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Legende vom Feuerofen

Korbinian

Im Werkhof qualmen und rauchen die Halden,
die eisernen Hunde gleiten auf Schiene und Seil
durch die grauen Bäusche, Büschel, Fetzen, Falten
von Rauch, Schweiß, Öl.
                              Donnernd poltert der Keil
von Pressen auf Blöcke in weißer und gelber Glut.
Kessel zischen und fauchen in roter Wut
und blecken die Roste her wie blankes Wolfsgezähne.
Aus den Sägen und Bohrern winseln und kreischen Späne,
Funken und Sterne stieben irre bis in die hinterste Ecke.
Lohheiße Luft jagt die schwarzen Männer entlang die Walzenstrecke.

Korbinian tritt vom Hof herein in die Halle,
eben entstürzt dem Ofen ein Guß in jähem Schwalle,
haucht seinen Atem dem Heiligen ins Gesicht,
daß ihm der Schweiß aus allen Poren bricht
und er die nackten Männer umher nur wie durch Schleier sieht.
Korbinian schnell die Kutte auszieht,
die gestrickte Weste, das Hemd und alle Sachen,
die ihm die Halle gar zu einer Hölle machen,
hängt das Gerümpel an einen Nagel in der Wand,
tut den Heiligenschein auch gleich dazu,
und nimmt eine Zange in die Hand.
Behend schlüpft er in die hölzernen Schuh
und jagt mit den andern hinauf die Walzengasse,
daß er das Eisen noch in rechter Hitze anfasse.
Und singt und lobpreist
zwischen zwei Griffen Gott Vater, Sohn und Geist.

»Tausend Orgeln müssen in diese Halle herein,
hier soll das schönste Hochamt gefeiert sein.
Hier wird dem Herrn gehuldigt in seinem höchsten Reich,
hier ist alles Schöpfer und dem Gotte gleich.
Männer im Feuerofen, euer wirres Wühlen zu einem Ziel
ist herrlicher Reigen, klingt feiner als Sanctä Cäciliens Orgelspiel.
Welt gebärt sich um euch aus Schweiß und Qual,
ihr erlöst euch selbst durch Feuer wie Eisen und Stahl,
und der heiligste Märtyrer neigt sich stumm,
schaut er herab auf euer Martyrium.
Schwebt auf, schwebt auf! Es öffnen die Himmel sich.
Gott beugt sich und segnet uns brüderlich!«

Fort geht die Schicht ihren Donnergang.
Das Werk steigt auf und die Himmel hallen von seinem Werdesang.

Illustration: Rudolf Schiestl

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