Alfred Brehm
Brehm's Thierleben: Die Säugethiere 1
Alfred Brehm

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Kloakentiere (Gabelthiere)

Ameisenigel

Der Ameisenigel (Echidna hystrix) [Heute: Tachyglossus aculeatus], kennzeichnet sich durch seinen plumpen, größtentheils mit Stacheln oder Borsten bedeckten Leib, den walzenförmigen, nur am untern Ende gespaltenen Schnabel, den kurten Schwanz, die freien, unvollkommen beweglichen Zehen und die langgestreckte, dünne, wurmartige Zunge, welche, wie bei den Ameisenfressern, weit aus dem Munde hervorgestoßen werden kann. In seiner äußern Erscheinung weicht er viel mehr von dem Schnabelthiere ab als im innern Leibesbaue. Von Zähnen findet sich keine Spur; im Gaumen aber stehen sieben Querreihen kleiner, derber, spitziger, rückwärts gerichteter, hornartiger Stacheln, welche den Warzen der Zunge entsprechend gelegen sind und die Stelle der Zähne vertreten. Die Milchdrüsen haben ungefähr sechshundert Ausführungsgänge.


Ameisenigel

Wenn man einen Ameisenigel ergreift, rollt er sich augenblicklich in eine Kugel zusammen, und es ist dann sehr schwer, ihn festzuhalten, weil die scharfen Stacheln bei der heftigen Bewegung des Zusammenkugelns gewöhnlich empfindlich verwunden. Ein zusammengerollter Ameisenigel läßt sich nicht leicht fortschaffen, am besten noch, wenn man ihn an den Hinterbeinen packt und sich um alle Anstrengungen und Bewegungen nicht weiter kümmert. Hat er einmal eine Grube von wenigen Centimetern fertig gebracht, so hält es außerordentlich schwer, ihn fortzuziehen. Nach Art der Gürtelthiere spreizt er sich aus und drückt seine Stacheln so fest gegen die Wände, daß er an ihnen förmlich zu kleben scheint. Die starken Klauen seiner Füße werden hierbei selbstverständlich auch mit angewendet, um sich soviel als möglich zu befestigen.

Ueber die Fortpflanzung des Thieres ist noch höchst wenig bekannt. Das Weibchen soll im December mehrere Junge werfen und sie längere Zeit säugen, wie man annehmen muß, in ganz absonderlicher Weise. wir werden bei Schilderung des Schnabelthieres sehen, wie.

Schnabelthier

Das Schnabelthier (Ornithorhynchus paradoxus) [Heute: Ornithorhynchus anatinus], ist der einzige bekannte Vertreter der zweiten Familie unserer Ordnung. Wir verdanken dem englischen Naturforscher Bennett die beste Schilderung dieses in der That »auffallenden« Geschöpfes, welches noch lange nach seiner Entdeckung Forscher und Laien in Erstaunen setzte. Gestalt und Lebensweise erschienen so seltsam, daß Bennett einzig und allein zu dem Zwecke nach Neuholland reiste, um dieses Thier kennen zu lernen. Bis dahin waren bloß unbestimmte Nachrichten zu uns gekommen. Man erfuhr eben nur, daß das Schnabelthier im Wasser lebe und von den Eingebornen eifrig gejagt werde, weil es einen schmackhaften Braten liefere.

Nun entstanden allerlei Fabeln, welche zum Theile den Berichten der Eingeborenen ihre Entstehung verdankten. Man sagte, daß das Schnabelthier Eier lege und diese nach Entenart ausbrüte, wußte aber im übrigen so gut als nichts mitzutheilen: und so hatte jener englische Naturforscher Ursache genug, durch eigene Anschauung die Sache aufzuklären. Er reiste also zuerst im Jahre 1832 und dann noch einmal 1858 nach Australien, und theilte seine Erfahrungen zuerst in einer gelehrten englischen Zeitschrift und später (1860) in einem besondern

Werke sehr ausführlich mit. Seine Arbeit ist bis jetzt die einzige sichere Quelle über die Lebensweise des Schnabelthieres.

Das Schnabelthier ist nicht größer als der Ameisenigel. Die Männchen sind regelmäßig größer als die Weibchen. Der platt gedrückte Leib ähnelt in gewisser Beziehung dem des Bibers oder des Fischotters. Die Beine sind sehr kurz, alle Füße fünfzehig und mit Schwimmhäuten versehen. An den Vorderfüßen, welche die größte Muskelkraft besitzen und ebensowohl zum Schwimmen wie zum Graben dienen, erstreckt sich die Schwimmhaut etwas über die Krallen, ist dort sehr biegsam und dehnbar und schiebt sich, wenn das Thier gräbt, zurück. Der Kopf ist ziemlich flach, klein und durch seinen breiten Entenschnabel so ausgezeichnet, daß er unter den Säugethieren einzig in seiner Art dasteht. Beide Kinnladen strecken sich und werden in ihrer ganzen Ausdehnung von einer hornigen Haut umgeben, welche sich noch nach hinten in einem eigenthümlichen Schilde fortsetzt.

Der Pelz des Schnabelthieres besteht aus dichten, groben Grannen von dunkelbrauner Färbung mit silberweißer Schattirung; darunter liegt ein sehr weiches, dem des Seehundes und des Seeotters ähnliches Wollhaar von graulicher Färbung. An der Kehle, der Brust und dem untern Leibe sind Pelz und Haar viel feiner und seidenartiger.

Am liebsten bewohnt das Schnabelthier ruhige Stellen der Flüsse, in denen zahlreiche Wasserpflanzen stehen, und deren Ufer laubige Bäume beschatten. Hier legt es sich am Uferrande einen mehr oder weniger künstlichen Bau an. Ein etwa sechs Meter langer, vielfach gewundener Gang mündet in einen geräumigeren Kessel, welcher wie der Gang mit trocknen Wasserpflanzen bestreut war.

Besondere Mühe gab sich Bennett, um die Fortpflanzung des Schnabelthieres kennen zu lernen. Erließ viele Baue aufgraben, in der Hoffnung eines trächtigen Weibchens oder einer Mutter mit säugenden Jungen habhaft zu werden. Dabei hatte er den Vortheil, mehrere Schnabelthiere in der Gefangenschaft zu beobachten. Die Meinungen der Eingebornen über die Fortpflanzung des Thieres sind getheilt. In der einen Gegend behauptet man, daß das Schnabelthier Eier lege, in der andern bezeichnet man es als lebendig gebärend. Bennett verschaffte sich mit großer Mühe mehrere Weibchen, ehe er hierüber ins Klare kam. »Ich ließ«, sagt er, »einen Bau aufgraben, trotz allen Abredens eines trägen Eingebornen, welcher mir versicherte, daß vom Weibchen noch ›keine Jungen gepurzelt‹ wären, und welcher gar nicht begreifen konnte, wie ich bei allem Ueberflusse an Rindern und Schafen doch Schnabelthiere zu haben wünsche. Der Eingang oder die Vorhalle des Baues war groß im Verhältnisse zur Breite des fernem Ganges; denn dieser wurde um so enger, je weiter wir vorrückten, bis er zuletzt der Stärke des Thieres entsprach. Wir verfolgten ihn bis auf drei Meter Tiefe. Plötzlich tauchte der Kopf eines Schnabelthieres aus dem Grunde hervor, just, als wenn es eben im Schlafe gestört worden, und herunter gekommen wäre, um zu sehen, was wir wünschten. Doch schien es der Ueberzeugung zu leben, daß unsere lärmende Arbeit nicht zu seinem Besten gemeint sei; denn es zog sich eiligst wieder zurück. Beim Umdrehen wurde es am Hinterfuße ergriffen und herausgezogen.«


Schnabelthier

Auf einer neuen Reise gelang es Bennett, sich wieder ein Weibchen zu beschaffen, welches er noch genauer untersuchen konnte. Er fand, daß die Brustdrüsen kaum zu bemerken waren, obgleich das Thier in der linken Gebärmutter deutlich entwickelte Eier hatte, konnte aber wiederum nichts genaues entdecken. Einige Zeit später erhielt er nach langer Mühe ein anderes Weibchen, fand aber bei der Untersuchung, daß es eben geworfen hatte. Hier waren die Brustdrüsen sehr groß; doch ließ sich aus ihnen keine Milch mehr ausdrücken. Eine hervorragende Saugwarze war noch nicht zu bemerken, und selbst das Pelzwerk an der Stelle, wo die Drüsen sind, nicht mehr abgerieben als sonst wo anders. Endlich gelang es dem unermüdlichen Forscher, einen Bau mit drei Jungen zu entdecken, welche etwa 5 Centim. lang waren. Nirgends fand man etwas auf, was auf die Vermuthung hätte führen können, daß die Jungen aus Eiern gekommen, und die Eier von.den Alten weggetragen worden wären. Man konnte nicht mehr im Zweifel sein, daß das Schnabelthier lebendige Jungen gebiert.


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