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Unter den Beutelratten ist das Opossum (Didelphis marsupialis) wohl das bekannteste. Weder die Färbung, noch irgend welche Anmuth oder Annehmlichkeit in seinen Sitten zeichnen es aus, und so gilt es mit Recht als ein höchst widriges Geschöpf. Die Leibeslänge des Opossums beträgt über 50 Centim., die des Schwanzes etwa 30 Centim. Der Leib ist wenig gestreckt und ziemlich schwerfällig, der Hals kurz und dick, der Kopf lang, an der Stirne abgeflacht und allmählich in eine lange, zugespitzte Schnauze übergehend; die Beine sind kurz, die Zehen von einander getrennt und fast von gleicher Länge, die Hinterfüße mit einem den übrigen Zehen entgegensetzbaren Daumen versehen; der ziemlich dicke, runde und spitzige Schwanz ist bloß an seiner Wurzel behaart und von da bis zu seinem Ende nackt und von seinen Schuppenhaaren umgeben, zwischen denen nur hier und da einige kurze Haare hervortreten. Das Weibchen hat einen vollkommenen Beutel.
Nordamerika, von Mejiko an bis in die kälteren Gegenden der nördlichen Vereinigten Staaten, bis Pennsylvanien und an die großen Seen Kanadas ist die Heimat des Opossums. In den mittleren Theilen dieses gewaltigen Landstrichs wird es überall häufig gefunden, und zwar keineswegs zur Freude der Menschen. Wälder und Gebüsche bilden seine Aufenthaltsorte, und je dichter dieselben sind, um so lieber hält sich das Opossum in ihnen auf.
»Mir ist«, sagt Andubon, »als sähe ich noch jetzt eines dieser Thiere über den schmelzenden Schnee langsam und vorsichtig dahintrippeln, indem es am Boden hin nach dem schnoppert, was seinem Geschmack am meisten zusagt. Jetzt stößt es auf die frische Fährte eines Huhnes oder Hasens, erhebt die Schnauze und schnüffelt. Endlich hat es sich entschieden und eilt auf dem gewählten Wege so schnell wie ein guter Fußgänger vorwärts. Nun sucht es und scheint in Verlegenheit, welche Richtung es weiter verfolgen soll; denn der Gegenstand seiner Verfolgung hat entweder einen beträchtlichen Satz gemacht oder wohl einen Haken geschlagen, ehe das Opossum seine Spur aufgenommen hatte. Es richtet sich auf, hält sich ein Weilchen auf den Hinterbeinen, schaut sich um, spürt aufs neue und trabt dann
weiter. Aber jetzt, am Fuße eines alten Baumes, macht es entschieden Halt. Es geht rund um den gewaltigen Stamm über die schneebedeckten Wurzeln und findet zwischen diesen eine Oeffnung, in welche es im Nu hineinschlüpft. Mehrere Minuten vergehen, da erscheint es wieder, schleppt ein bereits abgethanes Erdeichhörnchen im Maule heraus und beginnt den Baum zu ersteigen. Der erste Zwiesel scheint ihm nicht anzustehen: es denkt wohl, es möchte hier allzusehr den Blicken eines bösen Feindes ausgesetzt sein, und somit steigt es höher, bis es die dichteren Zweige bergen können, welche mit Weinranken durchflochten sind. Hier setzt es sich zur Ruhe, schlingt seinen Schwanz um einen Zweig und zerreißt mit den scharfen Zähnen das unglückliche Eichhörnchen, welches es dabei immer mit den Vorderpfoten hält.
Opossum
Biederer Bauer! warum hast du vorigen Winter so viele Krähen weggeschossen und Raben dazu? Nun, du hast deinen Spaß gehabt: jetzt aber eile ins nahe Dorf und verschaffe dir hinreichenden Schießvorrath, putze deinen rostigen Kuhfuß, stelle deine Fallen auf und lehre deine trägen Köter, um dem Opossum aufzulauern. Dort kommt es! Die Sonne ist kaum schlafen gegangen, aber des Strolches Hunger ist längst wach. Hörst du das Kreischen deiner besten Henne, welche es gepackt hat? Das listige Thier ist auf und davon mit ihr. Jetzt ist nichts weiter zu thun; höchstens kannst du dich hinstellen und auch noch auf Füchse und Eulen anstehen, welche bei dem Gedanken frohlocken, daß du ihren Feind und deinen Freund, die arme Krähe, weggeputzt hast. Die werthvolle Henne, welcher du vorher so gegen ein Dutzend Eier untergelegt hast, ist diese jetzt glücklich losgeworden. Trotz all ihres ängstlichen Geschreies, trotz ihrer gesträubten Federn hat das Opossum die Eier verspeist, eins nach dem andern. Das kommt also von deinem Krähenschießen her. Wärst du barmherziger und gescheiter gewesen, so wäre das Opossum wohl im Walde geblieben und hätte sich mit einem Eichhörnchen begnügt oder mit einem Häslein, mit den Eiern des Truthahns oder mit den Trauben, welche so reichlich die Zweige unserer Waldbäume schmücken: aber ich rede dir vergeblich vor!
Doch auch angenommen, der Bauer hätte das Opossum über der That ertappt? dann spornt ihn sein Aerger an, das arme Thier mit Fußtritten zu mißhandeln. Dieses aber, wohlbewußt seiner Widerstandsunfähigkeit, rollt sich zusammen wie eine Kugel. Je mehr der Bauer rast, desto weniger läßt sich das Thier etwas von seiner Empfindung merken. Zuletzt liegt es da, nicht todt, aber erschöpft, die Kinnladen geöffnet, die Zunge heraushängend, die Augen getrübt, und so würde es daliegen, bis die Schmeißfliege ihre Eier auf den Pelz legte, wenn nicht sein Quälgeist fortginge. ›Sicherlich‹, sagt der Bauer, ›das Vieh muß todt sein.‹ Bewahre, Leser, es ›opossumt‹ ihm nur etwas vor. Und kaum ist sein Feind davon, so macht es sich auf die Beine und trollt sich wieder in den Wald.«
Das Opossum ist, wie seine ganze Ausrüstung beweist, ein Baumthier, auf dem Boden dagegen ziemlich langsam und unbehülflich. Es tritt beim Gehen mit ganzer Sohle auf. Alle Bewegungen sind träge und selbst der Lauf fördert nur wenig, obgleich er aus einer Reihe von paßartigen Sprüngen besteht. In den Baumkronen dagegen klettert das Thier mit großer Sicherheit und ziemlich hurtig umher. Dabei kommen ihm der abgesonderte Daumen seiner Hinterhände, mit welchem es die Aeste umspannen und festhalten kann, und der Rollschwanz gut zu statten. Nicht selten hängt es sich an letzterem auf, und verbleibt stundenlang in dieser Lage. Sein schwerfälliger Bau hindert es freilich, mit derselben Schnelligkeit und Gewandtheit zu klettern, wie Vierhänder oder Nager es vermögen; doch ist es auf dem Baume so ziemlich vor Feinden geborgen. Unter seinen Sinnen ist der Geruch besonders ausgebildet und das Spürvermögen soll sehr groß sein. Gegen blendendes Licht zeigt es Empfindlichkeit und vermeidet es deshalb sorgfältig.
Man hat durch Beobachtung an Gefangenen mit hinlänglicher Sicherheit festgestellt, daß das Weibchen ungefähr nach vierzehntägiger Tragzeit seine Jungen wirft oder, besser gesagt, aus dem Mutterleibe in den Beutel befördert. Die Anzahl der Jungen schwankt zwischen vier und sechszehn, die Keimlinge sind anfänglich noch ganz formlos und klein. Sie haben ungefähr die Größe einer Erbse und wiegen bloß fünf Gran. Augen und Ohren fehlen, nicht einmal die Mundspalte ist deutlich, obwohl sie natürlich hinlänglich ausgebildet sein muß, um als Verbindungsmittel zwischen ihnen und der Mutter zu dienen. Der Mund entwickelt sich auch viel eher als alle übrigen Theile des Leibes; denn erst später bilden sich die Augen und Ohren einigermaßen aus. Nach etwa vierzehn Tagen öffnet sich der Beutel, welchen die Mutter durch besondere Hautmuskeln willkürlich verengern oder erweitern kann, und nach etwa fünfzig Tagen sind die Jungen bereits vollständig ausgebildet. Sie haben dann die Größe einer Maus, sind überall behaart und öffnen nun auch die Augen.
Häßlich und im höchsten Grade abstoßend und widerlich ist der Teufel der Ansiedler (Dasyurus ursinus) [Heute: Sarcophilus harrisi]. Diesen bedeutungsvollen Namen erhielt das Thier wegen seiner unglaublichen Wildheit und Unzähmbarkeit. Alle Beobachter sind einstimmig, daß man sich kaum ein ungemüthlicheres, tolleres, unsinnigeres und wüthenderes Geschöpf denken könne als diesen Beutelteufel, dessen schlechte Laune und Aerger niemals endet und dessen Zorn bei der geringsten Gelegenheit in hellen Flammen auflodert. Nicht einmal in der Gefangenschaft und bei der sorgfältigsten Pflege verliert er seine Eigenschaften, und niemals lernt er den kennen oder lieben, welcher ihn mit Nahrung versieht und Pflege angedeihen läßt, sondern greift auch seinen Wärter mit derselben Gehässigkeit und sinnlosen Wuth an wie jedes andere Wesen, welches sich ihm zu nahen wagt.
Teufel
Im Anfange machte der Beutelteufel den Ansiedlern aus Vandiemensland viel zu schaffen, weil er ihre Geflügelzucht beinah vereitelte. Nach Marderart brach er allmählich in den Hühnerhof ein und wüthete hier mit einer Blutgier, wie sie sonst nur ein Marder zeigen kann. Er wurde daher von allem Anfange an grimmig gehaßt und auf das rachsüchtigste verfolgt, und dies um so mehr, als man sein Fleisch wohlschmeckend oder wenigstens genießbar gefunden hatte. Fallen aller Art wurden gelegt, große Jagden veranstaltet, und so kam es, daß auch dieser Teufel sehr bald die Herrschaft und den Verstand des Menschen erkennen und fürchten lernte und sich in die dicksten, unzugänglichsten Wälder in den Gebirgen zurückzog. In vielen Gegenden ist er bereits ausgerottet, und auch da, wo er noch vorkommt, wird er jetzt ziemlich selten bemerkt.
Er ist ein echtes Nachtthier und scheut das Tageslicht im gleichen Grade wie der Beutelwolf oder wie eine unserer Eulen. Das Licht scheint ihm wirklich Schmerzen zu verursachen; wenigstens hat man an Gefangenen beobachtet, daß sie, wenn man sie ins Helle brachte, augenblicklich mit einer gewissen Hast oder Aengstlichkeit die dunkelste Stelle ihres Käfigs aufsuchten, sich mit lichtabgewandtem Gesichte zusammenkauerten und auch hier noch durch beständiges Bewegen ihrer Nickhaut die Augen gegen die ihnen höchst unangenehme Einwirkung des Lichtes zu schützen suchten. Auch der Beutelteufel zieht sich, so lange die Sonne am Himmel steht, in die dunkelsten und tiefsten Höhlen im Geklüfte und unter Baumwurzeln zurück und fällt hier in einen fast todtenähnlichen Schlaf, aus welchem ihn nicht einmal der Lärm einer Jagd zu erwecken vermag. Nach Einbruch der Nacht verläßt er sein Lager und streift nun nach Raub umher; dabei zeigt er sich verhältnismäßig rasch und behend in seinen Bewegungen und ausdauernd in seinem Laufe, obgleich er an Gewandtheit und Gelenkigkeit noch immer unendlich weit zurücksteht hinter den altweltlichen Schleichkatzen und Mardern. Seine Haltung und manche Sitten erinnern an die des Bären. Beim Gange tritt er mit voller Sohle auf, im Sitzen ruht er wie ein Hund auf dem Hintertheile.
Mit seiner gewöhnlichen Wuth fällt er über alle Thiere her, welche er erlangen kann. Er sucht sich seine Beute ebensowohl unter den Wirbel? wie unter den niederen Thieren. Alles, was das im ganzen arme Land oder das Meer ihm bietet, ist ihm recht; denn seine Gefräßigkeit wetteifert mit seiner Wuth. Bei seinen Raubzügen läßt er auch seine Stimme vernehmen, welche zwischen einem hellen Bellen und Knurren ungefähr in der Mitte liegt. Seine Gefräßigkeit ist die Ursache, daß man sich seiner ziemlich bemächtigen kann. Er geht ohne Besinnen in jede Falle und nimmt jeden Köder weg, gleichviel ob derselbe ein Stückchen Fleisch von Wirbelthieren oder aber eine Muschel oder ein anderes niederes Thier ist. Schwieriger soll seine Jagd mit Hunden sein; denn er entwickelt, wenn er sich verfolgt sieht, im Kampfe eine unglaubliche Wildheit und vertheidigt sich gegen jede Uebermacht bis zu seinem Ende. Die große Kraft seiner Kiefern, das furchtbare Gebiß und die rasende Wuth und Furchtlosigkeit machen ihn zu einem Feinde, welcher dem Hunde oft siegreich widersteht. Und wirklich gibt es kaum einen Jagdhund, welcher sich mit ihm in einen Kampf einläßt.
In der Gefangenschaft bleibt er sich beständig gleich, d. h. ist nach Jahren ebenso rasend und wüthend wie am ersten Tage, an welchem man ihn eingefangen hat. Ohne die geringste Ursache stürzt er zuweilen gegen die Stangen seines Käfigs und haut mit den Tatzen um sich, als wolle er den sich ihm Nähernden auf der Stelle zerreißen. Seine Zornesausbrüche sind zuweilen geradezu unbegreiflich, weil sie selbst bei der besten Pflege oder gegen die wohlwollendsten und unschuldigsten Thiere erfolgen. Uebelgelaunt und gereizt scheint er überhaupt stets zu sein, und bei der geringsten Veranlassung gibt er seinem Aerger durch Knurren, Niesen, Schnaufen und unterdrücktes Brüllen, welches fast wie ein Stöhnen klingt, Ausdruck, sperrt dabei den
Rachen auf und weist die Zähne. Erst nach vollkommen eingebrochener Nacht ermuntert er sich und entfaltet dann eine Behendigkeit, welche man ihm nicht zugetraut hätte.
Der Beutelwolf (Thylacinus cynocephalus), der einzige jetzt lebende Vertreter einer besondern Sippe, trägt seinen Namen nicht mit Unrecht; denn er scheint in der That ein wilder Hund zu sein. Sein gestreckter Leib, die Gestalt des Kopfes, die stark abgesetzte Schnauze, die aufrechtstehenden Ohren und die Augen sowie der aufrechtgetragene Schwanz erinnern an letztem; nur sind die Glieder verhältnismäßig kurz, und das Gebiß weicht wesentlich von dem der Hunde ab.
Der Beutelwolf ist das größte aller fleischfressenden Beutelthiere. Seine Leibeslänge beträgt über 1 Meter, die Länge des Schwanzes 50 Centim., alte Männchen sollen, wie man behauptet, noch merklich größer werden und im ganzen etwa 1,9 Meter in der Länge messen. Der kurze, locker anliegende Pelz ist graubraun, auf dem Rücken zwölf? bis vierzehnmal quergestreift. Der Gesichtsausdruck des Thieres ist ein ganz anderer als beim Hunde, und namentlich das weiter gespaltene Maul sowie das größere Auge fallen auf.
Der Beutelwolf bewohnt Tasmanien. In den ersten Tagen der europäischen Ansiedlung fand er sich sehr häufig, zum größten Nachtheile und Aerger der Viehzüchter, deren Schafherden und Geflügelbeständen er fleißig Besuche abstattete. In der Folge vertrieb ihn das Feuergewehr mehr und mehr, und gegenwärtig ist er in das Innere zurückgedrängt worden. Felsspalten in dunklen, dem Menschen fast unzugänglichen Schluchten, natürliche oder selbstgegrabene tiefe Höhlen bilden seine Zufluchtsorte während des Tages, und von hier aus unternimmt er seine Raubzüge. Er ist ein nächtliches Thier und scheut das helle Licht im hohen Grade. Die außerordentliche Empfindlichkeit seiner Augen gegen die Tageshelle verräth das unaufhörliche Zucken der Nickhaut: keine Eule kann das Auge sorgsamer vor dem widerwärtigen Glanze des Lichtes zu schützen suchen als er. Wahrscheinlich wegen dieser Empfindlichkeit ist er bei Tage langsam und ungeschickt, bei Nacht dagegen munter, rege und sogar wild und gefährlich. Wenn er auch nicht der wildeste alle Raubbeutler ist, übertrifft er doch seine sämmtlichen Familienverwandten an Stärke und Kühnheit und verdient schon aus diesem Grunde seinen Namen. Er ist wirklich ein Wolf und richtet im Verhältnisse zu seiner Größe ebensoviel Schaden an wie sein nördlicher Namensvetter.
Beutelwolf
Seine Nahrung besteht aus allen kleineren Thieren, welche er erlangen und überwältigen kann, und zwar aus Wirbelthieren ebensowohl wie aus wirbellosen. Aber der Beutelwolf unternimmt auch schwierige Jagden. Auf den grasreichen Ebenen und in den niedrigen, parkähnlichen Waldungen verfolgt er das schnelle Buschkänguru und in den Flüssen und Tümpeln das Schnabelthier, trotz dessen Schwimmund Tauchfertigkeit.
Ueber das Gefangenleben des Beutelwolfes ist wenig zu berichten. Wie seine ganze Verwandtschaft dumm und geistlos, vermag er kaum mehr als flüchtige Theilnahme zu erregen. Frisch gefangene sollen sich im Anfange sehr trotzig und widerspenstig geberden. Bei langer Gefangenschaft legt sich wie die Beweglichkeit so auch das wilde Wesen angesichts eines Menschen; doch befreunden sich Beutelwölfe
niemals wirklich mit ihrem Wärter, lernen denselben nur mangelhaft kennen und kaum von anderen Leuten unterscheiden, verhalten sich ihm gegenüber auch vollkommen gleichgültig und gerathen höchstens angesichts des ihnen dargereichten Fleisches einigermaßen in Aufregung. Im übrigen laufen sie stundenlang in ihrem Käfige umher, ohne um die Außenwelt sich viel zu kümmern, oder liegen ruhend und schlafend ebenso theilnahmlos auf einer und derselben Stelle.
Als den bekanntesten Flugbeutelbilch darf man wohl das Zuckereichhorn(Petaurusbreviceps)betrachten ; dennschonaus dem Namengeht hervor, daß diese Art ein volksthümliches Thier geworden ist. Man kann nicht leugnen, daß der Name, welchen die ersten Einsiedler gaben, passend gewählt ist; denn nicht bloß in der Gestalt, sondern auch in der Größe ähnelt dasThier unserem Eichkätzchen und noch mehr dem Taguan. Der gestreckte und schlanke Leib erscheint durch die Flughaut, welche sich zwischen beiden Beinen ausspannt, ungewöhnlich breit; der Hals ist kurz und ziemlich dick; der flache Kopf endet in eine kurze, etwas spitzige Schnauze; der Schwanz ist sehr lang, rundlich, schlaff und buschig. Die aufrechtstehenden Ohren sind lang, aber stumpfspitzig, die Augen groß und halbkugelförmig vorstehend. Die Beine sind kurz, die Zehen des Vorderfußes getrennt, die des Hinterfußes durch fast vollständige Verwachsung der zweiten und dritten Zehe und einen den übrigen Zehen entgegensetzbaren Daumen ausgezeichnet. Dieser Daumen ist nagellos; alle übrigen Zehen dagegen tragen sichelförmig gekrümmte Krallen. Das Weibchen besitzt einen vollständigen Beutel. Der Pelz ist sehr dicht, außerordentlich fein und weich, die Flatterhaut behaart, und nur die Ohren sind auf der Innenseite nackt, auf der Außenseite dagegen wenigstens gegen die Wurzel hin mit Haaren bedeckt. Das Thierchen erreicht eine Gesamtlänge von 46 Centim., wovon etwas über die Hälfte auf den Schwanz kommt.
Man findet das Zuckereichhorn hauptsächlich in Neusüdwales. Es ist ein echtes Baumthier und, wie die meisten der ihm ähnlich gestalteten Geschöpfe, bei Nacht lebendig. Während des Tages verbirgt es sich in den dichtesten Baumkronen, wo es entweder eine Höhlung oder einen Gabelast aufsucht und, zu einer Kugel zusammengerollt und gleichsam in seine Flatterhaut eingewickelt, dem Schlafe sich hingibt; mit der Nacht beginnt seine Thätigkeit. Nunmehr klettert es mit der Gewandtheit eines Eichhorns auf den Bäumen umher, immer von unten nach oben; denn von oben nach unten zu springt es mit Hülfe seiner Flatterhaut, welche es wie einen Fallschirm ausbreitet. Bei Tage erkennt man das Thier, welches man während der Nacht beobachtet, nicht wieder. Es scheint eher ein lebloses Wesen als der behende Baumbewohner zu sein. Mürrisch und lichtscheu schläft es; nur gelegentlich wacht es auf, um etwas zu fressen; wankend, unsicher bewegt es die Glieder, und ängstlich meidet es die Strahlen des ihm verhaßten allbelebenden Lichtes. Ganz anders zeigt es sich in einer jener klaren, zaubervollen Mondnächte seiner Heimat. Das Auge folgt überrascht seinem Treiben. Alle Bewegungen sind jetzt ebenso lebhaft, behend und gewandt wie die des übermüthigsten Affen, wie die des erregtesten Eichhorns. Nur auf dem Boden erscheint es tölpisch und schwankt hier unsichern Schrittes dahin; aber es betritt die ihm fast feindliche Erde auch nur in der höchsten Noth, bloß dann, wenn die Bäume so weit von einander stehen, daß nicht einmal seine Flughaut die Brücke bilden kann. Es ist im Stande, außerordentlich weite Sprünge auszuführen und dabei die Richtung beliebig zu ändern.
Zuckereichhorn
Schon wenn es aus einer Höhe von zehn Meter abspringen kann, ist es fähig, einen zwanzig bis dreißig Meter von ihm entfernten Baum zu erreichen. Am Bord eines an der Küste Neuhollands segelnden Schiffes befand sich ein Flugbeutler, welcher bereits so gezähmt war, daß man ihm gestatten durfte, frei auf dem Schiffe umher zu laufen. Das muntere Geschöpf, die Freude der ganzen Schiffsmannschaft, war am Bord so vertraut geworden, daß es bald auf den höchsten Mastspitzen, bald unten im Raume gesehen werden konnte. Eines Tages kletterte es bei heftigem Wehen nach seinem Lieblingsplatze, der Mastspitze, empor. Man besorgte, daß es während eines seiner Sprünge vom Sturme erfaßt und in das Meer geworfen werden möchte, und einer der Matrosen entschloß sich, seinen Liebling von oben herunter zu holen. Als er dem Thiere nahe auf den Leib rückte, suchte sich dieses der ihm unangenehmen Gefangennahme zu entziehen und vermittels eines seiner herrlichen Luftsprünge das Deck zu erreichen. In demselben Augenblicke legte sich das Schiff, von einem heftigen Windstoße erfaßt, derart auf die Seite, daß aller Berechnung nach der Flugbeutler in die Wellen geschleudert werden mußte. Man gab ihn bereits verloren, er aber wußte sich zu helfen. Plötzlich änderte er durch eine geschickte Wendung seines vortrefflichen Steuerruders die Richtung seines Fluges und schoß, in großen Bogen sich drehend, weit aus nach vorn, glücklich das sichere Deck erreichend. Ueberhaupt ist der Flugbeutler ein sehr nettes Thier, wenn auch nicht gerade harmlos, so doch leicht zähmbar, dabei in der Nacht überaus lebendig, munter und lustig, nur leider immer etwas furchtsam. Ohne große Mühe gewöhnt es sich an allerlei Kost, wenn ihm auch Früchte, Knospen und Kerbthiere das liebste bleiben, schon weil diese Stoffe seiner natürlichen Nahrung entsprechen. Besonders gern frißt er den Honig der Eucalypten oder Gummibäume, und sicherlich bilden auch die Kerbthiere einen nicht unbedeutenden Theil seines Futters.
Die Geselligkeit ist bei dem Zuckereichhorn sehr ausgeprägt. Man findet in den Wäldern immer mehrere derselben Art vereinigt, obgleich es nicht scheint, als ob eines das andere besonders freundschaftlich und liebevoll behandele.
Ueber seine Fortpflanzung scheint noch nichts bekannt zu sein, wenigstens finde ich in keinem der mir zugänglichen Werke darüber etwas sicheres mitgetheilt.
Eines der merkwürdigsten aller Beutelthiere, ist der Koala (Phascolarctus cinereus). Der schwanzlose Leib ist gedrungen, der Kopf sehr dick, kurtschnauzig, das Ohr groß und buschig behaart; die vorn und hinten fünfzehigen Pfoten bilden wahre Greiffüße.
Koala
Der wissenschaftliche Name, welcher »Beutelbär« bedeutet, ist bezeichnend; denn wirklich hat der Koala in der Gestalt wie in seinem Gange und in der ganzen Haltung entschiedene Aehnlichkeit mit einem jungen Bären. Seine Länge beträgt etwa 60 Centim., die Höhe am Widerriste ungefähr die Hälfte. Der Gesammteindruck ist ein eigenthümlicher, hauptsächlich wegen des dicken Kopfes mit den auffallend rauh behaarten, weil auseinander stehenden Ohren, den lebhaften Augen und der breiten und stumpfen Schnauze. Die Zehen der Vorderfüße sind wie bei dem Chamäleon in zwei Bündel getheilt und die Hinterfüße durch die Verwachsung der zweiten und dritten Zehe sehr merkwürdig. Der Schwanz besteht aus einem warzenartigen Höcker, welcher leicht übersehen werden kann. Die Behaarung ist sehr lang, fast zottig und dicht, dabei aber fein, weich und wollig, das Gesicht längs des Nasenrückens und von der Schnauze bis zu den Augen beinahe nackt, die Behaarung der Außen? und Innenseite der Ohren und die des übrigen Leibes um so dichter, die Färbung der Oberseite rötlichaschgrau.
Neusüdwales und zwar die südwestlich von Port Jackson gelegenen Wälder sind die Heimat des Beutelbären. Paarweise, mit seinem Weibchen, bewegt er sich auf den höchsten Bäumen mit einer Langsamkeit, welche ihm auch den Namen »Australisches Faulthier« eingetragen hat. Was ihm an Schnelligkeit abgeht, ersetzt er reichlich durch die unglaubliche Sorgsamkeit und Sicherheit, mit welcher er klettert, und welche ihn befähigt, selbst die äußersten Aeste zu betreten. Er ist ein halb nächtliches Thier, wenigstens verschläft er die größte Helle und Hitze des Tages tief versteckt in den Kronen der Gummibäume, welche seinen bevorzugten Aufenthalt bilden. Gegen Abend beginnt er seine Mahlzeit. Ruhig und unbehelligt von den übrigen Geschöpfen der Wildnis, weidet er äußerst gemächlich die jungen Blätter und Schößlinge der Aeste ab, indem er sie mit den Vorderpfoten festhält und mit seinen Schneidezähnen abbeißt. In seinem ganzen Wesen und Treiben offenbart er eine mehr als gewöhnliche Stumpfheit. Man nennt ihn ein überaus gutmüthiges und friedliches Thier, welches nicht so leicht in den Harnisch zu bringen ist und schweigsam seinen Geschäften nachgeht. Höchstens dann und wann läßt er seine Stimme vernehmen, ein dumpfes Gebell, welches bloß, wenn er sehr hungerig ist oder hartnäckig gereizt wird, in ein gellendes, schrillendes Geschrei übergeht. Bei großem Zorne kann es wohl auch vorkommen, daß er eine wilddrohende Miene annimmt; dann funkeln auch die lebhaften Augen böswillig dem Störenfriede entgegen. Aber es ist nicht so schlimm gemeint, denn er denkt kaum daran, zu beißen oder zu kratzen.
So viel man weiß, wirft das Weibchen bloß ein Junges. Es schleppt dieses, nachdem es dem Beutel entwachsen, noch lange Zeit mit sich auf dem Rücken oder den Schultern herum und behandelt es mit großer Sorgfalt und Liebe. Das Junge klammert sich fest an den Hals der Mutter an und sieht theilnahmslos in die Welt hinaus, wenn die Alte mit anerkennenswerther Vorsicht in den Kronen der Bäume umherklettert.
Der Breitstirnwombat (Phascolomys latifrons) [Heute: Lasiorhinus latifrons] ist meist etwas größer als der Wombat, reichlich 1 Meter lang, sein Haar weicher als bei dem Verwandten und von licht mausgrauer Färbung. Die großen, vorstehenden Ohren endigen in eine ziemlich scharfe Spitze.
Die Südküste von Neusüdwales ist die Heimat des Wombats. Beide Arten leben in dichten Wäldern, graben sich hier weite Höhlen und sehr tiefe Gänge in den Boden und verbringen in ihnen schlafend den ganzen Tag. Erst nachdem die Nacht vollständig eingetreten ist, humpelt der Wombat ins Freie, um Nahrung zu suchen. Diese besteht zumeist aus einem harten, binsenartigen Grase, welches weite Strecken überzieht, sonst aber in allerlei Kräutern und Wurzeln, welch letztere durch kraftvolles Graben erworben werden.
Der Wombat sieht noch unbehülflicher aus, als er ist. Seine Bewegungen sind langsam, aber stätig und kräftig. Ein so stumpfsinniger und gleichgültiger Gesell, wie er ist, läßt sich nicht leicht aus seiner Ruhe bringen. Er geht seinen Weg gerade und unaufhaltsam fort, ohne vor irgend einem Hindernisse zurückzuschrecken. Es hält wirklich schwer, einen Wombat irgendwie zu erregen, obgleich man ihn unter Umständen erzürnen kann. So viel ist sicher, daß man ihn einen Trotzkopf ohne gleichen nennen muß, falls man es nicht vorziehen will, seine Beharrlichkeit zu rühmen. Eine Höhle, welche er einmal begonnen, gräbt er mit Ruhe eines Weltweisen hundertmal wieder aus, wenn man sie ihm verstopft. Die australischen Ansiedler sagen, daß er höchst friedlich wäre und sich, ohne Unruhe oder Aerger zu verrathen, vom Boden aufnehmen und wegtragen ließe, dagegen ein nicht zu unterschätzender Gegner würde, wenn ihm plötzlich einmal der Gedanke an Abwehr durch seinen Querkopf schösse, weil er dann wüthend und in gefährlicher Weise um sich beiße. Ich kann diese Angabe bestätigen. Gefangene, welche ich pflegte, benahmen sich nicht anders. Namentlich wenn man ihnen die Füße zusammenschnürte oder sie auch nur an den Füßen packte, zeigten sie sich sehr erbost und bissen, wenn ihnen die Sache zu arg wurde, sehr boshaft zu.
Wie die meisten australischen Thiere, hält auch der Wombat bei uns in der Gefangenschaft vortrefflich aus. Bei guter Pflege und geeigneter Nahrung scheint er sich sehr wohl zu befinden, wird dann auch leidlich zahm, d. h. gewöhnt sich insofern an den Menschen, daß man ihm gestatten darf, frei im Hause umherzulaufen. Seine Gleichmüthigkeit läßt ihn die Gefangenschaft vergessen und macht ihn mit seinem Loose bald zufrieden; wenigstens kommt er nie auf den Gedanken, zu entfliehen. Doch darf man deshalb nicht glauben, daß er sich jemals mit seinem Pfleger befreunde. Der Mensch ist ihm ebenso gleichgültig wie die ganze übrige Welt. Wenn er zu fressen hat, kümmert er sich um nichts; jeder Ort ist ihm dann recht und jede Gegend angenehm.
Wombat und Breitstirnwombat
Bei uns zu Lande ernährt man den blöden, geistig theilnamlosen Gesellen mit grünem Futter, Möhren, Rüben, Früchten, Körnern und Getreide ohne Mühe, und wenn man ihm etwas Milch geben will, verschafft man ihm einen besonderen Genuß. In England hat man beide Arten bereits zur Fortpflanzung gebracht und dabei beobachten können, daß das Weibchen drei bis vier Junge wirft und sie, wenigstens so lange sie noch im Beutel sich befinden, mit großer Sorgfalt und Liebe pflegt und erzieht.
Unter den wenigen Sippen, in welche die Familie zerfällt, stellt man die Kängurus im engem Sinne (Macropus) obenan. Der hinterste breite Schneidezahn ist bei ihnen gefurcht, der obere Eckzahn, wenn vorhanden, stets sehr klein. Die Vorderbeine sind regelmäßig schwach.
Das Riesenkänguru (Macropus giganteus) [Heute: Macropus rufa] der »Boomer« der Ansiedler, gehört zu den größten Arten der Familie. Sehr alte Männchen haben in sitzender Stellung fast Manneshöhe; ihre Länge beträgt gegen drei Meter, wovon etwa 90 Centim. auf den Schwanz gerechnet werden müssen, ihr Gewicht schwankt zwischen 100 bis 150 Kilogramm. Das Weibchen ist durchschnittlich um ein Drittheil kleiner als das Männchen. Die Behaarung ist reichlich, dicht, glatt und weich, fast wollig, die Färbung ein schwer zu bestimmendes Braun, gemischt mit Grau.
Cook entdeckte das Känguru 1770 an der Küste von Neusüdwales und gab ihm nach einer Benennung der dortigen Eingeborenen den Namen, welcher später zur Bezeichnung der ganzen Familie gebraucht wurde. Das Thier lebt auf grasbewachsenen Triften oder in spärlich bestandenen Buschwaldungen, wie solche in Australien häufig gefunden werden. In das Gebüsch zieht es sich namentlich im Sommer zurück, um sich vor der heißen Mittagssonne zu schützen. Gegenwärtig ist es durch die fortwährende Verfolgung weit in das Innere gedrängt worden, und auch hier beginnt es seltener zu werden. Es lebt in Trupps, ist jedoch nicht so gesellig, als man anfangs glaubte, getäuscht durch Vereinigung verschiedener Familien. Gewöhnlich sieht man nur ihrer drei oder vier zusammen, und diese in so losem Verbande, daß sich eigentlich keines um das andere kümmert, sondern jedes unabhängig seinen eigenen Weg geht. Früher glaubte man, in den Männchen die Leitthiere eines Trupps annehmen zu dürfen, wahrscheinlich, weil sie ihrer bedeutenden Größe wegen zu solchem Amte geeignet erscheinen mochten; aber auch diese Annahme hat sich als unrichtig herausgestellt. Alle Beobachter stimmen darin überein, daß das Känguru im hohen Grade scheu und furchtsam ist und dem Menschen nur selten erlaubt, ihm in erwünschter Weise sich zu nähern. z3Gould sagt über die flüchtigen Kängurus folgendes: »Ich erinnere mich mit besonderer Vorliebe eines schönen Boomers, welcher sich in der offenen Ebene zwischen den Hunden plötzlich aufrichtete und dann dahin jagte. Zuerst warf er seinen Kopf empor, um nach seinen
Verfolgern zu schielen und gleichzeitig zu sehen, welche Seite des Weges ihm offen war; dann aber jagte er, ohne einen Augenblick zu zögern, vorwärts und gab uns Gelegenheit, das tollste Rennen zu beobachten, welches ein Thier jemals vor unseren Augen ausgeführt hat. Vierzehn (englische) Meilen in einem Zuge rannte der vogelschnelle Läufer, und da er vollen Spielraum hatte, zweifelte ich nicht im geringsten, daß er uns entkommen würde. Zu seinem Unglück aber hatte er seinen Weg nach einer Landzunge gerichtet, welche ungefähr zwei Meilen weit in die See hinauslief. Dort wurde ihm der Weg abgeschnitten und er gezwungen, schwimmend seine Rettung zu suchen. Der Meeresarm, welcher ihn vom festen Lande trennte, mochte ungefähr zwei Meilen breit sein, und eine frische Brise trieb die Wellen hart gegen ihn. Aber es blieb ihm keine andere Wahl, als entweder den Kampf mit den Hunden aufzunehmen, oder seine Rettung in der See zu suchen. Ohne Besinnen stürzte er sich in die Wogen und durchschwamm sie muthig, obgleich die Wellen halb über ihn hinweggingen. Schließlich wurde er genöthigt, umzukehren, und abgemattet und entkräftet, wie er war, erlag er nunmehr seinen Verfolgern in kurzer Frist. Die Entfernung, welche er auf seiner Flucht durchjagt hatte, konnte, wenn man die verschiedenen Krümmungen hinzurechnen wollte, nicht unter achtzehn Meilen betragen haben, und sicherlich durchschwamm er deren zwei.
Gegenwärtig sieht man das Känguru seltener bei uns in der Gefangenschaft als früher, da es in seiner Heimat weit häufiger war. Bei guter Pflege dauert es bei uns lange aus; einzelne lebten zehn bis funfzehn Jahre in Europa.
Riesenkänguru