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Die Zibetkatze oder Civette (Viverra civetta) hat ungefähr die Größe eines mittelgroßen Hundes, aber ein mehr katzenartiges Aussehen und steht in ihrem gesammten Bau zwischen einem Marder und einer Katze mitten inne. Wie die meisten Arten ihrer ganzen Familie, ist sie mehr Nacht- als Tagthier. Den Tag verschläft sie; abends geht sie auf Raub aus, und sucht kleine Säugethiere und Vögel, welche sie bewältigen kann, zu beschleichen oder zu überraschen. Namentlich die Eier der Vögel sollen ihre Leibspeise bilden, und man behauptet, daß sie im Aufsuchen der Nester großes Geschick zeige und dieser Lieblingsnahrung wegen selbst die Bäume besteige. Im Nothfalle frißt sie auch Lurche, ja selbst Früchte und Wurzeln.
In der Gefangenschaft hält man sie in besonderen Ställen oder Käfigen und füttert sie mit Fleisch, besonders aber mit Geflügel. Wenn sie jung eingefangen wird, erträgt sie nicht nur den Verlust ihrer Freiheit weit besser, als wenn sie alt erbeutet wurde, sondern zeigt sich bald auch sehr zahm und zutraulich. Alt eingefangene lassen sich nicht leicht zähmen, sondern bleiben immer wild und bissig. Sie sind sehr reizbar und heben sich im Zorne nach Art der Katzen empor, sträuben ihre Mähne und stoßen einen heißeren Ton aus, welcher einige Aehnlichkeit mit dem Knurren des Hundes hat. »Dabei glühen die Augen, bewegen sich die Ohren, schnüffelt die Nase, werden die Zähne gefletscht, die Haare gesträubt, daß das Thier wie ein Kehrbesen aussieht; es faucht und knurrt und verbreitet einen Zibetgeruch, daß man es in der Nähe kaum aushalten kann, daß im wahren Sinne des Wortes ein ganzes Haus davon erfüllt und verpestet wird.«
Zibetkatze
Der Beutel ist es, welcher ihm die Aufmerksamkeit des Menschen verschafft hat. Früher diente der Zibet als Arzneimittel; gegenwärtig wird er noch als sehr wichtiger Stoff verschiedenen Wohlgerüchen beigesetzt. Um den Zibet zu erhalten, bindet man das Thier mit einem Stricke an den Stäben des Käfigs fest, stülpt mit den Fingern die Aftertasche um und drückt die Absonderung der Drüsen aus den vielen Abführungsgängen heraus, welche in jene Tasche münden. In der Regel nimmt man zweimal in der Woche Zibet ab und gewinnt dabei jedesmal etwa ein Quentchen. Im frischen Zustande ist es ein weißer Schaum, welcher dann braun wird und etwas von seinem Geruche verliert.
Bis jetzt haben sich die Zweckmäßigkeitsprediger vergeblich bemüht, den Nutzen dieser Drüsenabsonderung für das Thier zu erklären. Daß dieses den Zibet nicht in derselben Weise benutzt wie das amerikanische Stinkthier seinen höllischen Gestank, zur Abwehr seiner Feinde nämlich, steht wohl fest. Warum und wozu es ihn sonst gebrauchen könnte, ist aber nicht recht einzusehen.
Unter allen Mangusten eignet sich der Mungos (Herpestes griseus) [Heute: Herpestes edwarsi], welcher seiner ganzen Sippschaft den Namen verliehen hat, am meisten zur Zähmung, weil er ein überaus sauberes, reinliches, munteres und verhältnismäßig gutmüthiges Thier ist. Man findet ihn deshalb in vielen Wohnungen seiner heimatlichen Länder als Hausthier, und er vergilt die ihm gewährte Gastfreundschaft durch seine ausgezeichneten Dienste tausendfach. Wie der Ichneumon, versteht auch er es, das Haus von Ratten und Mäusen zu säubern; aber er tritt ebenso dem abscheulichen Ungeziefer südlicher Länder, Giftschlangen und Skorpionen, mit bewunderungswürdigem Muthe entgegen. Wenn man ihn zuerst in eine fremde Wohnung bringt, läuft er behend umher und hat in der kürzesten Zeit alle Löcher, Spalten und andere Schlupfwinkel untersucht und vermittels seines scharfen Geruchs auch bald ausgefunden, in welcher Höhle sich eines seiner Jagdthiere aufhält. Diesem strebt er nun mit unermüdlichem Eifer nach, und selten misglückt ihm seine Jagd. Bei schlechter Laune zeigt das sonst gemüthliche Thier Jedem, welcher sich ihm nähert, wie ein bissiger Hund die Zähne; doch hält sein Zorn nicht lange an. Berühmt und geehrt ist der Mungo vor allem wegen seiner Kämpfe mit Giftschlangen. Er wird trotz seiner geringen Größe sogar der Brillenschlange Meister. Seine Behendigkeit ist es, welche ihm zum Siege verhilft. Die Eingeborenen behaupten, daß er, wenn er von der Giftschlange gebissen sei, eine sehr bittere Wurzel, Namens Mungo, ausgrabe, diese verzehre, durch den Genuß solcher Arznei augenblicklich wieder hergestellt werde und den Kampf mit der Schlange nach wenigen Minuten fortsetzen könne.
Mungos
Eher noch als jene Heilpfuscherei des Thieres läßt sich annehmen, daß der Mungos und andere Ichneumonen, wenn nicht geradezu unempfindlich gegen, so doch minder empfänglich für die Wirkungen des Schlangengiftes sind. Der Naturforscher, welchem alles wunderbare von vorn herein verdächtig scheint, sträubt sich freilich gegen solche Annahme, kann indessen nicht ohne weiteres in Abrede stellen, daß sie als möglich gedacht werden darf.
Wie billig, wenden wir unsere Aufmerksamkeit zunächst dem Ichneumon zu, der »Ratte der Pharaonen«, dem heiligen Thiere der alten Egypter (Herpestes ichneumon), eingedenk seines aus den ältesten Zeiten auf die unserigen herübergetragenen Ruhmes und der Achtung, welche er früher genoß. Schon Herodot sagt, daß man die Ichneumonen in jeder Stadt an heiligen Orten einbalsamire und begrabe. Strabo berichtet, daß jenes vortreffliche Thier niemals große Schlangen angreife, ohne einige seiner Gefährten zu Hülfe zu rufen, dann aber auch die giftigsten Würmer leicht bewältige. Aber die Sage ist hiermit noch nicht zufrieden, sondern theilt dem muthigen Kämpfer für das öffentliche Wohl noch ganz andere Dinge zu, wie Plinius mittheilt. Das Krokodil nämlich legt sich, wenn es sich satt gefressen hat, gemüthlich auf eine Sandbank und sperrt dabei den zähnestarrenden Rachen weit auf, Jeglichem Verderben drohend, der es wagen wollte, sich ihm zu nähern. Nur einem kleinen Vogel ist dies gestattet – und zwar, wie ich selbst beobachtet habe, in der That und Wahrheit! –er ist so frech, zwischen den Zähnen heraus sich die Speise abzupicken, welche dort hängen geblieben ist. Außer ihm fürchtet aber jedes andere Thier die Nähe des Ungeheuers, nur der Ichneumon nicht. Er naht sich leise, springt mit kühnem Satze in den Rachen, beißt und wühlt sich die Kehle hindurch, zerfleischt dem schlafenden Krokodil das Herz, tödtet es auf diese Weise und öffnet sich nun, blutbedeckt, vermittels seiner scharfen Zähne einen Ausweg aus dem Leibe des Ungethüms. Daß auch die Egypter solche Sagen geglaubt haben, daß sie von ihnen aus erst jenen Schriftstellern berichtet wurden, ist unzweifelhaft. Allerdings ist es erst der Neuzeit vorbehalten gewesen, genaues über die Sitten und Lebensweise des Ichneumon zu erforschen; aber schon seit einigen Jahrhunderten haben mehrere Reisebeschreiber ihren Zweifel über den überwiegenden Nutzen des Ichneumon ausgesprochen, und die Sagen könnten somit als erledigt gelten.
Ichneumon
Den Namen Ichneumon, welcher soviel als »Aufspürer« bedeutet, verdient unser Thier in jeder Hinsicht. In seinen Sitten und im geistigen Wesen ähnelt der Aufspürer den gestaltverwandten Mardern, deren unangenehmen Geruch und deren Listigkeit, Diebesgewandtheit und Mordlust er besitzt. Er ist im höchsten Grade furchtsam, vorsichtig und mißtrauisch. Niemals wagt er sich aufs freie Feld, sondern schleicht immer möglichst gedeckt und mit der größten Vorsicht dahin. Einen Ort, den er nicht kennt, besucht er nicht, ohne die größte Besorgnis zu zeigen; gleichwohl streift er ziemlich weit umher.
Er frißt alles, was er erlisten kann, die Säugethiere vom Hasen bis zur Maus herab, die Vögel vom Huhn oder der Gans bis zum Riedsänger (Drymoica). Außerdem verzehrt er Schlangen, Eidechsen, Kerbthiere, Würmer u. a. und wahrscheinlich auch Früchte. Seine Diebereien haben ihm den größten Haß und die vollste Verachtung der egyptischen Bauern zugezogen, weil er deren Hühner- und Taubenställe in der unbarmherzigsten Weise plündert und den Hühnernestern, welche dort von den Hühnern ganz nach freier Vögel Art angelegt werden, sehr gefährlich wird.
Die Tüpfel- oder gefleckte Hiäne, Tigerwolf der Kapländer (Hyaena crocuta) [Heute: Crocuta crocuta] unterscheidet sich durch ihren kräftigen Körperbau und den gefleckten Pelz von der viel häufiger als sie zu uns kommenden Streifenhiäne und dem einfarbigen Strandwolfe.
Ihre ganze Lebensweise ähnelt der ihrer Verwandten; sie wird aber ihrer Größe und Stärke halber weit mehr gefürchtet als diese und wohl deshalb auch hauptsächlich als unheilvolles, verzaubertes Wesen betrachtet. Die Araber nennen sie Marafil. Viele Beobachter versichern einstimmig, daß sie wirklich Menschen angreife, namentlich über Schlafende und Ermattete herfalle. Dasselbe behaupten, wie wir von Rüppell erfahren, die Abessinier. »Die gefleckten Hiänen«, sagt genannter Forscher, »sind von Natur sehr feige, haben aber, wenn sie der Hunger quält, eine unglaubliche Kühnheit. Sie besuchen dann selbst zur Tageszeit die Häuser und schleppen kleine Kinder fort, wogegen sie jedoch nie einen erwachsenen Menschen angreifen.«
Ich habe die Tüpfelhiäne in den von mir durchreisten Gegenden überall nur als feiges Thier kennen gelernt, welches dem Menschen scheu aus dem Wege geht. Den Kopf trägt sie niedrig mit gebogenem Nacken; der Blick ist boshaft und scheu.
Tüpfelhiäne
Die gefleckte Hiäne ist diejenige Art, mit welcher sich die Sage am meisten beschäftigt. Viele Sudänesen behaupten, daß die Zauberer bloß deshalb ihre Gestalt annehmen, um ihre nächtlichen Wanderungen zum Verderben aller Gläubigen auszuführen. Die häßliche Gestalt und die schauderhaft lachende Stimme der gefleckten Hiäne wird die Ursache dieser Meinung gewesen sein. Auch wir müssen dieser Hiäne den Preis der Häßlichkeit zugestehen. Unter sämmtlichen Raubthieren ist sie unzweifelhaft die mißgestaltetste, garstigste Erscheinung; zu dieser aber kommen nun noch die geistigen Eigenschaften, um das Thier verhaßt zu machen. Sie ist dümmer, böswilliger und roher als ihre gestreifte Verwandte, obwohl sie sich vermittels der Peitsche bald bis zu einem gewissen Grade zähmen läßt. Wie es scheint, erreicht sie jedoch niemals die Zahmheit der gestreiften Art.
Stundenlang liegt sie auf einer und derselben Stelle wie ein Klotz; dann springt sie empor, schaut unglaublich dumm in die Welt hinaus, reibt sich an dem Gitterwerke und stößt von Zeit zu Zeit ihr abscheuliches Gelächter aus, welches, wie man zu sagen pflegt, durch Mark und Bein dringt. Mir hat es immer scheinen wollen, als wenn dieses eigenthümliche und im höchsten Grade widerwärtige Geschrei eine gewisse Wollust des Thieres ausdrücken sollte; wenigstens benahm sich die lachende Hiäne dann auch in anderer Weise so, daß man dies annehmen konnte.
Ungeachtet solcher Unzüchtigkeiten kommt es selten vor, daß sich ein Hiänenpaar im Käfige fortpflanzt. Hierbei muß freilich in Betracht gezogen werden, daß es ungemein schwer hält, ohne handliche Untersuchung Männchen und Weibchen zu unterscheiden, solche Untersuchung aber wegen der Störrigkeit, Bosheit und Wehrhaftigkeit des Thieres nicht immer ohne Gefahr ausgeführt und somit nicht bestimmt werden kann, ob man ein Paar oder Zwei eines und desselben Geschlechtes zusammensperrt. Wo ersteres geschehen, hat man auch Junge erzielt, so im Londoner Thiergarten.
Unter den altweltlichen Katzen geht uns die Wild- oder Waldkatze, der Waldkater, Kuder, Baumreiter (Felis catus) am nächsten an, weil sie die einzige Art ihrer Familie ist, welche selbst in unserem Vaterlande noch nicht ausgerottet wurde. Eine erwachsene Wildkatze erreicht ungefähr die Größe des Fuchses und ist also um ein Drittheil größer als die Hauskatze. Von dieser unterscheidet sie sich auf den ersten Blick durch die stärkere Behaarung, den reichlicheren Schnurrbart, den wilderen Blick und das stärkere und schärfere Gebiß. Als besonderes Kennzeichen gilt die schwarzgeringelte Ruthe und der gelblichweiße Fleck an der Kehle.
Dichte, große, ausgedehnte Wälder, namentlich dunkle Nadelwälder, bilden ihren Aufenthalt; je einsamer ihr Gebiet ist, um so ständiger haust sie in ihm. Felsreiche Waldgegenden zieht sie allen übrigen vor, weil die Felsen ihr die sichersten Schlupfwinkel gewähren. Außerdem bezieht sie Dachs- und Fuchsbauten oder große Höhlungen in starken Bäumen, und in Ermangelung von derartigen Schlupfwinkeln schlägt sie ihr Lager in Dickichten und auf trockenen Kaupen in Sümpfen und Brüchen auf.
Wildkatze
Mit Eintritt der Dämmerung tritt die Wildkatze ihre Jagdzüge an. Ausgerüstet mit trefflichen Sinnen, vorsichtig und listig, unhörbar sich anschleichend und geduldig lauernd, wird sie kleinerem und mittelgroßem Gethier sehr gefährlich. »Im scharfen Aeugen selbst bei Nacht, zu welcher Zeit ihre Seher wie brennende Kohlen funkeln«, sagt Dietrich aus dem Winckell, »in ebenso scharfen Wittern (-) und im höchst leisen Vernehmen wird sie von keinem Thiere übertroffen«, im unbemerklichen Anschleichen, beharrlichen Auflauern und sicheren Springen, füge ich hinzu, gewiß auch nicht. »Wer kennt nicht«, so drückt sich entrüstet Winckell aus, »das spitzbübische Schleichen der zahmen Katze, wenn es ihr darauf ankommt, ein armes Vögelchen zu erhaschen? Genau ebenso benimmt sich auch die Wildkatze«, wenn sie auf Beute ausgeht.
Im Verhältnisse zu ihrer Größe ist die Wildkatze überhaupt ein gefährliches Raubthier, zumal sie den Blutdurst der meisten ihrer Gattungsverwandten theilen und mehr Thiere, als sie verzehren kann, tödten soll. Aus diesem Grunde wird sie von den Jägern grimmig gehaßt und unerbittlich verfolgt; denn kein Weidmann rechnet den Nutzen, welchen sie durch Vertilgung von Mäusen bringt, ihr zu Gute. Wie viele von diesen schädlichen Thieren sie vernichten mag, geht aus einer Angabe Tschudi's hervor, welcher berichtet, daß man in dem Magen einer Wildkatze die Ueberreste von 26 Mäusen gefunden hat. Die Losung, welche Zelebor vor den von Wildkatzen bewohnten Bauen sammelte und untersuchte, enthielt größtentheils Knochenüberreste und Haare von Marder, Iltis, Hermelin und Wiesel, Hamster, Ratte, Wasser-, Feld- und Waldmäusen, Spitzmäusen und einige unbedeutende Reste von Eichhörnchen und Waldvögeln. Kleine Säugethiere also bilden den Haupttheil der Beute unseres Raubthieres, und da unter diesen die Mäuse häufiger sind als alle übrigen, erscheint es sehr fraglich, ob der Schaden, welchen die Wildkatze verursacht, wirklich größer ist als der Nutzen, welchen sie bringt.
Die Zeit der Paarung der Wildkatze fällt in den Februar, der Wurf in den April; die Tragzeit währt neun Wochen.
Die Jagd der Wildkatze wird überall mit einer gewissen Leidenschaft betrieben; handelt es sich doch darum, ein dem Weidmann ungemein verhaßtes und dem Wilde schädliches Raubthier zu erbeuten. Bei uns zu Lande erlegt man sie gewöhnlich auf Treibjagden. Im Winter, nach einer Reue, wird sie abgespürt, bis zum Baue oder einem Baume verfolgt, mit Hülfe des Hundes ausgetrieben oder festgemacht und dann erlegt; außerdem kann man ihrer habhaft werden, indem man sie durch Nachahmen des Geschreies einer Maus oder des Piepens eines Vogels reizt. Der Fang ist wenig ergiebig, obgleich die Wildkatze durch eine Witterung aus Mäuseholzschale, Fenchel- und Katzenkraut, Violenwurzel, welche in Fett oder Butter abgedämpft werden, sich ebenfalls bethören und ans Eisen bringen lassen soll. Verwundete Wildkatzen können, wenn man sie in die Enge treibt, sehr gefährlich werden. »Nimm dich wohl in Acht, Schütze«, so schildert Tschudi, »und faß die Bestie genau aufs Korn! Ist sie bloß angeschossen, so fährt sie schnaubend und schäumend auf, mit hochgekrümmtem Rücken und gehobenem Schwanze naht sie zischend dem Jäger, setzt sich wüthend zur Wehr und springt auf den Menschen los; ihre spitzen Krallen haut sie fest in das Fleisch, besonders in die Brust, daß man sie fast nicht losreißen kann, und solche Wunden heilen sehr schwer. Die Hunde fürchtet sie so wenig, daß sie, ehe sie den Jäger gewahrt, oft freiwillig vom Baume herunter kommt; es setzt dann fürchterliche Kämpfe ab. Die wüthende Katze haut mit ihrer Kralle oft Risse, zielt gern nach den Augen des Hundes und vertheidigt sich mit der hartnäckigsten Wuth, solange noch ein Funke ihres höchst zähen Lebens in ihr ist. So kämpfte im Jura ein wilder Kater, auf dem Rücken liegend, siegreich gegen drei Hunde, von denen er zweien die Tatzen tief in die Schnauzen gehauen hatte, während er den dritten mit den Zähnen festgepackt hielt – eine Vertheidigung, zu der er den äußersten Muth und die größte Gewandtheit bedurfte, und welche gleichzeitig eine hohe Klugheit verräth, da er nur so der Hundebisse sich erwehren konnte. Ein starker Schuß des herbeieilenden Jägers, der die Bestie durch und durch bohrte, errettete die schwer verwundeten Thiere, welche sonst sämmtlich erlegen wären.«
Von der eigentlichen Wildkatze sind die bloß verwilderten Hauskatzen wohl zu unterscheiden. Solche trifft man nicht selten in unseren Waldungen an; sie erreichen aber niemals die Größe der eigentlichen wilden, obwohl sie unsere Hauskatzen um vieles übertreffen. In der Zeichnung und an Bosheit und Wildheit ähnelt sie durchaus der Wildkatze.
Unter den übrigen Mitgliedern der Sippe, welche sich durch starken Bart und kurzen, stummelhaften Schwanz auszeichnen, steht der Luchs oder Thierwolf (Lynx vulgaris) [Heute: Lynx lynx] an Schönheit, Stärke und Kraft oben an. Erst durch das Museum von Christiania bin ich über die Größe belehrt worden, welche ein Luchs wirklich erreichen kann; denn in unseren deutschen Sammlungen findet man gewöhnlich nur mittelgroße Thiere. Ein vollkommen ausgewachsener Luchs ist mindestens ebenso stark, nur etwas kürzer und hochbeiniger als die Leoparden, welche wir in unseren Thierschaubuden zu sehen bekommen. Die Länge seines Leibes beträgt reichlich 1 Meter und kann wohl auch bis zu 1,3 Meter steigen, der Schwanz ist 15 bis 20 Centim. lang, die Höhe am Widerriste beträgt bis 75 Centim. An Gewicht kann der Luchskater bis 30, ja, wie man mir in Norwegen sagte, sogar bis 45 Kilogr. erreichen. Das Thier hat einen außerordentlich kräftigen, gedrungenen Leibesbau, stämmige Glieder und mächtige, an die des Tiger oder Leoparden erinnernde Pranken, verräth daher auf den ersten Blick seine große Kraft und Stärke. Die Ohren sind ziemlich lang und zugespitzt und enden in einen pinselförmigen Büschel von vier Centimeter langen, schwarzen, dichtgestellten und aufgerichteten Haaren. Der Schwanz, welcher überall gleichmäßig und gleich dicht behaart ist, hat eine breite, schwarze Spitze, welche fast die Hälfte der ganzen Länge einnimmt; die andere Hälfte ist undeutlich geringelt, mit verwischten Binden, welche unten aber nicht durchgehen. Im Sommer ist der Balg kurzhaarig und mehr röthlich, im Winter langhaarig und mehr grauweißlich gefärbt; allein die ganze Färbung verändert sich in der mannigfaltigsten Weise, und auch die Flecken wechseln bei verschiedenen Thieren erheblich ab.
Luchs
Noch im Mittelalter bewohnte er ständig alle größeren Waldungen Deutschlands und ward allgemein gehaßt, auch nachdrücklichst verfolgt. Ende des fünfzehnten Jahrhunderts galt er, laut Schmitt, in Pommern als das schlimmste Raubthier. »Den Luchs«, so heißt es in Petersdorps Verordnung, »wiel he de aergste ist, moth man flitig by Wintertieden nahstellen, ein mit Ketten fangen, scheten.« Von dieser Zeit an hat er in Deutschland stetig abgenommen und kann gegenwärtig hier als ausgerottet gelten. In Bayern, dem an sein Wohngebiet, die Alpen, angrenzenden Lande Süddeutschlands, war er noch zu Ende des vorigen und zu Anfang unseres Jahrhunderts eine zünftigen Jägern wohlbekannte Erscheinung. Laut Kobell, dem wir so viele anziehende Jagdbilder verdanken, wurden in den Jahren 1820 bis 1821 allein im Ettaler Gebirge siebenzehn Luchse erlegt und gefangen; im Jahre 1826 fing man im Riß ihrer fünf, bis 1831 noch ihrer sechs. In Westfalen endete der letzte Luchs erweislich im Jahre 1745 sein Leben; auf dem Harze erlegte man die letzten beiden in den Jahren 1817 und 1818, in Deutschland, mit Ausnahme der an Rußland grenzenden Theile überhaupt, im Jahre 1846. Anders verhält es sich in den deutsch-österreichischen Ländern und in den an Rußland grenzenden Theilen Preußens. Hier wird fast alljährlich noch ein oder der andere Luchs gespürt; dort hat man noch in der Neuzeit so viele erlegt, daß von einer Ausrottung desselben noch nicht gesprochen werden darf.
Bedingung für ständigen Aufenthalt dieses Raubthieres sind weite geschlossene, an Dickungen oder überhaupt schwer zugänglichen Theilen reiche, mit Wild der verschiedensten Art bevölkerte Waldungen. In dünn bestandenen Wäldern zeigt sich der Luchs, laut Nolcken, dem wir die beste Lebensschilderung des Thieres verdanken, nur ausnahmsweise, namentlich im Winter, wenn es sich für ihn darum handelt, einen solchen Wald nach Hasen abzusuchen, oder aber, wenn ihn ein allgemeiner Nothstand, ein Waldbrand z. B., zum Auswandern zwingt. Unter solchen Umständen kann es vorkommen, daß er, wie es im Jahre 1868 im Petersburger Gouvernement geschah, bis in die Obstgärten der Dörfer sich flüchtet. Im Gegensatze zum Wolfe, welcher fast jahraus, jahrein ein unstätes Leben führt, hält sich der Luchs oft längere Zeit in einem und demselben Gebiete auf, durchstreift dasselbe aber nach allen Richtungen, wandert in einer Nacht meilenweit, nicht selten ohne alle Scheu befahrene Wege annehmend, bis in die Nähe der Dörfer sich wagend und selbst einsam liegende Gehöfte besuchend, kehrt auch nach mehreren Tagen wieder in eine und dieselbe Gegend zurück, um sie von neuem abzuspüren.
An Begabung leiblicher und geistiger Art scheint der Luchs hinter keiner einzigen anderen Katze zurückzustehen. Der trotz der hohen Läufe ungemein kräftige Leib und die ausgezeichneten Sinne kennzeichnen ihn als einen in jeder Hinsicht trefflich ausgerüsteten Räuber. Er geht sehr ausdauernd, so lange es die Noth nicht fordert, nur im Schritt oder im Katzentrabe, niemals satzweise, springt, wenn es sein muß, ganz ausgezeichnet in wahrhaft erstaunlichen Sätzen dahin, klettert ziemlich gut und scheint auch mit Leichtigkeit Gewässer durchschwimmen zu können. Unter seinen Sinnen steht unzweifelhaft das Gehör obenan, und der Pinsel an seinen Ohren darf demnach als eine wohlberechtigte Zierde gelten. Kaum weniger vorzüglich mag das Gesicht sein, wenn auch die neuzeitlichen Beobachter keine unmittelbaren Belege für die Entstehung der alten Sage gegeben haben. Der Geruchsinn aber ist, wie bei allen Katzen, entschieden schwach; der Luchs vermag wenigstens nicht auf größere Entfernungen hin zu wittern und sicherlich nicht durch seinen Geruch irgend ein Wild auszukundschaften. Daß er Geschmack besitzt, beweist er durch seine Leckerhaftigkeit zur Genüge, und was Tastsinn und Empfindungsvermögen anlangt, so bekunden Gefangene deutlich genug, daß sie hierin den Verwandten nicht nachstehen. Die geistigen Eigenschaften unseres Raubthieres sind niemals unterschätzt worden: »Ist sunst ein röubig thier gleich dem Wolff, doch vil listiger«, sagt der alte Geßner und scheint vollständig Recht zu haben, da auch alle neueren Beobachter, welche mit dem Luchse verkehrten, ihn als ein außerordentlich vorsichtiges, überlegendes und listiges Thier schildern, welches niemals seine Geistesgegenwart verliert und in jeder Lage noch bestmöglichst seinen Vortheil wahrzunehmen sucht und wahrzunehmen weiß.
Frühere Beobachter vergleichen die Stimme des Luchses mit dem Geheule eines Hundes, bezeichnen sie damit aber sehr unrichtig. Ich habe nur Gefangene schreien hören und muß sagen, daß die Stimme sehr schwer beschrieben werden kann. Sie ist laut, kreischend, hochtönig, der verliebter Katzen entfernt ähnlich.
Der Luchs ist, laut Nolcken, ein durchaus nächtliches Raubthier, versteckt sich mit Tagesanbruch und liegt, wenn er nicht gestört wird, bis zur Dunkelheit, wodurch er vom Wolfe, welcher meist schon gegen Mittag wieder zu wandern beginnt, wesentlich sich unterscheidet. Zu seinem Lagerplatze wählt er eine Felsenkluft oder ein Dickicht, unter Umständen vielleicht auch eine größere Höhlung, selbst einen Fuchs- oder Dachsbau. Am tiefsten scheint er in den Früh- und Mittagsstunden zu schlafen; nachmittags reckt er sich gern, wenn ihm dies möglich ist, im Strahle der Sonne, legt sich dabei auch, falls er es haben kann, stundenlang auf den Rücken wie ein fauler Hund. Bei eintretender Dämmerung wird er munter und lebendig.
Nach den gegebenen Mittheilungen kann man sich von der Jagd des Luchses ein ziemlich richtiges Bild machen. Möglichst gut sich deckend, jeden hierzu dienenden Gegenstand benutzend und alles Geräusch vermeidend, schleicht er, unter Umständen tief gebückt, an sein Wild heran, springt mit einem oder mit mehreren gewaltigen Sätzen auf dasselbe zu, faßt glücklichenfalls die Beute, sich einbeißend, im Genicke, schlägt seine Krallen tief ein, hält sich so fest und beißt nun mit seinen scharfen Zähnen die Schlagadern des Halses durch. Bis das Thier verendet, bleibt er auf ihm sitzen; ja man kennt ein Beispiel, daß ein solcher furchtbarer Reiter wider seinen Willen mit seinem Reitthiere und Schlachtopfer weiter getragen worden ist, als ihm lieb war. Eine norwegische Zeitung berichtete, daß eines Tages eine Herde Ziegen mitten am Tage aus dem benachbarten Walde in höchster Eile nach dem Gute zugelaufen kamen. Ein Thier der Herde trug auf seinem Rücken einen jungen Luchs, welcher seine Klauen so tief und fest in den Hals der Ziege eingeschlagen hatte, daß er nicht wieder loskommen konnte. Die Ziege rannte in der Angst hin und her, bis es den inzwischen hinzugekommenen Söhnen des Gutsbesitzers gelang, das Raubthier zu erschießen, ohne die Ziege zu verletzen.
Als Beutestück scheint dem Luchse jedes Thier zu gelten, welches er irgendwie bewältigen zu können glaubt. Vom kleinsten Säugethiere oder Vogel an bis zum Reh und Elch oder Auerhahn und Trappen hinauf ist schwerlich ein lebendes Wesen vor ihm gesichert.
In dem an Hochwild armen, an Niederwild reichen Norden verursacht der Luchs verhältnismäßig wenig Schaden; in gemäßigten Landstrichen dagegen macht er sich dem Jäger wie dem Hirten gleich verhaßt, weil er nicht allein weit mehr erwürgt, als er zur Nahrung braucht, sondern auch von einer Beute nur das Blut aufleckt und die leckersten Bissen frißt, das übrige aber liegen läßt, Wölfen oder Füchsen zur Beute. Der beste Rehstand wird von einem Luchse, welcher dem rächenden Blei des Jägers geraume Zeit sich zu entziehen weiß, vernichtet, die zahlreichste Schaf- oder Ziegenherde mehr als gezehntelt.
Ueber die Fortpflanzung unseres Raubthieres fehlt noch genügende Kunde. Im Januar und Februar sollen die Geschlechter sich zusammenfinden, mehrere Luchskater oft unter lautem Geschrei um die Luchskatze kämpfen und diese zehn Wochen nach der Paarung in einer tief verborgenen Höhle, einem erweiterten Dachs- oder Fuchsbau unter einem überhängenden Felsen, einer passenden Baumwurzel und an ähnlichen versteckten Orten zwei, höchstens drei Junge bringen, welche eine Zeitlang blind liegen, später mit Mäusen und kleinen Vögeln ernährt, sodann von der Alten im Fange unterrichtet und für ihr späteres Räuberleben gebührend vorbereitet werden.
Gefangene Thiere dieser Art zählen unbedingt zu den anziehendsten aller Katzen. Gelangen sie in den Besitz eines Pflegers, ohne in ihrer Jugend eine sorgfältige Erziehung genossen zu haben, so zeigen sie sich zwar nicht immer von ihrer liebenswürdigsten Seite, verfehlen aber nie, die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. »Sie erscheinen«, so habe ich mich in meinen »Thieren des Waldes« ausgedrückt, »im Vergleiche zu ihren Familiengenossen mürrisch, eigensinnig und faul, liegen, einem in Erz gegossenen Bilde vergleichbar, fast bewegungslos halbe Tage lang auf demselben Aste und beweisen nur durch Zusammenrümpfen der Lippen, durch Bewegen der Lauscher und Lichter und endlich durch Wedeln und Stelzen der Lunte, daß der Geist an der Ruhe des Leibes nicht Theil nimmt, sondern ohne Unterlaß beschäftigt ist.«
Nicht allein des großen Schadens halber, welchen der Luchs in wohlgepflegten Wildgehegen oder auf herdenreichen Alpen anrichtet, sondern auch um des Vergnügens willen, welches solches Weidwerk jedem zünftigen Jäger bereitet, wird der Luchs aller Orten, wo er vorkommt, eifrigst gejagt. Man erbeutet das Raubthier auf viererlei Weise: durch gestellte, gut geköderte Eisen, vermittels der Reize, auf Treibjagden und mit Hülfe der Koppelhunde. Mit dem Stellen von Eisen ist es ein misliches Ding; denn der Luchs streift, so sicher er auch einen passenden Wechsel einhält, im ganzen doch zu weit umher, als daß man auf sicheren Erfolg rechnen könnte. Gefangen verfällt er in beispiellose Wuth, ja in förmliche Raserei. »Diejenigen«, sagt Kobell, »welche lebende Luchse im Schlageisen getroffen haben, sind oft Zeugen ihrer Wildheit gewesen, besonders wenn das Eisen nur eine Vorderpranke gefaßt hatte. Kam der Jäger dazu, so zog der Luchs, rückwärts kriechend, das Eisen, welches immer mittels einer Kette an einem starken Baume oder einer Latschenwurzel befestigt ist, mit sich, soweit er konnte und richtete, furchtbar grinsend, seine wüthenden Blicke auf den Herannahenden. Glaubte er, den Feind erhaschen zu können, so versuchte er es, wenn er dessen noch fähig, mit einem so gewaltigen Satze, daß es gräulich zu schauen war. Meist hatte er sich die Krallen an einer freien Pranke von der gewaltigen Anstrengung, sich zu befreien, ausgerissen und die Fänge gebrochen.«
Der Balg des Luchses gehört zu dem schönsten und theuersten Pelzwerke, obwohl die Haare spröde sind und nach längerem Gebrauche springen. Ein Balg kostet 45 bis 60 Mark, und die schönsten, nämlich die, welche aus Sibirien kommen, werden selbst an Ort und Stelle mit 6 bis 16 Rubeln bezahlt, weil die reichen Jakuten sehr gern damit ihr Kleid verzieren. Dabei sind die Häute der Vorderläufe noch nicht ein mal mitgerechnet; denn diese werden abgenommen und mit 4'/2 bis 3' /2 Rubel das Paar bezahlt. Ein Fell des Luchses wird dort drei Zobel fellen (ohne Schnauze) oder sechs Wolfs-, zwölf Fuchs- und hundert Eichhornfellen im Werthe gleichgestellt.