Ludwig Aurbacher
Aus dem Leben und den Schriften des Magisters Herle, und seines Freundes Mänle
Ludwig Aurbacher

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Zwölftes Kapitel.

Es ist schwer, das Gefühl zu bezeichnen, welches unsern Freund zu Doris hinzog. Es war nicht Liebe – denn seine reine, gesunde Natur konnte wohl nicht durch eingebildete körperliche Reitze so gleich eingenommen und hingerissen werden; – es war vielmehr das Ungewohnte, das Vornehme, was ihn außer Fassung brachte und zu einer Art von Ehrfurcht gegen dieß weibliche Wesen nöthigte. In dem niedern und beschränkten bürgerlichen Kreise, worin er sich bisher bewegt hatte, war ihm keine ähnliche Erscheinung entgegen gekommen, – wenigstens nicht in einer so glänzenden Umgebung, – die eine besondere Theilnahme hätte erregen können. Nun aber wird der unerfahrne Jüngling plötzlich in einen höhern Kreis eingeführt; – der Vater, ein ausgezeichneter, einflußreicher Gelehrter, sein Gönner; – die Tochter, mit Ansprüchen auf die Huldigung hochgestellter Männer, zu ihm sich herablassend, wie eine Freundin zum Freunde; – er selbst, wie jeder unverdorbene Jüngling, voll Achtung und Ehrfurcht für ein Geschlecht, das durch Schönheit anzieht, durch Würde fest hält: alle diese Umstände, verbunden mit den Hoffnungen und Aussichten, die er sich aus diesem Verhältniß für die Zukunft versprach, trugen insgesammt bei, jenes unbestimmbare, obgleich entschiedene Gefühl in seinem Herzen hervorzubringen, und sein auffallendes äußeres Benehmen zu regeln.

Die Zusendung Knigge's, welche wohl jedem Andern als kränkend, ja als beleidigend vorgekommen wäre, erschien ihm selbst nur als ein Zeichen ihrer wohlwollenden, zudringlichen Aufmerksamkeit. »Die Holde – sprach er zu sich selbst – sie will dich für die höhere Gesellschaft, sie will dich zu sich heranbilden, auf daß du fähig und würdig seyest, in ihrem Kreise, in ihrem Herzen ein ehr- und liebreiches Plätzchen zu finden, und würdig zu behaupten.« Denn freilich, indem er sein Betragen musterte und seine Stellung in der Gesellschaft bedachte, sah der bescheidene junge Mann wohl ein, daß ihm noch gar Vieles mangelte, was ihm in der Gegenwart und noch mehr für die Zukunft einige Auszeichnung verschaffen könnte. Seine untergeordnete Amtsstelle zumal schien ihn immer noch unfähig zu machen zur Erreichung von Hoffnungen, die er in seinen Lebensplan aufgenommen hatte. Es fiel ihm dabei ein, daß Doris in ihrer Anrede den Titel »Präceptor« wohl nicht ohne Absicht vermieden habe, ein Beweis, daß sie, wenn auch seine Person, doch nicht sein Amt achten könne. Dieß schmerzte ihn, dieß betrübte und verwirrte ihn. Zu einer akademischen Professur war ihm ohnehin schon die Aussicht gänzlich benommen; was blieb ihm also noch übrig, als der Wunsch und der Drang, mindestens zu einer akademischen Würde zu gelangen. Er beschloß, bei der nächsten Gelegenheit sich deshalb mit Sr. Magnificenz zu berathen.


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