Honoré de Balzac
Eine dunkle Geschichte
Honoré de Balzac

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Man weiß, wenn man beobachtet wird. Couraut und Michu, die nur eine Seele zu haben schienen, lebten zusammen wie der Araber in der Wüste mit seinem Pferde. Der Verwalter kannte alle Tonarten Courauts und wußte, was sie bedeuteten. Ebenso las der Hund seinem Herrn die Gedanken von den Augen ab und roch sie in dem Dunstkreis seines Körpers.

»Was sagst du dazu?« fragte Michu ganz leise seine Frau und wies auf zwei unheimliche Gestalten, die in einer Seitenallee auftauchten und auf das Rondel zuschritten.

»Was geht in der Gegend vor? Das sind Pariser!« sagte die Alte.

»Ah, siehe da!« rief Michu aus. »Verbirg doch meine Büchse«, sagte er seiner Frau ins Ohr. »Sie kommen auf uns zu.«

Die Gesichter der beiden Pariser, die über das Rondel schritten, wären für einen Maler gewiß typisch gewesen. Der eine, anscheinend der Untergebene, trug Stulpstiefel, die etwas tief herabfielen, so daß seine dürren Waden in gestreiften Seidenstrümpfen von zweifelhafter Sauberkeit zum Vorschein kamen. Die Kniehose aus geripptem, aprikosenfarbenem Tuch mit Metallknöpfen war etwas zu weit. Der Leib hatte bequem Platz darin und die abgescheuerten Falten deuteten durch ihre Lage auf einen Kanzleimenschen. Die mit dicken Stickereien überladene Pikeeweste war offen und über dem Bauche mit einem einzigen Knopfe zugeknöpft. Sie gab dem Mann ein unordentliches Aussehen, nicht minder sein schwarzes Haar, das in Korkzieherlocken über die Stirn und die Wangen herabfiel. Zwei Uhrketten aus Stahl hingen auf die Hose herab. Das Hemd war mit einer Nadel geschmückt, die eine weißblaue Kamee zierte. Der zimtfarbene Rock empfahl sich den Karikaturenzeichnern durch einen langen Schoß, der von hinten gesehen so völlig einem Stockfischschwanz glich, daß man ihn danach nannte. Die Mode der Stockfischschwanzröcke hat zehn Jahre gedauert, fast solange wie Napoleons Herrschaft. Die Krawatte war locker und in zahlreichen großen Falten gebunden, so daß ihr Träger sein Gesicht bis zur Nase darin verstecken konnte. Sein finniges Gesicht, seine dicke ziegelrote Nase, seine geröteten Backenknochen, sein zahnloser, aber drohender und gefräßiger Mund, seine mit dicken goldenen Ohrringen geschmückten Ohren und seine niedrige Stirn, alle diese Einzelheiten, die an sich grotesk erscheinen, wurden furchtbar durch zwei kleine Augen, deren Stellung und Ausschnitt an Schweinsaugen gemahnte. Sie verrieten unersättliche Gier und eine spöttische, gleichsam fröhliche Grausamkeit. Diese beiden suchenden, durchdringenden Augen von eisigem, erstarrtem Blau konnten als Vorbild des berühmten Auges gelten, das während der Revolution als Wahrzeichen der Polizei erfunden wurde. Er trug seidene Handschuhe und einen Spazierstock in der Hand. Er mußte irgendein Beamter sein, denn seine Haltung und die Art, wie er Tabak nahm und ihn in die Nase schob, verriet die bureaukratische Wichtigtuerei eines Unterbeamten, der aber sichtlich etwas bedeutete und durch höhere Befehle zurzeit unumschränkt war.

Der andre war ähnlich gekleidet, aber elegant und bis in die kleinsten Einzelheiten gepflegt. Seine über eine enganliegende Hose gezogenen Suworoffstiefel knarrten beim Gehen. Über dem Rock trug er einen Spencer nach der aristokratischen Mode, die die Bewohner von Clichy und die Jeunesse dorée aufgebracht hatten und die beide überlebt hatte. Die Moden dauerten damals länger als die Parteien, ein Zeichen der Anarchie, die uns auch das Jahr 1830 gezeigt hat. Dieser vollendete Stutzer mochte dreißig Jahre alt sein. Seine Manieren schmeckten nach guter Gesellschaft; er trug wertvolle Juwelen. Sein Hemdkragen reichte bis zu den Ohren. Sein geckenhaftes, fast anmaßliches Wesen verriet eine Art geheimer Überlegenheit; sein bleiches Gesicht schien völlig blutleer; seine dünne Stumpfnase hatte die höhnische Form einer Totenkopfnase, und seine grünen Augen waren undurchdringlich. Ihr Blick war ebenso zurückhaltend, wie sein schmaler, verkniffener Mund es sein mußte. Er schlug mit einem Rohrstock in die Luft, dessen Goldknopf in der Sonne glänzte. Mit diesem dürren, hageren, jungen Manne verglichen, mußte der erste ein guter Kerl sein. Er konnte wohl selbst einen Kopf abschneiden, aber der andre war imstande, Unschuld, Schönheit und Tugend in die Netze der Verleumdung und der Ränke zu verstricken und sie kaltherzig zu ertränken oder zu vergiften. Der Rotbäckige hätte sein Opfer mit Witzen getröstet, der andre nicht mal gelächelt. Der erste war fünfundzwanzig Jahre alt, er mußte die Tafelfreuden und Frauen lieben. Solche Leute haben sämtlich Leidenschaften, die sie zu Sklaven ihres Berufes machen. Aber der Jüngere war ohne Leidenschaften und Laster. War er Spion, dann gehörte er zur Diplomatie und arbeitete um der Kunst willen. Er entwarf Pläne, der andre führte sie aus; er war der Gedanke, der andre die Hand.

»Wir sind wohl in Gondreville, gute Frau?« fragte der Jüngere.

»Hier sagt man nicht gute Frau«, antwortete Michu. »Wir nennen uns noch einfach Bürger und Bürgerin.«

»Ach!« sagte der junge Mann mit der natürlichsten Miene und schien keineswegs verletzt.

In einer Gesellschaft empfinden die Spieler, namentlich beim Ecarté, oft einen inneren Schrecken, wenn sich vor ihnen, mitten in ihrem Glück, ein Mitspieler niederläßt, dessen Blick und Stimme, dessen Art, die Karten zu mischen, ihnen eine Niederlage prophezeit. Beim Anblick des jungen Mannes hatte Michu ein ähnliches Gefühl. Er hatte eine Todesahnung und sah undeutlich das Schafott vor sich. Eine Stimme raunte ihm zu, dieser Stutzer werde ihm verderblich werden, obwohl sie noch nichts miteinander gemein hatten. Daher hatte er schroff geantwortet; er wollte grob sein und war es.

»Unterstehen Sie nicht dem Staatsrat Malin?« fragte der zweite Pariser.

»Ich bin mein eigener Herr«, entgegnete Michu.

»Nun denn, meine Damen,« fragte der junge Mann äußerst höflich, »sind wir in Gondreville? Wir werden dort von Herrn Malin erwartet.«

»Der Park ist dort«, sagte Michu und wies auf das Gitter.

»Und warum verstecken Sie diese Büchse, schönes Kind?« fragte der joviale Begleiter des jungen Mannes, als er durch das Gittertor schritt und den Lauf erblickte.

»Du bist stets bei der Arbeit, selbst auf dem Lande!« rief der junge Mann lächelnd.

Alle beide kehrten, von Mißtrauen ergriffen, um. Der Verwalter erriet den Grund, trotz der Gleichgültigkeit ihrer Mienen. Martha ließ sie die Büchse besehen, während Couraut bellte. Sie war überzeugt, daß Michu irgendeinen schlimmen Streich plante, und fast froh über den Scharfblick der Unbekannten. Michu warf seiner Frau einen Blick zu, bei dem sie erbebte. Dann ergriff er die Büchse und wollte eine Kugel in den Lauf stoßen. Er nahm die schlimmen Möglichkeiten dieser Entdeckung und Begegnung hin. Sein Leben schien ihm nichts mehr wert, und seine Frau begriff seinen verhängnisvollen Entschluß wohl.

»Sie haben wohl Wölfe hier?« fragte der junge Mann Michu.

»Wölfe sind überall, wo es Schafe gibt. Die Herren sind in der Champagne, und hier ist ein Wald. Aber wir haben auch Wildschweine, große und kleine. Wir haben von allem etwas«, sagte Michu mit spöttischer Miene.

Der Ältere wechselte einen Blick mit dem andern. Dann sagte er: »Ich wette, Corentin, dieser Mann ist mein Michu . . .«

»Wir haben noch keine Schweine zusammen gehütet«, sagte der Gutsverwalter.

»Nein, aber wir waren Vorsitzende des Jakobinerklubs, Bürger«, entgegnete der alte Zyniker. »Sie in Arcis, ich anderswo. Du hast die Höflichkeit der Carmagnole bewahrt, aber sie ist nicht mehr in Mode, mein Junge.«

»Der Park scheint mir recht groß. Wir könnten uns darin verlaufen. Wenn Sie der Verwalter sind, lassen Sie uns ins Schloß führen«, sagte Corentin in gebieterischem Tone.

Michu pfiff seinem Sohn und lud seine Büchse weiter. Corentin blickte Martha gleichgültig an, während sein Gefährte entzückt schien. Aber er bemerkte an ihr Spuren von Angst, die dem alten Wüstling entgingen. Hatte ihn doch selbst die Büchse erschreckt. Beider Wesen spiegelte sich vollkommen in dieser bedeutsamen Kleinigkeit.

»Ich habe ein Stelldichein jenseits des Waldes«, sagte der Verwalter. »Ich kann Ihnen diesen Dienst nicht selbst leisten; aber mein Sohn wird Sie zum Schloß führen. Von wo kommen Sie denn nach Gondreville? Wohl über Cinq-Cygne?«

»Wir hatten wie Sie im Walde zu tun«, sagte Corentin mit unmerklicher Ironie.

»Franz!« rief Michu, »führe die Herren auf Fußwegen zum Schloß, damit man sie nicht sieht. Sie gehen nicht auf der großen Straße . . . Erst komm mal her!« setzte er hinzu, als er sah, daß die beiden Fremden ihm den Rücken gekehrt hatten und im Gehen leise miteinander sprachen.

Michu packte den Knaben und küßte ihn fast andächtig, mit einem Ausdruck, der die Befürchtung seiner Frau bestätigte. Es lief ihr kalt über den Rücken und sie blickte ihre Mutter mit tränenlosem Blick an, denn weinen konnte sie nicht.

»Geh!« sagte Michu zu seinem Sohne und blickte ihm nach, bis er ihn ganz aus den Augen verloren hatte.

Couraut bellte in der Richtung nach dem Pachthof Grouage.

»Oh, das ist Violette«, fuhr Michu fort. »Seit heute morgen kommt er zum drittenmal vorbei. Was liegt denn in der Luft? . . . Genug, Couraut!«

Gleich darauf hörte man den kurzen Trab eines Pferdes. Violette ritt einen Klepper, wie ihn die Pächter in der Umgegend von Paris benutzen. Unter einem runden, breitkrempigen Hut erschien sein holzfarbenes, faltiges Gesicht noch finstrer als sonst. Seine grauen, boshaften, blitzenden Augen verrieten sein falsches Gemüt. Seine dürren Beine hingen in weißen, bis zum Knie reichenden Leinengamaschen ohne Steigbügel herab und schienen von dem Gewicht seiner groben, eisenbeschlagenen Schuhe gehalten zu werden. Über seinem blauen Kittel trug er einen groben, weiß- und schwarzgestreiften Wollmantel. Sein graues Haar fiel im Schopfe in Locken herab. Dieser Aufzug, das graue Pferd mit den kleinen, kurzen Beinen, die Art, wie Violette daraufsaß, den Leib vorgeschoben, den Oberkörper zurückgelegt, die grobe, rissige, erdfarbene Hand, die einen elenden, angefressenen und schadhaften Zügel hielt, das alles verriet einen habsüchtigen, ehrgeizigen Bauern, der Land besitzen will und es um jeden Preis kauft. Sein Mund mit den bläulichen Lippen, der wie vom Messer eines Chirurgen gespalten war, die unzähligen Runzeln in Gesicht und Stirn hinderten das Spiel der Gesichtszüge, deren Umrisse allein Ausdruck hatten. Diese harten, feststehenden Linien schienen zu drohen, trotz des bescheidenen Wesens, das sich fast alle Landleute geben und unter dem sie ihre Erregung und ihre Berechnungen verbergen wie die Orientalen und die Wilden, die ihre unter unerschütterlichem Ernst verhehlen. Vom einfachen Tagelöhner hatte er es durch ein System zunehmender Niedertracht zum Pächter von Grouage gebracht und er setzte dies System noch fort, als er eine Stellung errungen hatte, die seine ersten Wünsche übertraf. Er wünschte dem Nächsten Böses, und zwar leidenschaftlich. Konnte er dazu beitragen, so tat er es gerne. Violette war ein erklärter Neidbold; aber bei all seinen Tücken blieb er in den Grenzen des Gesetzes und übte nicht mehr und nicht minder als eine parlamentarische Opposition aus. Er glaubte, sein Wohlstand hinge vom Ruin der andern ab, und alles, was über ihm stand, war für ihn ein Feind, gegen den jedes Mittel gut sein mußte. Dieser Charakter ist unter den Bauern ziemlich verbreitet. Gegenwärtig lag ihm vor allem am Herzen, von Malin eine Verlängerung seiner Pacht zu erlangen, die nur noch sechs Jahre lief. Er war eifersüchtig auf den Wohlstand des Verwalters und paßte ihm scharf auf. Die Leute der Gegend feindeten ihn wegen seiner Beziehungen zu den Michus an; doch in der Hoffnung, seine Pacht auf zwölf weitere Jahre verlängern zu lassen, spähte der schlaue Pächter nach einer Gelegenheit, der Regierung oder Malin, der Michu mißtraute, einen Dienst zu leisten. Mit Hilfe des Wächters von Gondreville, des Feldhüters und einiger Holzhacker hielt Violette den Polizeikommissar von Arcis über Michas geringste Handlungen auf dem Laufenden. Dieser Beamte hatte vergebens versucht, Marianne, Michus Magd, für die Interessen der Regierung zu gewinnen; aber Violette und seine Getreuen erfuhren alles durch Gaucher, den kleinen Knecht, auf dessen Treue Michu sich verließ und der ihn doch für Kleinigkeiten, für Westen, Schnallen, baumwollene Strümpfe und Leckereien verriet. Violette schwärzte alle Handlungen Michus an, machte sie durch die unsinnigsten Unterstellungen zu Verbrechen, ohne daß der Verwalter etwas ahnte, obgleich er wußte, welche erbärmliche Rolle der Pächter bei ihm spielte, und sich einen Spaß daraus machte, ihn zum besten zu halten.

»Sie haben wohl viel in Bellache zu tun, daß Sie schon wieder da sind?« fragte Michu.

»Schon wieder! Das ist ein Vorwurf, Herr Michu . . . Mit der Tonart kommen Sie mir nicht! Die Büchse da kannte ich bei Ihnen noch nicht . . .«

»Sie stammt von einem meiner Felder, auf dem Büchsen wachsen«, entgegnete Michu. »Da, sehen Sie, wie ich sie säe.«

Der Verwalter nahm auf dreißig Schritt eine Schlangenblume aufs Korn und schoß sie glatt ab.

»Haben Sie diese Banditenwaffe, um Ihren Herrn zu beschützen? Er hat sie Ihnen wohl geschenkt?«

»Er ist extra aus Paris gekommen, um sie mir zu bringen«, antwortete Michu.

»Allerdings schwatzt man rings im Lande von seiner Reise. Die einen behaupten, er sei in Ungnade und ziehe sich von den Geschäften zurück. Die andern sagen, er wolle hier klar sehen . . . Nun ja, warum kommt er denn, ohne ein Wort zu sagen, genau wie der Erste Konsul? Wußten Sie, daß er kam?«

»Ich stehe mich nicht so gut mit ihm, daß er mir etwas anvertraut.«

»So haben Sie ihn noch nicht gesehen?«

»Ich erfuhr seine Ankunft erst, als ich von meinem Rundgang im Walde zurückkam«, entgegnete Michu und lud seine Büchse wieder.

»Er hat nach Arcis geschickt, um Herrn Grévin zu holen. Sie werden etwas Tribun spielen.«

Malin war Tribunatsmitglied gewesen.

»Wenn Sie in der Richtung nach Cinq-Cygne reiten,« sagte der Verwalter, »so nehmen Sie mich mit; ich will dorthin.«

Violette war zu ängstlich, um einen Mann von Michus Kraft hinter sich aufs Pferd zu nehmen, und ritt fort. Der Judas warf seine Büchse über die Schulter und eilte nach der Allee.

»Auf wen hat es Michu denn abgesehen?« fragte Martha ihre Mutter.

»Seit er Herrn Malins Ankunft erfahren hat, ist er recht finster geworden«, entgegnete sie. »Aber es ist feucht, wir wollen ins Haus gehen.«

Als die beiden Frauen unter dem Kaminmantel saßen, schlug Couraut an.

»Da kommt mein Mann!« rief Martha.

In der Tat kam Michu die Treppe herauf; seine Frau ging besorgt zu ihm in ihr Schlafzimmer.

»Sieh nach, ob niemand da ist«, gebot er Martha mit bewegter Stimme.

»Niemand«, entgegnete sie. »Marianne ist auf dem Feld mit der Kuh. Und Gaucher . . .«

»Wo ist Gaucher?« fragte er.

»Ich weiß nicht.«

»Ich mißtraue dem kleinen Schlingel. Geh auf den Boden, durchstöbere ihn und suche in den kleinsten Winkeln des Pavillons.«

Martha ging und suchte. Als sie zurückkam, fand sie Michu kniend und betend.

»Was hast du denn?« fragte sie erschrocken.

Der Verwalter faßte seine Frau um die Hüften, zog sie an sich, gab ihr einen Kuß auf die Stirn und antwortete mit bewegter Stimme:

»Wenn wir uns nicht wiedersehen, so wisse, arme Frau, daß ich dich recht lieb hatte. Befolge Punkt für Punkt meine Anweisungen. Sie stehen in einem Briefe, den ich am Fuß der Lärche dort in der Baumgruppe vergraben habe«, setzte er nach einer Pause hinzu und wies auf einen Baum. »Er steckt in einem Blechrohr. Rühre ihn erst nach meinem Tode an. Kurz, was auch geschehen möge, bedenke, daß mein Arm trotz der Ungerechtigkeit der Menschen der Gerechtigkeit Gottes gedient hat.«

Martha erbleichte zusehends und ward weiß wie ihr Bettlaken. Sie blickte ihren Mann mit starren, angstvoll aufgerissenen Augen an; sie wollte sprechen, aber das Wort blieb ihr in der Kehle stecken. Michu entwich wie ein Schatten; er hatte Couraut an den Fuß seines Bettes angebunden, und das Tier begann verzweifelt zu heulen.

Michus Zorn gegen Marion hatte ernste Gründe gehabt, aber er hatte sich gegen einen Mann gekehrt, der in seinen Augen viel verbrecherischer war, nämlich gegen Malin. Dessen Geheimnisse hatten sich vor den Blicken des Verwalters entschleiert, der mehr als irgendwer in der Lage war, das Benehmen des Staatsrats richtig einzuschätzen. Michus Schwiegervater hatte, politisch gesprochen, das Vertrauen Malins besessen, der durch Grévins Bemühungen zum Vertreter der Aube im Konvent ernannt worden war.

Vielleicht ist es nicht grundlos, die Umstände zu erzählen, die die Simeuses und die Cinq-Cygnes mit Malin zusammengeführt hatten und die auf dem Schicksal der beiden Zwillinge und des Fräuleins von Cinq-Cygne lasteten, aber noch mehr auf dem Marthas und Michus. In Troyes lag das Hotel Cinq-Cygne dem Hotel Simeuse gegenüber. Als der von ebenso kundigen wie vorsichtigen Händen entfesselte Pöbel das Hotel Simeuse geplündert hatte, wurden der Marquis und die Marquise entdeckt, die des Einverständnisses mit den Feinden beschuldigt waren, und den Nationalgarden überliefert, die sie ins Gefängnis abführten. Da schrie die Menge folgerichtig: »Zu den Cinq-Cygnes!« Sie konnte sich nicht denken, daß die Cinq-Cygnes an dem Verbrechen der Simeuses unbeteiligt waren. Der würdige und mutige Marquis von Simeuse hatte ein paar Augenblicke vor dem Sturm seine beiden achtzehnjährigen Söhne, die sich durch ihren Mut bloßstellen konnten, ihrer Tante, der Gräfin Cinq-Cygne, anvertraut. Zwei dem Hause Simeuse ergebene Diener hielten die jungen Leute eingesperrt. Der Greis, der nicht wollte, daß sein Name erlosch, hatte angeordnet, seinen Söhnen im Fall des äußersten Unglücks alles zu verbergen.

Laurence, damals zwölf Jahre alt, wurde von beiden Brüdern gleich geliebt und liebte sie ebenso. Wie viele Zwillinge, glichen die beiden Simeuses sich derart, daß ihre Mutter ihnen lange Zeit Kleider von verschiedener Farbe gab, um sie zu unterscheiden. Der Erstgeborene hieß Paul Maria, der zweite Maria Paul. Laurence von Cinq-Cygne, der das Geheimnis der Lage anvertraut war, spielte ihre Frauenrolle sehr gut. Sie flehte ihre Vettern an, machte sie nachgiebig und bewachte sie, bis der Pöbel das Haus Cinq-Cygne umringte. Nun begriffen beide Brüder die Gefahr augenblicklich und sagten es sich durch einen Blick. Ihr Entschluß stand sofort fest; sie bewaffneten ihre beiden Diener, die der Gräfin Cinq-Cygne, verrammelten die Tür, schlossen die Fensterläden und stellten sich dann mit fünf Dienern und dem Abbé von Hauteserre, einem Verwandten der Cinq-Cygnes, an den Fenstern auf. Die acht mutigen Kämpfer eröffneten ein mörderisches Feuer auf die Volksmasse. Jeder Schuß tötete oder verwundete einen Angreifer. Laurence verzweifelte nicht, sie lud die Gewehre mit äußerster Kaltblütigkeit und versah die Schützen mit Kugeln und Pulver. Die Gräfin Cinq-Cygne war in die Knie gesunken.

»Was tust du, Mutter?« fragte Laurence.

»Ich bete,« entgegnete sie, »für sie wie für euch.«

Im Nu waren elf Personen getötet und lagen zwischen den Verwundeten am Boden. Derartige Ereignisse kühlen den Pöbel ab oder steigern seine Wut; er verbeißt sich in sein Vorhaben oder gibt es auf. Die Vordersten wichen entsetzt zurück, aber die ganze Masse, die morden und rauben wollte, schrie beim Anblick der Toten: »Schlagt sie tot! Schlagt sie tot!«

Die vorsichtigen Leute gingen den Volksvertreter holen. Die beiden Brüder, die nun von den schicksalsvollen Ereignissen des Tages erfuhren, schöpften Verdacht, das Konventsmitglied wollte den Untergang ihres Hauses, und dieser Verdacht ward alsbald zur Gewißheit. Von Rachedurst getrieben, stellten sie sich in die Toreinfahrt und luden ihre Gewehre, um Malin im Augenblick seines Erscheinens zu töten. Die Gräfin hatte den Kopf verloren. Sie sah ihr Haus in Asche und ihre Tochter ermordet. Sie schalt ihre Verwandte für die heldenhafte Verteidigung, die Frankreich acht Tage lang beschäftigte. Laurence öffnete die Tür ein wenig, als Malin sie dazu aufforderte. Bei ihrem Anblick verließ sich der Volksvertreter auf seine gefürchtete Eigenschaft, auf die Schwäche des Kindes und trat ein.

»Wie, mein Herr,« antwortete sie auf seine ersten Worte, als er Rechenschaft über diesen Widerstand forderte, »Sie wollen Frankreich die Freiheit geben, und Sie schützen die Leute nicht im eignen Hause! Man will unser Haus zerstören, uns ermorden, und wir sollten nicht mal das Recht haben, Gewalt mit Gewalt zurückzuweisen! . . .«

Malin stand wie angenagelt.

»Sie, der Enkel eines Maurers, den der große Marquis beim Bau seines Schlosses beschäftigt hat,« sagte Maria Paul zu ihm, »Sie dulden, daß unser Vater ins Gefängnis geschleppt wird, und hören auf eine Verleumdung!«

»Er wird in Freiheit gesetzt werden«, sagte Malin, der sich für verloren hielt, als er sah, wie die beiden jungen Leute krampfhaft ihre Gewehre schwenkten.

»Diesem Versprechen verdanken Sie Ihr Leben«, sagte Maria Paul feierlich. »Aber wird es nicht heute abend erfüllt, so werden wir Sie zu finden wissen!«

»Was diesen brüllenden Pöbel betrifft,« sagte Laurence, »so schicken Sie ihn fort, oder der erste Schuß trifft Sie . . . Nun, Herr Malin, gehen Sie hinaus!«

Das Konventsmitglied ging hinaus und hielt eine Ansprache an die Menge. Er sprach von der Heiligkeit des Herdes, vom Habeas corpus und dem englischen Hausrecht. Er sagte, das Gesetz und das Volk seien souverän, das Gesetz sei das Volk und das Volk dürfe nur durch das Gesetz handeln; das Gesetz müsse gewahrt bleiben. Das Gesetz der Notwendigkeit machte ihn beredt; er zerstreute den Auflauf. Aber nie vergaß er den Ausdruck der Verachtung im Gesicht der beiden Brüder, noch das »Gehen Sie hinaus« des Fräuleins von Cinq-Cygne. Als daher die Rede davon war, die Güter des Grafen von Cinq-Cygne als Nationalgut zu verkaufen, wurde die Aufteilung streng durchgeführt. Die Kreiskommission ließ Laurence nichts als das Schloß, den Park und den Pachthof Cinq-Cygne. Nach Malins Anweisung hatte Laurence nur Anspruch auf ihr Pflichtteil, denn an Stelle des Emigranten trat die Nation, zumal wenn er die Waffen gegen die Republik trug.

Am Abend nach diesem furchtbaren Sturm flehte Laurence ihre beiden Vettern so heftig an, das Weite zu suchen, denn sie fürchtete für sie irgendeinen Verrat und die Fallstricke des Volksvertreters, – daß sie zu Pferde stiegen und zu den Vorposten der preußischen Armee stießen. In dem Augenblick, als die beiden Brüder den Wald von Gondreville erreichten, wurde das Haus Cinq-Cygne umstellt; der Volksvertreter kam selbst mit bewaffneter Macht, um die Erben des Hauses Simeuse zu verhaften. An die Gräfin Cinq-Cygne, die damals mit furchtbarem Nervenfieber zu Bette lag, wagte er sich nicht heran, ebensowenig an Laurence, ein Kind von zwölf Jahren. Die Diener waren aus Angst vor der Strenge der Republik verschwunden. Am nächsten Morgen verbreitete sich in der Gegend die Kunde von dem Widerstand der beiden Brüder und ihrer Flucht nach Preußen, wie es hieß. Vor dem Haus Cinq-Cygne entstand eine Zusammenrottung von dreitausend Menschen, und es ward mit unerklärlicher Geschwindigkeit zerstört. Frau von Cinq-Cygne, die ins Haus Simeuse gebracht ward, starb dort in einem verstärkten Fieberanfall.

Michu hatte erst nach diesen Ereignissen den politischen Schauplatz betreten, denn der Marquis und die Marquise blieben ungefähr fünf Monate im Gefängnis. In dieser Zeit erhielt der Volksvertreter der Aube eine Mission. Als jedoch Marion Gondreville an Malin verkaufte, als die ganze Gegend die Wirkungen der Volksgärung vergessen hatte, begriff Michu den ganzen Malin oder glaubte ihn doch zu begreifen, denn Malin gehört wie Fouché zu den Personen, die so viele Gesichter, und unter jedem Gesicht so viel Tiefe haben, daß sie im Augenblick ihres Spiels undurchdringlich sind und erst lange nachher erklärt werden können. Bei den großen Gelegenheiten seines Lebens unterließ Malin nie, seinen treuen Freund Grévin, den Notar in Arcis, zu Rate zu ziehen, denn sein Urteil über Dinge und Menschen war aus der Ferne scharf, klar und bestimmt. Diese Gewohnheit ist die Klugheit und Stärke der Menschen zweiten Ranges. Nun lagen die Dinge im November 1803 für den Staatsrat so ernst, daß ein Brief beide Freunde bloßgestellt hätte. Malin, der zum Senator ernannt werden sollte, fürchtete eine Auseinandersetzung in Paris. Er verließ sein Haus und reiste nach Gondreville, wobei er dem Ersten Konsul nur einen einzigen von den Gründen angab, aus denen ihm seine Reise erwünscht war, einen Grund, der ihm in Bonapartes Augen das Ansehen von Eifer gab, während es sich doch nicht um den Staat, sondern um ihn selbst handelte. Als nun Michu im Park nach Art der Wilden auf einen günstigen Augenblick für seine Rache lauerte, führte der politische Malin, der gewöhnt war, alle Ereignisse zu seinen Gunsten auszubeuten, seinen Freund nach einer kleinen Wiese des englischen Gartens, einem verlassenen Fleck, der zu geheimer Zwiesprache günstig war. In der Mitte der Wiese stehend und leise sprechend, waren beide Freunde zu weit entfernt, um belauscht zu werden, falls jemand sich zu diesem Zwecke versteckt hatte, und sie konnten das Thema wechseln, wenn Unberufene dazu kamen.

»Warum sind wir nicht in einem Zimmer des Schlosses geblieben?« fragte Grévin.

»Hast du nicht die beiden Leute gesehen, die mir der Polizeipräfekt schickt?«

Obgleich Fouché bei der Verschwörung von Pichegru, Georges, Moreau und Polignac die Seele des Konsulatskabinetts gewesen war, leitete er das Polizeiministerium nicht und war damals einfacher Staatsrat wie Malin.

»Diese beiden Leute sind Fouchés zwei Arme. Der eine, der junge Stutzer, dessen Gesicht wie eine Flasche Limonade aussieht, der Essig auf den Lippen und Kratzer in den Augen hat, der hat dem Aufstand im Westen im Jahre VII binnen vierzehn Tagen ein Ende gemacht. Der andre ist ein Kind Lenoirs, der einzige, der die großen Traditionen der französischen Polizei im Leibe hat. Ich hatte um irgendeinen untergeordneten Agenten gebeten, der sich auf eine offizielle Persönlichkeit stützen sollte, und man schickt mir die beiden Gesellen! Ach, Grévin! Fouché will mir zweifellos in die Karten sehen. Darum ließ ich die beiden Herren im Schlosse speisen; sie mögen alles durchsuchen, sie werden weder Ludwig XVIII. noch irgendein Anzeichen finden.«

»Oho!« sagte Grévin, »welches Spiel spielst du denn?«

»Nun, mein Freund, ein Doppelspiel ist recht gefährlich, aber in bezug auf Fouché ist es ein dreifaches Spiel. Er hat vielleicht gewittert, daß ich die Geheimnisse des Hauses Bourbon kenne.«

»Du?«

»Ich«, entgegnete Malin.

»Hast du Favras vergessen?«

Dies Wort machte dem Staatsrat Eindruck.

»Und seit wann?« fragte Grévin nach einer Pause.

»Seit dem Konsulat auf Lebenszeit.«

»Und doch keine Beweise ?«

»Nicht so viel«, sagte Malin und machte die übliche Gebärde mit dem Daumennagel.

In kurzen Worten entwarf Malin ein deutliches Bild der kritischen Lage, in die Bonaparte England brachte, das durch das Lager von Boulogne auf Tod und Leben bedroht war. Er erklärte Grévin die in Frankreich und Europa unbekannte, aber von Pitt geahnte Tragweite dieses Landungsplanes, dann die kritische Lage, in die England Bonaparte bringen wollte. Eine gewaltige Koalition, Preußen, Österreich und Rußland, sollte, mit englischem Gelde bezahlt, siebenhunderttausend Mann unter die Waffen bringen. Zugleich spannte im Innern eine furchtbare Verschwörung ihr Netz und vereinigte die Bergpartei, die Chouans, die Royalisten und ihre Prinzen.

»Solange Ludwig XVIII. drei Konsuln sah, glaubte er, die Anarchie gehe weiter und er könne mit Hilfe irgendeiner Bewegung Rache für den 13. Vendémiaire und den 18. Fructidor nehmen«, sagte Malin. »Aber das Konsulat auf Lebenszeit hat Bonapartes Pläne enthüllt; bald wird er Kaiser sein. Dieser ehemalige Leutnant trägt sich mit dem Gedanken, eine Dynastie zu gründen! Nun, diesmal will man ihm ans Leben, und der Streich ist noch geschickter angelegt als der in der Rue Saint-Nicaise. Pichegru, Georges, Moreau, der Herzog von Enghien, Polignac und Rivière, die beiden Freunde des Grafen von Artois, sind beteiligt.«

»Was für ein Gemisch!« rief Grévin.

»Frankreich wird heimlich überfallen, man will von allen Seiten anstürmen, man wird kein Mittel unversucht lassen. Hundert Leute, die den Anschlag ausführen, von Georges geführt, sollen die Leibwache des Konsuls und den Konsul Mann gegen Mann angreifen.«

»Gut, denunziere sie!«

»Seit zwei Monaten halten der Konsul, sein Polizeiminister, der Präfekt und Fouché einen Teil dieses Riesengewebes in Händen, aber sie kennen seine ganze Ausdehnung nicht, und im Augenblick lassen sie fast alle Verschworenen frei herumlaufen, um alles zu erfahren.«

»Was das Recht betrifft,« versetzte der Notar, »so haben die Bourbonen wohl eher das Recht, ein Unternehmen gegen Bonaparte anzuzetteln, zu leiten und auszuführen, als Bonaparte das Recht hatte, am 18. Brumaire gegen die Republik zu konspirieren, deren Kind er war. Er mordete seine Mutter, sie aber wollen wieder in ihr Haus. Ich verstehe, daß die Prinzen, als die Emigrantenlisten geschlossen wurden, als die Streichungen zunahmen, der katholische Kult wieder eingeführt wurde und die gegenrevolutionären Erlasse sich häuften, begriffen haben, daß ihre Rückkehr schwierig, ja unmöglich würde. Bonaparte wird zum einzigen Hindernis ihrer Rückkehr, und dies Hindernis wollen sie wegräumen; nichts ist einfacher. Werden die Verschwörer besiegt, so sind sie Räuber. Siegen sie, so sind sie Helden, und deine Ratlosigkeit scheint mir da ganz natürlich.«

»Es handelt sich darum,« sagte Malin, »den Bourbonen den Kopf des Herzogs von Enghien zuwerfen zu lassen, wie der Konvent den Königen den Kopf Ludwigs XVI. zugeworfen hat, um ihn so tief wie uns in den Strom der Revolution zu tauchen; oder darum, den jetzigen Götzen des französischen Volkes und seinen künftigen Kaiser zu stürzen, um den wahren Thron auf seinen Trümmern aufzurichten. Ich bin der Spielball eines Ereignisses, eines wohlgezielten Pistolenschusses, einer Höllenmaschine der Rue Nicaise, die im rechten Augenblick explodiert. Man hat mir nicht alles gesagt. Man hat mir vorgeschlagen, im kritischen Augenblick den Staatsrat einzuberufen und die Wiedereinsetzung der Bourbonen gesetzlich in die Wege zu leiten.«

»Warte ab«, entgegnete der Notar.

»Unmöglich! Mir bleibt nur noch dieser Augenblick, um einen Entschluß zu fassen.«

»Und warum?«

»Die beiden Simeuses sind im Komplott und in der Gegend. Ich muß sie entweder verfolgen lassen, damit sie sich bloßstellen und ich sie loswerde, oder ich muß sie heimlich unterstützen. Ich hatte um untergeordnete Leute gebeten; man schickt mir ausgesuchte Luchse, die über Troyes gekommen sind, um die Gendarmerie für sich zu haben.«

»Gondreville ist das ›Halte fest‹, und die Verschwörung ist das ›So wirst du haben‹«, sagte Grévin. »Weder Fouché noch Talleyrand, deine beiden Partner, sind beteiligt: spiele mit ihnen offnes Spiel. Wie! Alle, die Ludwig XVI. den Kopf abschlugen, sind in der Regierung, und Frankreich wimmelt von Aufkäufern von Nationalgütern, und du möchtest die zurückführen, die Gondreville von dir herausfordern würden? Sind die Bourbonen keine Dummköpfe, so müssen sie mit dem Schwamm über alles gehen, was wir getan haben. Warne Bonaparte.«

»Ein Mann meines Ranges denunziert nicht«, sagte Malin lebhaft.

»Deines Ranges!« rief Grévin lächelnd.

»Man bietet mir das Justizministerium an.«

»Ich begreife, daß dich das blendet, und meine Sache ist es, in diesen politischen Finsternissen klar zu sehen, das Ausgangstor zu wittern. Nun ist es unmöglich vorauszusehen, welche Ereignisse die Bourbonen zurückführen können, wenn ein General Bonaparte achtzig Schiffe und vierhunderttausend Mann hat. Das Schwierigste in der ausschauenden Politik ist, zu wissen, wann eine sinkende Macht stürzen wird. Aber, Alterchen, Bonapartes Macht ist noch im Steigen begriffen . . . Hat Fouché dich nicht vielleicht sondieren lassen, um dein innerstes Denken zu erfahren und sich deiner zu entledigen?«

»Nein, des Gesandten bin ich sicher. Übrigens würde Fouché mir nicht zwei derartige Affen schicken, die ich zu gut kenne, um nicht Verdacht zu schöpfen.«

»Mir flößen sie Angst ein«, sagte Grévin. »Wenn Fouché dir nicht mißtraut, dich nicht auf die Probe stellen will, warum hat er sie dir dann geschickt? Fouché spielt einen derartigen Streich nicht ohne Grund . . .«

»Das entscheidet die Sache für mich!« rief Malin. »Ich werde vor den beiden Simeuses nie Ruhe haben. Vielleicht will Fouché, der meine Lage kennt, die beiden schnappen und glaubt durch sie bis zu den Condés durchzugreifen.«

»Ach, Alterchen, unter Bonaparte wird man den Besitzer von Gondreville nicht beunruhigen.«

Als Malin aufblickte, erkannte er im Laub einer großen dichten Linde den Lauf eines Gewehrs.

»Ich hatte mich nicht getäuscht; ich hatte das Knacken eines Hahnes gehört, der gespannt wird«, sagte er zu Grévin, nachdem er hinter einen dicken Baumstamm getreten war. Der Notar folgte ihm, über die plötzliche Bewegung seines Freundes beunruhigt.

»Es ist Michu«, sagte Grévin. »Ich sehe seinen roten Bart.«

»Wir wollen nicht so tun, als hätten wir Angst«, fuhr Malin fort und ging langsam weiter, während er mehrmals sagte:

»Was hat der Mann gegen die Käufer dieses Landgutes? Auf dich hatte er es gewiß nicht abgesehen. Wenn er uns gehört hat, muß ich ihn ins Gebet nehmen. Wir hätten lieber in die Ebene gehen sollen.«

»Man lernt nie aus«, versetzte der Notar. »Aber er war weit ab, und wir haben uns nur ins Ohr gesprochen.«

»Ich will Corentin zwei Worte darüber sagen«, entgegnete Malin.

Kurz darauf kehrte Michu heim, bleich und mit verzerrten Zügen.

»Was ist dir?« fragte seine Frau entsetzt.

»Nichts,« entgegnete er, als er Violette erblickte, dessen Anwesenheit ihn wie ein Blitzstrahl traf.


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