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Oben auf den höchsten Steinhalden der Alpen, wo kein Baum, kein Strauch mehr wächst; wo kein Rind, kaum die Ziege und das Schaf mehr hinkommt, selbst auf den kleinen Felseninseln mitten zwischen den großen Gletschern, wo im Jahre höchstens sechs Wochen lang der Schnee von den warmen Sonnenstrahlen schwindet: ist die Heimat eines schon seit alter Zeit wohlbekannten Mitgliedes der Familie. Die Römer nannten dieses Thier Alpenmaus, die Savoyarden nennen es Marmotta, die Engadiner Marmotella, die Deutschen, beide Namen umbildend, Murmelthier.
Gegenwärtig ist uns Mitteldeutschen das Thier entfremdeter worden, als es früher war. Die armen Savoyardenknaben dürfen nicht mehr wandern, während sie vormals bis zu uns und noch weiter nördlich pilgerten mit ihrem zahmen Murmelthiere auf dem Rücken, um durch die einfachen Schaustellungen, welche sie mit ihrem Ein und Allem in Dörfern und Städten gaben, einige Pfennige zu verdienen. Dem Murmelthiere (Arctomys marmota) [Heute: Marmota marmota] ist es ergangen wie dem Kamele, dem Affen und dem Bären: es hat aufgehört, die Freude der Kinder des Dörflers zu sein, und man muß jetzt schon weit wandern, bis in die Alpenthäler hinein, wenn man es noch lebend sehen will. Mindestens zwei Drittel des Jahres verschläft das merkwürdige Geschöpf, oft noch weit mehr; denn an den höchst gelegenen Stellen, wo es sich findet, währt sein Wachsein und Umhertreiben vor dem Baue kaum den sechsten Theil des Jahres.
Das Sommerleben ist, laut Tschudi, sehr kurzweilig. Mit Anbruch des Tages kommen zuerst die Alten aus der Röhre, strecken vorsichtig den Kopf heraus, spähen, horchen, wagen sich dann langsam ganz hervor, laufen etliche Schritte bergan, setzen sich auf die Hinterbeine und weiden hierauf eine Weile lang mit unglaublicher Schnelligkeit das kürzeste Gras ab. Bald darauf strecken auch die Jungen ihre Köpfe hervor, huschen heraus, weiden ein wenig, liegen Stunden lang in der Sonne, machen Männchen und spielen artig miteinander. Alle Augenblicke sehen sie sich um und bewachen mit der größten Aufmerksamkeit die Gegend. Das erste, welches etwas verdächtiges bemerkt, einen Raubvogel oder Fuchs oder Menschen, pfeift tief und laut durch die Nase, die übrigen wiederholen es theilweise, und im Nu sind alle verschwunden.
Alpenmurmelthier
Während des Sommers wohnen die Murmelthiere einzeln oder paarweise in ihren eigenen Sommerwohnungen, zu denen ein bis vier Meter lange Gänge mit Seitengängen und Fluchtlöchern führen. Hier paaren sie sich, wahrscheinlich im April, und das Weibchen wirft nach sechs Wochen zwei bis vier Junge, welche sehr selten vor die Höhle kommen, bis sie etwas herangewachsen sind, und bis zum nächsten Sommer mit den Alten den Bau theilen.
Gegen den Herbst zu graben sie sich ihre weiter unten im Gebirge liegende Winterwohnung, welche jedoch selten tiefer als anderthalb Meter unter dem Rasen liegt. Sie ist immer niedriger im Gebirge gelegen als die Sommerwohnung, welche oft sogar 2600 Meter über dem Meere liegt, während die Winterwohnung in der Regel in dem Gürtel der obersten Alpenweiden, oft aber auch tief unter der Baumgrenze liegt. Diese nun ist für die ganze Familie, die aus fünf bis fünfzehn Stück besteht, berechnet und daher sehr geräumig. Der Jäger erkennt die bewohnte Winterhöhle sowohl an dem Heu, welches vor ihr zerstreut liegt, als auch an der gut mit Heu, Erde und Steinen von innen verstopften, aber bloß faustgroßen Mündung der Höhleneingänge, während die Röhren der Sommerwohnungen immer offen sind. Nimmt man den Baustoff aus der Röhrenmündung weg, so findet man zuerst einen aus Erde, Sand und Steinen wohlgemauerten, mehrere Fuß langen Eingang. Verfolgt man nun diesen sogenannten Zapfen einige Meter weit, so stößt man bald auf einen Scheideweg, von welchem aus zwei Gänge sich fortsetzen. Der eine, in dem sich gewöhnlich Losung und Haare befinden, führt nicht weit und hat wahrscheinlich den Baustoff zur Ausmauerung des Hauptganges geliefert. Dieser erhöht sich jetzt allmählich, und nun stößt der Jäger an seiner Mündung an einen weiten Kessel, oft acht bis zehn Meter bergwärts, das geräumige Lager der Winterschläfer. Er bildet meist eine eirunde backofenförmige Höhle, mit kurzem, weichem, dürrem, gewöhnlich röthlichbraunem Heu angefüllt, welches zum Theile jährlich erneuert wird. Vom August an fangen nämlich diese klugen Thierchen an, Gras abzubeißen und zu trocknen und mit dem Maule zur Höhle zu schaffen und zwar so reichlich, daß es oft von einem Manne auf einmal nicht weggetragen werden kann.
Höchst sonderbar sieht das Thier aus, wenn es einen Kegel macht: es sitzt dann kerzengerade auf dem Hintertheile, steif, wie ein Stock, den Schwanz senkrecht vom Leibe angebogen, die Vorderarme schlaff herabhängend, und schaut aufmerksam in die Welt hinaus.
Frische und saftige Alpenpflanzen, Kräuter und Wurzeln bilden die Nahrung des Murmelthieres. Zu seiner Lieblingsweide gehören Schafgarbe, Bärenklau, Grindwurzel, Löwenmaul, Klee und Sternblumen, Alpenwegerich und Wasserfenchel, doch begnügt es sich auch mit dem grünen, ja selbst mit dem trockenen Grase, welches seinen Bau zunächst umgibt.
Wie die meisten Schläfer, sind die Alpenmurmelthiere im Spätsommer und Herbst ungemein fett. Vor Beginn des Winterschlafes wird der enge Zugang zu dem geräumigen Kessel auf eine Strecke von ein bis zwei Meter, von innen aus mit Erde und Steinen, zwischen welche Lehm, Gras und Heu eingeschoben werden, geschickt und fest verstopft, so daß das Ganze einem Gemäuer gleicht, bei welchem das Gras gleichsam den Mörtel abgibt. Der mit dürrem, rothen Heu ausgepolsterte und ringsum ausgefütterte Kessel bildet für die ganze Gesellschaft das gemeinsame Lager. Hier ruht die Familie dicht bei einander.
Der in Nordamerika lebende Prairiehund (Cynomys ludovicianus) verbindet gewissermaßen die Zisel mit den eigentlichen Murmelthieren, obwohl er streng genommen zu diesen gehört. Der Leib ist gedrungen, der Kopf groß, der Schwanz sehr kurz, buschig, oben und an den Seiten gleichmäßig behaart; die Backentaschen sind verkümmert. Die Färbung der Oberseite ist licht röthlichbraun, grau und schwärzlich gemischt, die der Unterseite schmutzigweiß, der kurze Schwanz an der Spitze braun gebändert.
Prairiehund
Der Name »Prairiehund«, welcher mehr und mehr giltig geworden ist, stammt von den ersten Entdeckern, den alten kanadischen Trappern oder Pelzjägern her, welche unser Thierchen nach seiner bellenden Stimme benannten. Seine ausgedehnten Ansiedelungen, welche man ihrer Größe wegen »Dörfer« nennt, finden sich regelmäßig auf etwas vertieften Wiesen, auf denen ein zierliches Gras (Sesleria dactyloides) einen wunderschönen Rasenteppich bildet und ihnen zugleich bequeme Nahrung gewährt. »Zu welcher unglaublichen Ausdehnung die Ansiedelungen dieser friedlichen Erdbewohner herangewachsen sind«, sagt Balduin Möllhausen, »davon kann man sich am besten überzeugen, wenn man ununterbrochen Tage lang zwischen kleinen Hügeln hinzieht, deren jeder eine Wohnung zweier oder mehrerer solcher Thiere bezeichnet. Die einzelnen Wohnungen sind gewöhnlich fünf bis sechs Meter voneinander entfernt, und jeder kleine Hügel, welcher sich vor dem Eingange derselben erhebt, mag aus einer guten Wagenladung Erde bestehen, die allmählich von den Bewohnern aus den unterirdischen Gängen ans Tageslicht befördert worden ist. Manche haben einen, andere dagegen zwei Eingänge. Ein festgetretener Pfad führt von einer Wohnung zur anderen, und es wird bei deren Anblick die Vermuthung rege, daß eine innige Freundschaft unter diesen lebhaften kleinen Thierchen herrschen muß. Bei der Wahl einer Stelle zur Anlage ihrer Städte scheint ein kurzes, krauses Gras sie zu bestimmen, welches besonders auf höheren Ebenen gedeiht und nebst einer Wurzel die einzige Nahrung dieser Thierchen ausmacht.«
Einen merkwürdigen Anblick gewährt eine solche Ansiedelung, wenn es glückt, von den Wachen unbeachtet in ihre Nähe zu gelangen. So weit das Auge reicht, herrscht ein reges Leben und Treiben: fast auf jedem Hügel sitzt aufrecht, wie ein Eichhörnchen, das kleine gelbbraune Murmelthier; das aufwärts stehende Schwänzchen ist in immerwährender Bewegung, und zu einem förmlichen Summen vereinigen sich die feinen bellenden Stimmchen der vielen tausende. Nähert sich der Beschauer um einige Schritte, so vernimmt und unterscheidet er die tieferen Stimmen älterer und erfahrener Häupter; aber bald, wie durch Zauberschlag, ist alles Leben von der Oberfläche verschwunden. Nur hin und wieder ragt aus der Oeffnung einer Höhle der Kopf eines Kundschafters hervor, welcher durch anhaltend herausforderndes Bellen seine Angehörigen vor der gefährlichen Nähe eines Menschen warnt.
»Furchtlos«, bemerkt Möllhausen noch, »sucht sich der Prairiehund seinen Weg zwischen den Hufen der wandernden Büffel hindurch; doch der Jäger im Hinterhalte braucht sich nur unvorsichtig zu bewegen-und scheu und furchtsam flieht alles hinab in dunkle Gänge. Ein leises Bellen, welches aus dem Schoße der Erde dumpf herauf klingt, sowie die Anzahl kleiner, verlassener Hügel verrathen dann allein noch den so reich bevölkerten Staat.«
Das Eichhorn (Sciurus vulgaris) erscheint sogar dem Dichter als eine ansprechende Gestalt. Dies fühlten schon die Griechen heraus, denen wir den Namen zu danken haben, welcher jetzt in der Wissenschaft die Eichhörnchen bezeichnet. »Der mit dem Schwanze sich schattende« bedeutet jener griechische Name, und unwillkürlich muß jeder, welcher die Bedeutung des Wortes Sciurus kennt, an das lebhafte Thierchen denken, wie es da oben sitzt, hoch auf den obersten Kronen der Bäume. Der Pelz ändert im Sommer und im Winter, im Norden und im Süden vielfach ab. Im Sommer ist die Färbung oben bräunlichroth, an den Kopfseiten grau gemischt, auf der Unterseite vom Kinne an weiß, im Winter oberseits braunroth mit grauweißem Haar untermischt, unterseits weiß, in Sibirien und Nordeuropa aber häufig weißgrau, ohne jede Spur von rothem Anfluge, während der Sommerpelz dem unseres Hörnchens ähnelt. Häufig sieht man auch in den deutschen Wäldern eine schwarze Abart, welche manche Naturforscher schon für eine besondere Art erklären wollten, während wir mit aller Bestimmtheit sagen können, daß oft unter den Jungen eines Wurfes sich rothe und schwarze Stücke befinden. Der Schwanz ist sehr buschig und zweizeilig, das Ohr ziert ein Büschel langer Haare, die Fußsohlen sind nackt.
Eichhorn
Unser Eichhörnchen ist den Griechen und Spaniern ebensogut bekannt wie den Sibiriern und Lappländern. Da, wo viele Fichten- und Kieferzapfen reifen, setzt es sich fest und erbaut sich eine oder mehrere Wohnungen, gewöhnlich in alten Krähenhorsten, welche es künstlich herrichtet. Zu kürzerem Aufenthalte benutzt es verlassene Elster-, Krähen- und Raubvögelhorste, wie sie sind; die Wohnungen aber, welche zur Nachtherberge, zum Schutze gegen üble Witterung und zum Wochenbette des Weibchens dienen, werden ganz neu erbaut, obwohl oft aus den von Vögeln zusammengetragenen Stoffen. Höhlungen in Bäumen, am liebsten die in hohlen Stämmen, werden ebenfalls von ihm besucht und unter Umständen auch ausgebaut. Die freien Nester stehen gewöhnlich in einem Zwiesel dicht an dem Hauptstamme des Baumes; ihr Boden ist gebaut wie der eines größeren Vogelnestes, oben aber deckt sie nach Art der Elsternester ein flaches, kegelförmiges Dach, dicht genug, um dem Eindringen des Regens vollständig zu widerstehen. Der Haupteingang ist abwärts gerichtet, gewöhnlich nach Morgen hin; ein etwas kleineres Fluchtloch befindet sich dicht am Schafte. Zartes Moos bildet im Innern ringsum ein weiches Polster. Der Außentheil besteht aus dünneren und dickeren Reisern, welche durcheinander geschränkt wurden. Den festen mit Erde und Lehm ausgekleibten Boden eines verlassenen Krähennestes benutzt das Hörnchen besonders gern zur Grundlage des seinigen.
Nur höchst wenige Säugethiere dürfte es geben, welche immerwährend so munter sind und so kurze Zeit auf einer und derselben Stelle bleiben, wie das Eichhorn bei leidlicher Witterung. Mit unglaublicher Sicherheit und Schnelligkeit rutscht es an den Baumstämmen empor, auch an den glättesten. Die langen, scharfen Krallen an den fingerartigen Zehen leisten ihm dabei vortreffliche Dienste. Es häkelt sich in die Baumrinde ein, und zwar immer mit allen vier Füßen zugleich. Dann nimmt es einen neuen Anlauf zum Sprunge und schießt weiter nach oben; aber ein Sprung folgt so schnell auf den anderen, daß das Emporsteigen in ununterbrochener Folge vor sich geht und aussieht, als gleite das Thier an dem Stamme in die Höhe. Die Kletterbewegung verursacht ein weit hörbares Rasseln, in welchem man die einzelnen An- und Absätze nicht unterscheiden kann. Gewöhnlich steigt es, ohne abzusetzen, bis in die Krone des Baumes; dort läuft es dann auf irgend einem der wagerechten Aeste hinaus und springt gewöhnlich nach der Spitze des Astes eines anderen Baumes hinüber, über Zwischenräume von vier bis fünf Meter, immer von oben nach unten. Wie nothwendig ihm die zweizeilig behaarte Fahne zum Springen ist, hat man durch grausame Versuche erprobt, indem man gefangenen Eichhörnchen den Schwanz abschlug: man bemerkte dann, daß das verstümmelte Geschöpf nicht halb so weit mehr springen konnte.
Wenn das Hörnchen sich ungestört weiß, sucht es bei seinen Streifereien beständig nach Aesung. Je nach der Jahreszeit genießt es Früchte oder Sämereien, Knospen, Zweige, Schalen, Beeren, Körner und Pilze. Tannen-, Kiefern- und Fichtensamen, Knospen und junge Triebe bleiben wohl der Haupttheil seiner Nahrung. Es beißt die Zapfen unserer Nadelholzbäume am Stiele ab, setzt sich behäbig auf die Hinterläufe, erhebt den Zapfen mit den Vorderfüßen zum Munde, dreht ihn ununterbrochen herum und beißt nun mit seinen vortrefflichen Zähnen ein Blättchen nach dem anderen ab, bis der Kern zum Vorscheine kommt, welches es dann mit der Zunge aufnimmt und in den Mund führt. Besonders hübsch sieht es aus, wenn es Haselnüsse, seine Lieblingsspeise, in reichlicher Menge haben kann. Am liebsten verzehrt es die Nüsse, wenn sie vollkommen gereift sind. Es ergreift eine ganze Traube, enthülst eine Nuß, faßt sie mit den Vorderfüßen und schabt, die Nuß mit unglaublicher Schnelligkeit hin- und herdrehend, an der Naht mit wenigen Bissen ein Loch durch die Schale, bis sie in zwei Hälften oder in mehrere Stücke zerspringt; dann wird der Kern herausgeschält und gehörig mit den Backenzähnen zermalmt.
Aus Früchten macht es sich nichts, schält im Gegentheile das ganze Fleisch von Birnen und Aepfeln ab, um zu den Kernen zu gelangen. Leider ist es ein großer Freund von den Eiern, plündert alle Nester, welche es bei seinen Streifereien auffindet, und verschont ebensowenig junge Vögel, wagt sich sogar an alte. Schacht fand sogar einen Maulwurf im Neste eines Eichhorns.
Sobald das Thier reichliche Nahrung hat, trägt es Vorräthe für spätere, traurigere Zeiten ein. In den Spalten und Löchern hohler Bäume und Baumwurzeln, in selbstgegrabenen Löchern, unter Gebüsch und Steinen, in einem seiner Nester und an anderen ähnlichen Orten legt es seine Speicher an und schleppt oft durch weite Strecken die betreffenden Nüsse, Körner und Kerne nach solchen Plätzen. In den Waldungen Süostsibiriens speichern die Eichhörnchen auch Schwämme und zwar in höchst eigenthümlicher Weise auf. »Sie sind«, bemerkt Radde, »so wenig selbstsüchtig, daß sie die Pilzvorräthe nicht etwa bergen, sondern an die Nadeln oder in Lärchenwäldern an die kleinen Aestchen spießen, sie dort trocken werden und zur Zeit der Hungersnoth diesem und jenem durchwandernden Artgenossen zu Nutzen kommen lassen.«
Durch diese Vorsorgen für den Winter bekunden die Eichhörnchen, wie außerordentlich empfindlich sie gegen die Einflüsse der Witterung sind. Sobald die ersten Vorboten des schlechten Wetters sich zeigen, ziehen sie sich in ihre Nester zurück, oft mehrere in ein und dasselbe, und lassen, das Ausgangsloch an der Wetterseite sorgfältig verstopfend und behaglich in sich zusammengerollt, das Wetter vorübertoben. In dem kalten Sibirien tritt nach dem regen Leben im Herbste eine mit dem vorschreitenden Winter sich steigende Trägheit ein, welche zu einem Winterschlafe von kurzer Dauer ausarten kann. Sie verlassen ihr Nest zuerst nur wenige Stunden täglich, später tagelang gar nicht mehr, und die sie verfolgenden Jäger müssen, um ihrer ansichtig zu werden, mit dem Beile an hohle Bäume anklopfen und sie erst aufscheuchen. Auch bei uns zu Lande liegen sie oft tagelang ruhig im Neste; schließlich treibt sie der Hunger aber doch heraus und dann zunächst ihren Vorrathskammern zu, in denen sie Schätze für den Winter aufspeicherten.
Bei uns zu Lande durchwandern die Eichhörnchen nur ausnahmsweise weitere Strecken. Im Norden dagegen, insbesondere in Sibirien treten sie alljährlich mehr oder weniger regelmäßige Wanderungen an, durchziehen dabei auch baumlose Strecken, überschwimmen reißende Flüsse und Ströme oder steigen über Gebirge hinweg, deren Höhen sie sonst meiden. Befremdend erscheint es dem in den Gebirgen Südostsibiriens sich aufhaltenden Beobachter, wenn er im Spätherbste plötzlich Eichhörnchen gewissen Oertlichkeiten, auf denen Zirbelkiefern mit gereiften Zapfen stehen, sich zudrängen sieht; denn eine geringe Abweichung von dem einzuschlagenden Wege führt die Thiere entweder in die Dickichte nahrungsarmer Tannenwälder oder in die lichten Laubholzbestände, in denen die verwandten Erdhörnchen auch nicht viel für sie übrig lassen.
Nach Raddes Beobachtungen hält die wandernden Eichhörnchen weder Lahmheit noch ein schwer zu überwindendes Hindernis auf. Einige der von ihm untersuchten Thiere hatten eiternde Wunden an den Füßen und wanderten doch; viele wurden später von ihm ertrunken und im Amur treibend gesehen, da sie selbst bei Eisgange es noch unternehmen, über den breiten und reißenden Strom zu setzen.
Aeltere Eichhörnchen begatten sich zum ersten Male im März, jüngere etwas später. Ein Weibchen versammelt um diese Zeit oft zehn oder mehr Männchen um sich, und diese bestehen dann in Sachen der Liebe blutige Kämpfe miteinander. Wahrscheinlich wird auch hier dem tapfersten der Minne Sold: das Weibchen ergibt sich dem stärkeren, hängt ihm vielleicht sogar eine Zeitlang mit treuer Liebe an. Vier Wochen nach der Paarung wirft es in dem bestgelegensten und am weichsten ausgefütterten Neste drei bis sieben Junge, welche ungefähr neun Tage lang blind bleiben und von der Mutter zärtlich geliebt werden. Bei Beunruhigung trägt, wie Knaben recht gut wissen, die Alte ihre Jungen in ein anderes Nest, oft ziemlich weit weg. Nachdem dieselben entwöhnt worden sind, schleppt ihnen die Mutter, vielleicht auch der Vater, noch einige Tage lang Nahrung zu; dann überläßt das Elternpaar die junge Familie ihrem eigenen Schicksale und schreitet zur zweiten Paarung. Die Jungen bleiben noch eine Zeitlang zusammen, spielen hübsch miteinander und gewöhnen sich sehr schnell an die Sitten der Eltern. Im Juni hat die Alte bereits zum zweiten Male Junge, gewöhnlich einige weniger als das erste Mal; und wenn auch diese soweit sind, daß sie mit ihr herumschweifen können, schlägt sie sich oft mit dem früheren Gehecke zusammen, und man sieht jetzt die ganze Bande, manchmal zwölf bis sechszehn Stück, in einem und demselben Waldestheile ihr Wesen treiben.
In dem Edelmarder hat das Eichhorn seinen furchtbarsten Feind. Dem Fuchse gelingt es nur selten, ein Hörnchen zu erschleichen, und Milanen, Habichten und großen Eulen entgeht es dadurch, daß es, wenn ihm die Vögel zu Leibe wollen, rasch in Schraubenlinien um den Stamm klettert. Während die Vögel im Fluge natürlich weit größere Bogen machen müssen, erreicht es endlich doch eine Höhlung, einen dichten Wipfel, wo es sich schützen kann. Anders ist es, wenn es vor dem Edelmarder flüchten muß. Dieser mondsüchtige Gesell klettert genau ebensogut wie sein Opfer und verfolgt letzteres auf Schritt und Tritt, in den Kronen der Bäume ebensowohl wie auf der Erde, kriecht ihm sogar in die Höhlungen, in welche es flüchtet, oder in das dickwandige Nest nach. Unter ängstlichem Klatschen und Pfeifen flieht das Eichhorn vor ihm her, der gewandte Räuber jagt hinter ihm drein, und beide überbieten sich förmlich in prachtvollen Sprüngen. Die einzige Möglichkeit der Rettung für das Eichhorn liegt in seiner Fähigkeit, ohne Schaden vom höchsten Wipfel der Bäume herab auf die Erde zu springen und dann schnell ein Stück weiter fortzueilen, einen neuen Baum zu gewinnen und unter Umständen das alte Spiel nochmals zu wiederholen.
Marius, ein Arzt in Ulm und Augsburg, schrieb im Jahre 1640 ein eigenes Büchlein über die arzneiliche Benutzung des Bibers, welches fast ganz aus Recepten besteht; Johann Frank vermehrte es 1685 noch bedeutend. Haut und Fett, Blut und Haare, die Zähne und hauptsächlich der Bibergeil sind vortreffliche Heilmittel; namentlich das letztere ist ausgezeichnet. Aus den Haaren macht man Hüte, welche gegen Krankheit schützen; die Zähne hängt man den Kindern um den Hals, weil sie das Zahnen erleichtern; das Blut wird auf mannigfaltige Art verwendet.
Noch heutigen Tages reicht der Wohnkreis des Bibers durch drei Erdtheile hindurch und erstreckt sich über alle zwischen dem 33. und 68. nördlicher Breite liegenden Grade, in früheren Zeiten aber muß er weit ausgedehnter gewesen sein. In Frankreich und Deutschland kam er fast überall vor. In England wurde er zuerst ausgerottet. Gegenwärtig findet man ihn in Deutschland nur sehr einzeln, geschützt von strengen Jagdgesetzen, mit Sicherheit bloß noch an der mittleren Elbe, außerdem einzeln und zufällig vielleicht noch in den Auen der Salzach an der österreichisch-bayerischen Grenze und möglicherweise ebenso an der Möhne in Westfalen. Unter den Ländern Europas beherbergen ihn noch am häufigsten Oesterreich, Rußland und Skandinavien, namentlich Norwegen. Weit zahlreicher als in Europa lebt er in Asien. Die großen Ströme Mittel- und Nordsibiriens bewohnt er in Menge, und auch in den größeren und kleineren Flüssen, welche in das Kaspische Meer sich ergießen, soll er ansässig sein.
Der Biber (Castor fiber) ist einer der größten Nager. Der Leib ist plump und stark, hinten bedeutend dicker als vorn, der Rücken gewölbt, der Bauch hängend, der Hals kurz und dick, der Kopf hinten breit, nach vorn verschmälert, plattscheitelig, kurz- und stumpfschnäuzig; die Beine sind kurz und sehr kräftig, die hinteren etwas länger als die vorderen, die Füße fünfzehig und die hinteren bis an die Krallen durch eine breite Schwimmhaut miteinander verbunden. Der Schwanz, welcher sich nicht deutlich vom Rumpfe scheidet, ist an der Wurzel rund, in der Mitte oben und unten platt gedrückt, bis 20 Centim. breit, an der Spitze stumpf abgerundet, an den Rändern fast schneidig, von oben gesehen eirund gestaltet. Die länglich runden, fast unter dem Pelze versteckten Ohren sind klein und kurz, innen und außen behaart und können so an den Kopf angelegt werden, daß sie den Gehörgang beinahe vollständig verschließen. Die kleinen Augen zeichnen sich durch eine Nickhaut aus; ihr Stern steht senkrecht. Die Nasenlöcher sind mit wulstigen Flügeln versehen und können ebenfalls geschlossen werden. Das Fell besteht aus außerordentlich dichten, flockigen, seidenartigen Wollhaaren und dünnstehenden, langen, starken, steifen und glänzenden Grannen, welche am Kopfe und Unterrücken kurz, an dem übrigen Körper über 5 Centim. lang sind. Auf den Oberlippen sitzen einige Reihen dicker und steifer, nicht eben langer Borsten. Den an der Wurzel im ersten Drittel sehr lang behaarten, im übrigen aber nackten Schwanz bedecken hier kleine, länglichrunde, fast sechseckige, platte Hautgruben, zwischen denen einzelne, kurze, steife, nach rückwärts gerichtete Haare hervortreten.
Bei beiden Geschlechtern finden sich im Untertheile der Bauchhöhle, nahe am After und den Geschlechtstheilen, zwei eigenthümliche, gewöhnlich von einander getrennte, in die Geschlechtstheile mündende Absonderungsdrüsen, die Geil- oder Castorsäcke. Die inneren Wandungen dieser Drüsen sind mit einer Schleimhaut überzogen, welche in schuppenähnliche Säckchen und Falten getheilt ist, sondern das sogenannte Biebergeil oder Gail (Castoreum) ab, eine dunkle rothbraune, gelbbraune oder schwarzbraune, ziemlich weiche, salbenartige Masse von eigenthümlich durchdringendem, starkem, nur wenig Leuten angenehmen Geruche und lange anhaltendem, bitterlichem, balsamischem Geschmacke, welcher in früheren Zeiten als krampfstillendes und beruhigendes Mittel vielfach angewandt wurde, gegenwärtig aber wegen seiner sehr wechselnden Stärke mehr und mehr in Vergessenheit kommt.
Biber
Der Biber lebt gegenwärtig meist paarweise und nur in den stillsten Gegenden zu größeren oder kleineren Familien vereinigt. In allen bevölkerten Ländern haust er, wie der Fischotter, meist in einfachen, unterirdischen Röhren, ohne daran zu denken, sich Burgen zu bauen. Solche fand man aber noch in neuester Zeit an der Nuthe, unweit der Stadt Barby, in einer einsamen, mit Weiden bewachsenen Gegend, welche von einem nur sechs bis acht Schritte breiten Flüßchen durchströmt wird und schon seit den ältesten Zeiten den Namen Biberlache führt. Oberjägermeister von Meyerinck, welcher viele Jahre dort die Biberansiedelungen beobachtete, sagt folgendes darüber: »Es wohnen jetzt (im Jahre 1822) noch mehrere Biberpaare in Gruben, welche, einem Dachsbau ähnlich, dreißig bis vierzig Schritte lang und mit dem Wasserspiegel gleichhochlaufend sind und auf dem Lande Ausführungsgänge haben. In der Nähe der Gruben errichten die Biber sogenannte Burgen. Sie sind 2,5 bis 3 Meter hohe, von starken Knüppeln kunstlos zusammengetragene Haufen, welche sie an den benachbarten Bäumen abbeißen und schälen, weil sie davon sich äsen. Im Herbste befahren die Biber die Haufen mit Schlamm und Erde vom Ufer des Flusses, indem sie diese mit der Brust und den Vorderfüßen nach dem Baue schieben. Die Haufen haben das Ansehen eines Backofens und dienen den Bibern nicht zur Wohnung, sondern nur zum Zufluchtsorte, wenn hoher Wasserstand sie aus den Gruben treibt. Im Sommer des genannten Jahres, als die Ansiedlung aus fünfzehn bis zwanzig Jungen und Alten bestand, bemerkte man, daß sie Dämme warfen. Die Nuthe war zu dieser Zeit so seicht, daß die Ausgänge der Röhren am Ufer überall sichtbar wurden und unterhalb derselben nur noch wenige Centimeter tief Wasser stand. Die Biber hatten eine Stelle gesucht, wo in der Mitte des Flusses ein kleiner Heger war, von welchem sie zu beiden Seiten starke Reiser ins Wasser warfen und die Zwischenräume mit Schlamm und Schilf so ausfüllten, daß dadurch der Wasserspiegel oberhalb des Dammes mit 30 Centim. höher stand als unterhalb desselben. Der Damm wurde mehrere Male weggerissen, in der Regel aber die folgende Nacht wieder hergestellt. Wenn das Hochwasser der Elbe in die Nuthe hinauf drang und die Wohnungen der Biber überstieg, waren sie auch am Tage zu sehen. Sie lagen alsdann meist auf der Burg oder auf den nahe stehenden Kopfweiden.«
Biberbauten üben, wie derselbe Forscher hervorhebt, in Amerika einen merklichen Einfluß auf die landschaftliche Gestaltung einer Gegend aus. Die Dämme verwandeln kleine Bäche, welche ursprünglich ruhig im dunklen Waldesschatten dahinflossen, in eine Kette von Teichen, von denen einzelne einen Flächenraum von vierzig Acker bedecken. In ihrer Nähe entstehen infolge des Fällens der Bäume durch die Biber Blößen, sogenannte Biberwiesen, von zwei- bis dreihundert Acker Flächenraum, welche oft die einzigen Lichtungen in den noch jungfräulichen Urwaldungen bilden. Am Rande der Teiche siedeln sich rasch Torfpflanzen an, und so entstehen nach und nach an allen geeigneten Stellen Torfmoore von mehr oder weniger Ausdehnung.
Alle Arbeiten der Biber hängen mit ihren Gewohnheiten und Bedürfnissen so innig zusammen, daß man die Lebensweise schildert, wenn man diese Arbeiten beschreibt. »Kurz nach Sonnenuntergang«, sagt Meyerinck, »verlassen sie die Gruben, pfeifen laut und fallen mit Geräusch ins Wasser. Sie schwimmen eine Zeitlang in der Nähe der Burg, gegen den Strom so schnell wie abwärts, und kommen, je nachdem sie sich sicher glauben, entweder mit Nase und Stirn oder mit Kopf und Rücken über das Wasser empor. Haben sie sich gesichert, so steigen sie ans Land und gehen fünfzig Schritte und noch weiter vom Flusse ab, um Bäume zur Aesung oder zu ihren Bauten abzuschneiden. Sie entfernen sich von der Burg schwimmend bis eine halbe Meile, kehren aber immer in derselben Nacht zurück. Auch im Winter gehen sie des Nachts ihrer Nahrung nach, verlassen jedoch zuweilen acht bis vierzehn Tage die Wohnung nicht und äsen sich mit der Rinde der Weidenknüppel, welche im Herbste in die Gruben getragen, und mit denen die Ausgänge nach der Landseite zu verstopft werden.« Zweige von der Dicke einiger Centimeter beißt der Biber ohne weiteres ab, Stämme bringt er zu Falle, indem er den Stamm ringsum und dann besonders auf der einen Seite nach dem Flusse zu benagt, bis er dahin sich neigt und in das Wasser stürzt. Die Spur seiner Arbeiten besteht in unzähligen, schuppenförmigen Einschnitten, welche so glatt und scharf ausgemeiselt erscheinen, als ob sie mit einem stählernen Werkzeuge gemacht worden wären. Es kommt vor, daß der Biber selbst Stämme von mehr als mannsdickem Durchmesser abhaut und zum Fallen bringt. Die Bäume werden zuerst ihrer Aeste beraubt, dann in beliebig große Stücke zerschnitten und diese als Pfähle verwandt, während die Aeste und Zweige mehr zum Baue der Wandungen einer Burg dienen. Am liebsten wählt der Biber Weiden, Pappeln, Eschen und Birken zu seiner Nahrung und bezüglich zum Bauen; seltener vergreift er sich an Erlen, Rüstern und Eichen, obgleich auch diese seinem Zahn verfallen.
Besser als diese und andere Mittheilungen haben mich gefangene Biber, welche ich pflegte und durch die Anlage von Geschleifen zum Erbauen von Burgen veranlaßte, über die Art und Weise ihrer Arbeiten belehrt. Einmal mit der Oertlichkeit und dem Getreibe um sie herum vertraut geworden, erschienen die in Rede stehenden Biber bereits in den letzten Nachmittagsstunden außerhalb ihres Baues, um zu arbeiten. Eingepflanzte Stämme wurden lose hingeworfenen Schößlingen vorgezogen und stets gefällt. Zu diesem Ende setzt sich der Biber neben dem betreffenden Bäumchen nieder und nagt ringsum so lange an einer bestimmten Stelle, bis der Baum niederstürzt, wozu bei einer acht Centim. dicken Weide oder Birke fünf Minuten erforderlich sind. Nunmehr packt der Biber den gefällten Baum an seinem dickeren Ende mit den Zähnen, hebt den Kopf und watschelt vorwärts. Bisweilen sieht es aus, als wolle er die Last über den Rücken werfen; doch geschieht dies niemals. Ist der Schößling leicht, so trägt ihn der Biber ohne Aufenthalt dem Ziele zu; ist die Last schwerer, so bewegt er sie absatzweise, indem er das aufgeladene Holzstück mittels eines kräftigen Ruckes des Kopfes vorwärts zu bringen sucht. Astreiche Schößlinge werden vor dem Wegschleppen genau besichtigt, unter Umständen getheilt, hindernde Aststummel weggeschnitten, alle Holzstücke aber zunächst ins Wasser geschleppt und hier entrindet oder für spätere Zeiten aufgespeichert. Erst nachdem der Knüppel geschält worden ist, verwendet der Biber ihn zum Bauen, holt ihn aus dem Wasser heraus, schleppt ihn nach der nächsten Burg und bringt ihn hier unter. Von einer regelmäßigen Anordnung der Bauhölzer läßt sich nichts wahrnehmen. Den Bedürfnissen wird in überlegter Weise abgeholfen, an eine regelmäßige Schichtung und Ordnung der Baustoffe jedoch nicht gedacht. Einige Knüppel liegen wagerecht, andere schief, andere senkrecht, einzelne ragen mit dem einen Ende weit über die Wandungen der Burg vor, andere sind gänzlich mit Erde überdeckt; es wird auch fortwährend geändert, vergrößert, verbessert. Meine Pfleglinge scharrten sich zunächst ein muldenförmiges Loch vor dem Ende des Geschleifes aus, bildeten aus der losgekratzten Erde ringsum einen festen, hohen und dichten Damm, und kleideten den Boden der Mulde mit langen, feinen Spänen aus, welche eigens zu diesem Zwekke zerschleißt wurden. Nunmehr erhielt die Mündung des Geschleifes eine Decke aus Astwerk; sodann wurde der hintere Theil der Wände erhöht und ebenfalls mit einem Kuppeldache überdeckt und, als auch dieses vollendet war, das Ganze mit Erde gedichtet. Alle erforderlichen Dichtungsstoffe, als Erde, Sand, Lehm oder Schlamm, werden in verschiedener Weise, jedoch immer nur mit dem Maule und den Händen bewegt und ausschließlich mit letzteren verarbeitet. Rasenstücke oder fette, lehmige Erde bricht der Biber ballenweise los, indem er Hände und Zähne benutzt, packt den Klumpen mit den Zähnen, drückt von unten die Hände, mit den Handrücken nach oben gekehrt, dagegen und watschelt nun, auf den Hinterfüßen gehend, zeitweilig mit der einen Vorderpfote sich stützend, bedächtig der Baustelle zu; losere Erde oder Sand gräbt er auf, scharrt sie auf ein Häufchen zusammen, setzt beide Handflächen hinten an dasselbe und schiebt es vorwärts, erforderlichen Falls mehrere Meter weit. Der Schwanz wird dabei höchstens zur Erhaltung des Gleichgewichtes, niemals aber als Kelle benutzt.
Die Hauptnahrung der Biber besteht in Rinden und Blattwerk verschiedener Bäume. Unte allen Zweigen, welche ich meinen Gefangenen vorwerfen ließ, wählten sie zuerst stets die Weide, und nur in Ermangelung derselben Pappel, Schwarzpappel, Espe, Esche und Birke, am wenigsten gern Erle und Eiche. Sie fressen nicht bloß Rinde, sondern auch Blätter und die weichen Schößlinge und zwar mit entschiedenem Behagen. Härtere Zweige entrinden sie äußerst zierlich und geschickt, indem sie dieselben mit den Händen fassen und beständig drehen; sie schälen so sauber, daß man auf dem entrindeten Zweige keine Spur eines Zahneindrucks wahrnimmt. Dann und wann nehmen sie übrigens auch frisches Gras zu sich, indem sie dasselbe in plumper Weise abweiden, nämlich einen Grasbüschel mit den Händen packen, zusammendrücken, und so den Zähnen etwas körperhaftes zu bieten suchen.
Ins Wasser fällt er bloß dann mit Geräusch, wenn er geängstigt wurde; beim gewöhnlichen Verlaufe der Dinge gleitet er lautlos in die Tiefe. Schwimmend taucht er das Hintertheil so tief ein, daß nur Nasenlöcher, Augen, Ohren und Mittelrücken über dem Wasser bleiben, die Schwanzwurzel aber überflutet wird. Erliegt auf den Wellen, ohne ein Glied zu rühren, hebt auch oft noch die Schwanzspitze, welche sonst gewöhnlich auf der Oberfläche ruht, in schiefer Richtung empor. Die Fortbewegung geschieht durch gleichzeitige, seltener durch wechselseitige Stöße der Hinterfüße, die Steuerung durch den Schwanz, welcher jedoch niemals senkrecht gestellt, sondern immer ein wenig schief gedreht, oft auch in entsprechender Richtung kräftig und stoßweise bewegt wird; die Vorderfüße nehmen beim Schwimmen keinen Antheil. Bei raschem Eintauchen stößt der Biber mit seinen breitruderigen Hinterfüßen kräftig nach oben aus und schlägt gleichzeitig den Schwanz auf die Oberfläche des Wassers, hebt und dreht also den Hintertheil seines Leibes, taucht den Kopf ein und versinkt rasch in fast senkrechter Richtung. Er kann fast zwei Minuten im Wasser verweilen, bevor die Athemnoth ihn zum Auftauchen zwingt.
Je nach dem Wohnorte des Bibers fällt die Paarung in verschiedene Monate. Einige setzen sie in den Anfang des Winters, Andere in den Februar oder März. Männchen und Weibchen benehmen sich, wie man dies an gefangenen wiederholt beobachtete, sehr zärtlich, setzen sich nebeneinander hin, umarmen sich buchstäblich und wiegen sich dann mit dem Oberleibe hin und her. Die Begattung geschieht, nach Eymouth, welcher als Vorsteher der fürstlich Schwarzenbergischen Kanzlei die von seinem Gebieter im Rothenhof jahrelang gehaltenen Biber beobachten konnte, in aufrechter Stellung, indem das Männchen sein Weibchen in angegebener Weise umschlingt, wird aber auch öfters im Wasser vollzogen. Nach mehrwöchentlicher Tragzeit wirft das Weibchen in seinem trockenen Baue zwei bis drei behaarte, aber noch blinde Junge, nach acht Tagen öffnen diese die Augenlider, und die Mutter führt nunmehr schon, bisweilen aber auch erst am 10. Tage, ihre Nachkömmlinge mit sich ins Wasser. Eymouth gibt als Setzzeit April und Mai an; der späteste Wurf fand am 10. Juli statt.
Außer dem Fürsten Schwarzenberg, welcher auf der Wiener Weltausstellung ein Biberpaar zur Anschauung brachte, befaßt sich gegenwärtig Niemand mit der Biberzucht, obwohl diese ebenso anziehend als lohnend ist und, wie aus den auf den fürstlichen Herrschaften gesammelten Erfahrungen hervorgeht, auch nicht besondere Schwierigkeiten verursacht. Ein Biberpaar, welches im Jahre 1773 im Rothenhof angesiedelt worden war, hatte sich schon sechs Jahre später bis auf vierzehn und zehn Jahre später bis auf fünfundzwanzig vermehrt, die Zucht wurde aber nunmehr beschränkt, weil man die Biber ins Freie bringen ließ, und sie hier viel Schaden anrichteten. In Nymphenburg in Bayern hielt man im Anfange der fünfziger Jahre ebenfalls Biber und erfuhr, daß einzelne von diesen fünfzig Jahre in Gefangenschaft aushielten.
In bewohnten Gegenden nutzt dem Biber übrigens, wie die Erfahrung darthut, auch die größte Vorsicht nichts; der beharrliche Jäger weiß ihn doch zu berücken, und bei dem Werthe der Beute lohnt die Jagd viel zu sehr, als daß der Biber selbst da, wo er durch strenge Jagdgesetze geschützt wird, nicht ausgerottet werden sollte. Erzbischof Johann Ernst von Salzburg setzte auf die Erlegung eines Bibers Galeerenstrafe, und seine Biber wurden doch weggeschossen. So geht es allerorten. Die wenigen Biber, welche Europa noch besitzt, nehmen von Jahr zu Jahr ab und werden sicherlich das Loos ihrer Brüder theilen. Der Nutzen, welchen der Biber gewährt, gleicht den Schaden, welchen er anrichtet, fast aus.
Unser Hamster bildet mit noch etwa einem Dutzend gleichgestalteten und gleichgesinnten Thieren die bekannteste Sippe (Cricetus), deren hauptsächlichste Kennzeichen liegen in dem plumpen, dicken Leibe mit dem sehr kurzen, dünnhaarigen Schwanze und den kurzen Gliedmaßen, von denen die Hinterfüße fünf, die Vorderfüße vier Zehen und eine Daumenwarze besitzen.
Dieses leiblich recht hübsche, geistig aber um so häßlichere, boshafte und bissige Geschöpf (Cricetus frumentarius) (Heute: Cricetus cricetus] erreicht eine Gesammtlänge von ungefähr 30 Centim., wovon auf den Schwanz etwa 5 Centim. kommen. Gewöhnlich ist die Färbung des Oberkörpers ein lichtes Braungelb, welches wegen der schwarzspitzigen Grannen ins Grauliche spielt. Die Oberseite der Schnauze und Augengegend sowie ein Halsband sind rothbraun, ein Fleck auf den Backen ist gelb, der Mund weißlich die Unterseite, auch die Beine bis zu den Füßen herab und die Hinterbeine wenigstens innen, sowie ein Streifen über der Stirn sind schwarz, die Füße dagegen weiß. Meist stehen noch gelbe Flecken hinter den Ohren und vor und hinter den Vorderbeinen.
Hamster
Fruchtbare Getreidefelder vom Rheine bis an den Ob gewähren dem Hamster Aufenthalt und Nahrung. In Deutschland fehlt er in den südlich und südwestlich gelegenen Ländern und Provinzen, ebenso in Ost- und Westpreußen, ist dagegen häufig in Thüringen und Sachsen. Ein Boden, welcher mäßig fest, trocken und dabei fruchtbar ist, scheint die Hauptbedingung für sein Wohlbefinden zu sein. Er verlangt, daß die Baue, welche er gräbt, dauerhaft sind, und meidet aus diesem Grunde alle sandigen Gegenden; aber er will sich auch nicht sehr anstrengen beim Graben und verschont deshalb sehr festen und steinigen Boden mit seinen Ansiedelungen. Gebirge und Waldungen meidet er, auch wasserreiche Niederungen liebt er nicht.
Seine Baue bestehen aus einer großen Wohnkammer, welche in einer Tiefe von 1 bis 2 Meter liegt, einer schrägen Ausgangs- und einer senkrechten Eingangsröhre. Durch Gänge steht diese Wohnkammer mit dem Vorrathsraume in Verbindung. Je nach Geschlecht und Alter des Thieres werden die Baue verschieden angelegt, die jungen Hamster sind die flachsten und kürzesten, die des Weibchens bedeutend größer, die des alten Rammlers die größten. Man erkennt den Hamsterbau leicht an dem Erdhaufen, welcher vor der Ausgangsröhre liegt und gewöhnlich mit Spreu und Hülsen bestreut ist. Das Fallloch geht immer senkrecht in die Erde hinein, bisweilen so gerade, daß man einen langen Stock in dasselbe stecken kann; doch fällt es nicht in die Kammer ein, sondern biegt sich nach unten bald in wagrechter, bald in schiefer Richtung nach derselben hin. Das Schlupfloch dagegen läuft selten in gerader Richtung, sondern mehr gebogen der Kammer zu. Unter den Kammern ist die glattwandige Wohnkammer die kleinere, auch stets mit sehr feinem Stroh, meistens mit den Scheiden der Halme angefüllt, welche eine weiche Unterlage bilden. Drei Gänge münden in sie ein, der eine vom Schlupf-, der andere vom Fallloche und der dritte von der Vorrathskammer kommend. Diese ähnelt der ersten Kammer vollständig, ist rundlich oder eiförmig, oben gewölbt, inwendig glatt und gegen den Herbst hin ganz mit Getreide ausgefüllt. Junge Hamster legen bloß eine an, die alten aber, namentlich die Rammler, welche den ganzen Sommer hindurch nur einschleppen, graben sich drei bis fünf solche Speicher, und hier findet man denn auch ebensoviele Metzen Frucht. Manchmal verstopft der Hamster den Gang vom Wohnzimmer aus zur Vorrathskammer mit Erde, zuweilen füllt er ihn auch mit Körnern an. Diese werden so fest zusammengedrückt, daß der Hamstergräber, wenn er die Kammern ausbeuten will, sie gewöhnlich erst mit einem eisernen Werkzeuge auseinanderkratzen muß. Früher behauptete man irrthümlicherweise, daß der Hamster jede Getreideart besonders aufschichte; er trägt jedoch die Körner ein, wie er sie findet, und hebt sie unter der Erde auf. Selten sind sie ganz rein von Aehrenhülsen oder Schalen. Wenn man in einem Baue die verschiedenen Getreidearten wirklich getrennt findet, rührt dies nicht von dem Ordnungssinne des Thieres her, sondern weil es zur betreffenden Zeit eben nur diese und dann nur jene Getreideart fand. In dem Gange, welcher nach dem Schlupfloche führt, weitet sich oft kurz vor der Kammer eine Stelle aus, wo der Hamster seinen Mist abzulegen pflegt.
Der Hamster ist trotz seiner scheinbaren Plumpheit ein ziemlich gewandtes Thier. Sein kriechender, dem des Igels ziemlich ähnlicher Gang, bei welchem der Unterleib fast auf der Erde schleppt, besteht aus kleinen Schritten. Im Zorne bewegt er sich heftiger und vermag dann auch ziemlich weite Sprünge und hohe Sätze auszuführen. Meisterhaft versteht er das Graben. Wenn man ihn in ein Faß mit Erde steckt, geht er augenblicklich ans Werk. Er bricht mit den Vorderfüßen, oder, wenn der Grund hart ist, mit diesen und den Zähnen Erde los, wirft sie zuerst unter den Bauch, holt sie dann mit den Hinterbeinen hervor und schleudert sie hinter sich. Kommt er in die Tiefe, so schiebt er, rückwärtsgehend, ganze Haufen auf einmal heraus; niemals aber füllt er mit ihr seine Backentaschen an, wie fälschlich behauptet wurde. Der Hamster ist mit seinen Vorderfüßen ungemein geschickt und versteht sie ganz wie Hände zu benutzen. Mit ihnen führt er die Nahrung zum Munde, mit ihnen hält und dreht er die Aehren, welche er enthülsen will, um die Körner in seinen Backentaschen aufzuspeichern, und mit ihrer Hülse bringt er auch seinen Pelz in Ordnung.
Die höheren Sinne des Hamsters scheinen ziemlich gleich ausgebildet zu sein; wenigstens bemerkt man nicht, daß der eine vor dem andern besonders entwickelt wäre. Die geistigen Eigenschaften sind nicht gerade geeignet, ihn zu einem Lieblinge des Menschen zu machen. Der Zorn beherrscht sein ganzes Wesen in einem Grade wie bei kaum einem andern Nager von so geringer Größe, Ratten oder Lemminge etwa ausgenommen. Bei der geringsten Ursache stellt er sich trotzig zur Wehre, knurrt tief und hohl im Innern, knirscht mit den Zähnen und schlägt sie ungemein schnell und heftig aufeinander. Ebenso groß wie sein Zorn ist auch sein Muth. Er wehrt sich gegen jedes Thier, welches ihn angreift, und so lange, als er kann.
Daß ein so jähzorniges Thier nicht verträglich sein kann, ist erklärlich. Die eigenen Kinder mögen nicht mehr bei der Mutter bleiben, sobald sie größer geworden sind; der männliche Hamster beißt den weiblichen todt, wenn er außer der Paarungszeit mit ihm zusammenkommt.
Mit anderen kleineren Thieren verträgt er sich natürlich noch weniger als mit seines Gleichen, ja, er macht förmlich Jagd auf solche; denn seine Nahrung besteht zum guten Theil auch aus lebenden Geschöpfen. Kleine Vögel, Mäuse, Eidechsen, Blindschleichen, Ringelnattern und Kerbthiere frißt er noch lieber als Pflanzenstoffe, und wenn man ihm einen lebenden Vogel in seinen Käfig wirft, springt er blitzschnell zu, zerbeißt ihm zuerst die Flügel, tödtet ihn dann mit einem einzigen Bisse in den Kopf und frißt ihn nun ruhig auf. Das Pflanzenreich muß ihm alles, was irgendwie genießbar ist, zur Nahrung liefern. Er verzehrt grüne Saat- und andere Kräuter, Hülsenfrüchte, Möhren, Kartoffeln u. dgl. auch Wurzeln von manchen Kräutern, sowie Obst, es mag unreif oder reif sein. In der Gefangenschaft nährt er sich auch von allerlei Gebackenem, wie Kuchen und Brod, von Butter, Käse u. a., kurz, er zeigt sich als wahrer Allesfresser.
Auch der Hamster ist ein Winterschläfer. Er erwacht, sobald die Erde aufgethaut ist, oft schon im Februar, sicher im März. Gegen die Mitte des März erschließen die alten Männchen, anfangs April die alten Weibchen des Fallloch. Jetzt suchen sie sich bereits außen Nahrung, tragen auch von frischbesäeten Ackerstücken, wo sie die Körner sorgfältig auflesen, Getreide in ihren Bau ein. Ende April begeben sich die Männchen in die Behausung der Weibchen und leben, wie es scheint, friedlich einige Tage mit ihnen. Etwa vier bis fünf Wochen nach der Begattung, zum ersten Male gegen Ende des Mai, zum zweiten Male im Juli, wirft das Weibchen in seinem weich und warm ausgefütterten Neste sechs bis achtzehn Junge. Diese kommen nackt und blind zur Welt, bringen aber ihre Zähne schon mit, wachsen auch außerordentlich schnell. Unmittelbar nach der Geburt, nachdem sie abgetrocknet sind, sehen sie fast blutroth aus und lassen ein Gewimmer vernehmen, wie es kleine Hunde auszustoßen pflegen. Sie erhalten mit dem zweiten oder dritten Tage ein feines Flaumenhaar, welches sich aber bald verdichtet und den ganzen Körper einhüllt.
Der Lemming (Myodes lemmus) [Heute: Lemmus lemmus] erreicht eine Gesammtlänge von 15 Centim., wovon höchstens 2 Centim. auf das Stutzschwänzchen kommen. Der reiche und lange Pelz ist sehr ansprechend gezeichnet. Von der braungelben, im Nacken gewässerten Grundfärbung heben sich dunkle Flecken ab, von den Augen laufen zwei gelbe Streifen nach dem Hinterkopfe. Der Schwanz und die Pfoten sind gelb, die Untertheile einfach gelb, fast sandfarbig.
Der Lemming ist das räthselhafteste Thier Skandinaviens. Noch heute glauben die Bauern der Gebirgsgegenden, daß er von dem Himmel herabgeregnet werde und deshalb in so ungeheurer Menge auftrete, später aber wegen seiner Freßgier sich den Magen verderbe und zu Grunde gehen müsse.
Lemming
Ich habe Lemminge im Jahre 1860 namentlich auf dem Dovrefjeld zu meiner Freude in großer Menge angetroffen und mich durch eigene Anschauung über sie unterrichten können. Wie ich in Norwegen erfuhr, finden sie sich auf allen höheren Gebirgen des Landes und auch auf den benachbarten Inseln, falls diese bergig sind. Weiter oben im Norden gehen sie bis in die Tundra herab. In den ungeheueren Morästen zwischen dem Altenfjord und dem Tanaflusse fand ich ihre Losung auf allen trockenen Stellen in unglaublicher Menge, sah aber nicht einen einzigen Lemming mehr. Auf dem Dovrefjeld waren sie im Mai überall sehr gemein, am häufigsten im höchsten Gürtel zwischen 1000 bis 2000 Meter über dem Meere, oder von der Grenze der Fichtenwälder an bis zur Grenze des ewigen Schnees hinauf. Einige fand ich auch in Gulbrandsdalen, kaum 100 Meter über dem Meere, und zwar in wasserreichen Gegenden in der Nähe der Laugen. Auf dem Dovrefjeld wohnte einer neben dem anderen, und man sah und hörte oft ihrer acht bis zehn zu gleicher Zeit.
Die Thiere sind ganz allerliebst. Sie sehen aus wie kleine Murmelthiere oder wie Hamster und ähneln namentlich den letzteren vielfach in ihrem Wesen. Ihre Aufenthaltsorte sind die verhältnismäßig trockenen Stellen des Morastes, welcher einen so großen Theil von Norwegen bedeckt. Sie bewohnen hier kleine Höhlungen unter Steinen oder im Moose; doch trifft man sie auch oft umherschweifend zwischen den kleinen Hügeln an, welche sich aus dem Sumpfe erheben. Selten bemerkt man ausgetretene Wege, welche von einer Höhle zu der anderen führen; größere Gänge schürfen sie sich nur im Schnee. Sie sind bei Tage und bei Nacht munter und in Bewegung. Ihr Gang ist trippelnd, aber rasch, wenn auch der Mensch sie leicht einzuholen vermag. Sie sitzen oft ruhig und wohlversteckt in ihren Löchern und würden sicherlich nicht von den Vorübergehenden bemerkt werden; aber die Erscheinung eines Menschen erregt sie viel zu sehr, als daß sie schweigen könnten. Mit lautem Grunzen und Quieken nach Meerschweinchenart begrüßen sie den Eindringling in ihr Gehege, gleichsam, als wollten sie ihm das Betreten ihres Gebietes verwehren. Nur während sie umherlaufen, nehmen sie, wenn man auf sie zugeht, die Flucht, eilen nach irgend einem der unzähligen Löcher und setzen sich dort fest. Dann gehen sie nicht mehr zurück, sondern lassen es darauf ankommen, todtgeschlagen oder weggenommen zu werden. Im Winter schürfen sie sich, wie bemerkt, lange Gänge in den Schnee, und in diesen hinein bauen sie sich auch, wie ich bei der Schneeschmelze bemerkte, große dickwandige Nester aus zerbissenem Grase. Die Nester stehen etwa 20 bis 30 Centim. über dem Boden, und von ihnen aus führen lange Gänge nach mehreren Seiten hin durch den Schnee, von denen die meisten bald bis auf die Mosdecke sich herabsenken und dann, wie die Gänge unserer Wühlmäuse, halb zwischen dem Mose und halb im Schnee weiter geführt werden. Aber die Lemminge laufen auch auf dem Schnee umher oder setzen wenigstens über die großen Schneefelder in der Höhe des Gebirges.
Ihre Heimat ist übrigens, so arm sie auch scheinen mag, reich genug für ihre Ansprüche und bietet ihnen alles, was sie bedürfen. Nur in manchen Jahren scheint dies nicht der Fall zu sein; dann sehen sich die Lemminge genöthigt, Wanderungen anzustellen.
Ich muß bei Erwähnung dieser allbekannten Thatsache hervorheben, daß die Leute auf dem Dovrefjeld nicht das geringste von den Wanderungen wußten, und daß die Bewohner Lapplands mir ebensowenig darüber sagen konnten. Auch Finnländer, welche ich fragte, wußten nichts, und wäre nicht Linne der Gewährsmann für die bezüglichen Angaben: ich würde sie kaum der Erwähnung werth halten.
Meiner Ansicht nach muß die Ursache solcher Wanderungen ebenso wie bei anderen Wühlmäusen in zeitweilig sich fühlbar machendem Mangel an Nahrung beruhen. Wenn nun auf einen milden Winter ein gutes Frühjahr und ein trockener Sommer folgen, sind damit alle Bedingungen zu einer Vermehrung gegeben, welche, wie bei anderen Wühlmäusen auch, als eine grenzenlose bezeichnet werden darf. Die Trockenheit bewirkt aber gleichzeitig ebenso ein Verdorren oder doch Verkümmern der bevorzugten Nahrungspflanzen, das ausgedehnte Weideland reicht für die Menge der wie alle Nager freßgierigen Geschöpfe nicht mehr aus, und sie sehen sich nunmehr gezwungen, anderswo Nahrung zu suchen. Unter solchen Umständen rotten sich bekanntlich nicht allein Nagethiere, sondern auch andere Pflanzenfresser, in Schaaren zusammen, wandern und ziehen schließlich gleichsam sinnlos ihres Weges fort, da sie weder eine bestimmte Richtung einhalten, noch auch solchen Gegenden sich zuwenden, wo es wirklich etwas für sie zu fressen gibt. Erst nachdem hundertausende durch Mangel, Krankheiten, Reisemühen und Reisegefahren ihren Untergang gefunden haben, versuchen die überlebenden wieder die Höhen zu gewinnen, welche ihr eigentliches Wohngebiet bilden. Somit erscheinen mir die Wanderungen der Lemminge durchaus nicht wunderbarer oder minder erklärlich als die anderer Wandersäugethiere, insbesondere anderer Wühlmäuse.
In Europa reicht die Feldmaus (Arvicola arvalis) [Heute: Microtus arvalis] bis in die nördlichen Provinzen Rußlands, in Asien südlich bis nach Persien, westlich bis jenseits des Ob. Sie gehört ebensowohl der Ebene wie dem Gebirge an, obgleich sie im Flachlande häufiger auftritt. In den Alpen steigt sie bis 2000 Meter über das Meer empor. Baumleere Gegenden, Felder und Wiesen, seltener Waldränder und Waldblößen sind ihre bevorzugten Wohnplätze. Das Graben versteht sie meisterhaft. Sie wühlt schneller als irgend eine andere Maus und scheint im Höhlenbauen unermüdlich zu sein. Ihrer Lebensweise nach ist sie fast ebensosehr Tag- als Nachtthier. Man sieht sie auch während des heißesten Sonnenbrandes außerhalb ihrer Baue, obschon sie die Morgen- und Abendzeit dem heißen Mittage vorzuziehen scheint. Wärme und Trockenheit sind für sie Lebensbedingungen; bei anhaltender Feuchtigkeit geht sie zu Grunde.
Feldmaus
Ihre Nahrung besteht aus allen möglichen Pflanzenstoffen. Wenn sie Sämereien hat, wählt sie nur diese, sonst begnügt sie sich auch mit frischen Gräsern und Kräutern, mit Wurzeln und Blättern, mit Klee, Früchten und Beeren. Wenn das Getreide zu reifen beginnt, sammelt sie sich in Scharen auf den Feldern, beißt die Halme unten ab, bis sie umstürzen, nagt sie dann oben durch und schleppt die Aehren in ihre Baue. Während der Ernte folgt sie den Schnittern auf dem Fuße von den Winter- zu den Sommerfeldern nach, frißt die ausgefallenen Körner zwischen den Stoppeln auf, trägt die beim Binden der Garben verlorenen Aehren zusammen und findet sich zuletzt noch auf den Hagefeldern ein, auch dort noch Vorräthe für den Winter einsammelnd.
Im hohen Grade gesellig, lebt die Feldmaus ziemlich einträchtig mit ihres Gleichen, mindestens paarweise zusammen, häufiger aber in großen Scharen, und deshalb sieht man Bau an Bau gereiht. Ihre Vermehrung ist außerordentlich stark. Schon im April findet man in ihren warnen Nestern, welche 40 bis 60 Centim. tief unter dem Boden liegen und mit zerbissenem Grase, fein zermalmten Halmen oder auch mit Moos weich ausgekleidet sind, vier bis acht Junge, und im Verlaufe der warmen Jahreszeit wirft ein Weibchen noch vier bis sechs Mal. Höchst wahrscheinlich sind die Jungen des ersten Wurfes im Herbste schon wieder fortpflanzungsfähig, und somit läßt sich die zuweilen stattfindende erstaunliche Vermehrung erklären.
Um für die Massen der Mäuse, welche manchmal in gewissen Gegenden auftreten, Zahlen zu geben, will ich bemerken, daß in dem einzigen Bezirke von Zabern im Jahre 1822 binnen vierzehn Tagen 1570000, im Landrathsamte Nidda 590327 und im Landrathsamte Putzbach 271941 Stück Feldmäuse gefangen worden sind. In den Jahren 1872 und 73 war es nicht anders. Fast aus allen Theilen unseres Vaterlandes erschallten Klagen über Mäusenoth. Es war eine Plage, der bekannten egyptischen vergleichbar. Selbst in dem dürren Sande der Mark zählte man auf einzelnen Feldstücken tausende von Feldmäusen; in dem fetten Ackerlande Niedersachsens, Thüringens, Hessens hausten sie furchtbar. Halbe Ernten wurden vernichtet, hunderttausende von Morgen umgepflügt, viele tausende von Mark und Thalern für Vertilgungsmittel ausgegeben. In landwirtschaftlichen Vereinen wie in Ministerien erwog man Mittel, der Plage zu steuern.
Leider ist der Mensch diesen Mäusen gegenüber geradezu ohnmächtig. Alle Vertilgungsmittel, welche man bisher ersonnen hat, erscheinen ungenügend, der massenhaften Vermehrung jener gefräßigen Scharen gegenüber; nur der Himmel und die den Menschen so befreundeten und gleichwohl von ihm so befeindeten Raubthiere vermögen zu helfen. Man gebraucht mit gutem Erfolge Mäusebohrer, mit denen man da, wo es der Boden erlaubt, Löcher von 12 bis 18 Centim. Durchmesser etwa 60 Centim. tief in die Erde gräbt, und erzielt damit, daß die hineinfallenden Mäuse, ohne daran zu denken, sich Fluchtröhren zu graben, einander auffressen und sich gegenseitig vernichten; man läßt beim Umackern der Felder Kinder mit Stöcken hinter dem Pfluge hergehen und so viele Mäuse als möglich erschlagen; man treibt Rauch in ihren Höhlen, wirft vergiftete Körner hinein, übergießt sogar ganze Felder mit einem Absud von Brechnuß oder Wolfsmilch, kurz wendet alles an, um diese greuliche Plage los zu werden: aber gewöhnlich sind sämmtliche Mittel so gut wie vergeblich, einzelne von ihnen, namentlich das Vergiften, auch höchst gefährlich. Selbst das wirksamste Gift vertilgt nicht alle Feldmäuse eines Ackers, wohl aber regelmäßig deren ärgste Feinde, also unsere Freunde: Füchse, Iltisse, Hermeline, Wiesel, Bussarde, Eulen, Krähen und ebenso Rebhühner, Hasen und Hausthiere, von der Taube an bis zum Rinde oder dem Pferde hinauf: Grund genug, das Ausstreuen von Gift gänzlich zu verwerfen.
Die Hausratte (Mus rattus) [Heute: Rattus rattus] ist oberseits dunkel braunschwarz, unterseits ein wenig heller grauschwarz gefärbt. Das an der Wurzel schwarzgraue Haar zeigt grünlichen Metallschimmer. An dem verhältnismäßig schlanken Schwanze zählt man 260 bis 270 Schuppenringe.
Wann diese Art zuerst in Europa erschienen ist, läßt sich mit Gewißheit nicht bestimmen. Albertus Magnus ist der erste Thierkundige, welcher sie als deutsches Thier aufführt; demnach war sie also im zwölften Jahrhundert bereits bei uns heimisch. Geßner behandelt sie als ein Thier, welches »manchem mer bekannt dann im lieb«; der Bischof von Autun verhängt, anfangs des fünfzehnten Jahrhunderts, den Kirchenbann über sie; in Sondershausen setzt man ihretwegen einen Buß- und Bettag an. Möglicherweise stammt sie aus Persien, wo sie noch gegenwärtig in unglaublicher Anzahl vorkommt. Bis in die erste Hälfte des vorigen Jahrhunderts genoß sie in Europa die Alleinherrschaft; von dieser Zeit an hat ihr die Wanderratte das Gebiet streitig gemacht. Anfangs haben beide eine Zeitlang neben einander gewohnt; bald aber ist jene überwiegend geworden und sie in demselben Maße verschwunden, wie die Wanderratte vordrang. Doch ist sie zur Zeit noch so ziemlich über alle Theile der Erde verbreitet, kommt aber nur selten in geschlossenen Massen, sondern fast überall einzeln vor. Auch sie folgte dem Menschen in alle Klimate der Erde, wanderte mit ihm zu Lande und Meere durch die Welt. Unzweifelhaft war sie früher in Amerika, Australien und Afrika nicht heimisch; aber die Schiffe brachten sie an alle Küsten, und von den Küsten aus wanderten sie weiter und weiter ins Innere.
Hausratte
Die Wanderratte (Mus decumanus) [Heute: Rattus norvegicus] ist um ein beträchtliches größer, und ihre Färbung auf der Ober- und Unterseite des Leibes verschieden. Der Obertheil des Körpers und Schwanzes ist bräunlichgrau, die Unterseite scharf abgesetzt grauweiß. Der Schwanz hat etwa 210 Schuppenringe, auch kommen Weißlinge mit rothen Augen vor.
Mit großer Wahrscheinlichkeit läßt sich annehmen, daß das ursprüngliche Vaterland der Wanderratte Mittelasien, und zwar Indien oder Persien gewesen ist.
Erst Pallas beschreibt die Wanderratte mit Sicherheit als europäisches Thier und berichtet, daß sie im Herbste 1727 nach einem Erdbeben in großen Massen aus den kaspischen Ländern und von der rumänischen Steppe aus in Europa eingerückt sei. Sie setzte bei Astrachan in großen Haufen über die Wolga und verbreitete sich von hier rasch nach Westen hin. Fast zu derselben Zeit, im Jahre 1732 nämlich, wurde sie auf Schiffen von Ostindien aus nach England verschleppt, und nunmehr begann sie auch von hier aus ihre Weltwanderung. In Ostpreußen erschien sie im Jahre 1750, in Paris bereits 1753, in Deutschland war sie schon 1780 überall häufig; in Dänemark kennt man sie erst seit ungefähr siebzig Jahren und in der Schweiz erst seit dem Jahre 1809 als einheimisches Thier. Glaubwürdige Beobachter versichern, daß sie noch gegenwärtig zuweilen in Scharen von einem Orte zum anderen zieht. »Mein Schwager«, schreibt mir Dr. Helms, »traf einmal an einem frühen Herbstmorgen im Vördenschen einen solchen wandernden Zug, den er auf mehrere tausend Stück schätzen mußte.«
Wanderratte
In der Lebensweise, in den Sitten und Gewohnheiten, im Vorkommen u. a. stimmen beide Ratten so sehr überein, daß man die eine schildert, indem man die andere beschreibt. Wenn man festhalten will, daß die Wanderratte mehr in den unteren Räumlichkeiten der Gebäude und namentlich in feuchten Kellern und Gewölben, Abzugsgräben, Schleußen, Senkgruben, Flethen und an Flußufern sich eingenistet hat, während die Hausratte den obern Theil des Hauses, die Kornböden, Dachkammern u. a. vorzieht, wird nicht viel mehr übrig bleiben, was beiden Arten nicht gemeinsam wäre. Die eine wie die andere Art dieses Ungeziefers bewohnt alle nur möglichen Räumlichkeiten der menschlichen Wohnungen und alle nur denkbaren Orte, welche Nahrung versprechen. Vom Keller an bis zum Dachboden hinauf, vom Prunkzimmer an bis zum Abtritt, vom Palast an bis zur Hütte, überall sind sie zu finden. An den unsaubersten Orten nisten sie sich ebenso gern ein als da, wo sie sich erst durch ihren eigenen Schmutz einen zusagenden Wohnort schaffen müssen. Sie leben im Stalle, in der Soheuer, im Hofe, im Garten, an Flußufern, an der Meeresküste, in Kanälen, den unterirdischen Ableitungsgräben größerer Städte u. a., kurz überall, wo sie nur leben können, obschon die Hausratte ihrem Namen immer Ehre zu machen sucht und sich möglichst wenig von der eigentlichen Wohnung der Menschen entfernt. Gegen sie schützt weder Hag noch Mauer, weder Thüre noch Schloß: wo sie keinen Weg haben, bahnen sie sich einen; durch die stärksten Eichenbohlen und durch dicke Mauern nagen und wühlen sie sich Gänge. Nur, wenn man die Grundmauern tief einsenkt in die Erde, mit festem Cement alle Fugen zwischen den Steinen ausstreicht und vielleicht zur Vorsorge noch zwischen dem Gemäuer eine Schicht von Glasscherben einfügt, ist man vor ihnen ziemlich sicher. Aber wehe dem vorher geschützten Raume, wenn ein Stein in der Mauer locker wird: von nun an geht das Bestreben dieser abscheulichen Thiere sicher dahin, nach dem bisher verbotenen Paradiese zu gelangen.
Nicht zufrieden mit dem schon so reichhaltigen Speisezettel, fallen die Ratten ebenso gierig über andere Stoffe, zumal auch über lebende Wesen her. Die schmutzigsten Abfälle des menschlichen Haushaltes sind ihnen unter Umständen noch immer recht; verfaulendes Aas findet an ihnen Liebhaber. Sie fressen Leder und Horn, Körner und Baumrinde, oder besser gesagt, alle nur denkbaren Pflanzenstoffe, und was sie nicht fressen können, zernagen sie wenigstens. Es sind verbürgte Beispiele bekannt, daß sie kleine Kinder bei lebendigem Leibe angefressen haben, und jeder größere Gutsbesitzer hat erfahren, wie arg sie seinen Hofthieren nachstellen. Sehr fetten Schweinen fressen sie Löcher in den Leib, dicht zusammengeschichteten Gänsen die Schwimmhäute zwischen den Zehen weg, junge Enten ziehen sie ins Wasser und ersäufen sie dort, dem Thierhändler Hagenbeck tödtetensie drei junge afrikanische Elefanten, indem sie diesen gewaltigen Thieren die Fußsohlen zernagten.
Wenn sie mehr als gewöhnlich an einem Orte sich vermehren, ist es wahrhaftig kaum zum Aushalten. Und es gibt solche Ort, wo sie in einer Menge auftreten, von welcher wir uns glücklicherweise keinen Begriff machen können. In Paris erschlug man während vier Wochen in einem einzigen Schlachthause 16 000 Stück, und in einer Abdeckerei in der Nähe dieser Hauptstadt verzehrten sie binnen einer einzigen Nacht fünfunddreißig Pferdeleichen bis auf die Knochen. Sobald sie merken, daß der Mensch ihnen gegenüber ohnmächtig ist, nimmt ihre Frechheit in wahrhaft erstaunlicher Weise zu; und wenn man sich nicht halb zu Tode ärgern möchte über die nichtswürdigen Thiere, könnte man versucht sein, über ihre alles Maß überschreitende Unverschämtheit zu lachen. Während meiner Knabenzeit hatten wir in unserer baufälligen Pfarrwohnung einige Jahre lang keine Katzen, welche auf Ratten gingen, sondern nur schlechte, verwöhnte, welche höchstens einer Maus den Garaus zu machen wagten. Da vermehrten sich die Ratten derart, daß wir nirgend mehr Ruhe und Rast vor ihnen hatten. Wenn wir mittags auf dem Vorsale speisten, kamen sie lustig die Treppe herabspaziert, bis dicht an unsern Tisch heran und sahen, ob sie nicht etwas wegnehmen könnten. Standen wir auf, um sie zu vertreiben, so rannten sie zwar weg, waren aber augenblicklich wieder da und begannen das alte Spiel von neuem. Nachts rasselte es unter allen Dächern und unter dem Fußboden, als ob ein wildes Heer in Bewegung wäre. Im ganzen Hause spukte es. Das waren Hausratten, also noch immer die bessere Sorte dieses Ungeziefers; denn die Wanderratten treiben es noch viel schlimmer. Seeleute sind dieser Nager halber oft sehr übel daran. Es gibt kein größeres Schiff ohne Ratten. Auf den alten Fahrzeugen sind sie nicht auszurotten, und die neuen besetzen sie augenblicklich, sobald die erste Ladung eingenommen wird. Auf langen Seereisen vermehren sie sich, zumal, wenn sie genug zu fressen haben, in bedeutender Menge, und dann ist kaum auf dem Schiffe zu bleiben.
In allen Leibesübungen sind die Ratten Meister. Sie laufen rasch und geschickt, klettern vortrefflich, sogar an ziemlich glatten Wänden empor, schwimmen meisterhaft, führen mit Sicherheit ziemlich weite Sprünge aus und graben recht leidlich, wenn auch nicht gern ausdauernd nacheinander. Die stärkere Wanderratte scheint noch geschickter zu sein als die Hausratte, wenigstens schwimmt sie bei weitem besser. Ihre Tauchfähigkeit ist beinahe ebenso groß wie die echter Wasserthiere. Sie darf dreist auf den Fischfang ausgehen; denn sie ist im Wasser behend genug, den eigentlichen Bewohnern der feuchten Tiefe nachzustellen. Manchmal thut sie gerade, als ob das Wasser ihre wahre Heimat wäre. Erschreckt, flüchtet sie sich augenblicklich in einen Fluß, Teich oder Graben, und, wenn es sein muß, schwimmt sie in einem Zuge über die breiteste Wasserfläche oder läuft minutenlang auf dem Grunde des Beckens dahin. Die Hausratte thut dies bloß im größten Nothfalle, versteht jedoch die Kunst des Schwimmens recht gut.
Wie bereits bemerkt, herrscht zwischen den beiden Rattenarten ein ewiger Streit, welcher regelmäßig mit dem Untergange der schwächeren Art endet; doch auch die einzelnen Ratten unter sich kämpfen und streiten beständig. Nachts hört da, wo sie häufig sind, das Poltern und Lärmen keinen Augenblick auf; denn der Kampf währt auch dann noch fort, wenn ein Theil bereits die Flucht ergreift. Recht alte, bissige Männchen werden zuweilen von der übrigen Gesellschaft verbannt und suchen sich dann einen stillen, einsamen Ort auf, wo sie mürrisch und griesgrämig ihr Leben verbringen.
Die Paarung geht unter lautem Lärmen und Quieken und Schreien vor sich; denn die verliebten Männchen kämpfen heftig um die Weibchen. Ungefähr einen Monat nach der Begattung werfen die letzeren fünf bis einundzwanzig Junge, kleine, allerliebste Thierchen, welche jedermann gefallen würden, wären sie nicht Ratten. »Am I. März 1852«, berichtet Dehne, »bekam ich von einer weißen Ratte sieben Junge. Sie hatte sich in ihrem Drahtkäfige ein dichtes Nest von Stroh gemacht. Die Jungen hatten die Größe der Maikäfer und sahen blutroth aus. Bei jeder Bewegung der Mutter ließen sie ein feines, durchdringendes Piepen oder Quietschen hören. Am B. waren sie schon ziemlich weiß; vom 13. bis 16. wurden sie sehend. Am 18. abends kamen sie zum ersten Male zum Vorschein, als aber die Mutter bemerkte, daß sie beobachtet wurden, nahm sie eine nach der anderen ins Maul und schleppte sie in das Nest. Am 21. hatten sie schon die Größe gewöhnlicher Hausmäuse, am 28. die der Waldmäuse. Sie saugten noch dann und wann (ich sah sie sogar noch am z. April saugen), spielten miteinander, jagten und balgten sich auf die gewandteste und unterhaltendste Weise, setzten sich auch wohl zur Abwechslung auf den Rücken der Mutter und ließen sich von derselben herumtragen. Sie übertrafen an Possirlichkeit bei weitem die weißen Hausmäuse.«
Im Freileben kommt unter den Ratten zuweilen eine eigenthümliche Krankheit vor. Mehrere von ihnen verwachsen unter einander mit den Schwänzen und bilden dann den sogenannten Rattenkönig, den man sich in früheren Zeiten freilich ganz anders vorstellte als gegenwärtig, wo man ihn in diesem oder jenem Museum sehen kann. Früher glaubte man, daß der Rattenkönig, geschmückt mit goldner Krone, auf einer Gruppe innig verwachsener Ratten throne und von hier aus den ganzen Rattenstaat regiere. Soviel ist sicher, daß man zuweilen eine größere Anzahl fest mit Schwänzen verwickelter Ratten findet, welche, weil sie sich nicht bewegen können, von Mitleidigen ihrer Art ernährt werden müssen. Man glaubt, daß eine eigenthümliche Ausschwitzung der Rattenschwänze ein Aufeinanderkleben derselben zur Folge habe, ist aber nicht im Stande, etwas sicheres darüber zu sagen. In Altenburg bewahrte man einen Rattenkönig auf, welcher von siebenundzwanzig Ratten gebildet wird; in Bonn, bei Schnepfenthal, in Frankfurt, in Erfurt und in Lindenau bei Leipzig hat man andere aufgefunden. Der letztere ist von Amtswegen genau beschrieben worden, und ich halte es nicht für überflüssig, den Inhalt der betreffenden Akten hier folgen zu lassen.
»Am 17. Januar 1774 erscheint bei der Landstube zu Leibzig Christian Kaiser, Mühlknappe zu Lindenau, und bringt an: Was maaßen er an vergangener Mittwoche, frühe einen Rattenkönig von sechszehn Stück Ratten, welche mit den Schwänzen ineinander verflochten, in der Mühle zu Lindenau gefangen habe, welchen er, weil dieser auf ihn losspringen wollen, sofort todtgeschmissen.«
Es ist möglich, daß derartige Verbindungen öfter vorkommen, als man annimmt; die wenigsten aber werden gefunden, und an den meisten Orten ist der Aberglaube noch so groß, daß man einen etwa entdeckten Rattenkönig gewöhnlich sobald als möglich vernichtet.
Die Hausmaus (Mus musculus) soll schon seit den ältesten Zeiten der treueste Genosse des Menschen gewesen sein. Bereits Aristoteles und Plinius thun ihrer Erwähnung, Albertus Magnus kennt sie genau. Gegenwärtig ist sie über die ganze Erde verbreitet. Sie wanderte mit dem Menschen und folgte ihm bis in den höchsten Norden und bis in die höchstgelegenen Alphütten. Ihre Aufenthaltsorte sind alle Theile der menschlichen Wohnungen. Auf dem Lande haust sie zeitweilig auch im Freien, d. h. im Garten oder in den nächsten Feldern und Wäldchen, in der Stadt beschränkt sie sich auf das Wohnhaus und seine Nebengebäude. Hier bietet ihr jede Ritze, jede Höhle, mit einem Worte jeder Winkel, wo sie sich verstecken kann, genügendes Obdach, und von hier aus unternimmt sie ihre Streifzüge.
Hausmaus
Mit größter Schnelligkeit rennt sie auf dem Boden dahin, klettert vortrefflich, springt ziemlich weit und hüpft oft längere Zeit nacheinander in kurzen Sätzen fort. An zahmen kann man beobachten, wie geschickt sie alle Bewegungen unternimmt. Schon wenn sie ruhig sitzt, macht sie einen ganz hübschen Eindruck; erhebt sie sich aber, nach Nagerart auf das Hintertheil sich stützend, und putzt und wäscht sie sich, dann ist sie geradezu ein bezauberndes Thierchen. Sie kann sich auf den Hinterbeinen aufrichten, wie ein Mensch, und sogar einige Schritte gehen. Dabei stützt sie sich nur dann und wann ein klein wenig mit dem Schwanze.
Man kann sich schwerlich ein naschhafteres Geschöpf denken als eine Hausmaus, welche über eine gut gespickte Speisekammer verfügen kann. Sie sucht sich sicher immer die besten Bissen aus und beweist dadurch auf das schlagendste, daß der Sinn des Geschmackes bei ihr vortrefflich entwickelt ist. Süßigkeiten aller Art, Milch, Fleischspeisen, Käse, Fette, Früchte und Körner werden von ihr unbedingt bevorzugt, und wo sie die Wahl hat, kürt sie sich unter dem Guten immer das Beste. Wo sie etwas Genießbares wittert, weiß sie sich einen Zugang zu verschaffen, und es kommt ihr eben nicht darauf an, eine oder mehrere Nächte angestrengt zu arbeiten und selbst feste, starke Thüren zu durchnagen. Findet sie viele Nahrung, welche ihr besonders mundet, so trägt sie sich auch noch einen Vorrath davon in ihre Schlupfwinkel und sammmelt mit der Hast eines Geizigen an der Vermehrung ihrer Schätze.
Den Schaden, welchen die Hausmaus durch Wegfressen verschiedener Speisevorräthe anrichtet, ist im ganzen gering; ihre hauptsächliche Schädlichkeit beruht in dem abscheulichen Zernagen werthvoller Gegenstände. In Bücher- und Naturaliensammlungen hausen die Mäuse auf die verderblichste Weise und können, wenn ihrer Zerstörungslust nicht mit allen Kräften Einhalt gethan wird, unschätzbaren Schaden anrichten.
Die Hausmaus vermehrt sich außerordentlich stark. Sie wirft 22 bis 24 Tage nach der Paarung vier bis sechs, nicht selten aber auch acht Junge und in Jahresfrist sicherlich fünf bis sechsmal, so daß die unmittelbare Nachkommenschaft eines Jahres mindestens dreißig Köpfe beträgt. Eine weiße Maus, welche Struve in der Gefangenschaft hielt, warf am 17. Mai sechs, den 6. Juni sechs, den 3. Juli acht Junge. Die Mutter schlägt ihr Wochenbett in jedem Winkel auf, welcher ihr eine weiche Unterlage bietet und einigermaßen Sicherheit gewährt. Nicht selten findet man das Nest in ausgehöhltem Brode, in Kohlrüben, Taschen, Todtenköpfen, ja selbst in Mausefallen. Gewöhnlich ist es aus Stroh, Heu, Papier, Federn und anderen weichen Stoffen sorgfältig zusammengeschleppt.
Die Haselmaus (Muscardinus avellanarius) ist ungefähr so groß wie unsere Hausmaus. Der dichte und anliegende, aus mittellangen, glänzenden und weichen Haaren bestehende Pelz ist gleichmäßig gelblichroth, unten etwas heller, an der Brust und der Kehle weiß.
Mitteleuropa ist die Heimat: Schweden und England scheinen ihre nördlichste, Toskana und die nördliche Türkei ihre südlichste Grenze zu bilden; ostwärts geht sie nicht über Galizien, Ungarn und Siebenbürgen hinaus. Sie gehört ebensogut der Ebene wie dem Gebirge an, geht aber in letzterem nicht über den Laubholzgürtel nach oben, steigt also höchstens zwei tausend Meter über das Meer empor. Niederes Gebüsch und Hecken, am allerliebsten Haselnußdickichte, bilden ihre bevorzugten Wohnsitze.
Haselmaus
Nachts geht sie ihrer Nahrung nach. Nüsse, Eicheln, harte Samen, saftige Früchte, Beeren und Baumknospen bilden diese; am liebsten aber verzehrt sie Haselnüsse, welche sie kunstreich öffnet und entleert, ohne sie abzupflücken oder aus der Hülse zu sprengen. Auch den Beeren der Eberesche geht sie nach und wird deshalb nicht selten in Dohnen gefangen. Als echte Baumthiere klettern sie wundervoll selbst im dünnsten Gezweige herum, nicht bloß nach Art der Eichhörnchen und anderer Schläfer, sondern auch nach Art der Affen; denn oft kommt es vor, daß sie sich mit ihren Hinterbeinen an einem Zweige aufhängen, um eine tiefer hängende Nuß zu erlangen und zu bearbeiten, und ebenso häufig sieht man sie gerade so sicher auf der oberen wie an der unteren Seite der Aeste hinlaufen, ganz in der Weise jener Waldseiltänzer des Südens.
Selten paaren sich die Geschlechter vor dem Juli. Nach ungefähr vierwöchentlicher Tragzeit, also im August, wirft das Weibchen drei bis vier nackte, blinde Junge in sein kugelförmiges, sehr zierlich und künstlich aus Moos und Gras erbautes, innen mit Thierhaaren ausgekleidetes Sommernest, welches regelmäßig im dichtesten Gebüsche und etwa meterhoch über dem Boden zu stehen pflegt. Die Kinderchen wachsen außerordentlich schnell, saugen aber doch einen vollen Monat an der Alten, wenn sie auch inzwischen schon so groß geworden sind, daß sie ab und zu das Nest verlassen können. Um die Mitte des Oktober ziehen sie sich wie letztere in den Schlupfwinkel zurück, wo sie den Wintervorrath eingesammelt, und bereiten sich aus Reisern, Laub, Nadeln, Moos und Gras eine kugelige Hülle, in welche sie sich gänzlich einwickeln, rollen sich zum Knäuel zusammen und fallen in Schlaf, tiefer noch als ihre Verwandten; denn man kann sie in die Hand nehmen und in derselben herumkugeln, ohne daß sie irgend ein Zeichen des Lebens von sich geben. Je nach der Milde oder Strenge des Winters durchschlafen sie nun ihre sechs bis sieben Monate, mehr oder weniger unterbrochen, bis die schöne, warme Frühlingssonne sie zu neuem Leben wach ruft.
Die Wüstenspringmaus (Dipus aegyptius) [Heute: Jaculus jaculus] verbreitet sich über den größten Theil Nordostafrikas sowie das angrenzende westliche Asien und kommt nach Süden hin bis Mittelnubien vor, woselbst der Verbreitungskreis einer andern ähnlichen Art beginnt. Offene, trockene Ebenen, Streppen und Sandwüsten sind ihre Wohnplätze: sie bevölkert die dürrsten und ödesten Landschaften und bewohnt Orte, welche kaum die Möglichkeit zum Leben zu bieten scheinen. Auf jenen traurigen Flächen, welche mit dem scharfschneidigen Riedgrase, der Halfa (Poa cynosuroides) bedeckt sind, findet man sie zuweilen in größeren Gesellschaften. Sie theilt diese Orte mit dem Wüstenhuhne, der kleinen Wüstenlerche und dem isabellfarbenen Läufer, und man begreift kaum, daß auch sie dort Nahrung finden, wo jene, welche neben dem Gesäme doch auch viele Kerbthiere fressen, sich nur dürftig ernähren. In dem harten Kiesboden gräbt sie sich viel verzweigte, aber ziemlich seichte Gänge, in welche sie sich bei der geringsten Gefahr zurückzieht. Nach den Versicherungen der Araber arbeitet der ganze Trupp an diesen unterirdischen Wohnungen. Die Thiere graben mit den scharfen Nägeln ihrer Vorderfüße und benutzen wohl auch die Nagezähne, wenn es gilt, den harten Kiesboden zu durchbrechen.
Wüstenspringmaus
Wohl darf man sagen, daß es schwerlich ein anmuthigeres Geschöpf geben kann als diese Springmäuse. So sonderbar und scheinbar mißgestaltet sie aussehen, wenn man sie todt in der Hand hat oder regungslos sitzen sieht, so zierlich nehmen sie sich aus, wenn sie in Bewegung kommen. Erst dann zeigen sie sich als echte Kinder der Wüste, lassen sie ihre herrlichen Fähigkeiten erkennen. Ihre Bewegungen erfolgen mit einer Schnelligkeit, welche geradezu ans unglaubliche grenzt: sie scheinen zu Vögeln zu werden. Bei ruhigem Gange setzen sie ein Bein vor das andere und laufen sehr rasch dahin, bei großer Eile jagen sie in Sprungschritten davon, welche sie so schnell fördern, daß ihre Bewegung dann dem Fluge eines Vogels gleicht; denn ein Sprung folgt so rasch auf den anderen, daß man kaum den neuen Ansatz wahrnimmt. Dabei tragen die Springmäuse ihren Leib weniger nach vorn übergebeugt als sonst, die Hände mit den Krallen gegeneinander gelegt und nach vorn gestreckt, den Schwanz aber zur Erhaltung des Gleichgewichts gerade nach hinten gerichtet. Wenn man das Thier aus einiger Entfernung laufen sieht, glaubt man einen pfeilartig durch die Luft schießenden Gegenstand zu gewahren.
Fühlt sich die Springmaus ungestört und sicher, so sitzt sie aufrecht auf dem Hintertheile wie ein Känguru, oft auf den Schwanz gestützt, die Vorderpfoten an die Brust gelegt, ganz wie Springbeutelthiere es auch zu thun pflegen. Sie weidet in ähnlicher Weise wie Kängurus: doch gräbt sie mehr als diese nach Knollen und Wurzeln, welche wohl ihre Hauptnahrung zu bilden scheinen. Außerdem verzehrt sie mancherlei Blätter, Früchte und Samen, ja sie soll selbst Aas angehen oder wenigstens den Kerbthieren gierig nachstellen.
Die Araber erzählten mir, sie baue sich in einem tieferen Kessel ihrer Höhle ein Nest, kleide dasselbe wie Kaninchen mit Haaren ihres Unterleibes aus, und darin finde man zwei bis vier Junge: Sie stellen ihm, weil sie das Fleisch genießen und ziemlich hochschätzen, eifrig nach und fangen es ohne sonderliche Mühe lebendig oder erschlagen es beim Herauskommen aus den Bauen. Ihre Jagdweise ist sehr einfach. Sie begeben sich mit einem langen und starken Stocke nach einer Ansiedelung der Springmäuse, verstopfen den größten Theil der Röhren und graben nun einen Gang nach dem andern auf, indem sie ihren starken Stock in den Gang stecken und dessen Decke aufbrechen. Die geängstigten Wüstenmäuse drängen sich nach dem innersten Kessel zurück oder fahren durch eine Fluchtröhre nach außen und dann in ein vorgestelltes Netz oder selbst einfach in den Aermel des Obergewandes, welches der Araber vorgelegt hat. So können zuweilen zehn bis zwanzig Stück auf ein Mal gefangen werden; wenigstens macht es gar keine Mühe, eine solche Anzahl lebend zu erhalten: jagdkundige Araber bringen auf Verlangen so viele Springmäuse, als man haben will.
Jede Springmaus schläft den ganzen Tag, vom frühen Morgen an bis zum späten Abend, kommt, wenn man sie nicht stört, auch nicht einen Augenblick aus ihrem Neste hervor, sondern schläft gute zwölf Stunden in einem Zuge fort. Aber auch während der Nacht ruht sie noch mehrere Male halbe Stündchen aus. Wenn man sie bei Tage aus dem Neste nimmt, zeigt sie sich sehr schläfrig, fällt in der Hand hin und her und kann sich längere Zeit nicht ermuntern. Ihre Stellung beim Schlafen ist eigenthümlich. Gewöhnlich sitzt sie im Neste auf den ziemlich eng zusammengestellten Fersen so, daß die weiter auseinander stehenden Fußspitzen in der Luft schweben. Den Kopf biegt sie ganz herab, sodaß die Stirn unten auf dem Boden ruht und die Schnauze an den Unterleib angedrückt wird. Der Schwanz liegt in großem Bogen über die Fußspitzen weg. So gleicht das Thier einem Balle, über dessen Oberfläche bloß die übermäßig langen Beine hervorragen. Manchmal legt sich die Springmaus aber auch auf die Seite oder selbst auf den Rücken und streckt dann die Beine sonderbar nach oben; immer aber bleibt sie in dieser zusammengerollten Stellung. Die Ohren werden beim Schlafen dicht an den Kopf gedrückt und an ihrer Spitze theilweise eingerollt, sodaß sie faltig, gleichsam wie zerknittert aussehen. Bewegungslos liegt das Thier in dem warmen Nestchen, bis der Abend ordentlich hereingebrochen. Nunmehr macht sich ein leises Rascheln und Rühren im Neste bemerklich. Die Langschläferin putzt sich, glättet die Ohren, läßt einen leisen, wie schwacher Husten klingenden Ton vernehmen, springt plötzlich mit einem einzigen Satze durch die Nestöffnung hervor und beginnt nun ihr eigenthümliches Nachtleben. Das erste Geschäft, welches sie jetzt besorgt, ist das Putzen. In der Reinlichkeit übertrifft die Springmaus kein anderer Nager. Fast alle ihre freie Zeit wird verwandt, um das seidenweiche Fell in Ordnung zu halten. Härchen für Härchen wird durchgekämmt und durchgeleckt, jeder Theil des Körpers, selbst der Schwanz, gehörig besorgt. Einen wesentlichen Dienst leistet ihr dabei feiner Sand. Dieser ist ihr überhaupt ganz unentbehrlich; sie wälzt sich mit förmlicher Wollust in ihm herum, kratzt und wühlt in ihm und kann sich gar nicht von ihm trennen. Beim Putzen nimmt sie die verschiedensten Stellungen an. Gewöhnlich sitzt sie nur auf den Zehenspitzen und gewissermaßen auf dem Schwanze. Sie hebt die Fersen etwa 4 Centim. vom Boden auf, bildet mit dem Schwanze einen großen Bogen und stemmt ihn, mit dem letzten Viertel etwa, auf den Boden auf, trägt den Leib vorn nur ein wenig erhöht und legt die Hände mit den Handflächen gegeneinander, daß die Fingerspitzen oder besser die Krallen sich berühren. Dabei hält sie diese kurzen, stummelartigen Glieder gerade nach vorn gestreckt, so daß sie auf den ersten Blick hin als Zubehör zu ihrem Maule erscheinen. Wenn sie sich aber putzt, weiß sie die zierlichen Gliedmaßen vortrefflich zu gebrauchen. Ehe sie an das Glätten des Felles geht, scharrt und wühlt sie sich eine passende Vertiefung im Sande aus. Zu diesem Ende biegt sie sich vorn hernieder und schiebt nun mit vorgestreckten, auseinander gehaltenen Händen und der rüsselartigen Schnauze den Sand, oft große Mengen auf einmal, nach vorn, und scharrt ihn da, wo er sich nicht schieben läßt, durch rasche Bewegungen der Hände los. So geht es fort, bis sie endlich ihr Lager sich zurecht gemacht hat. Jetzt legt sie zuerst den Kopf in die entstandene Vertiefung und schiebt ihn, vorwärts sich streckend, auf dem Sande dahin, dem obern Theil sowohl als den untern, die rechte wie die linke Seite, jedenfalls in der Absicht, das Fell zu glätten. Nachdem dies besorgt ist, wirft sie sich plötzlich der ganzen Länge nach in die Mulde und streckt und dehnt sich äußerst behaglich, die langen Springbeine bald gerade nach hinten, bald senkrecht vom Leibe ab oder endlich gerade nach vorne und zuletzt so ausstreckend, daß die Läufe hart an die Schnauze zu liegen kommen. Wenn sie sich in dieser Lage ordentlich eingewühlt hat, bleibt sie oft mehrere Minuten lang ruhig und zufrieden liegen, schließt die Augen halb, legt die Ohren an und streicht sich nur dann und wann einmal, als wolle sie sich dehnen, mit einem der kleinen Pfötchen über das Gesicht.
Der ruhige Gang des Thieres ist ein schneller Schritt. Die Beine werden beim Gehen am Fersengelenk gerade ausgestreckt und so gestellt, daß sie unter das dritte Fünftel oder unter die Hälfte des vorn etwas erhobenen Leibes, welcher durch den Schwanz im Gleichgewichte gehalten wird, zu stehen kommen. Nun setzt die Springmaus in rascher Folge ein Bein um das andere vor. Die Vorderhände werden, in der gewöhnlichen Weise zusammengelegt, unter dem Kinne getragen. Da sich die gefangene Springmaus an den Menschen gewöhnt, macht sie nur höchst selten einen größeren Sprung, hauptsächlich dann, wenn es gilt, ein Hindernis zu überwinden, z. B. über ein großes ihr vorgehaltenes Buch zu springen. Dabei schwingt sie sich ohne den geringsten Ansatz durch bloßes Aufschnellen ihrer Hinterbeine fußhoch und noch mehr empor. Als ich eine bei ihren Nachtwandelungen durch eine plötzliche Bewegung erschreckte, sprang sie senkrecht über einen Meter in die Höhe. Wenn man sie auf den Tisch setzt, läuft sie rastlos umher und sieht sorgsam prüfend in die Tiefe hinab, um sich die beste Stelle zum Herunterspringen auszuwählen. Kommt sie an die Kante, so stemmt sie sich mit ihren beiden Vorderarmen auf, sonst aber nie. Die Angabe, daß sie bei jedem Sprunge einen Augenblick auf die Vorderfüße niederfalle und sich dann schnell wieder aufrichte, ist falsch. Sie kommt, selbst wenn sie aus Höhen von einem Meter und mehr zu Boden springt, immer auf die Hinterfüße zu stehen, und läuft dann, ohne sich nur nach vorne zu bücken, so ruhig weiter, als habe sie bloß einen gewöhnlichen Schritt gemacht.
Beim Fressen setzt sie sich auf die ganzen Fußsohlen nieder, biegt aber den Leib vorn weit herab und nimmt nun die Nahrung mit einem raschen Griffe vom Boden auf. Aus einem Näpfchen mit Weizenkörnern holt sie sich in jeder Minute mehrere Körner. Sie verzehrt die erhobenen aber nicht ganz, sondern beißt bloß ein kleines Stückchen von ihnen ab und läßt sie dann wieder fallen. In einer Nacht nagt sie manchmal fünfzig bis hundert Körner an. Allerliebst sieht es aus, wenn man ihr eine Weinbeere oder ein Stückchen fein geschnittene Möhre, Apfel und dergleichen Früchte hingibt. Sie packt solche Nahrung sehr zierlich mit den Händen, dreht sie beständig hin und her und frißt sie auf, ohne sie fallen zu lassen.
Der Aguti oder, wie er seines hübschen Felles wegen auch wohl heißt, der Goldhase (Dasyprocta aguti), eines der schmucksten Mitglieder der ganzen Familie, hat dichte und glatt anliegende Behaarung; das rauhe, harte, fast borstenartige Haar besitzt lebhaften Glanz und röthlich-citronengelbe, mit Schwarzbraun untermischte Färbung, ist drei- bis viermal dunkel-schwarzbraun und ebenso oft röthlich-citronengelb geringelt und endet bald mit einer hellen, bald mit einem dunklen Ringe, wodurch eben die gemischte Färbung hervorgerufen wird. An einigen Leibesstellen waltet das Gelb vor, indem das Schwarz entweder gänzlich verschwindet, oder nur einen schmalen Ring bildet. So kommt es, daß die Gesammtfärbung sich verändert, je nachdem das Thier sich bewegt, je nachdem die Beleuchtung eine verschiedene und endlich, je nachdem das Haar hier länger und dort kürzer ist. Das Gesicht und die Gliedmaßen decken bloß kurze Haare, das Hintertheil längere und das Kreuz wie die Schenkel solche von fast 8 Centim. Länge, die Kehle ist nackt.
Guiana, Surinam Brasilien und das nördliche Peru bilden die Heimat des Guti. An den meisten Orten ist er recht häufig, besonders an den Flußniederungen Brasiliens. Hier wie überall bewohnt er die Wälder, die feuchten Urwälder ebenso wie die trockeneren des innern Landes, treibt sich aber auch an den angrenzenden grasreichen Ebenen herum und vertritt dort die Stelle der Hasen. Im freien Felde kommt er nicht vor. Gewöhnlich findet man ihn über der Erde, in hohlen Bäumen nahe dem Boden, und öfter allein als in Gesellschaft. Bei Tage liegt er ruhig in seinem Lager, und nur da, wo er sich vollkommen sicher glaubt, streift er umher. Mit Sonnenuntergang geht er auf Nahrung aus und verbringt bei guter Witterung die ganze Nacht auf seinen Streifzügen. Er hat, wie Rengger berichtet, die Gewohnheit, seinen Aufenthaltsort mehrmals zu verlassen und wieder dahin zurückzukehren; hierdurch entsteht ein schmaler, oft hundert Meter langer Fußweg, welcher die Lage des Wohngebietes verräth. Bringt man einen Hund auf diese Fährte, so gelingt es, falls das Lager sich nicht im Dickichte befindet, fast regelmäßig, des Thieres habhaft zu werden.
Aguti
Im Springen erinnert er an kleine Antilopen und Moschusthiere. Sein Lauf besteht aus Sprungschritten, welche aber so schnell aufeinander folgen, daß es aussieht, als eile das Thier im gestreckten Galopp dahin. Der ruhige Gang ist ein ziemlich langsamer Schritt.
Die Nahrung besteht in den verschiedenartigsten Kräutern und Pflanzen, von den Wurzeln an bis zur Blüte oder zum Korn hinauf. Den scharfen Nagezähnen widersteht so leicht kein Pflanzenstoff, sie zerbrechen selbst die härtesten Nüsse. In bebauten Gegenden wird der Guti durch seine Besuche in den Zuckerrohranpflanzungen und Gemüsegärten lästig; doch nur da, wo er sehr häufig ist, richtet er merklichen Schaden an.
Über die Fortpflanzung der freilebenden Agutis fehlen noch genaue Nachrichten. Man weiß, daß sich das Thier ziemlich stark vermehrt, daß die Weibchen in allen Monaten des Jahres trächtig werden und gleichzeitig mehrere Junge zur Welt bringen können. Ein und dasselbe Thier soll zweimal im Jahre werfen, gewöhnlich im Oktober, d. h. zu Anfang der Regenzeit oder des Frühjahrs, das zweitemal einige Monate später, doch noch vor Eintritt der Dürre. Zu dieser Zeit sucht das Männchen ein Weibchen auf und jagt ihm nach unter Pfeifen und Grunzen, bis es das anfänglich sehr spröde Weibchen seinem Willen geneigt gemacht hat. Ein Weibchen, welches ich zu zwei Männchen setzte, wurde von diesen so abgetrieben und derart zusammengebissen, daß ich es entfernen mußte, weil es sonst seinen Peinigern erlegen sein würde. Erst nach Wochen heilten die Wunden, welche die ungestümen Liebhaber ihm beigebracht hatten. Bald nach der Begattung lebt jedes Geschlecht einzeln für sich. Das Weibchen bezieht sein altes Lager wieder und richtet es zur Aufnahme der Jungen ein, d. h. polstert es möglichst dicht mit Blättern, Wurzeln und Haaren aus, bringt auf diesem weichen Lager die Jungen zur Welt, säugt sie mehrere Wochen mit großer Zärtlichkeit und führt sie schließlich noch einige Zeit mit umher, um sie bei den ersten Weidegängen zu unterrichten und zu beschützen. Bei der Geburt tragen die Thierchen gleich das Gepräge der Alten und weichen nur unbedeutend in den äußeren Formen ab.
Rengger erzählt, daß der Guti, jung eingefangen und sorgsam aufgezogen, fast zum Hausthier wird. »Ich habe«, sagt er, »mehrere Agutis gesehen, welche man frei herumlaufen lassen konnte, ohne daß sie entwichen wären. So sah ich in den Waldungen des nördlichen Paraguay in den Hütten einiger Einwohner zwei zahme Agutis, welche den Morgen und Abend im Walde, den Mittag und die Nacht bei den Indianern zubrachten. Sie sind dem Menschen nur wenig ergeben, unterscheiden ihren Wärter keineswegs von anderen Personen, gehorchen nur selten seinem Rufe und suchen ihn nur dann auf, wenn sie der Hunger drängt. Auch lassen sie sich ungern von ihm berühren. Gewöhnlich wählen sie irgend einen dunklen Winkel zu ihrem Lager und polstern dasselbe mit Stroh und Blättern aus, zuweilen aber auch mit seidenen Frauenschuhen, Schnupftüchern, Strümpfen u. a., welche sie in kleine Stücke zernagen. Ihre Bewegungen sind sehr leicht. Sie gehen entweder in langsamen Schritten, wobei sie bloß mit den Zehen auftreten und den Rücken stark wölben, oder sie laufen im gestreckten Galopp oder machen Sprünge, welche an Weite denen unseres Hasen nichts nachgeben. Laute geben sie selten von sich, außer wenn sie gereizt werden; dann lassen sie einen pfeifenden Schrei hören; doch knurren sie zuweilen, aber nur ganz leise, wenn sie an einem verborgenen Orte irgend etwas zernagen. Werden sie in Zorn oder in große Furcht gesetzt, so sträuben sie ihre Rückenhaare, und es fällt ihnen dann oft ein Theil derselben aus.