erregung nicht zu fassen. Wäre der Zauberdoktor nicht gewesen, vor dem sie Scheu hatten, sie wären am liebsten gleich mit Messern über den Gefangenen hergefallen und hätten ihn gesteinigt, ehe er noch richtig im Dorfe war. Aber Khamis wollte den Flußteufel nicht töten lassen, wenigstens jetzt noch nicht. Er wollte erst die Wahrheit über Uhha aus ihm herausbringen. Bislang hatte er ihm allerdings nicht ein einziges Wort abzwingen können. All seine unablässigen, mit Speerstichen unterstützten Fragen entlockten dem Gefangenen keinen Laut.

Khamis schaffte ihn in die gleiche Hütte, aus der der Flußteufel entkommen war, aber er band ihn sorgfältig und setzte zwei Krieger als Wache vor die Hütte. Er wollte ihn nicht noch einmal verlieren. Dann kam Odebe, um sich die Sache anzusehen. Auch er wollte den Flußteufel ausfragen, aber der sah dem Häuptling kalt ins Gesicht.

Ich werde ihn schon zum Sprechen bringen, meinte Odebe. Wenn wir mit dem Abendessen fertig sind, holen wir ihn heraus und bringen ihn zum Reden. Ich kenne eine Menge Mittel dazu.

Aber du darfst ihn dabei nicht töten, warf der Zauberdoktor ein: Er weiß, was aus Uhha wurde, und ehe er das verraten hat, darf ihn keiner töten.

Er wird es sagen, ehe er stirbt, sagte Odebe.

Er ist der Flußteufel, der niemals stirbt, entgegnete Khamis, der wieder auf sein altes Steckenpferd zurückkam.

Tarzan ist es, rief Odebe, und die zwei stritten noch über diese Frage, als sie aus der Hütte gingen. Der Gefangene sah, wie in einem Feuer vor der Hütte des Zauberdoktors Eisen erhitzt wurde. Khamis selbst saß vor dem Eingang und arbeitete hastig an seinen zahlreichen Zaubergeräten herum – in Blätter gewickelte Holzstücke, Steine, ein paar Kiesel, ein Zebraschweif.

Die Dorfbewohner begannen sich in solcher Zahl zu versammeln, daß der Gefangene nichts weiter sehen konnte. Bald darauf kam ein kleiner Negerknabe und brachte den Wachen einen Befehl. Diese holten den Gefesselten heraus und stießen ihn rauh nach der Hütte des Zauberdoktors.

Odebe war auch schon dort und stand neben dem Feuer in der Mitte des dichtgedrängten Kreises von Zuschauern. Das Feuer war nur klein, gerade genügend, um ein Dutzend Eisenstücke heiß zu machen.

Wo ist meine Tochter Uhha? fragte Khamis.

Der Flußteufel gab so wenig Antwort wie vorher. Brenne ihm ein Auge aus, sagte Odebe. Dann wird er schon reden.

Die Zunge reißt ihm heraus, die Zunge! schrie ein Weib.

Dann kann er doch nicht mehr reden, du Närrin! rief Khamis.

Der Zauberdoktor erhob sich und stellte nochmals die gleiche Frage, wieder ohne Antwort zu bekommen. Da versetzte er dem Flußteufel einen heftigen Schlag ins Gesicht. Khamis kam allmählich soweit aus der Fassung, daß er nicht einmal mehr vor Flußteufeln Scheu hatte.

Wirst du mir jetzt Antwort geben?! kreischte er und packte eines der heißen Eisen.

Zuerst das rechte Auge! brüllte Odebe.

*

Der Arzt, den Lady Greystoke mitgebracht hatte, langte am Bungalow des Affenmenschen an. Drei müde und staubbedeckte Reisende waren es, die endlich vor dem mit Rosen bewachsenen Eingang abstiegen, der berühmte Londoner Chirurg, Lady Greystoke und ihre Zofe Flora Hawkes. Der Arzt und Lady Greystoke begaben sich gleich in das Zimmer, in dem Tarzan in einem zurechtgebauten Rollstuhl saß. Er sah den Eintretenden verständnislos entgegen.

John, kennst du mich denn nicht? fragte seine Gattin.

Da nahm der Sohn die Weinende bei den Schultern und führte sie weg.

Er kennt niemand, sagte er. Warte, bis die Operation vorbei ist, Mutter, dann kannst du ihn wieder sehen. Du kannst ihm doch nicht helfen, und für dich ist dieser Anblick zu schwer zu ertragen.

Der berühmte Arzt nahm die Untersuchung vor. Infolge eines neuerlich erlittenen Schädelbruchs drückte ein Knochensplitter aufs Gehirn. Die Operation mußte den Druck beseitigen und konnte dem Patienten Vernunft und Gedächtnis wiedergeben. Der Versuch mußte wenigstens gemacht werden.

Pflegerinnen und zwei Ärzte von Nairobi, die gleich nach der Ankunft dort bestellt worden waren, langten einen Tag nach Lady Greystoke an. Die Operation fand am nächsten Morgen statt.

Lady Greystoke, Korak und Meriem warteten im Nebenraum auf das Urteil des Chirurgen. Würde die Operation gelingen oder nicht? Sie starrten wortlos auf die Türe, die sie von dem behelfsmäßig eingerichteten Operationszimmer trennte. Endlich öffnete sie sich nach einer Zeit, die ihnen wie eine Ewigkeit vorgekommen war, obgleich es nur eine Stunde gedauert hatte. Ihre Augen bettelten in stummem Flehen um den Bescheid, den ihre Lippen nicht zu fordern wagten.

Ich kann noch nichts weiter sagen, erklärte der Chirurg, als daß die Operation geglückt ist. Wie der weitere Ausgang ist, muß man abwarten. Ich habe verboten, daß für die nächsten zehn Tage jemand außer den Pflegerinnen sein Zimmer betritt. Sie haben strikte Anweisung, die ganze Zeit über weder zu ihm zu sprechen, noch ihn sprechen zu lassen. Aber er wird gar keine Lust zum Reden haben, denn ich werde ihn mit ein paar Medikamenten die ganze Zeit über in einem Zustand halber Betäubung halten. Einstweilen müssen wir abwarten, Lady Greystoke. Ich kann aber die Versicherung geben, daß ihr Gatte die besten Aussichten auf völlige Wiederherstellung hat. Sie dürfen also wirklich das Beste hoffen.

*

Der Zauberdoktor legte dem Flußteufel die linke Hand auf die Schulter. In der Rechten hielt er das glühende Eisen.

Erst das rechte Auge! heulte Odebe.

Plötzlich schwollen die Muskeln auf Rücken und Schultern des Gefangenen an und ballten sich unter seiner braunen Haut. Nur für den Bruchteil einer Sekunde schien der Bedrohte eine übermenschliche Kraft zu entfalten, man hörte ein dumpfes Krachen, als die Faserstricke an seinen Händen rissen, und im nächsten Augenblick packten Finger mit Sehnen wie Stahldrähte das rechte Handgelenk des Zauberdoktors. Funkelnde Augen starrten Khamis an. Er ließ das glühende Eisen aus den gelähmten Fingern fallen und schrie, denn er sah den Tod aus den zornigen Augen des Gottes blicken.

Odebe sprang in die Höhe. Die Krieger drängten sich vorwärts, aber keiner traute sich in den Bereich des Flußteufels. Sie hatten es nie für besonders richtig gehalten, daß man die Vorsehung in einer Weise herausforderte, wie das Odebe und Khamis getan hatten. Nun sah man das Ergebnis davon. Der Zorn des Flußteufels würde sie alle gleichmäßig treffen. Einige wichen zurück, das war für die anderen Grund genug, das gleiche zu tun. Alle miteinander hatten sie denselben Gedanken: Wenn ich mit der Geschichte nichts zu tun habe, kann mir der Flußteufel auch nicht böse sein.

Damit wandten sie sich samt und sonders zur Flucht und fielen in der Eile über ihre eigenen Weiber und Kinder, die es ihren Herren und Meistern im Wettlauf zuvorzutun suchten.

Schließlich rannte auch Odebe davon. Da nahm der Flußteufel Khamis auf, stemmte ihn mit beiden Händen hoch über den Kopf und setzte dem Häuptling nach, der sich in seine Hütte verkroch. Aber der Kannibale hatte kaum deren Inneres erreicht, als etwas mit betäubendem Krach auf das leichte Blätterdach seiner Hütte flog, die unter dem schweren Gewicht nachgab und einbrach. Ein auf den Häuptling herabstürzender Körper versetzte diesen in sinnlose Angst. Der Flußteufel war durch das Dach seiner Hütte gesprungen, um ihn zu vernichten! Der Selbsterhaltungstrieb überwog für einen Augenblick das Entsetzen vor dem Übernatürlichen, denn jetzt war er selbst davon überzeugt, daß Khamis recht hatte und daß das so lange von ihm gefangen gehaltene Wesen wirklich der Flußteufel war. Aber Odebe zog doch sein Messer und stieß es wieder und wieder in den Leib des auf ihn gesprungenen Teufels; erst als er sicher war, daß alles Leben daraus entwichen war, erhob er sich und schleifte den Körper hinter sich her hinaus ins Mondlicht.

Kommt her, mein Volk! rief er. Ihr habt nichts mehr zu fürchten, denn ich, Odebe, euer Häuptling, habe den Flußteufel mit eigener Hand getötet. Damit sah er selbstgefällig auf das Ding, das er hinter sich herausgeschleift hatte – da verschlug es ihm die Rede, und er hockte sich plötzlich in den Schmutz der Dorfstraße nieder, denn zu seinen Füßen lag die Leiche von Khamis, dem Zauberdoktor.

Seine Leute kamen herbei, aber als sie sahen, was geschehen war, sagten sie kein Wort, sie blickten nur verschüchtert drein. Odebe untersuchte seine Hütte und deren Umgebung genau. Er nahm ein paar Krieger und durchsuchte das ganze Dorf. Doch der Fremde war verschwunden. Schließlich kamen sie auch an das Tor. Die Torflügel waren geschlossen, aber vor ihnen im Staube zeigte sich der Abdruck eines nackten Fußes – eines Fußes von einem Weißen. Da ging der Häuptling zu seiner Hütte zurück, vor der seine Leute auf ihn warteten, und sagte: Odebe hatte doch recht. Dieses Geschöpf war nicht der Flußteufel, es war Affentarzan, denn nur der konnte Khamis so hoch über seinen Kopf schleudern, daß er durch das Dach einer Hütte fiel, und nur er konnte so einfach über unser Tor hinwegkommen.

*

Der zehnte Tag war da. Der berühmte Chirurg weilte immer noch im Greystoke-Bungalow und wartete den Erfolg seiner Operation ab. Der Patient erwachte langsam vom Einfluß des Betäubungsmittels, das man ihm für die vergangene Nacht gereicht hatte, aber er gewann die Besinnung langsamer wieder, als der Arzt erwartete. Die Stunden verliefen bleiern, der Morgen wurde zum Nachmittag, der Abend neigte sich, und immer noch kam kein Bescheid aus dem Krankenzimmer.

Es wurde dunkel. Die Lampen brannten und die Familie war im großen Wohnzimmer versammelt, als die Tür aufging und eine Pflegerin erschien. Der Kranke kam hinter ihr drein. Auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck der Verlegenheit, aber die Pflegerin lächelte zufrieden. Der Arzt folgte und unterstützte seinen Patienten, der vom langen Leiden geschwächt war.

Ich glaube, Lord Greystoke wird nunmehr rasch genesen, meinte er. Sie werden ihm vieles beibringen müssen. Als er zu sich kam, wußte er nicht, wo er war, aber das ist in solchen Fällen nichts Ungewöhnliches. Der Kranke trat ein paar Schritte ins Zimmer und sah sich verwundert um.

Hier ist Ihre Gattin, Greystoke, sagte der Arzt gerührt. Lady Greystoke erhob sich und ging mit ausgebreiteten Armen auf ihren Gatten zu. Ein Lächeln trat auf die Züge des Kranken, er trat ihr entgegen und wollte sie in die Arme nehmen. Aber plötzlich drängte sich jemand zwischen sie und hielt sie auseinander. Es war Flora Hawkes.

Großer Gott, Lady Greystoke, rief sie. Das ist gar nicht Ihr Gemahl! Das ist Miranda, Esteban Miranda! Glauben Sie denn nicht, daß ich ihn unter einer Million Leuten herausfinden würde? Seit wir wieder hier sind, habe ich ihn nicht gesehen, weil ich nicht ins Krankenzimmer durfte. Aber wie ich ihn eben lächeln sah, habe ich ihn erkannt.

Flora, schrie die verzweifelte Gattin. Bist du dessen sicher? Nein, nein, du mußt dich täuschen. Gott gibt mir meinen Gatten nicht wieder, um ihn gleich wieder zu nehmen. John, sage mir, bist du's? Du wirst mich doch nicht betrügen?

Einen Augenblick schwieg der Mann und wankte wie aus Schwäche hin und her. Der Arzt trat zu ihm, um ihn zu stützen.

Ich war sehr krank, sagte er dann. Möglich, daß ich verändert aussehe, aber ich bin Lord Greystoke. Dieses Weib da kenne ich nicht. Damit deutete er auf Flora Hawkes.

Er lügt! rief das Mädchen.

Jawohl, er lügt, sagte eine ruhige Stimme hinter ihnen. Sie drehten sich alle um und sahen einen weißen Riesen im offenen französischen Fenster der Veranda stehen.

John! schrie Lady Greystoke auf. Wie konnte ich mich nur so täuschen, ich – aber das Ende ihres Satzes ging verloren, denn Affentarzan sprang ins Zimmer, nahm sein Weib in die Arme und verschloß ihr mit Küssen den Mund.

*


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