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»Ich will dir was sagen, Stoffel«, sagte die Mutter zu dem keineswegs trostlosen Sohn, »der Tag ist doch einmal verdorben, die Arbeit nicht dringlich, – wie wär's denn, wenn du auf die Kirwe gingest? Du hast doch einmal deine guten Kleider an.«
»Auf die Gleiszeller Kirwe?«
»Nein, auf die Gleishorbacher. Wir sind eingeladen. Wissing-Peters sehen es für eine Kränkung an, wenn niemand kommt.«
»Ja, Mutter, was hab' ich davon?« entgegnete Stoffel, sich hinterm Ohr kratzend. »Das kostet Geld. Man muß doch im Wirtshaus einen Schoppen zahlen. Ich werd' doch nicht aus meinem Sack zehren sollen, wenn Ihr mich schickt.«
»Das sollst du nicht«, sagte die Mutter, das Pult öffnend. Indem sie eine Leiste wegnahm, die eine Reihe von flachen Geheimfächern deckte, holte sie aus einem einige harte Taler und noch kleines Geld, Sechskreuzer- und Groschenstücke und Kupferkreuzer. »Da, damit du auftreten kannst. Laß was draufgehen! Zahl unsern Taglöhnern drüben ein paar Budellen. Zeig' dich! Wer weiß, ob sich drüben nicht findet, was du suchst!«
»Na«, sagte Stoffel, und steckte das Geld schmunzelnd ein, »im ganzen Ort ist keine, die mir paßt.«
»Es kann eine zur Kirchweih geladen sein, wer weiß!« bemerkte die Mutter.
Und Stoffel hatte nichts weiter dagegen. Doch wollte er sich mit seinem Freunde Hannes besprechen, der sich auch bereit fand, ihn zu begleiten. Und so schlichen sich die beiden, mit ihren »eingebändelten« Stöcken versehen, etwas verstohlen durch die Gärten und auf dem »Faulpfad« zur Straße über die Höhe. Denn ein Kirchweihgang am Werktag ist eine »genierliche« Sache unter dem rastlos tätigen und haushälterischen Landvolk, zumal bei den Bewohnern des stillen Dorfes. Sie ging denn auch so heimlich vor sich, daß selbst die Tochter des Hauses nichts davon innegeworden war.
»Wie meinst, Susel«, fragte Juliane, »willst du nicht auf die Kirwe?«
»Nein, Mutter, es ist mir nicht drum. Was soll ich auch drüben tun?«
»Na, was tut man auf der Kirchweih! Bist noch so jung und fragst so! Werd' mir nur nicht vollends zur Klosterfrau. So bin ich mein Lebtag' nicht gewesen. Man unterhält sich, tanzt!«
»Mit wem soll ich tanzen?«
»Mit wem? Wer dich auffordert! Du solltest doch der Christine, die dich als Kind auf den Armen getragen hat, die Freude machen. Es ist ja nur ein Katzensprung.«
»Wenn Ihr es haben wollt, Mutter, gut. Vielleicht geht die Liesel mit.«
»Ja, die Liesel geht mit«, bestätigte die Mutter. »Sie ist vorhin mit dem Rechen auf der Schulter, rot verbrannt, von den Wiesen hergekommen und hat gemeint, sie ginge gleich auf die Kirwe. Die ist anders geartet als du! Aber mach', zieh dein braun Merinokleid an! Die Leute fühlen sich geehrt, wenn man geputzt kommt. Geh' aber nicht nach Gleiszellen hinauf.«
»Es wird wohl kaum dazu kommen«, sagte Susel. »Aber warum sagt Ihr's Mutter?«
»Ich seh's nicht gern!«
Nach einer Viertelstunde wandelten auch die beiden Freundinnen mit ihren Hängekörbchen und Regenschirmen über den »Berg«; nicht heimlich, denn bei den Mädchen wird es nicht so genau genommen, wenn sie während der Woche »über Feld« gehen.
Auf der Höhe machte sich eben ein altes, zitteriges Männchen in Lupfhosen und weißer Zipfelhaube zu tun, das sofort aus der Wingertslaube hervorkam, als ihm die beiden Mädchen zuriefen: »Was treibt Ihr denn, Vetter?«
»Linsenspalten für Palisaden nach Landau«, antwortete scherzhaft das Männchen, indem es Susels Hand mit seinen bebenden Fingern ergriff. »Willst ebbe auf die Kirwe, Susel?«
Vetter Ebbe – so hieß er wegen des häufigen Gebrauches dieses Flickwortes, des Hochdeutschen »etwa« – war eine seltene Erscheinung im Feld. Gewöhnlich sah man ihn nur mit dem Schoppenglas in der Hand auf dem kurzen Weg von der Haustür zur Kellertür seines Wohnsitzes bei der Kirche von Pleisweiler, wobei er nicht selten völlig Fremden, die eben vorüber kamen, den Wein zubrachte. Heute hatte es ihn herausgetrieben, um nachzusehen, ob die Trauben bald reif würden.
»Besuch' mich ebbe doch einmal, Susel, mein Schatz!« hat er, ihre Hand tätschelnd, gesagt. »Du sollst immer willkommen sein. Es wird bald losgehen im Land, die Unzufriedenheit ist ebbe zu groß, das Geld zu rar, der Wein bleibt einem liegen, – man muß ihn selber trinken, Susel. Ja, ja! – schad' um deinen Vater! Schad', recht schad', er wär jetzt ebbe Bürgermeister und der Jerg manierlicher gegen die Eve, die arme. Und du – na, sei nur ebbe nicht traurig, mein Kind!«
Er ließ hastig ihre Hand los, fuhr sich über die Augen und trippelte wieder in die Wingertsfurche zurück.
Susel ging etwas bedenklich dahin, als ob sie nachsinne, ob sie nicht zurückkehren sollte. Aber der Nachmittag war schön, die Abendsonne leuchtete zwischen Haufwolken hindurch warm ins Gefilde und auf das Dorf unten im Wiesental, auf die blinkende Kirche über den Reben, auf die hochgelegenen Häusergruppen am Hatzelberg und auf den Schloßturm von Münster.
Wie lange war sie nicht mehr drüben gewesen in Münster! So schön war ihr früher der Weg nicht vorgekommen, wenn sie in Gleishorbach Häcker für die Wingerte, Drescher oder Taglöhner für die Saat und Ernte bestellte. Und nun klang schon die Musik herüber, ohne jedoch ihr Herz zu schnellerem Schlag zu bringen, während ihre Freundin erwartungsvoll dem Tanzen entgegensah. Als die Mädchen im Dorf und bei der Christine eintrafen, wurden sie fröhlich empfangen. Alles, was nur das Haus an Kirchweihkuchen bieten konnte, wurde aufgetragen. Liesel jedoch verriet einige Ungeduld; ihre Füße bewegten sich im Takt.
»Abends wird's erst schön«, bemerkte Christine im Verlauf des Gesprächs, »wenn die Münsterer kommen.«
»Die Münsterer?« fragte Susel leise.
»Ei, ja, die kommen fast jedes Jahr Montag abends. Dann wird's lustig.«
»So«, sagte Susel und ließ sich mit ihrer Freundin fast willenlos auf den Tanzboden führen, wo eben die Wandlichter angezündet worden waren. Zu ihrer Überraschung saß dort in einem überfüllten Nebenzimmer bereits ihr Bruder Stoffel mit dem scheelen Hannes hinter einer halbgeleerten offenen Flasche aus weißem Glas. Stoffel kam sofort herbei und zog die Mädchen mit an den Tisch, während Hannes einschenkte, um es ihnen, wie üblich, zuzubringen. Obwohl der Walzer schon bald aus war, folgte doch Susel der Aufforderung, die Hannes an sie richtete, da auch Liesel mit Stoffel in die Reihe getreten war. Ein Vergnügen war das Tanzen in dem niederen, überfüllten Saal nicht; aber besser mit ihm walzen, als ihm gegenüberzusitzen, dachte sie.
Inzwischen hatte Susel bemerkt, daß fremde Gesichter und Gestalten unter dem niederen Eingang des Tanzsaales erschienen waren; Burschen und junge Männer von unternehmendem Aussehen, nicht bäuerlich, sondern bürgerlich gekleidet, mit dampfenden Tabakspfeifen im Mund und jovialen Mienen.
»Es sind Münsterer Holzschlegel«, sagte Hannes.
Susel sah jetzt teilnahmsvoller hin. Doch kein Gesicht begegnete ihr, das ihr das Kirchweihtreiben hätte annehmlicher machen können. Da sie ohnehin wenig Bekannte hier hatte, hielt sie sich denn auch, wie die Sachlage an und für sich erheischte, mit Liesel an den Bruder und dessen Freund, der ihr, wenn auch keine Zärtlichkeit, so doch in seiner Weise manche Aufmerksamkeit erwies. Und als er sie wieder zum Tanze zog, hatte sie keinen Grund, ihm nicht zu folgen.
Durch das Gewühl der Tanzenden, das sich zumeist nur um die eigene Achse drehte, wenn sie nicht durcheinander hopsten wie Erbsen auf dem Sieb, machte sich unterdes einer von den fremden Kirchweihgästen mit starkem Arm Bahn, um dann hinter den Reihen der Zuschauenden an der Wand nach dem einen bestimmten Fleck zuzusteuern. Es war ein junger Mann von schlankem Wuchs und aufrechtem Haupt, das mit einer Mütze bedeckt war, wie sie damals während des Polenaufstandes vor einem halben Jahrhundert aufzutauchen begannen. Die Form war jener der polnischen Mützen nachgebildet, nur daß der obere, scheibenartig hervorragende Bodenteil nicht eckig war, sondern Kreisform hatte. Auch war sie nicht von Tuch, am Kopfband mit Pelz oder Plüsch besetzt, sondern bestand durchweg aus gelbbräunlichem Seelöwenfell, wie solche von jener Zeit an zumeist nur von jungen bürgerlichen Weinküfern getragen wurden. Die auffallende Kopfbedeckung erschien übrigens an dem stattlichen jungen Mann ungewöhnlich kleidsam.
Indes stand die Tochter der Frau Juliane in einer Tanzpause freundlos neben dem, der ihr schon in früher Kindheit gewissermaßen verlobt worden war, und sah ohne Teilnahme auf das tanzende Gewimmel.
»Willst du eine Extratour mit mir tanzen, Susel?« fragte jemand hinter ihr.
Der Schreck der Überraschung drängte ihr das Blut zum Herzen zurück und dann stürmisch ins Gesicht hoch. Purpurrot wandte sie sich um. Hannes mußte die Aufforderung gehört haben, denn er ließ ihre Hand los und blieb mit der gewohnten Gelassenheit neben ihr stehen. Er hatte also nichts dagegen und konnte nichts dagegen haben. So reichte sie dem andern die Hand.
Und sie tanzten. Sie tanzte mit ihm, der sie jetzt mit starkem Arm umfaßt hielt, fest an sich druckte und durch den Saal schwang, daß ihr Hören und Sehen verging in vorher nie empfundener banger Lust.
Nun hielt er an. »Hast du mich gleich wieder erkannt?« fragte er leise.
»Als ich dich reden hörte«, sagte sie noch leiser. »Du bist so groß und – stark geworden.«
»Und du so groß, so schön, so lieb und – so falsch.«
»Falsch, Schorsch? Ach, sage das nicht!«
»Du hast mich vergessen, aufgegeben und wirst den wüsten Kerl dort nehmen?«
»Ist alles nicht wahr«, erwiderte Susel bewegt. »Ich habe dich nicht vergessen, Schorsch, keinen Augenblick; ich habe dir's ja beim Abschied versprochen. Und – ich nehme ihn nicht!«
»Da ist ja alles gut!« sagte er.
Eine Weile fiel weiter kein Wort zwischen ihnen. Er behielt ihre Hand und ließ sie in der seinen ruhen. Es war ihr noch immer, als ob außer ihm und ihr niemand mehr da wäre. »Bist du schon lange wieder aus der Fremde zurück?«
»Seit voriger Woche. Gestern hab' ich dich grüßen lassen.«
»So, du?« erwiderte Susel, vor sich hinlächelnd.
Während er sie anschaute, zog er sie wieder in den Tanz, daß sie zu fliegen meinte, um dann nochmals in einer Ecke Ruhe zu suchen, da jetzt auch die Musik schwieg. Sie kümmerten sich wenig darum, daß sich hundert Augen herkehrten. Aber sie sprachen nicht viel, hörten noch weniger; auch das nicht, was eben Bruder Stoffel zu seinem Freund äußerte, der an den Tisch zurückgekehrt war.
»Warum hast du es gelitten?« fragte Stoffel vorwurfsvoll.
»Was will ich denn machen?« versetzte Hannes. »Ich hätt' wohl nein sagen sollen, wo sie gewollt hat?«
»Warum denn nicht? Erst recht nein! Und Ellenbogen vor! Wenn's so fort geht, mach' ich ein End«.«
Auch den nächsten »Dreher« tanzte Schorsch mit Susel, deren Hand er nicht losgelassen hatte. Und im schwindelnden Wirbel dieses heute unbekannten Tanzes vergaß Susel alles um sich her. Ganz der ungewohnten Lust sich hingebend, fühlte sie kaum das Bedürfnis einer Ruhepause. Als diese dennoch eintrat, glühte ihr Antlitz und strahlten ihre Augen.
»Susel«, flüsterte ihr jetzt eine Stimme zu, in der sie die ihrer Freundin erkannte. »Dein Bruder will haben, du sollst zu ihm an den Tisch kommen.«
Da erst kam ihr wieder zum Bewußtsein, was sie ihrer Gesellschaft schuldig war, und daß, der Wonne des Wiedersehens und der Freude des Tanzes hingegeben, sie sich vergessen hatte. Sie bat Schorsch, sie loszulassen, und wandte sich dem Tisch im Nebenzimmer zu, wo Liesel bei den Burschen saß. Beide sahen stürmisch und verdrießlich drein. Während sie einander zutranken, verloren sie kein Wort. Nur Liesel, die aus ihrem Glase nippte, ließ leise eine kurze Äußerung fallen.
Susel sah wohl die finsteren Gesichter. Sie merkte, daß man unzufrieden mit ihr war. Aber ihr Herz war doch so voller Glück über die Begegnung mit ihm, an den sie so lange nur heimlich denken durfte, daß sie gelassen die Verstimmung der anderen hinnahm. War doch er da, in ihrer Nähe.
Schorsch kam an den Tisch, wo die kleine Gesellschaft aus dem stillen Dorf saß, um, da die Musik wieder begann, Susel zum Tanz aufzufordern.
»Wenn wir ausgetrunken haben, gehen wir heim!« äußerte eben Stoffel.
Doch Susel, der das Tanzen zusagte, war damit nicht einverstanden. »Ich soll mit meinem Bruder heim«, flüsterte sie Schorsch zu.
»Ach nein!« erwiderte Schorsch. »So früh geht das nicht. Komm nur, dein Bruder wird nichts dagegen haben!«
»Sie soll mit meinem Kameraden da tanzen«, warf Stoffel ein.
»Das kommt für diesmal zu spät«, meinte Schorsch gelassen, indem er Susels Hand ergriff und das ohnehin gern folgende Mädchen mit sich fortzog.
»Es ist das letzte Mal!« drohte Stoffel laut hinter dem Paar drein, und seine Faust fiel auf die Tischplatte, daß die Gläser tanzten.
»Liesel will noch nicht heim«, nahm jetzt Hannes das Wort. »Komm, fegen wir einmal herum.« Und er fegte in der Tat wie ein Kehrbesen in allen Ecken des Saales umher, bis er wieder mit dem Mädchen den Tisch aufsuchte, wo sein Kamerad zurückgeblieben war. Auch Schorsch kam mit Susel zurück und nahm Platz. Da keiner der beiden Burschen ihm, wie sonst üblich, das »Trinken« zubrachte, rief er dem Aufwärter zu, eine Bouteille vom »Besten« zu bringen. Als der Aufwärter die weiße Flasche brachte und sie sorgsam mit dem Zipfel seiner weißen Schürze abtrocknete, schenkte Schorsch auch den beiden Mädchen ein, stieß mit ihnen an und trank, da die Burschen seine freundliche Aufforderung zum Anstoßen nicht beachteten, sein Glas aus, ohne sich weiter darum zu kümmern. Ruhig sprach er mit den Mädchen, während verschiedene Anzeichen sich ergaben, daß die Stimmung im Saal zwischen den Einheimischen und den Kirchweihgängern aus Münster nicht mehr ganz geheuer war. Sobald aber die Musik wieder begann, faßte er Susels Hand, um sie in die Reihe zu führen.
»Das geht nicht«, fiel Stoffel ein und legte den Arm abwehrend vor.
»Nicht mit dir will ich tanzen«, sagte Schorsch gut gelaunt und drängte den Arm nicht allzu grob, mit einiger Rücksichtnahme zurück.
Stoffel, der wohl fühlte, daß er es hier nicht zum äußersten kommen lassen dürfte, und bei aller Lust, dem Kecken das Tanzen mit seiner Schwester zu verleiden, doch das Aufsehen scheute, machte keinen weiteren tätlichen Versuch, um seine Schwester zurückzuhalten. Auch blieb der bittende und zugleich abwehrende vorwurfsvolle Ausdruck ihrer Züge nicht ohne Wirkung auf den Bruder. Sie sprach nicht; aber ihre Miene sagte: Wie kannst du dich unterstehen, mir das wehren! – Doch nahm sie sich vor, mit diesem Tanz ein Ende zu machen und dem Bruder ferneren Vorwand zum Zwist zu entziehen. Indes begnügte sich dieser damit, dem Tänzer der Schwester, äußerlich gelassen, das Mahnwort hinzuwerfen: »In Oberhofen tätst du's nicht wagen.«
»Nicht? Das wollen wir doch darauf ankommen lassen!«
»Wenn du's Herz hast, komm auf unsere Kirwe!«
»Wann ist die?« fragte Schorsch, den Kopf stolz zurückbeugend, während Susel sanft weiterdrängte.
»Acht Tage nach dem Bergzaberer Martinimarkt, wenn die Sperben zeitig werden«, erläuterte Hannes gutmütig.
»So spät im Jahr?« erwiderte Schorsch. »Schade, daß es noch so lange dahin ist. Aber gut! Ich nehme deine Einladung an.«
Und damit eilte er mit Susel zum Tanz. Aber kaum begonnen, sollte auch dieser schon ein Ende nehmen. Einige Münsterer hatten sich in einer Ecke des Saales aufgestellt und qualmten schon seit längerer Zeit aus ihren Maser- und Meerschaumköpfen so unverdrossen und emsig darauf los, daß sich dichte Rauchwolken über den Raum hinlagerten und alles nebelhaft einhüllten.
»Weg mit den Tabakspfeifen!« riefen die Einheimischen.
»Jetzt gerade nicht!« war die Antwort. »Wollen wir doch den Moosrupfern die Kröpfe gehörig aufqualmen und einräuchern!«
Als ein Einheimischer dem Nächststehenden die Pfeife aus dem Munde riß, hatte ihn schon eine kräftige Faust an der Gurgel. Im Nu ging es los. Die Mädchen flogen zur Seite.
»Ich muß heim, mit meinem Bruder, laß mich, Schorsch!« bat Susel ängstlich und durch den Lärm erschreckt.
Er führte das Mädchen aus dem Getümmel und geleitete sie zu ihrem Bruder, der mit Hannes und Liesel schon am Ausgang war. Dann wandte sich Schorsch jener Stelle zu, wo seine Ortsgenossen im heftigen Ringen des Beistandes am bedürftigsten schienen.
Susel hatte beim Rückzug immerhin noch Zeit zu der beruhigenden Beobachtung gehabt, daß sich die Münsterer auf dem Platz behaupteten und daß durch das Dazwischentreten der Ortspolizei Ruhe gestiftet wurde. Man hatte weder Stuhlfüße noch Weinflaschen ergriffen; es war ohne großen Schaden abgegangen. Trotz der blutigen Schrammen und Nasen, trotz der roten Lachen auf dem Boden, war es nur ein gewöhnliches »Gerupfe« gewesen, wie es zu einer ordentlichen Kirchweih gehört.
Lustig fing die Musik wieder zu spielen an. Als sich Schorsch jedoch nach seiner Tänzerin umsah, war sie nicht mehr zu finden.