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Ihre Überraschung wuchs, als er sie am nächsten Tage im Berliner Hotel aufsuchte, wo sie und Marie noch einen Tag sich aufhalten wollten, ehe man in die ländliche Stille zurückkehrte. »Ich fand eine Depesche vor, die mich in Hypothekensachen hierher berief, und nahm den nächsten Nachtzug. Da wollt' ich den Damen doch meine Aufwartung machen und Sie zu einem Spaziergang im Tiergarten abholen. Dort kenn' ich alle Schlupfwinkel seit der Kinderzeit, alle Ruhebänke am stillen Wasser, alle Promenadenwege.« Das Wetter war weich und warm, die Luft wie ein laues Bad. Blumenbeete schimmerten rotweißblau. »Die Trikolore!« lachte Marie. »Das ist nicht Ihre Lieblingsfarbe.«

»Noch weniger Schwarzrotgold. Am liebsten ist mir hier der Lenz, wenn der Holunder schon lange Blätter hat wie Viergroschenstücke und andere vorwitzige Sträucher schon naseweis niedliche Blättchen vorstrecken wie gute Groschen. Hagebutten und Stachelbeeren sind dann noch sehr hell im Grün, die Weiden aber haben schon Palmen!«

»Wie Sie die Natur beobachten!« lobte Marie freundlich. »Man ahnt gar nicht, was für eine poetische Seele Sie eigentlich sind.«

»Ich habe nur offene Augen für Gottes Schöpfung«, sagte er bescheiden. »O, im Herbst ist's hier auch wunderbar. Das Sausen der Bäume tut so wohl. Die Blätter tragen die Morgenröte der Herbstfarbe, ein leichter, fahler Schein liegt über dem Grün. Dort der große Ahorn auf der Brücke ist dann schon dunkelrot.« Er wies auf einen Baum am Schwanenteich, wo er sie zu einer Bank geleitete. »Ich werde mir erlauben, Ihnen ein Blatt davon als Souvenir zu schicken.«

»Ach die niedlichen jungen Schwäne, die auf dem Inselchen vorgucken!« Johanna klatschte in die Hände.

»Was heut im Ei sitzt, wird bald flott herumschwimmen zwischen den garstigen Enten, die sich im Schlamm beschmutzen. Schwäne und Enten gibt's auch unter den Menschen, besonders den Frauen.« Er verbeugte sich galant.

»Hoffentlich sind wir keine Enten«, lachte Marie. »Aber die Schwäne tun nur so majestätisch. Eigentlich sind sie dick und grau und haben böse, schwarze Äuglein. Wie blasiert sie sich im Schilf putzen! Die Alten sind noch fauler als ihre Jungen, sie drehen den Hals auf den Rücken und blinzeln schläfrig.«

»Es folgte Edith Schwanenhals der Leiche ihrer Liebe«, zitierte Otto ernsthaft. »Ich schwärme für Schwanenjungfrauen. Wollen wir sie nicht füttern? Ich habe eine Semmel dazu eingesteckt, wenn die Damen befehlen.« Die Damen freuten sich über diese Aufmerksamkeit und besichtigten auch den Goldfischteich, der aber in der Sommerhitze fast ausgetrocknet schien und über den Kastanien und Faulbäume weiße, rotpunktierte Dolden und Laub streuten.

»Das sind weichliche Wesen, die Linden auch, im Herbst raschelt hier alles von gelbem Laub, und die Kastanienkuppeln prangen in wechselndem Farbenspiel. Das zieht an und stimmt doch trübe. Ganz anders unsere starken Eichen – wir haben uralte hier –, die stehen noch im Winter starr und trotzig wie ein greiser Germanenrecke, der keinen Strohtod sterben will.«

Johanna sah zu diesem Recken auf und lächelte schelmisch: »Wenn Sie mal weiße Haare haben, werden Sie nicht mehr so fest auf den Füßen stehen, weil Sie das Zipperlein plagt. Sie pokulieren zu viel, hab' ich gehört.«

Otto biß sich auf die Lippen. »Der Stich saß, meine verehrte und holde Freundin. Ich kenne mein Laster. Und was mich am meisten ärgert, ist meine Vorliebe für den welschen Champagner. Ein echter deutscher Mann sollt' nur den Rheinwein leiden ... allenfalls den Mosel, den Seine Hoheit der Prinz von Preußen bevorzugt, ein hoher Herr, den ich als deutsches Vorbild ehre. Ach,« brach er ab, »wie mich der Morgennebel, der über den Bäumen hängt, wenn ich hier im Herbst die Stätten der Kindheit durchwandere, an Kniephof erinnert! Waldschnepfenstrich, Dohlenstrich ... es geht nichts über das Landleben! Und, meine Freundinnen, wo wir heut wandeln, ist alles frisch und grün. Doch wer weiß, wann wir wieder herkommen und fern, sehr fern, den Klang der Abendglocken vernehmen! Andere werden kommen und träumen wie wir. Denn nichts vollendet sich auf Erden, und der Tod ist wie ein Gruß des Morgenlichts, denn wir haben geträumt.« Die Damen sahen ihn an und verstanden ihn nicht. Und dann verstanden sie ihn mit dem Elan des weiblichen Herzens.

Am Abend gingen sie in den Konzertsaal Gungl und saßen im Freien und hörten Beethoven. Otto war ganz still, und beim Abschied sagte er trocken: »Grüßen Sie Predigers, den braven Sauer in Koglizow! Und wenn sein Junge, der Säuerling, herkommt, will ich ihm ein Mentor sein!« – –

Als er nach Schönhausen zurückkehrte, empfand er in sich eine entnervte Stumpfheit. Er starrte die Zimmertür an, als gähne ihm diese als Sinnbild tödlicher Langweile entgegen, ein Abbild seines eigenen Innern. Kein Laut in den weiten, öden Räumen des Schlosses, Möbel und Geräte stumm wie sein Seelenleben. Fürchterliche Öde des Daseins! Göttlicher Byron, der dafür die Stimme fand! » My woe shall find a voice!« Mechanisch die sogenannte süße Gewohnheit des Daseins verrichten, wo nichts Großes, nichts Bedeutendes mir nahetritt! Am besten treibt man sich den ganzen Tag draußen in der Kneipe herum, kommt nachts zu Hause, um gleich auf Schlummerkissen Vergessenheit zu trinken. O Byron! »Wenn dein Gedächtnis schnell durchmißt der Stunden Frist, die frei von Pein, sprich, was du auch gewesen bist, ist es nicht besser nicht zu sein?« Mit tiefer Bitterkeit prägte er sich Manfreds Wort ein: »Baum der Erkenntnis ist nicht der des Lebens«, und den Schlußsatz: »Zu sterben ist so schwer nicht, alter Mann«. Sein eigener Trotz erhob sich an Manfreds Abwehr des Dämons: »Ich war mein eigener Zerstörer, will's auch fürder sein. Des Todes Hand liegt auf mir, nicht die eure.« Luzifers und Kains Flug durch den unermeßlichen Sternenraum machte er gerne mit und ließ sich berauschen von Ewigkeit. Nur »Don Juan«, die humoristische Weltdichtung stieß ihn ab wegen des erotisch-sinnlichen Einschlags, der nun einmal nicht in seinem Blute lag. Sonst schwärmte er für jede Weltschmerzpoesie, je trüber, desto besser. Das affektierte, parfümierte Dandylied des jugendlichen Pilgers Harold »An Juez« wußte er auswendig.

Mit einem schier vorwurfsvollen Blick schaute er zu jenem Ahnenporträt empor, dessen Typ ihm selber so auffallend glich. Damals konnte ein rechter Kerl sich noch ausleben und singen: Ein freies Leben führen wir, ein Leben voller Wonne. Und in jener gewaltigen Zeit, die vor seiner Geburt lag, da dröhnte aus dem Hufschlag der Muratschen Geschwader das Pappenheimerlied: Und setzet ihr nicht das Leben ein, nie wird euch das Leben gewonnen sein. Aber was kam dabei heraus? Warum stammte er von einem Geschlecht soldatischer Raufbolde ab? Seine feinere poetische Ader empörte sich gegen die rohe Lebenslust. Begann nicht das Evangelium Johanni: Im Anfang war das Wort oder, wenn man Logos richtiger überträgt, der Geist?

Die Nacht war still, und er lehnte sich zum Fenster hinaus. Die Sterne glitzerten hoch am Firmament. Und Goethes Faustwort fuhr ihm durch den Sinn: Im Anfang war die Tat! In der Ferne scholl Gesang. Ein Trupp Turner, der von einer Turnfahrt heimkehrte und nach Stendal marschierte, stimmte Maßmanns Lied an, das er auf der Flucht aus Preußen, des Landes verwiesen und als Demagoge geächtet, schlicht und ernst gedichtet hatte. »Ich hab mich ergeben mit Herz und mit Hand dir, Land voll Lieb und Leben, mein deutsches Vaterland«.

Otto Bismarck lauschte lange. Dann überfiel ihn plötzlich ein nervöser Weinkrampf, wie öfters in Augenblicken tiefster Erschütterung. Wer es an diesem Hünen erlebte, stand starr vor Staunen. Wenn er selber las, daß dem Alten Fritz bei jeder Gelegenheit seelischer Erregung die Tränen hervorstürzten, erschien es ihm unmännlich. Er mußte sich erinnern, daß dem gleichen schmächtigen Helden das grimme Wort entfuhr: »Ihr Racker, wollt ihr denn ewig leben?«, um nicht verächtlich die Lippen zu krümmen. Doch das nervöse Temperament der Genialen läßt seiner nicht spotten. Und ob es sich ausnahmsweise in reckenhaftem Körper verbirgt, sie bleiben alle von gleicher Art, Cromwell weinte wie Friedlich der Große, dem blonden germanischen Herrenmenschen wird am leichtesten das Auge naß. Es hat etwas Furchtbares, wenn starke Männer weinen. Doch wenn die Genialen weinen, dann hat es etwas zu bedeuten, dann fließt eines Tages Blut aus Wunden der Menschheit ...

In weiter Ferne verklang das alte Lied. »Ich hab mich ergeben mit Herz und mit Hand dir, Land voll Lieb und Leben, mein deutsches Vaterland.«

*

Schon als Referendar fühlte er sich alt, durch ein Leben gealtert, das ihm seiner Meinung nach übel mitspielte. Er schwelgte in einem Selbstbedauern, das von Unwahrhaftigkeit nicht frei war, um so mehr er auch »die Leute«, d. h. seine Mitmenschen verantwortlich machte, als ob diese ihn unsanft angefaßt hätten. Im Gegenteil hatte man ihn stets wie ein rohes Ei behandelt, ihn in Watte gewickelt, ihm vieles durch die Finger gesehen. Er kam sich unendlich blasiert vor und meinte, daß ihm nur schale Neigen im Lebenskelche blieben, daß er Bitternis bis zur Hefe trinken müsse. Darüber wuchs in ihm ein Eigensinn, der sich schon in seiner Schrift ausprägte. Früher weicher, nahm jetzt ihr steiler scharfer Duktus den Stempel großzügiger Härte an.

Seiner Art nach eher Verschwender, begann er genau und mitunter knauserig zu werden, und gedachte mit Ärger an verbrauchte Freunde, die seine Gutmütigkeit im Pumpen ausnutzten. Nirgends zeigt sich die Hinfälligkeit und inkarnierte Selbstsucht der Menschennatur lächerlicher und krasser als beim Niedergang jeder sogenannten Freundschaft durch Geldborgen. Selbst wo es wie unter jungen Herren auf Gegenseitigkeit beruht, treten die leidigen Formen auf, daß man am liebsten nicht zurückbezahlt. Liegt der Fall einseitig, steht es noch schlimmer. Der Empfänger dankt nie wirklich für die Gefälligkeit des Darleihers, oft ein hochherziges Opfer, sondern entrüstet sich, wenn der andere es mal notgedrungen zurückfordert und wird dann dessen heimlicher oder offener Widersacher. Otto war nie in der ungünstigen Lage gewesen, in diesen tiefsten Seelenschmutz zu sinken. Doch teilte er als Student nicht die übliche geniale Empörung über die kleinlichen Philister, die als Schuster und Schneider endlich auf Bezahlung ihrer Rechnungen drangen? Daß sie Kredit gewährten, galt für nichts, obschon er ihnen doch dafür schöne Worte gab. Wodurch erhob er sich denn über seine verachteten Mitmenschen, da er doch all ihre Fehler an sich selber wiederfand? Selbst in der Schmutzerei, die man Liebe nennt, war er im Grunde nicht besser als andere. Gewiß hatte er nie eine Unschuld verführt oder eine Ehe gebrochen, aber gelegentlich seit seiner Referendarzeit die üblichen Straßenblumen aufgelesen und sie dann achtlos weggeworfen. Sie waren ja danach, andere mochten nach ihnen langen von Hand zu Hand, nicht mal ein »Verhältnis«, sei es noch so kurz, hatte er gehabt. Aber gab ihm dies einen sittlichen Vorzug? Die Wahrheit war einfach die, daß ihm erotische Anlage fehlte, sonst hätte er's geradeso getrieben wie viele andere, wäre darin geradeso unbändig gewesen wie im Saufen. Worüber hatte er sich also vor Gott zu beklagen? Nur sich selbst anzuklagen, seine Unverschämtheit, ein Leben zu verachten, das er nicht adeln konnte, und die Menschen zu verachten, die er nie zu bessern strebte, für die er sich nie ernstlich bemühte, die er im Gegenteil oft durch sein schlechtes Beispiel zu Bacchanalen und Tollheiten verführte. O, er war ein Sünder, ein großer Sünder! Jetzt auf einmal begriff er Cromwells plötzliche Illuminatio, den aus wüstem Treiben die »Gnade« erlöste, die puritanische Wunderkur, der von sich aussagte, er sei aus Finsternis zu heiliger Trübsal und von da zum Licht erwacht. »Ich weiß, daß ich einst in der Gnade war«, bekannte der große Herrscher auf seinem Totenbette. Einmal sah er den Horebstrauch, ein Moses, ein David, ein Rüstzeug des Herrn. Düster brütete Otto über solcher Gnadenwahl. Ja, wer solch Rüstzeug wäre! Wer erwählt würde, ein Gefäß großen Schicksals zu sein!

Unheimlich dämmerte ihm unbestimmte Ahnung, daß seine kalte Verzweiflung vielleicht aus tieferem Abgrund keimte. War er wirklich nicht anders als die andern alle, mit gleichen niedern Trieben behaftet, warum geben sich jene mit dem nichtigen Dasein zufrieden und er allein wälzte sich innerlich in krankhaftem Weltschmerz, dem nur Byrons dröhnendes Löwengebrüll Genüge tat? Seine poetische Ader erklärte das nicht, ihr hielt ja eine robuste Weltlichkeit das Gleichgewicht, eine derbe Sinnlichkeit, wenn auch nicht im erotischen Sinne. Der zartnervige Ekel des Ästheten vor rauher Wirklichkeit war nicht sein Teil, seine Lebensqual stammte aus tieferer vulkanischer Schicht. Glich sie nicht dem halben Ersticken eines Geknebelten? Fühlte er nicht ein Etwas in sich, das nicht am rechten Platze war, eine Schaffensmöglichkeit, die blind wie Polyphem in der Höhle nach einem »Niemand« suchte, den sie nicht fassen konnte? Wie das Elbwasser unter der Eisschicht, brodelte und gurgelte und murrte und schäumte ein Etwas, das zum Oberlicht wollte und nicht dazu gelangte. Schaffen! Aber was? Er war kein Dichter, kein Künstler, kein Feldherr. Und doch mußte er kommandieren, Feldzüge führen, Völker zum Siege leiten, wenn ihn je innere Befreiung von seinem starren Bann erlösen sollte. Ja, er verachtete die feile Menge, die heute Hosianna und morgen Kreuzige ruft oder auch in umgekehrter Folge. Denn wie viele Große sind erst am Ende ihres Lebens und noch mehr erst lange nach dem Tode gewürdigt worden! »Seh'n Sie, wie das Volk Sie liebt!« schmeichelte man dem Lord-Protektor der Inselreiche, doch der grimme Oliver lehnte kühl ab: »Bei meiner Hinrichtung würden noch viel mehr sich drängen.« Nicht auf der Menschen Urteil berufen sich solche Titanen, auch beurteilen Menschen sie immer falsch. Gott rufen sie an und die eigene heroische Seele. Doch die Masse braucht man, um große Taten zu vollbringen. Und wer vollbringt sie? Das Genie? Torheit! Die ewige Vorsehung! Rüstzeug sein, in Bereitschaft sein ist alles. Cäsar und Cromwell waren in reifem Alter, als sie die wahre historische Bühne betraten, der eine galt als liederlicher Geck, der andere als gewöhnlicher Farmer, halbverdreht durch unverdaute Schwärmerei. Man soll nie verzagen, spät oder früh kommt der nach oben, der »in der Gnade« ist. Nun wohl, gibt es Rüstzeuge – und die Weltgeschichte auf jeder Seite predigt es – dann gibt es einen unerforschlichen Gott, der über uns wacht, gibt es eine persönliche Vorsehung, eine ewige Vorbestimmung. Also ist meine ganze bisherige Weltanschauung ein Wahn, jeder Bibelspruch weiser, als die Kraftstoffelei der Büchner und Konsorten.

Langsam hob Otto Bismarck sein schweres Haupt und murmelte: »Ich will es mit Gott versuchen!«

*

Im Herbst einer Einladung nach Ünglingen, dem altmärkischen Gut der Bismarck-Bohlens, folgend, fand er Kusine Karoline, deren unregelmäßige Schönheit von Weltklugheit und Weltliebe neben fraulicher Güte strahlte, in Wehr und Waffen für ihren alten Feldzugsplan. Sie setzte ihm kräftig mit der üppigen Schulenburg zu und schmiedete weibliche Ränke, ihn zu fangen. Er wich aus und bewies ihr deutlich, wie unfruchtbar und steinig der Boden sei, in dem sie ihre Anregung säte. »Glatt wie 'n Aal!« rauschte sie einmal ärgerlich hinaus, als er ihr unzweideutig zu verstehen gab, daß es nichts damit sei. »Sie werden als sauertöpfischer Junggeselle leben und sterben.« Er lächelte in sich hinein. Seine tiefe sittliche Einkehr und die letzten Erfahrungen steigerten seine Gleichgültigkeit gegen erotisch Sinnliches bis zum Widerwillen. Nur eins erkannte er an: die Schönheit des Herzens. Und da stieg langsam, aber sicher und unverrückbar immer das gleiche Bild vor ihm auf.

Im Spätherbst kam die Zeit, wo er jährlich seinen Wohnsitz wechselte und sich nach Kniephof verpflanzte. Voll heimlicher froher Erwartung fuhr er dorthin und eilte schon nach wenigen Tagen nach Koglizow. Er fand die Familie am Teetisch versammelt, Herrn v. Below-Reddenthin dabei. Man empfing ihn herzlich und unbefangen.

»In Bütow gibt's Konzert«, berichtige Below. Otto lachte. Auf diesem Landsitz bei Stolp erstickte man ja in Fett und Baumwolle! »Die Idee Bütow als Ding-an-sich ist aller Musik feind.« Frau v. Puttkamer flocht ein, dort gehe es patriarchalisch zu, dies Gut habe die ältesten Dienstboten.

»Damit kann ich auch aufwarten, meine Gnädige«, betonte Otto mit eifrigem Nachdruck. »Bei uns in Schönhausen gehören Herrschaft und Dienerschaft zusammen wie eine Familie. Ob die Leibeigenschaft aufhörte, änderte nichts an Erblichkeit des Dienstes. Mein Inspektor ist ein Bauernsohn aus dem Dorf, seine Frau die Tochter des vorigen Schäfers. Ihr Bruder, der jetzige Schäfer, und der alte Ziegelmeister überkamen ihre Stelle schon von ihren Vätern. Unser greiser Gärtner starb soeben leider kinderlos, auch er erbte sein Amt vom eigenen früheren Geschlecht. Der Kuhhirt ist auch ein uralter Knabe, der unter meinem Vater diente, als der noch Fähnrich war. Den Vorwerksmeister mußte ich wegen Altersschwäche pensionieren, ebenso den Jäger, beide hatten volle fünfzig Jahre Dienst hinter sich. Der Jäger waltet aber noch heut seines Amtes, sucht mir Hasen für die Küche zu schießen, der arme Teufel mit seinen matten Augen. Die Mägde sind ja Zugvögel, doch auch bei denen gibt es manche, die schon zehn Jahre bei uns dienen.«

Der alte Puttkamer hörte gespannt zu. »Potztausend, das nenn' ich eine gesunde Wirtschaft. Gefällt mir außerordentlich, lieber Bismarck. So sollte es auf allen Adelshöfen sein und spricht das sehr für Ihre gute Zucht und Sitte.«

»Ihr Lob freut mich unendlich, verehrter Herr v. Puttkamer. Der Teufel ist nie so schwarz wie man ihn malt, selbst ich habe gute Seiten.«

»Na na! Daß Sie so freundlich mit uns fürlieb nehmen, scheint mir ein Zeichen für Ihre Gemütlichkeit und Ihr im Grunde gesundes Gemüt.«

» Les extremes se touchent!« bemerkte Herr v. Below leicht ironisch mit einem Blick auf Johanna.

» Mais ils se brisent!« ergänzte diese halblaut, indem sie halb den Blick erhob, ihn aber gleich sinken ließ, als Otto dem ihren begegnete.

»Das ist so eine verwünschte französische Redensart!« fuhr dieser beinahe heftig auf. »So eine Binsenwahrheit, die keine ist. Nach dem Buchstaben sieht's ganz plausibel aus und soll oft dazu herhalten, eine Naturnotwendigkeit zur Deckung eigener Lebenskonflikte zu erfinden, wo doch nur zufällige persönliche Schuld den Bruch erklärt. Ja, die Gegensätze berühren sich, z. B. die schwarze Tinte das weiße Papier, das harte rote Siegellack das gelbe weiche Wachs. Gerade diese Berührung schafft die richtige Einheit, weist jedem sozusagen sein Spezialfach zu. Nein, umgekehrt stößt Gleichartiges sich ab. Sind beide Fächer gleich geformt, was soll da anderes herauskommen, als daß Ecke auf Ecke prallt und jede Lücke drüben die ähnliche Lücke trifft! Zwei harte Mühlsteine mahlen nicht zusammen, und wenn es heißt »Zwei werden auf einer Mühle mahlen«, so müssen die zwei verschieden sein. Ergänzung ist das große Gebot, Hart paßt zu Weich, Verstand zu Gemüt, dann gibt es einen guten Klang, sagt schon Schiller.«

»Drum prüfe, wer sich ewig bindet!« zitierte Mama Puttkamer elegisch. »Die Wahl ist kurz, die Reu ist lang.« Eine Pause trat ein. Otto biß sich leicht auf die Lippen und wußte nicht, ob er dies als eine Warnung betrachten solle. Johanna hielt den Schwarzkopf gesenkt.

»Wir hatten hier neulich eine herrliche Sonntagspredigt«, schnitt Puttkamer ein neues Thema an. »Über das Reich Gottes. Dies solle der Gläubige stets als sieghaft betrachten, das Reich der Finsternis als das immer mehr schwindende, das sichtlich zusammenbricht.«

»Vergleiche 1. Korinther 7, 13, 14«, ergänzte Otto zum Staunen der Anwesenden. Johanna hob den Blick. Herr v. Below räusperte sich.

»Das war allerdings der Text, Sie scheinen seither sehr bibelfest geworden zu sein, Herr v. Bismarck.«

»Allerdings«, bejahte Otto ruhig. »Ich vertiefte mich aber wenig in Kommentarien gelehrter Theologen. Jeder Forschende sollte die Bibel für sich allein lesen und sie nach Maßgabe seiner Kräfte auf sich wirken lassen.«

»Gewiß,« bekräftigte Puttkamer, »doch der Zuspruch gottbegnadeter Seelsorger ist wichtig. Übrigens verdanken wir Protestanten ja erst dem teuren Gottesmann Luther, daß uns Laien das heilige Buch offensteht. Den Katholischen blieb es ganz verschlossen, sie blieben auf Mitteilung und Auslegung ihrer Priester angewiesen, deren vielfacher Irrwahn sie in die Wüste führte.«

»Hm, vom Standpunkt der Kirche war dies Verfahren ganz angemessen, und wer weiß, ob nicht auch die reformierte Kirche am liebsten den gleichen Weg einschlüge.«

»Wie meinen Sie das?« Frau v. Puttkamer ließ erschrocken ihre Häkelarbeit sinken.

»Es steht viel Hohes und Herrliches in den Evangelien, was sich nicht recht mit einigen orthodoxen Dogmen zusammenreimt. Es wird die Zeit kommen, spricht der Herr, wo man nicht in Tempeln anbetet, sondern im Geist und in der Wahrheit. Was ist Wahrheit? meinte der Heide Pilatus. Nun, die Wahrheit ist, aber –«

»Das Wort ist Fleisch geworden, und wir sahen seine Herrlichkeit«, ergänzte Puttkamer.

»Jawohl, doch nicht jeder liest das Wort gleich, nicht jeder sieht wie die andern. Viele ernste, demütige Gottsucher suchen das Heil in verschiedener Form als wir. Wenn nun jeder die religiöse Erkenntnis für sich pachtet, so lösen wir uns bald in lauter Einzelzellen auf wie in einem Zuchthaus, wo undurchdringliche Scheidewände zwischen allen errichtet sind. Da würden zahllose Konventikel voneinander abgesondert.«

»An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen«, erhob Johanna die Stimme. »Die guten Werke entscheiden.«

»Ganz meine Meinung,« verbeugte sich Otto, »doch Werkheiligkeit soll man nicht ausschreien. Siehe Epistel Jakobi 2, 14, Römer 2, 6, 13.«

»Aber auch Matthäi 16, 16«, rief Johanna eifrig.

»Recht so, meine Tochter,« billigte der Alte beifällig, »auch 2. Corinther 5, 10.«

»Ich könnte noch mehr Stellen anführen.« Ottos erstaunliches Gedächtnis behielt die von ihm exzerpierten Stellen. »1. Johanni 3, 7, ferner Matthäi 25, Vers 34.«

»Das ist ja wunderbar«, rief Below. »Sie sollten mit unserem Pfarrer disputieren.«

»Wenn Sie mir eine Bibel darreichen, verlese ich Ihnen noch manches zur Stützung meiner These, daß die Wahrheit nicht bloß einseitig ist.« Johanna holte eine Bibel und nun ging es von verschiedenen Seiten los. Römer 14, 22, 15, 2 und vor allem in der 1. Epistel an die Corinther 4, 5, 8, 2, 9, 20, 12, 4, 13, 2. So warf man sich abgerissene Satzbrocken der Schrift wie einen Fangball zu, spülte mit Überschwemmung von widerspruchsvollen Einzelversen die Streitfragen geistlicher Diskussion hin und her.

»Zuletzt ist nur die Auslegung entscheidend, das Wort Glaube ist mancher Deutung fähig«, schloß Otto. Daß es sich dabei um irrige Übertragung Luthers handelt und Pistis nicht Glauben im theologischen Sinne, sondern Vertrauen auf die Lehre bedeutet, wußte er natürlich nicht. Nachdem er gegangen, putzte Herr v. Puttkamer sorgfältig die Brille ab, die er zur Bibellektion aufgesetzt, schob sie ins Futteral und urteilte bedächtig: »Preisen wir den Herrn für seine Gnade, daß uns dies gute Werk beschieden wurde. Wir dürfen uns wohl schmeicheln, daß von unserem Hause der christliche Einfluß ausging, der ein verirrtes Schäflein zur Hürde leitete.«

»Aber scheint er dir nicht in manchem noch heterodox?« wandte die Mama ein.

»Das wird sich geben. Das Eis ist gebrochen, wie vor seinen Elbdeichen, und das Jordanwasser der heiligen Taufe strömt in sein Herz hinein.«

Johanna sagte kein Wort. –

Als er das nächstemal kam, zuckte es ihm in allen Gliedern wie von Lenztrieb, obschon nur späte Herbstsonne das Grün der Hoffnung beschien, das in seinem Innern rauschte. Er traf es gut, traf Johanna an der Gartentür. »Ach, welch ein Idyll, meine gnädige Freundin!« begrüßte er sie herzhaft; seinen zärtlichen Handdruck erwiderte sie schwach. »Weite Felder im Sonnenlicht statt unabsehbarer Wassermassen, wie ich sie im Frühling genießen muß. Und dazu unendliche Ströme dienstlicher Tinte, die ich gähnend vergieße. Solche Tinte ist nämlich grauer als jede andere.«

Sie lachte. »Ich dachte, Tinte sei schwarz. Schwarz wie die Hölle!«

»O verleumden Sie nicht das Schwarze!« rief er bedeutungsvoll. »Das hat etwas Majestätisches und Feierliches wie Mutter Nacht. Ich kann mir eine schwarze Sonne denken.«

»Ach Unsinn! Schwarz leuchtet nicht.«

»Doch, als poliertes Ebenholz und erstarrte Lava.«

»Soll das ein Kompliment für uns Schwarze sein?« lächelte sie mit unbewußter Koketterie. »Bin ich so glatt und hart?«

»O nein, sondern weich und warm. Ich wollte, solche schwarze Sonne könnte hell inwendig in mir scheinen.«

»Solche Komplimente lieb' ich gar nicht.« Sie preßte streng die Lippen zusammen. Eine peinliche Pause. »Der Herbst hat so viel Poetisches,« lenkte sie ab, »doch stimmt traurig.«

»Das tut erst recht der Reif in der Maiennacht. Nichts schmerzlicher, als wenn Maienblust verdirbt, auf den man hoffte.« Johanna zuckte leicht. Täuschte sie sich oder blickte er sie wirklich mit unverhohlener Zärtlichkeit an? Sie gingen im weitläufigen Garten auf und ab. Es windete plötzlich.

»Wie der Wind in den Kronen braust!« hauchte sie, um etwas zu sagen.

»Ja, bei den hohen alten Föhren und Kiefern. Doch übers Krüppelholz geht er hinweg. Was nicht in die Sturmschicht hineinwuchs, bricht nicht.«

»Die Wurzeln der jungen Stämmchen stärken sich aber auch«, erwiderte sie aufmerksam.

»Ja. Erst wenn sie genügende Kraft gewinnen, stellt der Sturm sie vor die Wahl: ausharren oder untergehen.« Er sagte es tiefernst. Sie horchte hoch auf. Wo wollte er hinaus? »Wenn Risse klaffen im Fichtenstamm, so weint er Harz, das lindert und heilt. Doch wenn immer nur Tränen quellen, so trocknen sie den Stamm aus und höhlen ihn, nur eigne Festigkeit übersteht die Zerrissenheit. Harztränen – welcher Doppelsinn!« Sie erbleichte. Er dachte also an den Harz zurück? Ging ihm die Erinnerung so nahe? Und überhaupt, was mußte dieser riesige Mann innerlich gelitten haben! Einer Tanne glich er zwar nicht, doch einer Eiche, in die irgendwo ein Blitzschlag fuhr, wovon ein dürrer, entlaubter Ast noch zeugt.

»Sie machen einem ganz trübe, Herr v. Bismarck.« Sie holte tief Atem. »Da lob' ich mir zufriedene Heiterkeit! Ehe Sie kamen, war's hier so hübsch und warm. Finette und ich haschten im Sommer Schmetterlinge um die Wette.« Das Hündchen Finette bellte bei Nennung des Namens lustig zu ihr empor. »Die Blumen dufteten so. Wozu sich das bißchen Sonne vergällen, wenn man Gott und Frieden im Herzen trägt!«

»So mögen Sie denken, so rein und unberührt von Staub und Qualm! Ach, Blumen welken so leicht. Daß ich's nur gestehe, ich halte nicht viel von heiterer Lebenslust. Nehmen wir die Kunst, die doch ein Spiegel des Lebens und Gemütes sein soll! Erhebt uns das Idyll und das Lustspiel? Das wird auf die Dauer so fad. Frühlingsliedchen für Kinder, Lämmer und Lerchen! Die Schrift sagt: ›Da ich aber ein Mann ward, tat ich ab, was kindisch war.‹«

»Entschuldigen Sie, ich bin aber kein Mann«, lächelte sie leicht errötend. Er sah sie entzückt an.

»Gott sei Dank, nein! Aber was ich meinte, gilt auch für Frauen. Sie könnten geradeso gut lesen: ›Da ich aber eine Frau ward –‹«

»Entschuldigen Sie wieder, ich bin keine Frau, sondern ein Mädchen«, schmollte sie wieder mit einer unbewußten reizenden Koketterie.

»Gottlob, ja!« Das waren doch sehr verfängliche Verneinungen und Bejahungen. Das Herz klopfte ihr unruhig. Sollte –? Aber das war ja nicht möglich.

Er fuhr gemessen fort: »Was uns ergreift, ist immer das Tragische, nur ganz oberflächliche Menschen lieben nicht das Trauerspiel. Dort zieht uns das Erhabene zur Höhe gerade durch den Gegensatz unserer eigenen Nichtigkeit.«

»Aber ist Gott nicht heiter? Ich denke mir alles Erhabene so, alles Majestätische.«

»Wahr, der Held ist heiter, sonst wär' er kein Held. Doch das ist wohl nur Außenseite für die fade Welt. Der Alte Fritz hatte Berliner Humor und machte schnoddrige Witze, aber sonst war er ein Bild der Melancholie. Bei Helden der Tat ist Heiterkeit wohl ein seltener Anblick. Und die anderen – war Goethe heiter? Nach seinen eigenen Bekenntnissen kaum, sicher nicht im gewöhnlichen Sinne. Ruhig war er, nichts weiter.«

»Und auch das wohl nicht«, unterbrach sie ihn. »Ein Heide! und wo ist Ruhe als in Gott?«

Er lächelte flüchtig, berichtigte dann ernst sein eigenes Lächeln: »Sehr wahr. Nur freilich müssen wir bedenken, daß ein Goethe Gott anders schauet als wir. Sie müssen nicht alles glauben, was die Pfarrer reden. Ein Heide war der nicht, weil ihm die Kanzel nichts zu sagen hatte. Ein Goethe hat seinen eigenen besonderen Gott, den er nie verleugnete, geoffenbart in der weiten Natur.«

»Aber das ist ja schrecklich!« rief sie entrüstet. »Ich hoffte schon, Sie seien ganz bekehrt, und nun solche Ketzerei! Offenbart ist alles in der Bibel allein. Die da reinen Herzens sind, werden Gott schauen. Und Goethe ... ich weiß ja wenig davon, man gab uns nur Iphigenie und Gedichte zu lesen, die klingen sehr schön ... ich bin nur ein dummes Mädchen, doch reinen Herzens war der nicht.«

Heilige Einfalt! schwebte ihm auf der Lippe, doch er sagte nur tief erregt: »Dann verdammen Sie mich also ganz, meine Gnädige. Denn auch ich war ein großer Sünder.«

»Aber Sie sind reuig, bekehrt,« rief sie eifrig, »das ist ganz was anderes. Mich stimmen Sie nicht um«, fuhr sie mit einer gewissen schnippischen Altklugheit fort. »Große Männer müßten heiter und zufrieden sein, weil Gott ihnen so große Gaben verlieh.«

»Das möchte so sein. Doch fragen Sie mal an bei dem großen englischen Dichter Byron, der noch in meiner Jugend lebte –«

»Das war ja der leibhaftige Satan mit einem Hinkefuß!«

»Aber schön wie ein Engel. Die Ästhetiker reden bei Shakespeare von sonnig und olympisch, doch von dessen Leben wissen wir nichts, und in den Werken überwiegt das tragische Leid. Nein, nein, das Genie gleicht immer dem Luzifer, wie Byron ihn malt, dem schönen gefallenen Engel, düster und friedlos in seinem Stolze. ›Gram scheint hier Hälfte der Unsterblichkeit.‹ Denn, wohlgemerkt, Unsterblichkeit der Seele, Fortdauer nach dem Tode, when we have shaken off this mortal flesh, bestritt nie ein großer Mann.«

Sie schwieg und wußte nicht, was sie einwenden sollte, brach daher rasch ab mit weiblichem Takt: »Kommen Sie nicht herein zu Papa und Mama? Es ist Teestunde. Beiläufig, Helene Dewitz schrieb mir, die Schwester Ihres Freundes. Die kennen Sie doch gut? Sie wurde als Backfisch – abscheuliches Wort – mit Ihrer Schwester Malwine zusammen im Kniephof erzogen.«

»Eine oberflächliche Kokette von durchaus weltlichem Sinn!« Er zuckte gleichgültig die Achseln. »Was will die von Ihnen? Sie haben nichts mit ihr gemein, getrennte Welten. Empfehlen Sie mich den hochverehrten Eltern, dieses Gespräch hat eigentümliche Gedanken in mir aufgewühlt. Ich möchte allein durch die Heide schlendern und beurlaube mich bei Ihnen zu Gnaden.« –

Johanna saß abends lange am Fenster in ihrer jungfräulichen Schlafstube und starrte in die Nacht hinaus. Welch ein seltsamer, außerordentlicher Mann! Luzifer! So stark, so hoch, so stolz, herrlicher als alle, und doch so verstimmt im Gemüt! Das macht die Sünde! Doch er bereut ja so. Wie genau er die heiligen Schriften kennt, fast wie ein Pfarrer. Wen der wohl heiraten mag! Wenn er's überhaupt tut. Mich hat er sehr gern, das weiß ich, als Freundin natürlich. – Sie seufzte leicht und blies ihre Lampe aus.

*


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