Otto Julius Bierbaum
Studenten-Beichten
Otto Julius Bierbaum

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Neuer Widmungsbrief an Richard Dehmel.

Mein lieber Richard!

Was soll man thun, wenn ein »Jugendwerk« vergriffen ist? Du hast die Antwort darauf nach Deiner Weise gegeben, indem Du Deine »Erlösungen«, unerschrocken gewissenhaft wie Du bist, einfach umgegossen, in eine neue Form gebracht hast. Ich ziehe meinen Hut vor so viel Fleiß und Tugend und mache es anders: Ich gebe, wie Du siehst, die erste Reihe der Studenten-Beichten, Deine Reihe, einfach wieder so heraus, wie sie schon damals »auf der Od im Fasching 1893« aussah, als ich sie Dir zu Füßen legte. Nur, daß ich das nicht recht in den Rahmen passende Versstück Klassischer Spuk weglasse.

Es giebt noch eine Art, mit vergriffenen »Jugendwerken« umzugehen: daß man es mit dem ganzen »Werke« so macht, wie ich hier mit dem kleinen Stücke. Das war auch eigentlich meine Absicht. Wenn man, wie ich, mitten in allerhand neuen Planen steckt und überdies, wie ich es von mir glaube, einige Fortschritte in der Erkenntnis dessen gemacht hat, was not thut, so sieht man es nicht gerne, daß »Jugendwerke« neu aufstehen.

»Jugendwerke« . . . Bin ich denn mittlerweile, seit diesen sieben Jahren, so alt geworden? Ich will's nicht hoffen. Und doch . . . Unter uns gesagt: Man wird heutzutage merkwürdig schnell alt, oder man fühlt sich wenigstens so, wenn man seine ersten Bücher durchsieht. Das kommt wohl daher, daß wir damals alle so ausbündig jung gewesen sind, so jung, wie sich's die heutigen Jungen gar nicht vorstellen können. Sind sie darum zu beneiden? Wenn die Reife, mit der sie sich präsentieren, echt und nicht bloß ein gut gewählter Anschein ist, so will ich sie gerne weiter deswegen bewundern; wir sind dann für sie mit jung gewesen und haben doppelten Anspruch auf gelindere Beurteilung unsrer vielen Jugendstreiche, denn sie kommen dann auf doppeltes Konto.

Wenn ich diese Geschichten, die mir jetzt wirklich als Jugendstreiche erscheinen und an denen mir nicht wenig mißfällt, noch mehrmals und in unveränderter Gestalt erscheinen lasse, so zeigt das deutlich an, daß ich mich ihrer trotz allem nicht schäme. Sie umzuarbeiten, auf den Stand der Ansprüche zu bringen, die ich heute künstlerisch an mich stelle, fehlt es mir sowohl an Zeit, als an Stimmung; sie der weiteren Öffentlichkeit zu entziehen, fühle ich zwar Neigung, aber kein Bedürfnis. Zwar wird denen, die, aus freundlichen oder anderen Gründen, nicht müde werden, mich als ewigen Studenten zu proklamieren, dadurch Vorschub geleistet, aber das bleibt sich schließlich gleich. Auch steckt amende ein Stückchen Wahrheit in dieser Bezeichnung, denn in der That: ich fühle, wie nicht wenige Deutsche, etwas vom ewigen Studenten in mir. Zwar bin ich unter die Abstinenzler gegangen und werde Dir künftig nicht mehr in Burgunder Bescheid thun, sondern in Mattonis Gießhübler; zwar bin ich allen Raufhändeln, und zwar denen mit der Feder nicht weniger, als denen mit dem Schläger, abhold geworden; und schließlich bin ich auch nicht mehr so hinter jedem Zopfband her wie dazumal, als ich zwar viele, aber noch nicht die Eine kannte, – aber: übermütig sein, die Welt für ein Karussell halten, alles Verhockte, Muffige, Heimtückische verachten, alles Schöne, Klare, Stolze lieben, und treu zu allem stehn, was mir freundschaftswert erscheint, – das kann ich immer noch.

Darum setze ich auch diesem Neudrucke wieder Deinen Namen voran und schreibe diesen Brief. Möge er Dich über einer neuen Arbeit finden!

Dein Otto Julius

 


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