Alfred Brehm
Brehm's Thierleben: Die Säugethiere 1
Alfred Brehm

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Waltiere (Wale)

Finnwal

Der Finnwal oder Finnfisch (Physalus antiquorum) [Heute: Balaenoptera physalus] verhältnismäßig der schlankeste aller Wale und das längste aller bekannten Thiere, kann eine Länge von mehr als 30 Meter erreichen. Die Länge der Brustfinnen beträgt den zehnten, die Breite derselben den fünfzigsten, die Breite der Rückenflosse den fünften Theil der Gesammtlänge. Der Leib erreicht seine größte Dikke unmittelbar hinter den Brustfinnen, nimmt nach dem Kopfe zu wenig, nach hinten bedeutend ab und ist am Schwanztheile seitlich so stark zusammengedrückt, daß seine Höhe hier die Breite fast um das Doppelte übertrifft, setzt sich auch als deutlich hervortretender Kiel über den größten Theil der Schwanzflosse fort. Die Brustflossen sind platt, vorn aus-, hinten eingebogen; die senkrecht stehende, höchstens 60 Centim. hohe Rückenfinne hat sichelförmige Gestalt. Die Augen liegen unmittelbar hinter und über dem Winkel der fast geraden Schnauze, die außerordentlich kleinen Ohröffnungen zwischen Auge und Brustflossen, die durch eine Scheidewand getheilten und schräg gerichteten Spritzlöcher in zwei gleich gekrümmten Oeffnungen, welche von einer erhabenen, rundlichen Leiste umgeben werden. Der Leib ist, mit alleiniger Ausnahme einiger wenigen Haare oder richtiger grober, büschelweise vertheilter, an der Spitze in sehr feine Theile zerschlissenen Hornfäden, welche am oberen Ende des Oberkiefers sich befinden und manchmal einen Meter lang werden, sich aber auch gänzlich abschleifen können, vollkommen nackt, die glänzende Haut oberseits tiefschwarz, unten porzellanartig reinweiß, in den tieferen Furchen bläulichschwarz. Diese Furchen beginnen am Rande des Unterkiefers und verlaufen von da aus längs der ganzen Unterseite bis gegen den Nabel hin, d. h. bis über den halben Leib weg. Die zahnlosen Kiefern tragen jederseits etwa dreihundertundfünfzig bis dreihundertfünfundsiebzig Bartenreihen, welche vorn am engsten zusammenliegen und hinten am weitesten von einander entfernt stehen. Der Seitenrand des Oberkiefers ist unten sanft ausgeschweift und bogenförmig nach dem Auge hin gerichtet, der Unterkiefer wenig gebogen, weshalb die Kiefern etwas auseinander klappen.


Finnwal

Der nördlichste Theil des Atlantischen Weltmeeres und das Eismeer bilden den Aufenthalt des Finnwales. Besonders häufig zeigt er sich in der Nähe der Bäreninsel, Nowaja Semljas und Spitzbergens; aber auch in der Nähe des Nordkaps ist er nicht selten. Nach Browns Beobachtungen geht er im Norden des Eismeeres nicht über die Breite von Südgrönland hinauf. Mit Beginn des Herbstes wandert er in südlichere Gewässer herab, und somit begegnet man ihm auch in den Meeren des gemäßigten und heißen Gürtels, soll ihn sogar im südlichen Eismeere angetroffen haben.

Er gilt als einer der schnellsten aller Bartenwale; denn er läßt, wenn er mit voller Kraft durch die Wogen schießt, jedes Dampfschiff hinter sich. Bei ruhigem Schwimmen zieht er in gerader Richtung daher und kommt sehr oft, nach eigenen Beobachtungen durchschnittlich alle neunzig Sekunden, an die Oberfläche, um zu athmen. Das brausende Geräusch beim Ausathmen und bezüglich Auswerfen des Wassers vernahm ich schon in einer Entfernung von einer Seemeile; von dem widrigen Geruche dagegen, welcher dem ausgestoßenen Wasser anhaften soll, habe ich nichts verspürt. Das beim Blasen hörbare Geräusch ist kurz und scharf, der bis zu vier Meter Höhe ansteigende Strahl doppelt. Weniger scheu als andere Ordnungsverwandte, erscheint der Finnwal nicht selten in unmittelbarer Nähe segelnder Schiffe, umschwimmt dieselben oder folgt ihnen längere Zeit, manchmal stundenlang, getreulich nach. Bisweilen legt er sich auf der Oberfläche des Wassers auf die Seite und schlägt mit den Brustfinnen auf die Wellen, dreht und wendet sich, wirft sich auf den Rücken, taucht unter und scherzt überhaupt lustig im Wasser umher, schleudert auch den gewaltigen Leib durch einen mächtigen Schlag der Schwanzflosse über die Oberfläche empor und versinkt dann mit donnerähnlichem Gepolter in der Tiefe. Er bekundet unter Umständen außerordentlichen Muth und soll, übereinstimmenden Berichten zufolge, wenn er gereizt wurde, an Wildheit und Kühnheit kaum hinter dem bösartigsten aller Wale zurückstehen. Nicht bloß Mutterliebe, sondern auch Anhänglichkeit an seine Genossen, welche er bei Gefahr nach Kräften zu vertheidigen sucht, zeichnen ihn aus; kurz, man darf ihn wohl als den edelsten aller Bartenwale ansehen.

Seine Beute besteht größtentheils aus Fischen, welche er oft scharenweise vor sich hertreibt und in den weiten Rachen schockweise auf einmal fängt. Hierbei leisten ihm wahrscheinlich die Furchen auf der Unterseite wesentliche Dienste, indem sie eine erhebliche Erweiterung seines natürlichen Hamens ermöglichen. Der schlanke Finnwal wird beim Schwimmen nicht durch einen weit herabhängenden Kehlsack behindert und verunstaltet. Er wird aber, da er zur Ernährung seines großen Leibes reichlicher Nahrung bedarf, wenn er einem Schwarme von Fischen begegnet, die günstige Gelegenheit benutzen und möglichst viele derselben sich sichern müssen. Er erhebt dann den Kopf, senkt den Unterkiefer, dreht auch vielleicht die einzelnen Hälften desselben, welche nicht fest miteinander verwachsen sind, etwas nach außen, um den Rachen noch mehr zu erweitern. Der schon an und für sich weite Sack, welcher an dem Unterkiefer hängt, erweitert sich noch um fast die Hälfte seines Umfanges, und das gewaltsam von allen Seiten hereinstürzende Wasser reißt hunderte von unglücklichen Häringen und Dorschen in die Tiefe. Nun klappt der Oberkopf als Deckel auf den Bügel des Sackes, und es beginnt die gewaltige Fleischmasse der Zunge ihre Arbeit, die gefangenen Fische allmählich zwischen die beiden Bartenreihen und gegen den vorspringenden Kamm des harten Gaumens zu drücken, um sie dem Schlunde zuzuführen.


Die Jagd des Finnfisches ist wegen der großen Schnelligkeit und Heftigkeit des Thieres schwieriger und der Nutzen, welchen das erlegte Thier gewährt, weit weniger als bei dem Nord- oder Grönlandswale. Deshalb stellt man ihm auch nicht regelmäßig nach wie diesen. Man sucht zwar auch jedes Finnfisches, den man bemerkt, habhaft zu werden, aber doch nur dann, wenn keine Walfische in der Nähe sind. Letzteren gegenüber gilt er in den Augen der Speckjäger beinahe als werthlos. »Ein Leichnam dieses Wales«, erzählt Brown, »welcher in der Davisstraße auf den Wellen trieb, wurde von unseren Walfängern zwar untersucht, weil man ihn für den Grönlandswal hielt, jedoch ohne weiteres im Stiche gelassen, als man ihn erkannt hatte.«

Potwal

Die vierte Familie der Zahnwale vertritt der Potwal oder Pottfisch (Physeter macrocephalus), Urbild der gleichnamigen Sippe, unzweifelhaft das ungeschlachteste und abenteuerlichste Mitglied der ganzen Ordnung, ausgezeichnet durch den ungemein großen, am Schnauzenende hoch aufgetriebenen und gerade abgestutzten Kopf, die getrennten, oft ungleichen, längsgerichteten Spritzlöcher sowie die absonderliche Bildung seines Unterkiefers, dessen Aeste im größten Theile ihrer Länge sich aneinander legen und mit einer Reihe kegelförmiger, unter sich fast gleich langer Zähne besetzt sind, wogegen die Zahngebilde des Oberkiefers kaum noch den Namen von Zähnen verdienen.

Der Pottfisch steht beziehentlich seiner Größe keinem anderen Wale nach: erwachsene Männchen sollen 20 bis 30 Meter an Länge und einen Leibesumfang von 12 Meter erreichen; die Weibchen dagegen höchstens halb so groß werden. Im Verhältnis zu dieser Größe ist die Brustfinne sehr klein. Bei einem 20 Meter langen Männchen war sie nur 1 Meter lang und 60 Centim. breit; die Schwanzfinne dagegen hatte eine Breite von 6 Meter. Beide Geschlechter ähneln sich; doch wollen einige Walfischfänger einen Unterschied in der Form der Schnauze gefunden haben, welche, wie sie behaupten, bei weiblichen Thieren gerade abgestutzt, bei männlichen aber mehr gewölbt sein soll. Der überaus lange, breite, fast viereckige, vorn gerade abgestutzte Kopf hat dieselbe Höhe und Breite wie der Leib und geht ohne merkliche Abgrenzung in diesen über. Der Leib ist, von vorn gesehen, also im Querschnitte, auf der Rückenmitte etwas eingesenkt, oben seitlich fast gerade abfallend und von der Mitte an stark ausgebaucht, längs der Bauchmitte aber kielartig verschmächtigt, in den beiden vorderen Dritteln sehr dick, von da an bis zum Schwanze verschmächtigt. Im letzten Drittel erhebt sich eine niedere, höckerartige, schwielige, unbewegliche Fettflosse, welche hinten wie abgeschnitten erscheint und nach vorn zu allmählich in den Leib übergeht. Die kurzen, breiten, dicken Brustflossen stehen unmittelbar hinter dem Auge und zeigen auf ihrer Oberseite fünf Längsfalten, welche den Fingern entsprechen, während sie auf der Unterseite glatt sind. Die Schwanzfinne ist tief eingeschnitten und zweilappig, in der Jugend am Rande gekerbt, im Alter glatt. Kleine, höckerartige Erhöhungen laufen vom Ende der Fettflosse an bis zur Schwanzfinne herab. Das Spritzloch, eine S-förmig gebogene Spalte von 20 bis 30 Centim. Länge, liegt, abweichend von anderen Walen, am Schnauzenrande, entsprechend der Nase der meisten übrigen Säugethiere, das kleine Auge weit nach rückwärts, das Ohr, eine kleine Längsspalte, etwas unterhalb des Auges. Der Mund ist groß; der Kiefer öffnet sich beinahe bis zum Auge. Der Unterkiefer ist beträchtlich schmäler und kürzer als der Oberkiefer, von welchem er bei geschlossenem Munde umfaßt wird, und wie dieser mit wurzellosen, kegelförmigen Zähnen besetzt, deren Anzahl beträchtlich schwankt, weil im Alter manche ausfallen und andere von dem Zahnfleische fast ganz überdeckt werden. Verhältnismäßig groß sind nur die Zähne im Unterkiefer, neununddreißig bis fünfzig an der Zahl, in dem einem Kiefer mehr als in dem anderen, wogegen die des Oberkiefers meist gänzlich verkümmern und von Zahnfleische überdeckt werden. Bei jungen 'Mieren sind jene scharfspitzig, mit zunehmendem Alter stumpfen sie sich ab, und bei ganz alten Thieren erscheinen sie als ausgehöhlte Kegel aus Elfenbeinmasse, deren Höhlung mit Knochen ausgefüllt ist. Der Schädel selbst fällt wegen seiner Ungleichmäßigkeit, der Kopf wegen seiner Massigkeit und sich gleich bleibenden Dicke auf. Unter der mehrere Centimeter dicken Specklage breiten sich Sehnenlagen aus, welche einem großen Raume zur Decke dienen. Derselbe ist durch eine wagerechte Wand in zwei, durch mehrere Oeffnungen verbundene Kammern getheilt. Der ganze Raum wird von einer öligen, hellen Masse, dem Walrat, ausgefüllt, welches außerdem noch in einer vom Kopfe bis zum Schwanze verlaufenden Röhre und in vielen kleinen, im Fleische und Fette zerstreuten Säckchen sich findet.


Potwal
 

Der Pottfisch ist Weltbürger. Alle Meere der Erde beherbergen ihn, und wenn er sich auch in den Meeren rings um die Pole südlich und nördlich des 60. Grades der Breite nur selten findet, so darf man doch annehmen, daß er hier ebenfalls zuweilen sich einstellt. Als seine eigentliche Heimat betrachtet man die zwischen dem 40. Grade nördlicher und südlicher Breite gelegenen Meere, von denen aus, warmen Strömungen folgend, er nach Norden und Süden hin unregelmäßig wandert.

Nach Art der Delfine zieht der riesige Wal in enggeschlossenen »Schulen« oder Scharen von beträchtlich abändernder Stärke durch das Meer, die tiefsten Stellen desselben auswählend. Gern treibt er sich in der Nähe der steilen Küsten umher, ängstlich aber vermeidet er die ihm so gefährlichen Seichten. Die Walfänger berichten, daß jeder Schule immer ein großes, altes Männchen, der »Schulmeister«, vorstehe, welches den Zug leite und die Weibchen und Jungen, aus denen die übrige Herde bestehe, vor den Angriffen feindlicher Thiere schütze. Alte männliche Potwale durchschweifen wohl auch einzeln die Flut oder scharen sich wenigstens nur in kleine Gesellschaften. Die Schulen bestehen meist aus zwanzig bis dreißig Mitgliedern; zu gewissen Zeiten sollen sich aber auch mehrere Herden vereinigen und dann zu hunderten gemeinschaftlich ziehen. Scammon bestätigt im wesentlichen diese Angaben. Nach seinen Erfahrungen sieht man oft Herden von fünfzehn, zwanzig bis zu hunderten beieinander. In das Führeramt der aus männlichen, weiblichen und jungen Thieren zusammengesetzten Herden theilen sich in der Regel mehrere alte Männchen, vielleicht schon aus dem Grunde, als die Weibchen, welche Junge haben, sich um nichts anderes als um diese bekümmern. Die jungen Männchen bilden zeitweilig besondere Herden, welche sich möglicherweise bis zur Mannbarkeit nicht trennen.

Schon von fern erkennt man den Pottfisch an seinen Bewegungen. Bei ruhigem Schwimmen gleitet er leicht unter der Wasserfläche dahin, bei schnellerem schlägt er so heftig mit dem Schwanze auf und nieder, daß sein Kopf bald tief untersinkt, bald wieder hoch emportaucht. Gar nicht selten stellt er sich senkrecht in das Wasser, entweder den Kopf oder aber die Schwanzfinne hoch über den Spiegel emporhaltend und hierdurch von den meisten anderen Walen sich unterscheidend; ja es kommt auch vor, daß er plötzlich mit großer Wucht über das Wasser emporschnellt, zwei-dreimal hintereinander, und sich dann für längere Zeit tief in die Fluten versenkt. Erschreckt läßt er sich in fast wagerechter Stellung zu Boden fallen; wiederholt gestört und belästigt, nimmt er ebenfalls eine senkrechte Stellung an, hebt den Kopf hoch über das Wasser, um zu sichern und zu lauschen, oder dreht sich, wenn er auf der Oberfläche liegt, zu gleichem Zwecke um sich selbst herum. Beim Spielen reckt er bald die eine, bald die andere Brustflosse in die Luft, schlägt hierauf mit großer Kraft gegen das Wasser und bringt die Wellen zum Schäumen, oder aber sinkt einige Faden tief unter die Oberfläche, wirft sich im mächtigen Schusse unter einem Winkel von etwa fünfundvierzig Graden über das Wasser heraus, fällt auf die Seite, daß man ihn weithin klatschen hört und bis zur Höhe einer Mastspitze ein Schwall emporsteigt, welcher an klaren Tagen zehn Seemeilen weit gesehen werden kann und erfahrenen Walfängern als erfreuliches Zeichen dient. Selten sind die Thiere ruhig; bloß wenn sie schlafen, liegen sie fast bewegungslos auf der Oberfläche des Wassers und lassen sich von der Dünung wiegen oder stekken den riesigen Kopf weit über die Wellen heraus, so daß man glauben möchte, »die Enden gewaltiger Baumstämme oder die Hälse ungeheuerer Flaschen zu sehen, welche in der hebenden Flut leise auf und nieder schaukeln«.

Unter den Sinnen des Thieres glaubt man dem Gefühl den ersten Rang einräumen zu dürfen. Die mit zarten Nervenwarzen besetzte Haut scheint befähigt zu sein, den geringsten Eindruck zur Wahrnehmung zu bringen. Das Gesicht ist ziemlich gut, das Gehör dagegen schlecht. Hinsichtlich seiner geistigen Fähigkeiten ähnelt der Pottfisch mehr den Delfinen als den Bartenwalen. Doch meidet er die Nähe des Menschen ungleich ängstlicher als der den Schiffern so befreundete Delfin, vorausgesetzt, daß er sich nicht verfolgt oder angegriffen sieht; denn dann tritt an die Stelle der Furchtsamkeit unbändiger Muth und eine Kampflust, wie wir sie bei anderen Walen nicht wiederfinden. Man hat beobachtet, daß ein Rudel von Delfinen im Stande ist, eine ganze Herde von Pottfischen überaus zu ängstigen und zu eiligster Flucht zu veranlassen, weiß aus Erfahrung, daß alte Bullen bei Annäherung eines Schiffes so schnell wie möglich entfliehen, und kennt Beispiele, daß eine Herde durch plötzliche Annäherung ihrer Feinde vor Schrecken bewegungslos, am ganzen Leibe bebend, an einer Stelle blieb, ganz ungeschickte, ja geradezu verwirrte Anstrengungen machte und dem Menschen hierdurch Gelegenheit gab, mehrere Stücke zu bewältigen. Die Walfänger wollen wissen, daß dies gewöhnlich der Fall ist, wenn zuerst ein Weibchen verwundet wurde, wogegen die ganze Herde die Flucht ergreift, wenn das leitende Männchen seinen Tod fand. Nach Scammons Erfahrungen bethätigen verschiedene Weibchen hingebende Anhänglichkeit an einander, sammeln sich, wenn eins von ihnen angegriffen wird, um das betreffende Boot und verweilen in der Regel geraume Zeit bei ihrem sterbenden Gefährten, obwohl auch ihnen unter solchen Umständen sicheres Verderben droht. Unterjungen Männchen bemerkt man ein so inniges Zusammenhalten nicht: sie verlassen feige den durch einen Wurfspeer verwundeten Genossen.

Verschiedene Arten von Kopffüßlern bilden die hauptsächlichste Nahrung des Pottfisches. Kleine Fische, welche zufällig in seinen großen Rachen sich verirren, werden natürlich auch mit verschluckt; auf sie aber jagt unser Wal eigentlich nicht. Aeltere Seefahrer erzählten, daß er sich auch an Haifische, Robben, Delfine und selbst an Bartenwale wage, die neueren sorgsamen Beobachter haben jedoch hiervon nichts bemerkt. Von ihnen erfahren wir dagegen, daß der Pottfisch zuweilen pflanzliche Nahrung genießt, wenigstens verschiedene Baumfrüchte, welche durch die Flüsse in die See geführt worden waren, verschlingt. Dank seiner Begabung, länger als jeder andere Wal unter dem Wasser verweilen und dabei auch anderen Ordnungsgenossen unzugängliche Höhlen oder doch Unebenheiten des Bodens untersuchen zu können, fehlt es ihm niemals an genügender Nahrung.

Die Jagd auf den Pottfisch ist mit weit größeren Gefahren verbunden als der Fang des Grönlandwales. Ausnahmsweise nur versucht ein Bartenwal seinem kühnen Feinde Schaden zuzufügen, während jener, wenn er angegriffen wird, sich vertheidigt, muthig auf seinen Gegner losstürmt und beim Angriffe nicht allein seines Schwanzes, sondern auch seines furchtbaren Gebisses sich bedient. Daß er so gut wie ausschließlich mit den Zähnen sich vertheidigt, geht aus verschiedenen Beobachtungen hervor: so erlegt man zuweilen einzelne alte Männchen mit gänzlich verstümmeltem Unterkiefer, welche offenbar vorher einen Kampf mit ihresgleichen oder einem noch unbekannten Leviathan der Tiefe ausgefochten haben mußten. Wie bestimmte Beobachtungen dargethan haben, ist er im Stande, seinen zähnestarrenden Unterkiefer fast bis zum rechten Winkel aus der gewöhnlichen Lage zu biegen, und mit einer Behendigkeit zu bewegen, welche geradezu in Erstaunen setzt. Wenn er nahe der Oberfläche schwimmt, kann man beobachten, wie er den Kiefer innerhalb eines einzigen Augenblickes öffnet und schließt; aber ebenso wie er ihn nach einer Richtung hin gelenkt, vermag er ihn auch seitlich überraschend weit zu bewegen. Gelingt es ihm dann, einen größeren Gegenstand aus dem Wasser zu fischen, so rollt er diesen sofort nach dem Schlunde zu oder zerfetzt ihn wenigstens bis zur Unkenntlichkeit.

In der Regel kämpft er verzweiflungsvoll um sein Leben und sucht keineswegs immer sein Heil in der Flucht, sondern erwidert die ihm angethane Unbill mit Wuth und Ingrimm. Alle erfahrenen Seeleute wissen von Unglücksfällen zu erzählen, welche durch ihn herbeigeführt wurden. Die Mannschaft des Schiffes Essex hatte einen Pottfisch verwundet, mußte aber zum Schiffe zurückkehren, weil ihr Boot durch einen Schwanzschlag des harpunirten Thieres stark beschädigt wurde. Während die Seeleute beschäftigt waren, das Boot auszubessern, erschien ein anderer Wal derselben Art in geringer Entfernung vom Schiffe, betrachtete es eine halbe Minute lang aufmerksam und verschwand in der Tiefe. Nach wenigen Augenblicken kam er wieder an die Oberfläche, eilte in voller Hast herbei und rannte mit dem Kopfe so gewaltig gegen das Schiff, daß die Seefahrer glaubten, ihr Fahrzeug wäre in vollem Laufe auf ein Riff gestoßen. Das wüthende Tier ging unter dem Schiffe weg, streifte den Kiel, drehte sich und schwamm von neuem herbei. Der zweite Stoß schlug den Bug ein und brachte das Fahrzeug zum Sinken.

Narwal

Gewichtige Merkmale trennen den Narwal (Monodon monoceros), das »Seeeinhorn«, so weit von den übrigen Zahnwalen, daß man eine eigene Familie auf ihn begründet hat. Das Gebiß unterscheidet sich von dem aller übrigen Wale durch zwei mächtige, zwei bis drei Meter lange, verhältnismäßig aber schwache, von rechts nach links gewundene, innen hohle, wagerecht im Oberkiefer stehende Stoßzähne, von denen in der Regel einer, und zwar der rechtsseitige, verkümmert, und welche beim Weibchen nur ausnahmsweise zu einer beschränkten Entwicklung gelangen, kennzeichnet sich auch außerdem durch zwei kleine Vorderzähne und einen Backenzahn im Oberkiefer, welche jedoch nur bei jungen Thieren regelmäßig gefunden werden. Der Unterkiefer trägt niemals Zähne. Der walzige, vorn abgerundete Kopf nimmt etwa ein Siebentel der Gesammtlänge des langgestreckten, fast spindelfönmigen Leibes ein; die sehr kurze, breite und dicke, rechtsseitig etwas verkürzte Schnauze scheidet sich nicht von der flachen Stirne und fällt nach vorn hin fast senkrecht ab; das Auge liegt tief an den Kopfseiten, wenig höher als die Schnauzenspitze, das sehr kleine Ohr etwa 15 Centim. weiter nach hinten, das halbmondförmige Spritzloch auf der Stirnmitte zwischen den Augen. Eine Rückenfinne fehlt, wird aber durch eine Hautfalte angedeutet; die Brustflossen sind etwa im ersten Fünftel des Leibes eingelenkt, kurz, eiförmig und vorn dicker als hinten; die sehr große Schwanzfinne zerfällt, weil sie in der Mitte einen tiefen Einschnitt zeigt, in zwei große Lappen. Die Färbung der glänzenden und weichen, sammtartigen Haut scheint, je nach Geschlecht und Alter, nicht unerheblichen Veränderungen unterworfen zu sein. Beim Männchen heben sich von der weißen oder gelblichweißen Grundfärbung zahlreiche, unregelmäßig gestaltete, meist längliche, aber verhältnismäßig große dunkelbraune Flecken ab, welche auf dem Rücken am dichtesten, auf dem Bauche am dünnsten stehen und am Kopfe fast ineinander verfließen; beim Weibchen sind die Flecken kleiner und dichter gestellt als beim Männchen; junge Thiere endlich sehen noch dunkler aus als alte.


Narwal

Albertus Magnus erzählt von diesem Thiere und bezeichnet es als einen Fisch, welcher ein Horn an der Stirne trage, womit er Fische und gewisse Schiffe zu durchbohren vermöge, aber so faul sei daß diejenigen, welche er angreife, leicht entfliehen könnten. Ein späterer, unbenannter Schriftsteller versichert, daß gedachtes Meerungeheuer große Schiffe durchbohren, zerstören und dadurch viele Menschen zu Grunde richten könne; doch habe die Liebe des Schöpfers dieses Scheusal so langsam erschaffen, daß die Schiffer, wenn sie es sähen, Zeit hätten, zu entfliehen. Rochefort gibt die erste gute Abbildung und zuerst die Erzählung, laut welcher unser Wal sein Horn zum Kampfe gegen andere Walfische gebrauchen, damit aber auch das Eis zertrümmern soll, weshalb man viele mit abgebrochenen Zähnen finde. Erst Fabricius bezweifelt, daß der Narwal Schollen und andere Fische, welche seine Nahrung bilden, mit dem Zahne ansteche und denselben dann in die Höhe richte, bis seine Beute allmählich gegen das Maul rutsche, so daß er sie endlich mit der Zunge einziehen könne. Scoresby endlich stimmt mit denen überein, welche den Stoßzahn als nothwendiges Werkzeug zur Zertrümmerung des Eises ansehen. Wir unsererseits dürfen in diesem Zahne wohl nur eine Waffe sehen, wie sie das männliche Geschlecht so oft vor dem weiblichen voraus hat, wüßten es uns sonst wenigstens nicht zu erklären, wie das jener Meinung nach entschieden benachtheiligte, unbezahnte Weibchen sich helfen könnte, wenn die von den genannten Schriftstellern erdachten Nothfälle eintreten sollten.

Der Narwal, ein Bewohner der nördlichen Meere, wird am häufigsten zwischen dem 70. und 80. Grade der nördlichen Breite getroffen. In der Davisstraße, in der Baffinsbai, in der Prinzregenten-Einfahrt, im Eismeere zwischen Grönland und Island, um Nowaja Semlja und weiter in den nordsibirischen Meeren ist er häufig. Südlich des Polarkreises kommt er selten vor: an den Küsten Großbritanniens strandeten, so viel mir bekannt, in den letzten Jahrhunderten nur vier Narwale ; an den deutschen Küsten wurden nur im Jahre 1736, aber zweimal, solche beobachtet und erlegt. In seiner Heimat begegnet man ihm fast ausnahmslos in zahlreichen Herden; denn er steht an Geselligkeit hinter keinem einzigen seiner Verwandten zurück. »Gelegentlich seiner Wanderungen«, sagt Brown, »habe ich solche Herden gesehen, welche viele tausende zählten. Zahn an Zahn und Schwanzfinne an Schwanzfinne, so zogen sie nordwärts, einem Reiterregimente vergleichbar, anscheinend mit größter Regelmäßigkeit auf- und niedertauchend und in Wellenlinien ihre Straße verfolgend. Solche Herden werden nicht immer nur von einem und demselben Geschlechte gebildet, wie dies Scoresby annahm, bestehen vielmehr aus Männchen und Weibchen, bunt durcheinander gemischt.«

Seegurken, nackte Weichthiere und Fische bilden die Nahrung des auffallenden Geschöpfes. Scoresby fand in seinem Magen Glattrochen, welche fast dreimal so breit waren als sein Maul, und wundert sich, wie es ihm möglich wird, mit dem zahnlosen Maule eine so große Beute festzuhalten und hinabzuwürgen, glaubt deshalb, daß der Narwal diesen Rochen vorher mit seinem Stoßzahne durchbohrt und erst nach seiner Tödtung verschlungen habe. Der unhöfliche Seemann vergißt aber dabei wieder das arme Weibchen, welches doch auch leben will. Wahrscheinlich ist, daß der Narwal seine Nahrung im Schwimmen erhascht und durch den Druck seines Maules so zusammenpreßt, daß er sie hinabwürgen kann: gefangene Seehunde wikkeln die Schollen auch erst zusammen wie die Köchin einen Eierkuchen, bevor sie den breiten Bissen als mundgerecht betrachten.

In früheren Zeiten wurden für die Stoßzähne ganz unglaubliche Summen bezahlt. Man hielt die Zähne für das Horn des Einhorns in der Bibel, und deshalb eben setzen die Engländer solchen Zahn dem fabelhaften Einhorn ihres Wappens auf. »Kaiser und Könige«, sagt Fitzinger, »ließen sich oft mit dem zierlichsten Schnitzwerke versehene Stäbe daraus verfertigen, welche ihnen nachgetragen wurden, und die kostbaren Bischofsstäbe waren aus solchen Zähnen gefertigt.« Je mehr man zu der Überzeugung kam, daß diese Zähne nicht vom Einhorn stammten, verloren sie ihre Wunderkräfte; aber nach Ende vorigen Jahrhunderts fehlten sie in Apotheken nicht, und manche Aerzte wußten ihre Unwissenheit noch immer durch Verordnung von gebranntem Narwalpulver darzulegen. Gegenwärtig betrügen die Holländer bloß noch Chinesen und Japanesen mit den früher so gesuchten Stoffen.

Delfin

Kein anderer Wal, kein anderes Seethier überhaupt, hat die Dichter und Naturforscher der Alten in gleicher Weise beschäftigt, zu den glühendsten Schilderungen und zu der wunderlichsten Fabelei begeistert wie der Delfin. Er ist es, welcher Arion noch Tänarium zurückbringt, bezaubert von dem herrlichen Spiele und Gesange des Dichters, den räuberische Schiffer gezwungen hatten, ins Meer zu springen; er ist es, von dem Plinius die hübsche Geschichte des Knaben erzählt, welcher durch wiederholtes Füttern mit Brod in solchem Grade die Liebe eines Delfins sich erwarb, daß dieser ihn mehrere Jahre lang täglich über den Lucrinischen See nach Puteoli in die Schule trug und auf dieselbe Weise wieder nach Hause brachte. »Als der Knabe starb, erschien der Delfin noch immer am gewohnten Orte und grämte sich bald darauf über den Verlust seines Lieblings zu Tode.« Weiter wird gefabelt, daß im Alterthume die Delfine beim Fange der Meerbarben behülflich waren, indem sie dieselben scharenweise in die Netze trieben und für diesen Dienst mit einem Theile der Beute und mit Brod belohnt wurden, welches in Wein getränkt war. Als ein König von Carien einen gefangenen Delfin im Hafen festketten ließ, erschien eine große Anzahl der noch freien und gab durch deutliche Zeichen die Bitte kund, ihren Gefährten freizulassen, so daß der König nicht widerstehen konnte.


Delfin

Der Delfin (Delphinus delphinus) [Heute: Delphinus delphis] vertritt mit einigen ihm sehr nahe stehenden Arten eine besondere Sippe und eigene Unterfamilie. Die Merkmale der letzteren sind folgende. Der verhältnismäßig kleine Kopf spitzt sich nach vorn in eine schnabelförmig verlängerte, dem Gehimtheile an Länge gleichkommende oder noch übertreffende Schnauze zu, deren Kiefer mit außerordentlich zahlreichen, kegelförmigen und bleibenden Zähnen besetzt sind; die Brustflossen stehen ganz seitlich, etwa im ersten Fünftel des Leibes; die Rückenfinne erhebt sich fast von der Mitte der Oberseite; die Schwanzflosse ist verhältnismäßig sehr groß und beinahe rein halbmondförmig gestaltet. Die Merkmale der Sippe sind die des Thieres selbst.

Alle Meere der nördlichen Halbkugel sind die Heimat dieses berühmten Thieres, welches so erheblich zur Unterhaltung der Seefahrer und Reisenden beiträgt. In seinem Wesen und Treiben erinnert der, Delfin in jeder Beziehung an seine begabteren Verwandten, nur zeigt er sich womöglich noch spiellustiger und launenhafter als alle. Bald treibt er sich, von der Küste entfernt, im hohen Meere herum, bald steigt er weit in den Flüssen empor. Seine Trupps kommen auf die Schiffe zu, umspielen diese lange Zeit, ehe sie wieder eine andere Richtung nehmen, tauchen ohne Unterlaß auf und nieder, erheben den Rücken des Kopfes auf Augenblicke über die Oberfläche des Wassers, wechseln unter schnaubendem Geräusche, indem sie einen dampfartigen Strahl ausstoßen, Luft und verschwinden wieder in der Tiefe. Sie schwimmen so außerordentlich rasch, daß sie nicht allein dem Gange des schnellsten Dampfschiffes mit Leichtigkeit folgen, sondern dabei noch allerlei Gaukeleien treiben und, wenn sie wollen, das Schiff nach Belieben umschwärmen, ohne dabei zurückzubleiben. Nach eigenen Beobachtungen halten sie sich meist nur in geringer Tiefe unter der Oberfläche und immer in einem dichtgedrängten Trupp, so daß der eine unmittelbar neben oder vor dem anderen dahineilt. Gelegentlich schnellt dieser oder jener über das Wasser empor, fällt, ohne lautes Geräusch zu verursachen, kopflings wieder in die Tiefe hinab und nimmt eilfertig seine frühere Stellung wieder ein.

Sie bilden enggeschlossene Schulen von zehn, hundert und auch vielen hundert Mitgliedern. Lösche hat in den Meeren unter den Wendekreisen solche gesehen, welche vielleicht viele tausende zählten. Geselligkeit ist in der That ein Grundzug ihres Wesens, scheint aber mehr auf der Gemeinsamkeit der von ihnen verfolgten Zwecke als gegenseitiger Anhänglichkeit zu beruhen. Die Alten glaubten freilich das letztere und wußten die gegenseitige Liebe und Zuneigung der Delfine nicht hoch genug zu rühmen. »Die Delphin«, sagt unser alter Freund Geßner, jene Angaben wiedergebend, »haben ein sonderbare geselschafft und liebe zusamen, nit allein sie gegeneinander, sondern gegen iren jungen, eltern, abgestorbenen, auch gegen etlichen andern Wallfischen und dem Menschen.«

Daß die Delfine treu zusammenhalten und sich unter Umständen gegenseitig vielleicht auch vertheidigen und schützen, darf wohl nicht gänzlich in Abrede gestellt werden: ob aber die zarteren Gefühle wirklich auch den Sieg über ihre, hinter der keines anderen Delfines zurückstehende Gefräßigkeit und Raubgier in allen Fällen davontragen, dürfte sehr fraglich sein. Während unserer Reise auf dem Rothen Meere wurde unser Dampfschiff regelmäßig von Delfinen umschwärmt und mehrmals kamen diese unmittelbar vor dem Buge des Schiffes so hoch zur Oberfläche empor, daß ein erfolgreicher Schuß auf sie abgegeben werden konnte. Sogleich nach dem Schusse färbte sich das Wasser roth unvon dem gewaltsam ausströmenden Blute; der getroffene Delfin drehte sich einige Male um sich selbst herum und kam dann langsam zur Oberfläche empor. Alle übrigen Mitglieder der Bande blieben augenblicklich beim Leichname zurück, nach Versicherung unseres erfahrenen Schiffsführers aber nur in der edlen Absicht, den liebwerthen Genossen aufzufressen. Das Gebiß bekundet deutlich genug, daß der Delfin zu den schlimmsten Räubern des Meeres gehört.

Seine Nahrung besteht aus Fischen, Krebsen, Kopffüßlern und anderen Seethieren. Am liebsten jagt er den Sardellen, den Häringen und mit besonderer Gier den fliegenden Fischen nach. Er ist es hauptsächlich, welcher diese sonderbaren Bewohner des Meeres über den Wasserspiegel emportreibt; denn gar nicht selten sieht man ihn selbst hinter den aufgestiegenen und dahinrauschenden Flugfischen emporschnellen und dann eilig in der von jenen angegebenen Richtung weiter schwimmen. Nach drei- bis viermaligem Auftreiben hat er die fliegenden Fische gewöhnlich so abgehetzt, daß sie ihm leicht zur Beute werden.

Der Delfin hat in dem Schwertfische einen schlimmeren Feind als in dem Menschen; denn dieser verfolgt nur ihn, wenn ihn der Mangel an frischem Fleisch dazu treibt. Noch heutigen Tages genießt unser Wal seitens des Menschen eine gewisse Verehrung. Doch vereinigen sich hier und da wohl einige Fischer, umringen mit ihren Booten nach altgriechischer Fangweise eine Schar von Delfinen, erschrecken sie durch plötzliches Geschrei und versuchen, sie nach dem Strande hinzutreiben, wo sie angsterfüllt auf das Trockene laufen.Dann vernimmt man ein seufzerartiges Gestöhn von den zu Tode geängstigten Thieren. Auch Walfänger, welche sich nach frischen Fleische sehnen, erlegen dann und wann einen Delfin, während dieser in gewohnter Weise das Schiff umspielt. »Die ganze Mannschaft«, so schildert Lösche, »versammelt sich am Buge und pfeift in allen Tonarten eine wahre Katzenmusik zu dem Tanze im Wasser; denn der sehr musikliebende Delfin soll hierdurch zum Bleiben ermuntert werden, bis die Harpune tückisch an eine kurze Leine befestigt und diese durch einen im oberen Tauwerke befestigten Block gezogen ist.«

Schwertfisch

Der Schwertfisch (Orea gladiator) [Heute: Orcinus orca] kann eine Länge von 9 Meter erreichen, bleibt jedoch meist erheblich hinter diesen Maßen zurück, indem er durchschnittlich kaum über 5 bis 6 Meter lang wird. Dieser Länge entsprechen reichlich 60 Centim. lange und 15 Centim. breite Brustflossen, eine etwa anderthalb Meter breite Schwanzfinne und eine kaum weniger lange Rückenfinne. Der Kopf ist im Verhältnisse zur Größe des Thieres klein, der Scheitel etwas eingebuchtet, die auf ihrer Oberseite flache, auf ihrer Vorderseite schwach gewölbte Stirne gegen die ziemlich breite, kurze und niedrige Schnauze stumpf abgerundet, das kleine, langgeschlitzte Auge nicht weit hinter der Mundspalte und wenig höher als dieselbe, das äußerst kleine Ohr hinter den Augen und fast in der Mitte zwischen diesen und den Brustfinnen, das halbmondförmige Spritzloch über und hinter den Augen gelegen, der Leib spindelförmig gestreckt, auf der Rükkenseite nur wenig, seitlich und unten stärker gewölbt, der Schwanz, dessen Länge fast den dritten Theil der Gesammtlänge einnimmt, gegen das Ende hin seitlich zusammengedrückt und oben und unten scharf gekielt, die verhältnismäßig kurze und breite Brustfinne etwa im ersten Viertel des Leibes seitlich und ziemlich tief unten angesetzt, an ihrer Einlenkungsstelle verschmälert, an der Spitze abgerundet, die etwas hinter dem ersten Drittel der Länge wurzelnde Rückenfinne sensenförmig und mit der Spitze oft seitlich umgebogen, die große Schwanzflosse zweilappig, in der Mitte eingebuchtet und an den Enden in Spitzen vorgezogen. Die Färbung scheint vielfach abzuändern. Ein mehr oder minder dunkles Schwarz erstreckt sich über den größten Theil der Oberseite, ein ziemlich reines Weiß über die Unterseite, mit Ausnahme der Schnauzen- und Schwanzspitze.

Der Schwertfisch bewohnt das nördliche Atlantische, das Eismeer und vielleicht das nördliche Stille Meer. Nach Tilesius sieht man ihn ihm Nordmeere gewöhnlich zu fünf und fünf, wie einen Trupp Soldaten, Kopf und Schwanz nach unten gekrümmt, die Rückenflosse wie ein Säbel aus dem Wasser hervorstehend, äußerst schnell dahinschwimmen und wachsamen Auges das Meer absuchen.

Ihre Jagd gilt nicht bloß kleineren Fischen, sondern auch den Riesen des Meeres; denn sie sind nicht nur die größten, sondern auch die muthigsten, raubsüchtigsten, gefräßigsten, blutdürstigsten und deshalb gefürchtetsten aller Delfine. Schon Plinius sagt: »Der Widderwal wüthet wie ein Räuber; bald versteckt er sich in dem Schatten großer Schiffe, welche vor Anker liegen, und lauert, bis jemandem die Lust ankommt, zu baden, bald steckt er den Kopf aus dem Wasser und sieht sich nach Fischerkähnen um, schwimmt sodann heimlich hinzu und wirft sie um.« Rondelet bemerkt, daß der Schwertfisch die Walfische verfolge und sie beiße, bis »sie schreien, wie ein gehetzter Ochse«. Deshalb bitten die Fischer, welche nach der Neuen Welt segeln, die dortigen Barbaren, daß sie den Orken nichts thun mögen, weil sie mit deren Hülfe die Walfische, Robben und andere Ungeheuer leichter fangen können; »denn die Orken zwingen die genannten Thiere, die Tiefe zu verlassen und an den Strand zu ziehen, wo es dem Fischer leicht wird, sie mit Pfeil und Wurfspießen umzubringen.« Nach Anderson werden die Thiere in Neuengland »Walfischmörder« genannt. Die Grönlandsfahrer sehen sie oft bei Spitzbergen und in der Davisstraße. Mehrere von ihnen fallen den Walfisch an, ängstigen ihn und reißen mit ihrem furchtbaren Gebisse ganze Stücke aus seinem Leibe, wodurch er dermaßen entsetzt und abgemattet wird, daß er die Zunge herausreckt. Um diese ist es den Mordfischen am meisten zu tun; denn sowie er den Rachen aufsperrt, reißen sie ihm die Zunge heraus. Daher kommt es, daß die Fänger dann und wann einen todten Walfisch antreffen, welcher die Zunge verloren hat und davon gestorben ist.

Wie aus der Steller'schen Beschreibung hervorgeht, glaubte man früher, daß der Schwertfisch in der Rückenfinne die Hauptwaffe besäße. »Doch solches«, bemerkt unser Gewährsmann, »ist falsch, weil dieselbe, ungeachtet sie zwei Ellen hoch und sehr spitzig, auch in der See wie ein schneidiges Horn oder Knochen anzusehen, doch weich ist, aus lauter Fett besteht und überdies, um zu verwunden, nicht einen einzigen Knochen hat.« Steller ist es auch, welcher die Angabe des Plinius bestätigt. »Alle diejenigen«, sagt er »welche in der See fischen, fürchten sich ungemein vor diesem Thiere, weil solches, wenn man ihm zu nahe kommt oder es mit einem Pfeil verwundet, die Boote umwirft. Daher bekommt es, wo es entgegenkommt, Geschenke und wird mit einem besonderen Spruche perfuadirt, daß es gute Freundschaft halten und keinen Schaden zufügen wolle.«

Jedenfalls verdient der Schwertfisch die ihm von Linne beigelegte Bezeichnung »Tyrann oder Peiniger der Walfische und Robben«. So lange ein Trupp der Mordfische sich auf der Jagd befindet, eilt er ohne Aufenthalt seines Weges dahin; gesättigt aber gefällt er sich in wilden Spielen, indem jeder einzelne abwechselnd auf- und niedertaucht, sich dreht und wendet, oft auch mit mächtigem Satze über das Wasser emporspringt oder sonstige Gaukelei treibt, dabei aber immer noch seinen Weg so rasch fortsetzt, daß die ganze Gesellschaft bald dem Auge entschwindet. Kein einziger Delfin ist im Stande, mit dem Schwertfische an Schnelligkeit zu wetteifern. Seine ungeheuere Gefräßigkeit nöthigt ihn oft, nahe der Küste sich aufzuhalten, wo er insbesondere die von Fischen wimmelnden Flußmündungen aufzusuchen pflegt; bei Verfolgung größerer Beute aber schwimmt er auch meilenweit in das hohe Meer hinaus und meidet auf Tage, vielleicht auf Wochen die Nähe des Landes. Alle Walfänger hassen seinen Anblick; denn seine Ankunft ist das Zeichen, daß jeder Wal den von ihm bejagten Theil der See meidet, sei es auch, daß er sich zwischen dem Eise verbergen müsse, um der ihm bedrohenden Verfolgung zu entgehen.


Schwertfisch und Grönlandswal

Und nicht mit einer Beute begnügt sich das gefräßige Ungeheuer, sondern bis zum Platzen, buchstäblich bis zum Ersticken, füllt es mit ihnen und anderen Thieren seinen nimmersatten Schlund. Eschricht entnahm dem Magen eines fünf Meter langen Schwertfisches dreizehn Meerschweine und vierzehn Robben, dem Rachen aber den fünfzehnten Seehund, an welchem das Ungethüm erstickt war. Drei oder vier solche Ungeheuer werfen sich ohne Bedenken selbst auf den größten Bartenwal, welcher bei Wahrnehmung seiner furchtbarsten Feinde geradezu von Furcht gelähmt zu sein scheint und zuweilen kaum sich anstrengt, ihnen zu entgehen. »Der Angriff dieser Wölfe des Weltmeeres«, sagt Scammon, »auf eine so riesenhafte Beute erinnert an den von einer Meute gehetzten und niedergerissenen Hirsch. Einige hängen sich an das Haupt des Wales, andere fallen von unten über ihn her, während mehrere ihn bei den Lippen packen und unter Wasser halten oder ihm, wenn er den gewaltigen Rachen aufreißt, die Zunge zerfetzen. Im Frühlinge des Jahres 1858 wurde ich Augenzeuge eines solchen, von drei Schwertfischen auf einen weiblichen Grauwal und sein Junges ausgeführten Angriffes. Das Junge hatte bereits die dreifache Größe des stärksten Butskopfes erreicht und lag wenigstens eine Stunde mit den dreien im Kampfe. Die grimmigen Thiere stürzten sich abwechselnd auf die Alte und ihr Junges und tödteten endlich das letztere, worauf es auf den Grund des etwa fünf Faden tiefen Wassers herabsank.«

Wahrscheinlich verschonen die furchtbaren Thiere keinen ihrer Verwandten, mit alleiniger Ausnahme des Potwales. In den Augen der Möven und anderen fischfressenden Seevögel sind sie willkommene Erscheinungen, weil bei den durch sie verursachten Schlächtereien immer etwas für jene abfällt. Nach Scammons Beobachtungen unterscheiden alle Möven die Butsköpfe sehr wohl von anderen Delfinen und begleiten sie so viel wie möglich fliegend auf weithin, in der Hoffnung, durch sie zu reicher Beute zu gelangen.

Erst im Jahre 1841 wurde die genaue Beschreibung des Schwertfisches entworfen. Bei dem holländischen Dorfe Wyk op Zee strandete ein fünf Meter langes Weibchen und gab einem tüchtigen Naturforscher Gelegenheit, es zu beobachten. Als dieser es zuerst sah, prangte es noch in einem eigenthümlichen Farbenglanze. Das Schwarz spielte in allen Farben des Regenbogens, und das Weiß glich an Reinheit und Glanz dem Porzellan. Aber schon nach wenigen Tagen war von dem Farbenschimmer nichts mehr zu sehen; die oberste Haut trennte sich nach und nach ab, und nach Verlauf einer Woche war das Thier durch die eingetretene Fäulnis gänzlich verstümmelt und entstellt. Jetzt wurde es versteigert. Es fanden sich viele Kauflustige ein, und einer erstand es für die Summe von 140 Gulden. Der gute Mann hatte sich verrechnet; denn er gewann bloß 40 Gulden aus dem Thrane und nicht mehr aus dem Gerippe, welches dem reichen Museum zu Leyden zu ganz besonderer Zierde gereicht.


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