Gottfried August Bürger
Gedichte
Gottfried August Bürger

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Frau Schnips

Ein Märlein halb lustig, halb ernsthaft,
samt angehängter Apologie

                Frau Schnipsen hatte Korn im Stroh,
Und hielt sich weidlich lecker;
Sie lebt' in dulci jubilo,
Und keine war euch kecker.

Das Mäulchen, samt dem Zünglein flink,
Saß ihr am rechten Flecken.
Sie schimpfte wie ein Rohrsperling,
Wenn man sie wollte necken.

Da kam Hans Mors, und zog den Strich
Durch ihr Schlaraffenleben.
Zwar belferte sie jämmerlich;
Doch mußte sie sich geben.

Sie klaffte fort, den Weg hinan,
Bis vor die Himmelspforte,
Gekränkt, daß sie nicht Zeit gewann,
Zur letzten Mandeltorte.

Weil nun der letzte Ärger ihr
Noch spukt' im Tabernakel,
So trieb sie vor der Himmelstür
Viel Unfug und Spektakel.

»Wer da«, rief Adam unmutsvoll,
»Stört so die Ruh der Frommen?« –
»Ich bin's! Frau Schnips! Ich wünschte wohl
Bei Euch mit anzukommen.« –

»Du? – Nicht also, Frau Sünderin!
Frau Liederlich! Frau Lecker!« –
»Ich weiß wohl selber, was ich bin,
Du alter Sündenhecker!

Ei, zupfte sich Herr Erdenkloß
Doch nur an eigner Nase!
Denn was man ist, das ist man bloß
Von seinem Apfelfraße.

So gut wie Er, denk ich zur Ruh
Noch Platz hier zu gewinnen.« –
Der Vater hielt die Ohren zu
Und trollte sich von hinnen.

Drauf machte Jakob sich ans Tor:
»Marsch! Packe dich zum Teufel!« –
»Was?« schrie Frau Schnips ihm laut ins Ohr,
»Fickfacker! Ich zum Teufel?

Du bist mir wohl der rechte Held,
Und bist wohl hier fürs Prellen?
Hast Bruder und Papa geprellt,
Mit deinen Ziegenfellen.« –

Stockmäuschenstill trieb ihr Geschrei
Hinweg den Patriarchen.
Hierauf sprang Ehren-Lot herbei,
Mit Brausen und mit Schnarchen.

»Du auch, du alter Saufaus hast,
Groß Recht hier zum Geprahle!
Bist wahrlich nicht der feinste Gast
In diesem Himmelssaale!

Bezecht sich erst beim Abendbrot,
Den Kindern zum Gelächter,
Und dann beschläft Er – pfui, Herr Lot! –
Gar seine eignen Töchter!« –

Ha puh! Wie stank der alte Mist! –
Lot mußte sich bequemen,
Als hätt er in das Bett gepißt,
Voll Scham Reißaus zu nehmen.

»Na!« – lief Relikte Judith hin,
»Welch Lärm hier und Gebrause!« –
»Bonsdies! Frau Gurgelschneiderin!
Sie ist hier auch zu Hause?« –

Vor großer Scham bald bleich bald rot,
Stand Judith bei dem Gruße.
Der König David sah die Not,
Und folgt' ihr auf dem Fuße.

»Was für Hallo, du Teufelsweib?
Potz hunderttausend Velten!« –
»Ei, Herr, wär ich Urias Weib,
Ihr würdet so nicht schelten.

Es war, mein Seel! wohl mehr Hallo,
Mit Bathseba zu liebeln,
Und ihren armen Hahnrei so
Zur Welt hinaus zu bübeln.« –

»Das Weib ist toll«, rief Salomo,
»Hat zu viel Schnaps genommen!
Was? Seiner Majestät also – – –
So – – hundsföttsch anzukommen?« –

»O Herr, nicht halb so toll, als Er!
Hätt er sein Maul gehalten!
Wir wissen's noch recht gut, wie Er
Auf Erden Haus gehalten.

Sieb'nhundert Weiber auf der Streu,
Und extra doch darneben
Dreihundert – – andre! Meiner Treu!
Das war ein züchtig Leben!

Und Sein Verstand war klimperklein,
Als Er von Gott sich wandte,
Und Götzen pur von Holz und Stein,
Sein töricht Opfer brannte.« –

»Fürwahr«, empörte Jonas sich,
»Das Weib speit, wie ein Drache!« –
»Halt's Maul, Ausreißer! Kümmre dich
Um deine faule Sache!« –

Auch Thom's gab seinen Senf dazu:
»Ein Sprichwort, das ich glaube,
Sagt: Weiberzung hat nimmer Ruh;
Sie ist von Espenlaube.« –

»Glaub immer was ein Narr erdacht,
Mit allen dummen Teufeln!
Doch konnt an seines Heilands Macht
Der schwache Pinsel zweifeln.« –

Maria Magdalena kam. –
Nu ja! Die wird's erst kriegen! –
»Still, gute Frau, fein still und zahm!
Ihr müßt Euch anders fügen.

Denn, gute Frau, erinnert Euch
An Eu'r verruchtes Leben!
So einer wird im Himmelreich
Kein Plätzchen eingegeben.« –

»So einer?« schrie Frau Schnips, »ei schaut!
Was bin ich denn für eine?
Sie war mir auch das rechte Kraut!
Nun brennt Sie gar sich reine?

Ach! Um die Tugend Ihrer Zeit
Ist Sie nicht hergekommen.
Des Heilands Allbarmherzigkeit
Hat Sie hier aufgenommen.

Durch diese Allbarmherzigkeit,
Sie wird's nicht übel deuten,
Hoff ich, trotz meiner Sündlichkeit,
Auch noch hineinzuschreiten.« –

Jetzt sprang Apostel Paul empor:
»Mit deinen alten Sünden,
Weib, wirst du durch das Himmelstor
Den Eingang nimmer finden!« –

»Die laß ich draußen! – Denke, Paul,
Wie dir's vor Zeiten glückte;
Dir, der doch so mit Mord, als Saul,
Die Kirche Gottes drückte!« –

Sankt Peter kam nun auch zum Spiel:
»Die Tür nicht eingeschlagen!
Madam, Sie lärmt auch allzuviel;
Wer kann das hier vertragen?« –

»Geduld, Herr Pförtner!« sagte sie;
»Noch bin ich unverloren!
Hab ich doch meinen Heiland nie,
Wie du einst, abgeschworen.« – –

Und unser lieber Herr vernahm
Der Seele letzte Worte.
Umringt von tausend Engeln kam
Er herrlich an die Pforte.

»Erbarmen! Ach, Erbarmen!« schrie
Die arme bange Seele. –
»O Seele, du gehorchtest nie
Dem göttlichen Befehle.

Ich lockte dich an meine Brust:
Zur Sünde gingst du über.
Die Welt mit ihrer eiteln Lust
War, Törin, dir viel lieber.« –

»O! Ich bekenn es, Herr, ich schwamm
Im Lustpfuhl dieser Erde;
Doch bringe du dein irrend Lamm
Zurück zu deiner Herde!

Ich will, o lieber Hirt, hinfort
Mein Irrsal stets bereuen.
Half doch sein letztes armes Wort
Dem Schächer zum Gedeihen.« –

»Du wußtest, Weib, was ich getan;
Du kanntest meinen Willen:
Allein, was hast du je getan,
Ihn dankbar zu erfüllen?« –

»Ach nichts! Doch, lieber Menschensohn,
Heiß mich darum nicht fliehen!
Es hat ja dem verlornen Sohn
Sein Vater auch verziehen.« –

»Nun wohl, Verirrte, tritt herzu!
Will dich mit Gnade zeichnen.
Auch du bist mein! Geh ein zur Ruh!
Ich will dich nicht verleugnen.«

Apologie

        Ihr Herrn Zeloten dieser Zeit,
Wie steht's um Euern Willen?
Sind Liebesmäntel wohl so weit,
Dies Lied mit drein zu hüllen? –

O seid doch, höchlich bitt ich drum,
Seid diesmal nur nicht knurrig!
Denn seht! Es wär doch schade drum:
Das Ding ist ja so schnurrig.

Auch ist ja die Historia
Aus Wahrheit nicht gesponnen.
Doch webt ich drein Moralia;
Die hab ich nicht ersonnen.

Und schlimm ist wahrlich nichts gemeint:
Drum nehmt doch ja nichts übel!
Moralia sind, wie es scheint,
Die Besten aus der Bibel.

Ihr, die ihr, aus erlogner Pflicht,
Begnadigt und verdammet,
Die Liebe sagt: Verdammet nicht,
Daß man nicht Euch verdammet!

 


 


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