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Ein erstaunliches Wiedersehen

Waras Sohn stolzierte durch den Wald. Er trug seinen Speer und hatte sich Bogen und Köcher auf den Rücken gehängt. Hinter ihm folgten zehn andere männliche Vertreter seiner Rasse in gleicher Bewaffnung, und jeder trat auf, wie wenn ihm der ganze Wald gehöre. Ihnen kam auf der Fährte ein Weib ihrer Art entgegen. Auch sie trat furchtlos auf. Jetzt kniff sie die Augen zusammen, hielt an und lauschte mit gespitzten Ohren; dann witterte sie in der Luft. Männchen! Sie verstärkte ihren Schritt zu einem Trabe und nahm die Richtung nach ihnen. Sicher mußten es mehrere sein. Wenn sie plötzlich überraschend über sie herfiel, würden sie in Verwirrung geraten, und sie konnte zweifellos einen von ihnen packen, ehe er zur Flucht Zeit fand. Schlimmstenfalls mußte sie mit den Wurfsteinen ihres Gürtels einen aussuchen.

Männer waren seit einiger Zeit rar geworden. Viele Weiber ihres Stammes, die zum Männerfang in den Wald gezogen waren, kamen nicht wieder. Sie hatte selbst deren Leichen im Walde liegen sehen. Was mochte wohl die Ursache ihres Todes gewesen sein? Aber hier fand sie endlich einmal wieder Männer, die ersten, denen sie seit zwei Monden begegnete, und diesmal wollte sie nicht mit leeren Händen heimkommen. An einer scharfen Biegung des Urwaldpfades kamen die Männer in Sicht, aber zu ihrer Enttäuschung fand sie, daß sie noch ziemlich weit entfernt waren. Sie mußten ihr sicher entkommen, wenn sie sich nicht rechtzeitig versteckte. Da merkte sie aber, daß es bereits zu spät war, denn einer der Männer deutete auf sie. Sie riß ein Wurfgeschoß vom Gürtel, packte ihre Keule fester und stürzte sich in raschen plumpen Sprüngen auf die kleine Schar. Mit freudiger Überraschung bemerkte sie, daß jene gar keine Anstalten zur Flucht machten. Welche Angst mußten sie haben, daß sie so artig stehenblieben! Aber was war denn das? Sie kamen ihr sogar entgegen? Jetzt konnte sie auch den Ausdruck auf den Gesichtern erkennen, da zeigte sich keine Spur von Furcht, sondern Grimm und Drohung. Und was für merkwürdig geformte Gegenstände sie in den Händen hielten! Einer, der vorderste, sprang ihr entgegen, hielt an und schleuderte einen langen spitzen Stock nach ihr. Die Spitze war scharf und riß ihr die Schulter auf, daß Blut kam. Ein anderer blieb stehen, hielt ein kleines Stäbchen quer an einen anderen Stock, dessen Enden zurückbogen und mit einem Stück Darmsehne verbunden waren. Auf einmal ließ er den kleinen Stab los, der durch die Luft pfiff und ihr unter einem der Arme das weiche Fleisch durchbohrte. Und jetzt kamen noch weitere mit ähnlichen Waffen auf sie zu. Da erinnerte sie sich an die toten Weiber im Walde und an das Seltenwerden der Männer; obgleich sie etwas schwerfällig von Begriff war, besaß sie doch Überlegung und brachte diese Tatsache augenblicklich soweit mit einander in Verbindung, daß sie in plumpem Stolpern so schnell ihre Beine sie trugen wieder dahin lief, woher sie gekommen war. Sie hielt nicht eher in ihrer kopflosen Flucht an, als bis sie erschöpft in ihrer eigenen Höhle zu Boden sank. Die Männer machten keine Miene, sie zu verfolgen.

Vorläufig hatten sie noch nicht jene Stufe des Freiheitsgefühls erreicht, das ihnen genug Mut und Selbstvertrauen gab, um ihre ererbte Furcht vor den Weibern gänzlich zu überwinden. Es genügte, daß sie diese eine in die Flucht gejagt hatten. Sie verfolgen, hieß die Vorsehung versuchen.

Die anderen Weiber sahen ihre Genossin in ihre Höhle wanken. Als sie erkannten, daß jene durch Angst und die körperliche Anstrengung einer langen Flucht so erschöpft war, nahmen sie ihre Keulen und sprangen auf, um den mutmaßlichen Verfolger entgegenzutreten und ihn niederzuschlagen. Sie nahmen nämlich an, es müsse wenigstens ein Löwe sein. Aber da kein Löwe sich blicken ließ, gingen einige zu dem keuchend auf seiner Schwelle liegenden Weibe.

Wovor bist du davongelaufen? forschten sie in ihrer einfachen Zeichensprache.

Männchen! erwiderte sie.

Verachtung malte sich deutlich auf den Gesichtern aller anderen. Eine gab ihr einen Fußtritt, eine andere bespie sie.

Aber es waren eine Menge, machte sie den anderen klar. Sie wollten mich mit fliegenden Stöcken töten. Schaut! Sie zeigte ihnen die Speerwunde und den Pfeil, der ihr immer noch unter dem Arme im Fleisch stak. Sie dachten gar nicht an Flucht, sie kamen mir entgegen und griffen mich an. So sind alle unsere Gefährtinnen umgekommen, deren Leichen wir in den letzten Monden im Walde gefunden haben.

Diese Erklärung gab den anderen doch zu denken. Sie ließen ab, das auf dem Boden liegende Weib zu mißhandeln. Die wildeste von ihnen tanzte, wütende Fratzen schneidend, hin und her, bis sie auf einmal anhielt und durch Zeichen die anderen aufforderte: Kommt mit! Wir wollen zusammen ausziehen, diese Männer suchen, sie zurückbringen und bestrafen. Sie schwang die Keule über dem Kopfe und grinste schauerlich.

Die übrigen begannen mitzutanzen und die Fratzen nachzuahmen, bis sie schließlich hinter der Anführerin nach dem Walde auszogen, alle bis auf die eine, die immer noch keuchend auf der gleichen Stelle lag. Die hatte vom Manne ein für allemal genug.

*

Dafür stirbst du, kreischte Caraftap, der sich in der Sklavenunterkunft auf Affentarzan stürzte.

Der Affenmensch wich flink zur Seite und stellte dem Angreifer ein Bein, so daß dieser mit ausgebreiteten Gliedern platt aufs Gesicht stürzte. Ehe sich Caraftap wieder erhob, sah er sich nach einer Waffe um und griff nach dem heißen Kohlenbecken, auf das sein Blick zunächst fiel. Ein Gemurmel der Mißbilligung erhob sich unter den herumstehenden Sklaven, die den Beginn des Streites mit angesehen hatten.

Keine Waffen! rief einer. Das gibt's nicht unter uns. Kämpfe mit den bloßen Händen oder laß es ganz.

Aber Caraftap war von Haß und Eifersucht zu sinnlos, um zu hören oder hören zu wollen. Er ergriff das Kohlenbecken und erhob es, um es Tarzan an den Kopf zu werfen. Doch diesmal stellte ihm ein anderer ein Bein, und zwei weitere Sklaven warfen sich auf ihn und rissen ihm das Becken aus den Händen: Kämpfe mit Anstand, ermahnten sie ihn noch, als sie ihn auf die Füße stellten.

Tarzan hatte mit gleichgültigem Lächeln zugesehen, denn es machte ihm Spaß, wenn andere mehr Wut zeigten, als die Umstände begründeten. Nunmehr wartete er auf Caraftap, den das Lächeln des Affenmenschen derart sinnlos machte, daß er ihm mordlustig an die Kehle sprang. Aber Tarzan begegnete seinem als gewalttätig bekannten Gegner mit der überraschendsten Verteidigung, die jener je erlebt hatte. Eine geballte Faust am Ende eines lang ausgestreckten Armes erteilte Caraftap einen Stoß an die Kinnspitze, der ihn glatt auf den Rücken legte. Die Sklaven, deren sich inzwischen eine beträchtliche Anzahl als Zuschauer des Kampfes gesammelt hatte, bekundeten ihren Beifall mit dem schrillen, bei ihnen üblichen: Jjah-Jjah!

Schwindelig und halb betäubt raffte sich Caraftap noch einmal auf blickte mit gesenktem Kopfe um sich, als ob er seinen Gegner suche. Das Mädchen Talaskar war an Tarzans Seite getreten, dem sie ins Antlitz sah.

Wie stark du bist! sagte sie, aber der Ausdruck ihrer Augen bedeutete noch mehr oder wenigstens schien es Caraftap so. Ihm kam es vor, wie wenn dieser Blick von Liebe spräche, während darin doch nur die Bewunderung zum Ausdruck kam, die ein natürliches Weib immer fühlt, wenn körperliche Kraft in Verteidigung einer gerechten Sache gezeigt wird.

Caraftap brachte einen Ton hervor, der sich anhörte wie das Quieken eines ärgerlichen Ferkels, und stürzte sich noch einmal auf den Affenmenschen. Hinter dieser Szene wurden eben wieder ein paar Sklaven in den Raum gelassen, und einer der Krieger draußen bückte sich und sah durch die Öffnung. Er konnte zwar nicht viel sehen, aber was er sah, war genug. Ein hochgewachsener Sklave mit einem schwarzen Haarschopf hob einen anderen gleichfalls großen Sklaven hoch über seinen Kopf und schleuderte ihn auf den harten Boden. Der Krieger schob die Sklaven beiseite, kroch durch den Eingang und lief auf die Gruppe in der Mitte des Raumes zu. Ehe Tarzan und Talaskar es merkten, stand er vor ihnen. Es war Kaloban.

Was soll das hier? schrie er laut; dann sagte er: Aha! Ich sehe schon. Der Riese ist es. Du willst wohl den anderen Sklaven zeigen, wie stark du bist, he? Da erblickte er Caraftap, der wieder auf die Füße zu gelangen suchte, und sein Gesicht wurde finster, denn Caraftap war sein Günstling. So etwas gibt es hier nicht, du Bursche! schrie er, hielt dem Affenmenschen die Faust vors Gesicht und vergaß im Zorne, daß der neue Sklave taub und stumm war. Aber er erinnerte sich dessen gleich wieder und gab Tarzan ein Zeichen, ihm zu folgen: Hundert Peitschenhiebe werden es ihm schon beibringen, daß er hier keinen Streit anzufangen hat, sagte er laut, ohne sich an irgend jemand besonders zu richten, aber er sah dabei Talaskar an.

Strafe ihn nicht! rief das Mädchen, das sich ganz vergessen hatte: Es war alles einzig und allein Caraftaps Schuld. Zuanthrol handelte nur in Selbstverteidigung. Kaloban konnte den Blick nicht vom Gesicht des Mädchens wenden, das sich plötzlich der Gefahr bewußt wurde und errötete, aber immer noch bei dem Affenmenschen aushielt und sich für ihn ins Mittel legen wollte. Ein schiefes Lächeln verzog des Ventals Mund, als er ihr vertraulich die Hand auf die Schulter legte. Wie alt bist du? fragte er sie.

Sie sagte es mit Schaudern.

Ich werde mit deinem Herrn sprechen und dich von ihm kaufen, beschied er sie. Du darfst dir also jetzt keinen Gatten nehmen.

Tarzan sah Talaskar an, und sie schien ihm zu welken wie eine Blume in giftiger Luft, als sich Kaloban an ihn wendete: Du verstehst mich ja nicht, du dummes Vieh, sagte er. Aber das sage ich dir und die Umstehenden können zuhören und dich vielleicht von Torheiten abhalten: Diesmal lasse ich dich noch laufen, aber das nächstemal bekommst du hundert Peitschenhiebe, vielleicht noch mehr. Und wenn ich höre, daß du mit diesen Mädchen etwas zu tun hast, das ich mir kaufen und mit nach oben nehmen will, dann geht es dir noch schlimmer. Mit diesen Worten schritt er zum Eingang und kroch auf den Stollen hinaus.

Sobald nach Abgang des Vental die Öffnung von draußen verschlossen war, legte jemand Tarzan von hinten die Hand auf die Schulter, und eine Männerstimme sagte: Tarzan! Der Name klang eigenartig in seine Ohren, hier unten in dieser Gruft tief unter der Erde unter lauter Fremden, die nie seinen Namen gehört haben konnten. Aber als er sich herumdrehte und den Mann besah, der ihn mit einem Erkennungsblick begrüßte, zog ein vergnügtes Lächeln über seine Züge.

Flor... begann er, aber der andere legte einen Finger an den Mund: Nicht hier, hier bin ich Ponato.

Aber deine Gestalt! Du bist ja so groß wie ich! Das geht über meine Begriffe! Was ist geschehen, daß die Rasse der Minunier zu für euch so riesigen Abmessungen gewachsen ist?

Florensal lächelte: Die menschliche Eitelkeit gestattet dir nicht, diese Veränderung der umgekehrten Ursache zuzuschreiben.

Tarzan runzelte die Brauen und richtete einen langen nachdenklichen Blick auf seinen königlichen Freund. Ein Ausdruck gemischt aus Zweifel und Scherz zog über sein Gesicht.

Willst du damit sagen, daß ich so klein gemacht worden bin wie ein Minunier?

Florensal nickte bejahend: Das ist ebenso leicht zu glauben wie der Gedanke, daß ein ganzes Volk mit all seinem Lande, seinen Städten und den Steinen, aus denen sie gebaut sind, samt Waffen und Diadets auf deine Größe gebracht ist.

Aber ich sage dir, das ist unmöglich, rief der Affenmensch.

Genau das gleiche hätte ich vor wenigen Monden gesagt, erwiderte der Fürst. Selbst als ich gerüchtweise hörte, daß sie dich kleiner gemacht hätten, glaubte ich es lange Zeit nicht, und blieb immer noch mißtrauisch, bis ich diesen Raum betrat und mich mit eigenen Augen davon überzeugte.

Aber wie hat man das denn zuwegegebracht? rief der Affenmensch.

In Veltopis, vielleicht in ganz Minunien ist das größte Genie Zoanthro, erklärte ihm Florensal. Seit vielen Monden wußten wir das, denn während jener kurzen Zeiträume, in denen wir mit Veltopis in Frieden leben, besteht zwischen unseren Städten ein gewisser Gedankenaustausch so gut wie ein Handelsverkehr. Auf diesem Wege erfuhren wir von den vierlerlei Wundern, die man diesem größten aller Walmaks zuschreibt.

Die Bezeichnung Walmak bedeutet Zauberer, aber die Übersetzung wundertätiger Gelehrter wäre vielleicht genauer.

Zonathro hat dich gefangengenommen, fuhr Ponato fort, nachdem er dich durch gleichermaßen wissenschaftliche wie wunderbare Maßnahmen zu Fall gebracht hatte. Nach deinem Sturz versetzte er dich in Bewußtlosigkeit und schleppte dich dann auf einer von einem Dutzend Diadets gezogenen Schleife aus kleinen Baumstämmen hierher. Sobald sie dich sicher in Veltopis hatten, machte er sich daran, dich mit Hilfe eines von ihm selbst gebauten Apparats kleiner werden zu lassen. Ich hörte, wie sie darüber sprachen und meinten, der Vorgang werde nicht viel Zeit in Anspruch nehmen. Ich hoffe, Zoanthro kann mich wieder in meinen alten Zustand zurückversetzen, sagte der Affenmensch.

Man sagt, das sei zweifelhaft. Bisher ist er noch nicht imstande gewesen, ein Geschöpf größer zu machen, obgleich er in zahlreichen Versuchen die Größe niederer Tiergattungen reduziert hat. Tatsache ist, daß er nach einer Methode sucht, die Leute von Veltopis so weit zu vergrößern, daß sie alle anderen Völker von Minunien besiegen können, aber vorläufig hat er erst eine Methode entdeckt, die gerade das Gegenteil ergibt. Da er also andere nicht größer machen kann, wird er es wohl auch bei dir nicht können.

Dann werde ich aber den Gegnern meiner eigenen Welt gegenüber ziemlich hilflos sein, meinte Tarzan niedergeschlagen.

Lieber Freund, sagte der Prinz mitfühlend, darüber brauchst du dir nun keine Sorge mehr zu machen.

Wieso? fragte der Affenmensch.

Weil du wenig Aussicht hast, jemals wieder deine andere Welt zu erreichen, erwiderte Florensal etwas trübe. Ich habe keine Hoffnung, Trohana wieder zu erblicken. Nur die gänzliche Niederwerfung von Veltopis durch meines Vaters Heer könnte mir helfen, denn nichts anderes würde die Steinbruchswache zur Übergabe zwingen. Bei unseren Angriffen auf fremde Städte nehmen wir häufig genug Sklaven der weißen Jacke gefangen, aber nur selten fällt einer der Grünen in unsere Hände. Nur wenn ein Überfall am hellen Tage gelingt, kann man ein paar der grünen Sklaven von unter Tag fassen. Aber solche Fälle kommen nur alle Menschenalter einmal vor.

Glaubst du denn, daß wir den Rest unseres Lebens in diesem unterirdischen Loche zubringen müssen? fragte Tarzan.

Sicher, falls wir nicht gelegentlich einmal zu Arbeiten am Tage an der Erdoberfläche beschäftigt werden, meinte der Prinz von Trohana mit schmerzlichem Lächeln.

Der Affenmensch zuckte die Achseln. Das wollen wir erst einmal sehen, sagte er dann.

Nach Kalobans Weggang hatte sich Caraftap hinkend mit unheildrohendem Gesicht nach dem anderen Ende des Raumes zurückgezogen.

Ich fürchte, er wird dir Ungelegenheiten machen, sagte Talaskar zu Tarzan, nach dem Murrenden deutend: Es tut mir leid, daß ich die Ursache bin.

Wieso denn du? fragte Florensal.

Caraftap bedrohte mich, als sich Pontando dazwischenlegte und ihn züchtigte.

Pontando? fragte der Prinz.

Das ist meine Nummer, erklärte Tarzan.

So hast du Talaskars wegen gekämpft. Ich danke dir, mein Freund. Es tut mir leid, daß ich nicht hier war, um sie zu beschützen. Talaskar kocht für mich. Sie ist ein gutes Kind. Er sah das Mädchen dabei an, und Tarzan beobachtete, daß die Kleine die Augen niederschlug und leicht errötete. Da fiel ihm etwas ein, und er lächelte.

So, so, das ist Ponato, von dem du mir erzähltest? sprach er zu Talaskar.

Ja, das ist er.

Ich bedauere, daß er gefangengenommen wurde, aber es ist mir angenehm, hier einen Freund zu finden, sagte der Affenmensch. Wir drei sollten doch imstande sein, irgendeinen Fluchtplan auszuhecken. Aber die anderen schüttelten nur betrübt die Köpfe.

Nach dem Essen saßen sie noch eine Weile beisammen, und Tarzan fand bald viele Freunde, da er den unbeliebten Caraftap gezüchtigt hatte. Sie hätten die ganze Nacht verplaudert, hätte nicht der Affenmensch gefragt, wo die Schlafgelegenheit der Sklaven sei.

Florensal lachte und deutete auf die überall im Raume auf der harten Erde herumliegenden Gestalten, Männer, Weiber, Kinder, die meist da schliefen, wo sie ihr Mahl eingenommen hatten.

Die grünen Sklaven werden nicht verwöhnt, bedeutete er. Ich kann überall schlafen, antwortete Tarzan, aber ich schlafe lieber im Dunkeln. Ich werde warten, bis man die Lichter auslöscht.

Darauf müßtest du ewig warten, sagte der Prinz.

Werden denn die Lichter nie gelöscht? fragte der Affenmensch.

Wir wären alle bald genug Leichen, wenn man das tun würde, erwiderte sein Gefährte. Diese Flammen dienen einem doppelten Zwecke. Sie erhellen das Dunkel, und sie verzehren die giftigen Gase, die uns andernfalls rasch ersticken würden. Anders als die gewöhnliche Flamme, die den Sauerstoff verbrennt, erzeugen diese Kerzen, die auf Grund von Entdeckungen und Erfindungen der alten Minunier hergestellt werden, freien Sauerstoff und verzehren die tödlichen Gase. Mehr noch aus diesem Grunde als des Lichtes wegen verwendet man in ganz Minunien ausschließlich sie. Selbst unsere Domhäuser wären finstere, übelriechende und ungesunde Stätten ohne diese Kerzen, während man die Steinbrüche ohne sie gar nicht ausbeuten könnte. Dann werde ich also nicht warten, bis sie ausgelöscht werden, sagte Tarzan, streckte sich der Länge nach auf den schmutzigen Boden und winkte Talaskar und Florensal kurz ein Tuano – das minunische »Gute Nacht« – zu.

Als Talaskar am nächsten Morgen das Frühmahl bereitete, bemerkte Florensal, er wäre gerne bei der gleichen Arbeit wie Tarzan angesetzt, damit sie stets beisammen bleiben könnten. Falls wir jemals die Aussicht auf Entkommen finden, auf die du wartest, ist es gut, wenn wir zusammen sind.

Wenn wir uns davonmachen, müssen wir Talaskar mitnehmen, entgegnete Tarzan.

Florensal warf dem Affenmenschen einen raschen Blick zu, sagte aber kein Wort.

Ihr wollt mich mitnehmen? rief Talaskar. Ach, wenn sich dieser Traum doch verwirklichen könnte. Ich wollte gerne mit euch nach Trohana gehen und eure Sklavin sein, denn ich weiß, daß ihr mir kein Leid antun würdet. Aber ach, das muß ein angenehmer Traum bleiben, der nur kurze Zeit dauert. Kaloban hat mich verlangt, und zweifellos wird mein Herr mich ihm bereitwillig verkaufen, denn ich höre von den anderen Sklaven, daß er jedes Jahr welche verkauft, damit er seine Steuern bezahlen kann.

Wir werden unser möglichstes tun, Talaskar, sagte Tarzan. Wenn Ponato und ich einen Weg zur Flucht finden, nehmen wir dich mit. Aber erst müssen wir ein Mittel suchen, um zusammenzubleiben.

Ich weiß einen Weg, meinte Florensal. Sie glauben hier, du sprichst und verstehst unsere Sprache nicht. Einen Sklaven zu verwenden, mit dem man sich nicht verständigen kann, ist für wissenschaftliche Untersuchungen zum mindesten unbequem. Ich werde angeben, daß ich mit dir sprechen kann, dann werden sie mich wohl in einen Arbeitstrupp mit dir stecken.

Aber wie willst du dich mit mir unterhalten, wenn du nicht Minunisch sprichst? fragte der Affenmensch.

Laß das meine Sorge sein, erwiderte Florensal. Bis sie auf andere Weise herausfinden, daß du unsere Sprache verstehst, kann ich sie schon täuschen.

Der Vorteil von Florensals Plan zeigte sich alsbald. Die Wachen hatten die Sklaven abgeholt, und die verschiedenen Trupps waren aus dem Schlafraum abgerückt, um sich draußen den vielen Tausenden beizugesellen, die zu ihrem täglichen Frondienst wanderten. Der Affenmensch begab sich nach dem Tunnel dreizehn auf der sechsunddreißigsten Sohle, wo er wiederum an der eintönigen Arbeit der Stollenauszimmerung mit einem Eifer teilnahm, der sogar das Lob des säuerlichen Kaloban erhielt, obgleich Caraftap, der unmittelbar vor Tarzan Felsstücke wegräumte, dem Gegner von gestern oftmals giftige Blicke zuwarf.

Etwa zwei oder drei Stunden waren vergangen, als zwei Soldaten durch den Stollen kamen und neben Kaloban stehen blieben. Sie brachten einen Sklaven in der grünen Tunika, dem Tarzan nicht mehr Aufmerksamkeit schenkte als den Kriegern, bis er ein paar Brocken ihres Gesprächs mit dem Vental auffing. Dann warf er einen raschen Blick nach ihnen und erkannte Florensal, Prinz von Trohana, in den Steinbrüchen von Veltopis nur bekannt als Sklave Ponato oder Nummer 800³+19. Tarzans Nummer Pontando dagegen bedeutete 800³+21.

Als Tarzan aufsah, fing Florensal seinen Blick auf und gab ihm ein Zeichen, worauf Kaloban den Affenmenschen heranwinkte, der über den Arbeitsplatz schritt und vor ihn trat.

Laß uns hören, wie du mit ihm sprichst, rief Kaloban. Ich glaube es noch nicht, daß er dich versteht. Wie sollte er auch, da er doch uns nicht versteht. Der Vental konnte sich nämlich in seiner Beschränktheit nicht denken, daß es eine andere Sprache gab als seine eigene.

Ich werde ihn in seiner eigenen Sprache fragen, ob er mich versteht, sagte Florensal, und du wirst sehen, wie er bejahend mit dem Knopf nickt.

Gut denn, rief der Vental. Frage ihn.

Florensal wandte sich zu Tarzan und ließ ein Dutzend Silben eines sinnlosen Geschnatters hören. Als er damit fertig war, nickte Tarzan mit dem Kopfe.

Siehst du, bedeutete Florensal.

Kaloban kratzte sich hinterm Ohr: Es ist wahrhaftig so, wie er sagt, gab er etwas betreten zu. Der Kolol hat in der Tat eine Sprache.

Tarzan unterdrückte ein aufkommendes Lächeln über die geschickte Weise, in der sein Genosse den Wächtern vortäuschte, daß er sich mit Tarzan in einer fremden Sprache unterhalten habe. Solange es ihm gelang, alle Mitteilungen so einzurichten, daß man sie mit ja oder nein beantworten konnte, ließ sich diese Täuschung leicht aufrechterhalten. Aber wenn das nicht mehr ging, waren Unannehmlichkeiten zu erwarten, und er fragte sich verwundert, wie sein erfindungsreicher Freund ihnen begegnen wollte.

Teile ihm mit, sagte einer der Krieger zu Florensal, daß sein Herr Zoanthro nach ihm gesandt hat, und frage ihn, ob er versteht, daß er ein Sklave ist und daß seine Lage völlig von seiner guten Führung abhängt, auch sein Leben hängt davon ab, denn Zoanthro hat ihm gegenüber so gut das Recht über Leben und Tod wie die königliche Familie. Wenn er sich bei seinem Herrn gelehrig erweist und gehorcht, wird es ihm nicht übel ergehen. Aber wenn er faul und unverschämt ist oder gar droht, bekommt er die Degenspitze eines Freisassen zu kosten.

Antworte ihnen, sagte Tarzan auf englisch, das natürlich keiner verstand, daß ich diesem Herrn bei erster Gelegenheit das Genick brechen werde, daß es nur noch geringer Reizung bedarf, und ich packe eines dieser Hölzer da und schlage Kaloban und seinen paar Leuten den Schädel ein. Bei der ersten sich bietenden Gelegenheit aber werde ich davonlaufen und dich und Talaskar mitnehmen.

Florensal lauschte aufmerksam, bis Tarzan seine Rede schloß, dann wandte er sich zu den beiden Kriegern, die ihn hergeführt hatten.

Zuanthrol erklärt, daß er sich über seine Lage völlig klar ist und sich freut, dem edlen und ruhmreichen Zoanthro dienen zu dürfen, von dem er sich aber eine Gunst erbittet.

So lautete die freilich etwas freie Übersetzung des Prinzen.

Was für eine Gunst? fragte einer der Krieger.

Er bittet, daß mir gestattet werde, ihn zu begleiten, damit er die Befehle seines Herrn besser erfüllen kann, denn ohne mich hat er ja keine Ahnung, was man von ihm verlangt, erklärte Ponato.

Jetzt verstand Tarzan, wie Florensal etwa auftretende Schwierigkeiten überwinden konnte, und fühlte sich an der Hand seines scharfsinnigen, schlagfertigen Freundes so lange sicher, als er gänzliche Unkenntnis des Minunischen vorgab.

Wir dachten selbst schon daran, Sklave, als wir hörten, einer von euch könne sich mit diesem Burschen verständigen, erwiderte der Krieger, an den sich Florensal mit diesem Anliegen gewendet hatte. Ihr sollt beide zu Zoanthro gebracht werden, der zweifellos seine Entscheidung trifft, ohne daß er dich oder einen anderen Sklaven erst lange um Rat fragt. Du, Vental Kaloban, wir übernehmen die Verantwortung für den Sklaven Zuanthrol. Mit diesen Worten behändigte er dem Vental einen Streifen Papier, der mit einigen merkwürdigen Zeichen bedeckt war.

Dann zogen die beiden ihre Degen und bedeuteten Florensal und Tarzan, ihnen durch den Stollen voranzugehen. Die Geschichte, wie Tarzan mit Caraftap umgegangen war, war selbst der Steinbruchswache schon zu Ohren gekommen, darum hielten es die beiden Soldaten für besser, keinerlei Risiko auf sich zu nehmen. Sie gingen erst den langen Stollen entlang und stiegen dann durch den Spiraltunnel an die Erdoberfläche hinauf, wo Tarzan das Sonnenlicht und die frische Luft fast mit einem Schluchzen der Dankbarkeit begrüßte. Ihrer auch nur einen Tag lang beraubt zu sein, war für den Affenmenschen eine grausame Strafe. Hier sah er wieder die endlos langen Züge von Sklaven mit ihren schweren Lasten, während aufgeputzte Kriegsmannen in hochmütiger Haltung auf beiden Seiten der sich abmühenden Knechte mitgingen; da waren auch die pomphaft aufgeputzten Edlen der höheren Kasten und die unzähligen Sklaven in der weißen Tunika, die im Dienste ihrer Herren hierhin und dorthin eilten, oder ihrem eigenen Geschäft oder Vergnügen nachgingen, denn viele von ihnen besaßen eine gewisse Freiheit und Unabhängigkeit, die ihnen fast die Stellung Freigelassener verlieh. Zwar gehörten diese Sklaven in der weißen Tunika immer noch einem Herrn, aber besonders wenn es sich um geschickte Handwerker handelte, bestand ihre Abhängigkeit nur in der Verpflichtung, ihrem Herrn einen bestimmten Teil ihres Einkommens abzuliefern. Sie stellten den Mittelstand und die höhere Kaste des Dienerstandes in Minunien dar. Bei ihnen war auch keine Bewachung nötig, um ihr Entkommen zu hindern, denn es hatte für sie keinen Zweck, eine Flucht zu versuchen; in keiner anderen Stadt von Minunien konnten sie ihre Lage verbessern. Im Gegenteil, überall außer in der Stadt ihrer Geburt wären sie als fremde Gefangene angesehen, alsbald in die grüne Tunika gesteckt und zu lebenslänglicher Schwerarbeit verurteilt worden.

Tarzan und Florensal wurden nach dem Königsdom gebracht, aber nicht etwa zum Haupteingang hereingelassen, vor dessen Toren das Weiß und Gold der königlichen Standarte flatterte. Statt dessen wurden sie nach dem Kriegertor geschafft, das auf der Westseite lag. Ganz anders als Trohana besaß die Stadt Veltopis auf den Zwischenräumen zwischen den Kuppelbauten schöne Anlagen mit Blumen, Sträuchern und Bäumen, durch die Kieswege sich wanden und breite Straßen führten.

Auf dem Wege nach dem Tore machte Tarzan eine bewundernde Bemerkung über die schönen Parkanlagen, als ihm der Prinz antwortete: Auch ich bewundere sie, besonders an der Stadt unserer Feinde. Wie leicht wäre es für das Heer von Trohana, sich während der Nacht unter der Deckung dieser schönen Bäume und Sträucher, die aus Veltopis fast einen Forst machen, bis unmittelbar vor die Tore der Dome zu schleichen. Darum haben wir im Innern der Stadt Trohana keine Anlagen, obgleich wir Bäume und Blumen ebenso lieben.

Einer der Wächter, der sich ihnen rasch von rückwärts' genähert hatte, berührte in diesem Augenblick Florensal auf der Schulter. Du sagst, Zuanthrol verstehe unsere Sprache nicht? Warum redest du denn in ihr zu ihm, wenn er sie doch nicht versteht? fragte er.

Florensal wußte nicht, wieviel der Soldat von ihrem Gespräch belauscht hatte. Falls er Tarzan hatte auf minunisch sprechen hören, ließ sich der Mann wohl kaum einreden, daß der Riese diese Sprache nicht verstehe. Er versuchte es daher mit der Annahme, daß man ihn allein gehört hatte.

Er will unsere Sprache lernen, und ich versuche es, sie ihm beizubringen, entgegnete Florensal.

Kann er schon etwas? fragte der Krieger.

Nein, erwiderte der Prinz, er ist recht dumm.

Nach diesem Zwischenfall verfolgten sie ihren Weg schweigend weiter, erstiegen langgestreckte, sanfte Steigungen und kletterten die einfachen Leitern hinauf, die bei den Minuniern die Treppen nach den oberen Stockwerken vertreten.

Der Königsdom von Moelhago besaß ungeheure Abmessungen. Seine höchste Stelle hätte nach gewöhnlichem menschlichem Maßstab geschätzt und gebaut etwa hundertfünfzig Meter hoch sein müssen. Tarzan mußte steigen, bis er sich ebenso hoch über dem Erdboden befand wie vorher darunter, als er in den Steinbrüchen war. Die Flure der unteren Geschosse hatten von Menschen gewimmelt, aber die oberen, durch die sie nun kamen, waren fast öde. Gelegentlich kamen sie wohl an einem bewohnten Gemach vorbei, aber meist dienten die Räume nur als Speicher, besonders für Lebensmittel, die sauber konserviert, verpackt und aufgestapelt viele weite Räume bis zur Decke füllten. Im großen ganzen war die Ausschmückung der Wände geringer und die Flure waren enger als in den tiefer gelegenen Geschossen. Gleichwohl passierten sie viele geräumige Hallen, die prunkend geschmückt und mit Leuten beiderlei Geschlechts und jeglichen Alters besetzt waren, die sich mit den verschiedenartigsten häuslichen Verrichtungen oder einem Handwerk dieser oder jener Art befaßten.

Hier fertigte ein Silberarbeiter ein wundervolles Armband in zartester Filigranarbeit, dort schnitt ein anderer schöne Arabesken in Leder. Da fanden sich Töpfer, Tuchweber, Gürtler, Maler, Kerzenzieher und andere. Besonders die Kerzenmacher waren zahlreich, denn in der Tat war für dieses Volk die Kerze das Licht des Lebens.

Schließlich erreichten sie hoch über dem Erdboden das oberste Stockwerk, dessen Räume dem Tageslicht viel näher lagen, aber selbst hier fanden sich die unvermeidlichen Kerzen. Plötzlich zeigten die Wände prachtvolle Ausschmückung, die Zahl der Kerzen nahm zu, und Tarzan merkte, daß sie sich der Behausung eines reichen oder mächtigen Edlen näherten. Sie machten halt, denn vor ihnen stand eine Wache, der der eine der beiden Krieger eine Meldung machte.

Melde dem Zertol Zoanthro, daß wir Zuanthrol hergebracht haben und dazu einen anderen Sklaven, der sich mit ihm verständigen kann.

Der Posten schlug mit seinem Speere an einen großen Gong, worauf aus dem Innern der Wohnung ein Mann erschien, dem der Wachtposten die Meldung des Führers wiederholte.

Laß sie eintreten, sagte dieser, ein Sklave der weißen Tunika: Mein ruhmreicher Herr wartet bereits auf seinen Sklaven Zuanthrol. Folgt mir.

Sie gingen ihm durch mehrere Räume nach, bis sie sich bei einem kostbar gekleideten Krieger befanden, der hinter einem Tische saß, welcher mit eigenartigen Instrumenten, dicken Folianten, Streifen Schreibpapier und Schreibzeug bedeckt war. Als sie eintraten, sah der Mann auf.

Hier ist dein Sklave Zuanthrol, o Zertol, meldete der Bursche, der sie hereingeführt hatte.

Und der andere? Der Prinz Zoanthro deutete auf Florensal.

Er spricht die fremde Zunge von Zuanthrol und wurde hergeführt, für den Fall, daß es dein Wunsch ist, mit Zuanthrol zu sprechen.

Zoanthro nickte. Zunächst wandte er sich an Florensal: Frage ihn, ob er sich irgendwie unbehaglich fühlt, seit ich seine Größe geändert habe.

Als Florensal seinem Kameraden diese Frage in dem erfundenen Kauderwelsch vorlegte, das ihre Sprache bedeuten sollte, schüttelte Tarzan den Kopf und erwiderte ein paar Worte auf englisch.

Er sagt nein, erhabener Fürst, übersetzte Florensal in freier Erfindung, aber er fragt, wann du ihm seine alte Größe wiedergeben und ihn nach seiner Heimat entlassen wirst, die weit von Minunien ist.

Als Minunier sollte er doch wissen, erwiderte der Zertol, daß er dazu nimmermehr die Erlaubnis erhält – er bekommt Trohana nicht mehr zu sehen.

Aber er stammt nicht von Trohana und ist überhaupt kein Minunier, erklärte Florensal: Er kam zu uns, und wir machten keinen Sklaven aus ihm, sondern behandelten ihn als Freund, weil er aus einem Lande stammt, mit dem wir nie in Krieg gelegen haben.

Was ist das für ein Land? fragte Zoanthro.

Das wissen wir nicht. Aber er hat uns erklärt, daß jenseits der Dornen ein ungeheures Land liegt, wo Millionen Leute seiner Größe wohnen. Er behauptet, sein Volk sei dem unsrigen nicht feindlich gesinnt, deswegen hatten wir keinen Grund, ihn zum Sklaven zu machen, sondern behandelten ihn als Gast.

Zoanthro lächelte: Du mußt doch ein recht einfältiger Bursche sein, du Mann von Trohana, daß du das glaubst. Wir wissen alle, daß jenseits von Minunien nichts mehr kommt als Dornen, die bis zu der unendlichen blauen Kuppel reichen, unter der wir wohnen. Ich kann es wohl glauben, daß dieser Bursche nicht von Trohana stammt, aber er ist ganz sicher ein Minunier, da allerlei Wesen jeder Art in Minunien leben. Zweifellos gehört er zu einer Sonderrasse der Kolols in irgendwelchen fernen Bergfesten, die wir bisher noch nicht entdeckt haben. Aber wie dem auch sein mag, niemals wird er+...

In diesem Augenblick unterbrach den Fürsten der Schlag des großen Gongs am äußeren Eingang seiner Wohnung. Er zählte die Anzahl der Schläge, und als der Gong nach fünf Schlägen verstummte, drehte er sich zu den Kriegern um, die Tarzan und Florensal hergeführt hatten.

Schafft die Sklaven in jene Kammer, befahl er und deutete auf ein Portal im Hintergrund seines Empfangszimmers. Wenn der König wieder fort ist, werde ich sie wieder holen lassen.

Während sie nach dem bezeichneten Tore gingen, trat ein Krieger unter den Haupteingang des Raumes und meldete: Moelhago, Thagosto von Veltopis, der Beherrscher aller Menschen und Meister aller Geschöpfe, der Allmutige, der Allweise, der Allruhmreiche! In den Staub vor dem Thagosto.

Tarzan warf noch einen Blick zurück und konnte sehen, wie Zoanthro und die anderen im Saale auf die Knie fielen und sich mit hocherhobenen Armen weit nach hinten überlehnten, während Moelhago unter dem Schutze einer zwölf Mann starken, überreichlich aufgeputzten Leibwache eintrat. Er mußte diesen Herrscher mit dem einfachen würdigen Soldaten vergleichen, der über Trohana herrschte, sich in seiner Stadt ohne jeden Pomp zeigte und oft nur mit einem einzigen Sklaven als Begleiter durch die Stadt ging. Vor jenem Herrscher brauchte niemand das Knie zu beugen, aber ihm brachte jeder ein Höchstmaß an Ehrfurcht und Verehrung entgegen.

Moelhago hatte gesehen, wie die Sklaven und ihre Bewachung vor ihm den Raum verlassen hatten. Er erwiderte die Ehrenbezeigungen Zoanthros und seiner Leute mit einer kurzen Handbewegung und gebot ihnen, sich zu erheben.

Wer verließ bei meinem Eintreten das Gemach? fragte er mit einem mißtrauischen Blick auf den Zertol.

Der Sklave Zuanthrol und ein anderer, der mir seine unbekannte Sprache verdolmetscht, erklärte Zoanthro. Laß sie zurückholen, befahl der Thagosto. Ich wollte gerade betreffs Zuanthrol mit dir sprechen.

Zoanthro wies einen seiner Sklaven entsprechend an, und während der paar Augenblicke, die nun vergingen, nahm sich Moelhago den Sitz hinter dem Tische, den sein Wirt bis dahin innegehabt hatte. Die Wachen brachten Tarzan und Florensal bis auf einige Schritte vor den Tisch, an dem der König saß, und bedeuteten ihnen, niederzuknien und vor dem Thagosto die übliche Ehrenbezeigung zu machen.

Florensal von Trohana war von Kindheit an mit jedem Herkommen der Sklaverei vertraut. Mit einer Art Fatalismus hatte er die Umstände des Geschicks hingenommen, das ihn die Knechtschaft brachte, und so ließ er sich denn ohne Zaudern auf ein Knie nieder, um dem fremden König diesen unterwürfigen Gruß zu erweisen. Anders Affentarzan, der sich an Drohahkis erinnerte, vor dem er kein Knie gebeugt hatte. Er dachte gar nicht daran, dem Moelhago eine größere Ehre zu erweisen als dem König von Trohana. Moelhago starrte ihn an: Der Bursche kniet ja nicht! flüsterte er Zoanthro zu, der sich so weit zurückgelehnt hatte, daß er die Achtungsverletzung seines Sklaven gar nicht bemerkte.

Der Zertol blickte jetzt nach Tarzan hin und rief: Nieder, du Hund! Dann erinnerte er sich daran, daß jener kein Minuerisch verstand und befahl Florensal, ihm den Befehl zu übermitteln. Doch als der Zertolosto von Trohana so tat, als ob er Tarzan die Weisung übersetzte, schüttelte dieser nur den Kopf.

Moelhago gab den anderen ein Zeichen, sich zu erheben. Wir wollen es für diesmal dahingehen lassen, sagte er gnädig, denn irgend etwas in der Haltung des Sklaven sagte ihm, daß dieser Zuanthrol niemals knien werde, und da der Gefangene als Hauptperson für das Experiment wichtig und unentbehrlich war, verzichtete der König lieber auf seinen Stolz, als daß er die Möglichkeit zuließ, den Sklaven töten zu lassen, um ihn auf die Knie zu bringen. Er ist eben nur ein unwissender Kolol, sagte er: Seht zu, daß er anständige Erziehung erhält, ehe er mir wieder vor Augen kommt.


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