Ludwig Aurbacher
Aus dem Leben und den Schriften des Magisters Herle, und seines Freundes Mänle
Ludwig Aurbacher

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Fünfzehntes Kapitel.

Wie denn ein Lieblingsstudium, das wir treiben, uns immer beschäftigt und überall hin begleitet, so sprach Herle zumal mit seinem Freunde gern und oft über diesen Gegenstand. Zwar daß er sich vorgenommen, eine Sammlung von Schimpfwörtern anzulegen, mochte er ihm noch nicht so geradezu bekennen; doch konnte er den Wunsch nicht verbergen, deren, zumal aus dem gemeinen Leben, recht viele kennen zu lernen, da, wie er sagte, diese Wörter immerhin doch einen integrirenden und interessanten Theil der Sprache ausmachten. Sein Freund machte sich anheischig, ihm gelegentlich Beiträge zu liefern; und er, der sich in Allem großmüthig bewies, versprach ihm reellen Dank für dessen Bemühung.

Nun kannte Mänle, als Antiquar, so manche, wenn auch an sich höchst dürftige, doch in dieser Hinsicht immerhin noch reichhaltige Idiotiken, aus denen er denn, nach Bedarf, gemächlich seine Schimpfwörter herausschrieb, und dieselben duzendweise dem hochbeglückten Freunde mittheilte; wobei er übrigens sich wohl in Acht nahm, die Quellen zu nennen, um die seinige nicht versiegen zu machen; er gab sie vielmehr als mühsam aus Gedächtniß und Beobachtung zusammengeholte Resultate an, so daß er damit zu verstehen gab, er verdiene gar wohl das Glas Wein, welches ihm der Freund in der Freudigkeit seines Herzens jederzeit anboth.

Mänle ging in seiner literarischen Spekulation noch weiter. Aus den Gesprächen, die sein Freund über die Sprache und ihre Erforschung gern führte, nahm er mit Wohlgefallen, ja mit einigem Erstaunen wahr, daß dieser seine Materie nicht nur gründlich auffasse, sondern auch auf eine gefällige, unterhaltende Weise behandele. Es schien ihm erwünschlich zu seyn, daß so Manches, auch nur Fragmentarisches, niedergeschrieben, und nicht uneinträglich, wenn es sogar gedruckt und verbreitet würde. Er selbst hatte weder Muße noch Lust zur Aufzeichnung, und seinen Freund, dessen Bescheidenheit er wohl kannte, glaubte er wohl hiezu nimmermehr bewegen zu können.

Es fiel ihm ein Anschlag ein. Beide hatten einen ehemaligen Schulfreund in B**, wo er als Marktschreiber angestellt war, der von seinen Kameraden auf dem Gymnasium wegen seiner Affectation, recht fein Hochdeutsch zu sprechen, spottweise »der kleine Adelung« benamst wurde. Mit diesem hoffte er seinen Freund in Correspondenz zu setzen; denn er hatte bemerkt, daß Herle, je länger, je mehr, die gemeine oberdeutsche Mundart gegen Adelung in Schutz nahm, und mit schulmeisterischer Laune gegen das sächsische Hochdeutsch eiferte. Der Schalk aber wollte die Korrespondenz so einrichten, daß alle Briefe von dieß- und jenseits durch seine Hand liefen, wobei er natürlich die angeblichen Briefe des entfernten Freundes selbst verfaßte, die Briefe Herle's dagegen unterschlug, und zur dereinstigen Ausgabe in Druck hinterlegte, um sich einen Ehrensold zu verdienen. Es gelang ihm seine List vollkommen, und der Briefwechsel wurde ein halbes Jahr lang mit einem Eifer fortgesetzt, daß sich ein Stoff zu ein Paar stattlichen Heften anhäufte.

Wer wird Mänle's Speculation tadeln? Hoffentlich Niemand, am wenigsten die Buchhändler X, Y, Z, welche eben auch die Autoren als ihre Faiseurs, und ihre Werke als Waaren betrachten und behandeln.


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