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»Tereng – teng teng« – mit lautem Rauschen und Gackern fuhren die Perlhühner durch die Büsche, viele auch drückten sich im rasenden Lauf ins Gras und sausten wie kleine Lokomotiven über den Boden dahin.
»Was ist denn da wieder los?« – Mit einem Satz stand das Steinrickchen auf seinen zierlichen Läufen – wie ein Meißner Porzellanfigürchen. – Etwas so Entzückendes, wie solch ein Steinböckchen gibt's ja nun auf dem ganzen Erdenrund nicht zum zweiten Male. Spiegelglatt das rote Fell, blitzblank der weiße Bauch. Das schwarze Näschen sog den Wind ein. Die wundervollen großen Augen glänzten vor Lebendigkeit. Keck waren die großen Lauscher nach vorn gestellt. Breitseits stand das zierliche Wesen unbeweglich.
Nicht rühren – ist der beste Schutz! –
Nur die dunklen Lichter folgten dem Reiter – der achtlos in einiger Entfernung vorbeireitet und das Tierchen gar nicht sieht.
Als das Böckchen seine schwarzen Hornspitzen über dem Grase zeigte, waren die Hufschläge im Busch verklungen.
Das wachsame Frauchen aber trippelte schon mit selbstgefällig hin- und herwippendem Schwänzchen dem nächsten Grasbüschel zu, in ein paar ranken Sätzen der Gatte ihr nach.
Eine reizende Ehe führte das Zwerg-Pärchen. Wachsam und duldsam die kleine Frau, spielerisch und mutig der Mann.
Die großen Antilopen leben rudelweise – aber die Steinböckchen hübsch sittsam in Einzelehe – bis der Tod sie scheidet. Fällt die Steinricke Feinden zum Opfer, dann zieht der Bock fort aus der Gegend und sucht sich ein neues Ehegesponst. Wechselt der Bock in die ewigen Jagdgründe, dann bleibt die Ricke ihrer Heimat treu, bleibt einsam – bis eines Tages ein Böckchen ihrer Art sich einstellt und sie zur Gemahlin kürt. Nicht größer als ein Lämmchen ist solch ein Steinbock, aber unendlich viel zierlicher. – Der Lauf hat noch nicht die Stärke eines Bleistifts.
In einer lauschigen Gegend nun lebte unser Paar. Am buschigen Abhang in der Nähe eines Riviers.
Die Kleinen hatten viele Freunde, und eine innige Zuneigung verband sie mit den Perlhühnern. Sie buddelten zusammen Wurzeln und Zwiebeln aus dem Boden, futterten Samenkörner von Gräsern und Büschen. Auch die gleichen Feinde hatten sie: Menschen, alle Katzenarten und ähnliches räuberisches Gesindel. – Gute Wächter waren die Perlhühner, sie fuhren mit lautem »Tereng – teng – teng« auf, sobald Gefahr drohte. Wie oft hatten sie nicht schon die kleinen Böckchen rechtzeitig gewarnt!
In der Buschwelt gab's sonst nicht viel Leben. Wohl zogen hin und wieder die riesenhaften Kudus hier durch oder wohl auch Hartebeeste. Sonst aber sahen sie nur Freund Ducker. – War das ein häßlicher Gesell! Etwas größer als sie, aber immer mit krummem Rücken, als ob er ein schlechtes Gewissen habe. Ein vorsichtiger Bursche, der sich immer nur so durchs Gras drückte, scheu und gerissen, wie ein Schakal.
Ferner waren noch die Erdmännchen da. Auch eine lustige drollige Bande – geradeso lebensfreudig wie die Steinböckchen, den Eichhörnchen nicht unähnlich, mit langen Schwänzen. Nur lebten sie in ihren Höhlen unter der Erde.
Auch sie hatten die gleichen Feinde. Ein Pfiff aber von einem der Kobolde, und alle waren unter der Erde in Sicherheit – wie der Blitz war die ganze Bande vom Erdboden verschwunden.
Lange Zeit nun hatten all diese Tiere einträglich beieinander gewohnt. Da war dann der böse Mensch gekommen. Erst hatte er den Ducker – den schlauesten von ihnen, getötet. Dann einige Perlhühner für seinen Suppentopf geschossen. Seine Hunde hatten den Erdmännchen nachgestellt. Es war einfach gräßlich. Die schöne Ruhe war vollkommen gestört!
Ganz in der Nähe hatte er sein Zelt aufgeschlagen und schien das Reich der Kleinen als das seinige zu betrachten.
Gerade um diese Zeit nun war's am gefährlichsten. Es war Neumond. Da mußte man am Tage das Futter suchen, und das war weit gefahrvoller als in den schönen stillen Mondnächten.
Es war an einem schönen, frischen, sonnigen Morgen, als das Steinbockfrauchen sich gerade mit der alten Perlhenne über den unleidlichen Menschen aussprach. Zustimmend nickte der alte Perlgockel oder wie der Afrikaner sagt »Perlhengst«, dessen nackter Hals so besonders schön blaugrün leuchtete. Ihm hatte dieser Mensch seine beiden jungen Lieblingshennen weggeschossen. Dann war das Gespräch hinübergeglitten zu den Kräutern, die dies Jahr so besonders schön wuchsen und zu dem Körnerfutter – das nie so reichlich gewesen war wie heuer. Da gab es auf einmal einen mächtigen Knall und einen Satz machte der Steinbock ins Gras hinein. Ein leises klagendes »Bäh – Bäh« klang noch einige Augenblicke durch die Luft. Dann war es still rundum. Wie der Wind war die übrige Gesellschaft auseinandergefahren.
Erst am Nachmittag desselben Tages fanden sie sich alle an der Unglücksstelle wieder zusammen. – Die kleine Frau Steinbock war Witwe. – Nichts hatten sie vom Böckchen mehr gefunden als etwas Schweiß und daneben plumpe Abdrücke von Menschenspuren.
So verwaist schloß sich die Kleine um so enger an die Perlhühner an. Die alte Perlhenne konnte sich überhaupt nicht beruhigen. Schimpfte und gluckste wütend vor sich hin. Sie hatte gerade im Scharren einen Stein zur Seite befördert und fuhr mit dem Schnabel auf einen kleinen Skorpion los. Der drehte den Stachel hoch zur Wehr, sah aber im selben Augenblick ein, daß er gegen die beschilderten Ständer nichts machen könne und bat demütig um sein Leben. Er wolle sie alle rächen am Menschen. Er habe alles mitangesehen, und sie möchte ihm doch das Leben schenken. –
Einen Augenblick überlegte die Alte: »Nun gut! Aber halt dein Wort! Ich könnte dich sonst doch eines Tages erwischen.«
Mit einem dankbaren Wippen des mit dem Giftstachel bewehrten Schwanzes verschwand der kleine schwarze Skorpion, und eilte zu seinem Volk.
Die Verschwörung gegen den Ruhestörer breitete sich aus.
Auch die Erdmännchen hatten von diesem Gespräch gehört, und es gab eine lange Sitzung im Magistratssaal unter der Erde. Der Nachbarstaat wurde aufgeboten – ja die Springhasen stellten eine Abteilung, und in einer Nacht waren die ganzen Wege rings um die Hütte des Menschen unterminiert.
Der Kampf hatte begonnen.
In der gleichen Nacht wurden die Mäuse geschickt – die den Vorrat des Mannes verzehren sollten. Der Skorpion hatte die Termiten zu gleichem Zwecke aufgeboten. Die Sattelgurten sollten sogar durchgenagt werden. Die Moskitos mußten vor – griffen als erste mit wildem Gesumme an und stachen den Menschen, wo sie nur ankommen konnten.
Und dann am nächsten Tage ereignete sich der große Schlag. Der Mensch ritt im Galopp den altbekannten Pfad entlang. – Das Pferd stürzte – brach mit dem Huf durch die Erdmännchenlöcher. Der Reiter überschlug sich – blieb lang hingestreckt eine geraume Zeit am Boden liegen – und die Moskitos feierten Orgien.
Flugs hatte die alte Perlhenne Bericht. Die kleine Frau Steinbock aber zog sich scheu zurück – ihr lag dieses kriegerische Wesen der andern nicht! –
Dann klopfte die Perlhenne beim Skorpion an: – Was er nun geleistet habe? – Die Erdmännchen hätten einen großen Sieg über den Eindringling errungen! Aber er – er sei ja nicht zu brauchen. Er solle sich von jetzt aber sehr in acht nehmen und ihr nicht vor die Augen kommen! –
Nichts antwortete der kleine Mann. Aber seine Stunde schien ihm jetzt gekommen! –
Dunkle Nacht war's – nur die Sterne schimmerten vom wolkenlosen Himmel. Da machte er sich mit seinen Waffengefährten auf den Weg.
Der Reiter wälzte sich schlaflos auf seinem Feldbett. Legte sich nasse Umschläge auf Stirn und Kniegelenk. – Wie das schön kühlte in dieser trockenen Luft – fast wie Eis. –
Wieder griff er zum Wechseln nach einem der feuchten Lappen, die über der Stuhllehne neben seinem Bette lagen, – da fuhr ihm ein brennender Schmerz durch die Hand, daß er vor Schreck laut aufschrie. In einem Satz war er aus dem Bett – das Feuerzeug suchend. – Da derselbe wahnsinnige Schmerz im Fuß. Fluchend brannte der Mann seine Laterne an – sah einen Skorpion am Stuhl herabklettern. Ein Schlag mit dem schweren Stiefel und zerschmettert lag der am Boden.
Sein Leben hatte er eingesetzt – und verloren. –
Die andern aber brachten die Botschaft dem Buschvolk. Keiner trauerte besonders um den kleinen schwarzen Ritter, aber eine große Genugtuung erfüllte alle.
Der Reiter aber verlegte seine Jagdhütte weiter fort. Die Skorpione hatte ihn letzten Endes doch dazu bewogen.
Tagelang humpelte er noch mit zerschundenem Knie und brennendem Fuß umher, in dem er dauernd das schmerzhafte Prickeln hatte ähnlich dem Gefühl, wie wenn einem das Bein eingeschlafen ist.
Dann herrschte wieder Friede in der Gegend.
Wie früher jagten und haschten die Erdmännchen über ihre Baue hinweg – ungestört suchten die Perlhühner ihr Futter.
Doch Frau Steinbock hatte den jungen Herrn vom Nachbarrevier, dem seine Eltern schon vor Jahresfrist den Laufpaß gegeben, zum Ehegemahl erkoren.