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Schon lange, lange, lange, Lieber, habe ich Dir nicht geschrieben. Gott, was hab' ich in der Zeit zusammengeochst! Meine Korpssemester, mein Dienstjahr und alle sonstigen Bummelzeiten mußte ich in sehr kurzer Spanne cerebral abkasteien. Nun, nächstens 'rin ins Vergnügen; ich erwarte die Examinatoren kaltblütig.
Mit Jeanette setzte ich mich auf dünnere Diät, aber auch die bekam gut.
Das Mädl ist so lieb!
Zur Erholung von meinen Rechtsmaterien übersetze ich, bloß dem Titel zu Liebe anfangs, und dann, weil's im Grunde so famos paßt, die »Jeanette« von Béranger. Kennst Du's? »Fi les coquettes maniérées« u. s. w. Ich verfuhr in Versmaß und Ausdruck etwas frei, dachte es ganz auf meine deutsche Jeanette um:
Zum Teufel mit all den zierlichen,
Manierlichen
Koketten!
Ein ganzes Schock ersetzt mir nicht,
Ersetzt mir nicht Jeanetten!
Jung und munter, frisch, gesund,
Ist sie gar schmiegsam und biegsam und rund,
Hei! wie ihr Auge in Flammen brennt!
Freilich, die Prüden schreien kläglich,
Daß ihr Busen, allzubeweglich,
Keine Miederschranke kennt, –
Doch für die Hand, die zärtlich ihn preßt,
Ist das ein Unglück, das tragen sich läßt.
Ei, wie graziös, wie flott, wie fein
Ist doch mein Schätzchen. Nichts schüchtert es ein.
Welch herrliches Herz! Wie fröhlich lacht's!
Freilich sagt sie auch gerne was Dummes,
Und ihr Mäulchen, – ach, selten ist stumm es,
Aber zum Teufel! Ich frage, was macht's!
Denn, was ihr sagen auch mögt miteinand',
Wunderbar fein ist Jeanettens Verstand.
Geh'n wir des Abends zusammen aus,
Sind wir bei Freunden zu fröhlichem Schmaus,
Steckt sie mit Tollheiten alles in Brand.
Herr des Himmels, wie weiß sie zu singen,
Was für Lieder zum Vorschein zu bringen!
Rein ist die Stimme, der Ton brillant!
Auch im Trinken nicht bleibt sie zurück,
Schluckt von Jedem ein tüchtiges Stück.
Schön in Liebe und lachender Lust
Schnürt sie sich nicht die lebendige Brust
In ein Mieder, mit Seide bedeckt.
Unter einfachem Tuche und Linnen
Hebt sich ihr Busen, und traulich da drinnen
Liegt das fröhlichste Herzchen versteckt.
Und, wenn ich wühle in ihrer Frisur,
Schadets nicht viel, denn es ist halt Natur.
Aber zur Nacht erst sie ganz mir gehört . . .
Da ist kein Schleier, der bauschig mich stört,
Keine versagende Seufzelei:
Nein, mit Armen, die feurig pressen,
Und mit Küssen schier unermessen,
Saugt sie die seligste Lust herbei.
Ha, wie in wonnigen Taumel verzückt,
Decken und Kissen im Bett sie verrückt.
Zum Teufel drum alle die zierlichen,
Manierlichen
Koketten!
Millionen Schock ersetzen mir nicht,
Ersetzen mir nicht Jeanetten!
Und ein Hurrah! ruf ich noch höchst persönlich diesem Trumpfreim nach.
Und doch wirds nun bald zu Ende gehn.
Jeanette weiß es wie ich, und in ihren Umklammerungen liegt so schwer und schwach mehr und mehr Abschiedsangst.
Wie sie mich manchmal anschaut, so flehend, fragend: Wie lange noch?
Aber sie weiß mit lachendem Herzruck die Schwermut abzuschütteln, und ich glaube fast, mir wirds schwerer sein.
Ich wollte nur das Dir aussprechen. Du lieber, guter, aufnehmender Freund!
Lebewohl!
Dein Colline.