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Magnificus lächelte, als er den Vortrag des Präceptors vernommen. »Er sehe zwar nicht ein, sagte er, wozu ihm ein Titel der Art ohne Mittel frommen könne zu dessen Geltendmachung im Leben. Wenn aber der Herr Präceptor doch nach einer akademischen Würde geitze, so gebe es Grade, je nach dem Maaße von Kenntnissen, welche der Bewerber besitze. So weit er ihn, den Präceptor, kenne, so dürfte ihm der Grad eines Baccalaureus nicht entgehen, – ein Titel, welcher, so klang- als ehrenvoll! in der Zeit leider! in Abgang gekommen, und eine wahre Seltenheit geworden sey.«
Wer war froher, als Herle!
»Aber – fuhr Se. Magnificenz fort – obgleich die Bewerbung um diese niedere akademische Würde eben keines feierlichen Actus bedürfe, so sey doch eine Dissertation, ein schriftliches, wo möglich gedrucktes Specimen von wissenschaftlichem Gehalte notwendig, um die Ertheilung derselben zu motiviren. Worüber gedenken Sie zu disseriren?«
»Ueber Alles, versetzte Herle; Ew. Magnificenz dürfen nur befehlen.«
»Ueber Alles disseriren, sagte Magnificus, heißt so viel, als über nichts dissertiren. Es muß irgend ein gelehrter, ganz specieller Gegenstand seyn. Nun ist aber durch eine Unzahl von Dissertationen das gelehrte Fach bereits schon so ausgebeutet, daß kaum noch etwas übrig bleibt, das der Rede werth wäre.«
Herle war betroffen; er sah ein glänzendes Ziel vor sich, aber keinen Weg, der ihn dahin führte. Sein Auge ruhte bittend auf dem gelehrten Manne, der ihm einen Pfad zeigen sollte.
»Griechisch verstehen Sie nichts – murmelte der Rector vor sich hin – Lateinisch nur wenig; was ist zu machen? – – Doch da fällt mir ein Gedanke ein – sagte er nach einer Pause von Ueberlegung; – Sie schreiben eine Dissertation über deutsche Schimpfwörter.«
Herle stutzte, und sah den Magnificus mit prüfendem Blicke an, ob es ihm Ernst, oder ob es nur eitel Scherz und Spott sey.
»Indem ich so eben den Aristophanes übersetze – fuhr der Rector ruhig fort, – so fühl' ich gar oft, wie nothwendig, oder doch nützlich eine vollständige, wohlgeordnete Collection und Elucidation deutscher Schimpf- und Schandwörter für den Philologen wäre. Hier z. B. habe ich so eben eine Stelle niedergeschrieben, die mir viel Kopfbrechens verursacht hat. Hören Sie einmal, und urtheilen Sie: In den »Wolken« spricht der bedrängte Schuldner, nun zum Rechtsverdreher eingeweihte Strepsiades (V. 443 folg.):
Wenn den Schulden ich nur zu entfliehen vermag, Dann mög' ich scheinen der Welt ringsum Zungrappeler, frech, dummdreist, Tappzu, Unfläter, des Lugs Einrührer und Trugs, Wortfinder, verschmitzt; voll Kniffe des Rechts, Billtafel, und Fuchs, Klippklapp, Fickfack, Spitzkopf, und verstellt, Tückbold, Großmaul, Schubjackiger Wust, Zudringlich, gewandt, und schmarozender Schuft. |
Herle rieb sich vor freudiger Ueberraschung die Hände, hauptsächlich um der Entdeckung willen, daß die Griechen, welche der Rector als Muster des feinen Geschmackes angepriesen, an dergleichen groben Schimpfwörtern, gleich andern Menschenkindern, ihr Gefallen gehabt. Uebrigens lobte er die Uebersetzung über die Maaßen.
»Sie ist, sagte der Rektor, wie jede Uebersetzung, nur Mattgold, Flittergold gegen das echte, glänzende, edle Metall in der Ursprache. Es sind offenbar schwache Stellen darin. Vernehmen Sie aber, welche Mühe es mir gekostet, folgende und ähnliche Kraftwörter der Art zu erfinden – er nahm einen Zettel vor, und las: – Faulgewäschaufsammler, Bettelmannsdarsteller, Lumpenmänteler, Krüppeldichter, Drommetenlanzenknebelbart, Hohnlächelfichtenbeuger, Ringfingerringschlendergelockvolk.«
Herle schlug die Hände zusammen, voll Verwunderung.
»Da sehen Sie nun aus diesen wenigen Proben, sagte der Rector, wie willkommen dem Uebersetzer ein Promptuarium von deutschen Schimpfwörtern seyn müßte. Denn obgleich die deutsche Sprache, wie in allem Uebrigen, der griechischen weit nachsteht, so hätte doch der Philolog gewisse Anhalts- und Wendepunkte, die ihm zu diesen seinen Studien behülflich wären. Adelung, der züchtige, spröde, vornehmthuende, verläßt uns da, sowie diejenigen Lexikographen, die nur den obersächsischen Schulmeister und sein reines, feines Hochdeutsch kennen. Den eigentlichen Vorrath müßte man in der Mundart des gemeinen Volkes suchen und aus den Aeußerungen des alltäglichen Lebens absehen. Machen Sie einmal den Versuch, – schloß er, indem er aufstand und ihm die Hand reichte; – er wird Ihnen sicherlich zur Ehre und zum Nutzen gereichen.«