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Onguë, der Leopard.

Schroff und steil ragen die Felsen des Waterbergs in die flimmernde Luft. Ein wunderbarer Farbengegensatz: dieser leuchtend rote Sandstein, häufig wie mit lichtgrüner Patina überzogen, gegen den strahlend blauen Himmel.

Eine breite, flache Hochebene, die sich in nichts von der unten liegenden Steppe unterscheidet, ist der Waterberg. Dasselbe hohe gelbe Gras, rötlicher Sand, derselbe Busch- und Baumbestand. Dann auf einmal bricht der Grund schroff ab – am Steilabfall. Senkrecht stürzt der Fels, tausendfach zerklüftet, wohl an fünfzig und mehr Meter in die Tiefe. Dort, wo die Klippen im Boden verschwinden senkt sich das Gelände, noch immer ziemlich steil, mit riesigen Felsblöcken und dichtem wunderbarem Baumwuchs bedeckt, hinab zur Ebene – zur Omaheke, zur Okateiteifläche.

Unendlich dehnt sich die gelbflimmernde Savanne und verschwimmt in der Ferne im glasigen Lichte des Horizontes.

Tief in diese Hochfläche nun ziehen sich häufig viele kilometerlange Schluchten. Und eine von ihnen war das Reich Onguës, des Leoparden.

Auf einer vorspringenden Klippe unterm Steilabfall lag er im Schatten der Felswand. Tiefe ungestörte Ruhe herrschte hier. Schmal nur war das Tal. Gleich gegenüber von Onguës Burg richteten die Felsen sich auf in loderndem Sonnenbrand.

Frühling war in dieser tief eingenagten Enge. Grün standen die uralten Sykomoren gegen die rote Wand. Goldig blühten Kamel- und Süßdorn und strömten einen betäubenden Duft aus, der das ganze Tal erfüllte. Dort, wo die Felstrümmer lagen, stand der Hackiesdorn im weißen Schimmer seiner mimosenartigen Blüten. Leise murmelte das schmale silberne Band des Quells durch das saftige Gras, versiegte aber schon nach etlichen hundert Metern im dichten Grün von Schilf und Binsen.

Strahlender, lachender Frühling hier innen – und draußen, wo sich das Tal der Ebene öffnet, tote Dürre. Noch stehen Bäume und Büsche im Wintersgrau. Knisternd gelb das Gras. – Trockene, heiße Luft. – Kein Zeichen des Lebens!

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Onguë lag unter seinem schattigen Fels. Er rührte sich kaum hin und wieder, um einige vorwitzige Fliegen zu verjagen, oder blinzelnd für einen Augenblick seine strahlenden Katzenaugen zu öffnen, wohlig streckte sich die farbenprächtige Katze, drehte sich langsam auf den Rücken. Den Kopf etwas hintenüber, die Vorderpranken angewinkelt, lag sie da. Langsam krümmte sich der bunte Schweif. – –

Nichts regte sich. Nur selten glitt der Schatten eines Adlers oder Geiers lautlos wie ein Gespenst über die besonnten Felsblöcke und die Kronen der Bäume hin. –

Die Ruhe, die Einsamkeit herrschte in diesem Felsental. Leises Knacken zu seinen Füßen im Tal weckt da auf einmal Onguës Aufmerksamkeit. Doch zu faul, sich ganz aufzurichten, legte er sich auf die Seite und ließ den Kopf auf den Vorderpranken ruhen. Nur die Lauscher richtete er scharf nach vorn, und Auge und Nase taten ihre Arbeit.

Für eine Zeit blieb alles still – da, dasselbe Geräusch! Onguë ruckte zusammen. Dort unten zwischen den Büschen zog ein Warzenschwein zum Wasser. Ein guter Bissen für den Herrscher des Tals, wo das nur herkam? Vielleicht aus einem der Nachbartäler? Nachdem er vor Monden schon die alte Bache und ihre drei Frischlinge gerissen, hatte sich keins dieser Art hier mehr blicken lassen.

Und doch, – zur Mittagszeit, da ziehen die Schweine zum Wasser, das wußte der Alte genau, und sein Plan war bald gefaßt. Still und regungslos beobachtete er das Warzenschwein, einen starken Keiler, der grade auf den Knien liegend mit seinen Riesenhauern die braune Erde nach Ontjes (Zwiebeln) aufbrach. Schönheit drückte den alten Bassen wahrlich nicht. Und wenn ein Tier häßlich genannt werden kann, so gebührt in dieser Beziehung die Krone wohl dem Warzenschwein.

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Lautlos, langsam in geschmeidiger Bewegung, wie auf Sammetpfoten schob sich der Leopard rückwärts bis zur aufragenden Wand des Steilabfalls. Die ganze Geschmeidigkeit seines Geschlechtes, unterstützt durch die wundervolle Fleckendecke, kam bei diesem geduckten, jede Deckung ausnutzenden Anpirschen zum Ausdruck. Kopf und Hals dicht über dem Boden, daß die Schulterblätter sich abwechselnd über den Halsansatz erhoben, wand er sich geräuschlos durch die Klippen. Jetzt war er am dichten Gestrüpp des Hanges angekommen und spähte reglos einige Sekunden ins Tal hinunter, wie die Farbe seines Felles sich mit der der Umgebung vermischte! Nicht auszumachen war er auf ein paar Schritt trotz der leuchtenden Kehle und dem nach dem Bauch zu immer heller werdenden Fell.

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Onguë, der Leopard

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Onguë, der Leopard

Nach einiger Zeit lag der bunte Räuber unter einem dichten Omakaru auf Sprungweite von der ersehnten Beute, vollkommene Windstille herrschte im Tal. Unter den senkrecht herniederbrennenden Sonnenstrahlen vermischte sich das verdunstende Wasser mit dem starken Duft des in der Hitze welkenden Grases und der Blüten. – Eine richtige Tropenluft, wie überhaupt der Waterberg eine Tropeninsel im Steppengürtel Südwests ist.

Gänzlich sorglos benahm sich das Rüsseltier, schnüffelte nur ab und zu, wohl mehr aus Gewohnheit, mit leicht erhobenem Kopf in der Luft herum und schob dann die ganze Schnauze bis fast an die Lichter ins Wasser. Blies vor Wohlbehagen durch die Nasenlöcher, daß Hunderte von Luftperlen aufstiegen und an der Oberfläche zerplatzten. Dann erst sog er, die Rüsselscheibe leicht hoch ziehend, das frische Naß in sich ein, die Oberfläche kaum berührend.

Onguë lag auf dem Sprung, ganz zusammengekauert, unbeweglich starr die Augen auf seine Beute geheftet. Leise nur vibrierten die Schnurrhaare beim Atemholen. Langsam krümmte sich der bunt gefleckte Rücken mehr und mehr – dann, als grade der Keiler sich mit der Vorhand ins Wasser schob und das buschige Schwänzchen wie eine Fahne aufrecht die Steuerung zu übernehmen schien, flog in einem Satz ein langgestreckter Körper durch die Luft, krallte sich fest, verbiß sich in dem Nacken des Warzenschweins.

Wilder Kampf entspann sich, daß Wasser und Schlamm umherspritzten. Der Keiler wollte seine Schwarte so teuer wie möglich verkaufen. Doch unter dem Gewicht des Leoparden in dem nachgebenden Grund auf die Beine zu kommen, mißlang. Mit einem Ruck versuchte er sich herumzuwälzen, schlug gleichzeitig mit den riesigen Hauern rückwärts, erfaßte die Innenseite von Onguës rechtem Hinterlauf und riß das Fell von unten nach oben auf. Wütendes Grunzen des Leoparden vermischte sich nun mit dem Angstgeschrei des Schweines.

Doch locker ließ der Räuber nicht. Schmatzend schlugen die Kiefer des Baffen aneinander. Rot rieselte das Blut von seinem Nacken übers Blatt und färbte das schmutzig aufgewühlte Wasser dunkelrot. Hauend und beißend wehrte er sich noch eine Weile, wurde matter und matter, und dann schlug der Schädel aufklatschend ins Wasser.

Gierig schleckte Onguë das aus den zerrissenen Schlagadern hervorsprudelnde Blut, zog seine schwere Beute aus dem Morast und tat sich im weichen Grase nieder, hob die rechte Hinterpranke und leckte seine zollange Wunde. Leises miauartiges Knurren stieß er dabei vor Schmerz aus. Dann erst reinigte er sein vom Schlamm bespritztes Fell, wälzte sich ein paarmal im Grase und leckte das übrige mit der scharfen Zunge ab. Nachdem erst dies alles sorgfältig erledigt war, begab er sich an seine Mahlzeit. Mit scharfen Zähnen packte er die Bauchdecke, stemmte die Pranken dagegen, riß die Eingeweide heraus, und machte sich zuerst über den »Inhalt« des Schweines her.

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Nach einer geraumen Zeit dann saß er vollgefressen auf seinen Hinterkeulen und leckte sich das Maul sauber, stand auf, machte, die Hinterpranke schonend nachziehend, ein paar Schritte zum nächsten Omurombonga (dem Ahnenbaum der Hereros), blickte hinauf, kehrte zu den noch immerhin reichlich schweren Resten seiner Mahlzeit zurück, und schleppte diese unter den Baum, wohl mit der Absicht, sie vor Schakalen und anderen Ungeziefer auf den Ästen in Sicherheit zu bringen. Doch ob ihn nun seine Wunde oder das Gewicht des Keilers hinderte, er ließ den Gedanken fallen und zog den Kadaver im Fang zu seinem Felsenneste hinauf. Dort angekommen riß er sich noch einige Fetzen los und tat sich nieder. Er hielt seinen Verdauungsschlaf, hin und wieder zuckte das verwundete Bein. Im Halbschlaf leckte er ab und zu, halb unbewußt, über den klaffenden Riß.

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Langsam sank die Sonne im Westen, doch schon weit vor Sonnenuntergang war der letzte Sonnenstrahl aus dieser engen Schlucht gewichen. Heller rauschte das Bächlein und stärker drang der Blütenduft und der Geruch des in der Kühle wieder auflebenden Grases herauf. Drüben am Hang gackerten Perlhühner. Ein paar Blauböckchen huschten über Felstrümmer durchs Gesträuch, diese kleinsten aus dem Antilopengeschlecht, die wohl nur wenig höher stehen als Zwergpintscher. Überall aus den noch warmen Felswänden erklang das Gemurmel der Klippdachse, die Freund Onguë gewissermaßen als seine lebende Vorratskammer betrachtete, für Zeiten, in denen ihm das Jagdglück nicht hold war. Dann holte er sich einen von diesen, die, wenn auch vorsichtig und gewitzt, doch häufig ihrer Neugierde zum Opfer fielen.

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Kurz nur währte die Dämmerung. Und heut, ein paar Tage vor Vollmond, ging das warme Tageslicht schnell in das geheimnisvoll Kühle des Mondes über. Bald erfüllte er das ganze Tal mit seinem magischen Schein. Schwarz und schweigend standen die Bäume. Dort in der alten Sykomore, dicht vor Onguës Feste, begann geheimnisvolles Leben. Kleine, dunkle Gestalten schwangen sich in den Zweigen – flogen springend in weiten Sätzen von Ast zu Ast; die kleinen Nachtäffchen, diese heimlichen Gesellen, mit den laternenartigen Augen, trieben dort ihre Spiele. Leise huschend flatterten Fledermäuse und fliegende Hunde an den Felswänden entlang, von weit draußen klang das Geheul und Gejaul der Schakale in das Tal herein. Erst knurrend, dann lauter und immer langgezogener ertönte dort aus den Büschen zu Onguës Füßen die Antwort und hallte in vielfachem Echo in den Felsschluchten nach. Jetzt schienen die Buschklepper den Kampfplatz und Blutreste des Keilers gefunden zu haben, wenigstens huschten dort suchend dunkle Gestalten umher, kläfften und jaulten. Näher kamen sie – aber Onguës fauchendes Knurren genügte, sie sofort in die Büsche zurückzuscheuchen.

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Ein Höllenkonzert erhob sich nun da unten, und Onguë zog angewidert seine Nase kraus.

Nach langer Zeit, der Mond stand fast senkrecht über dem Tal, zog sich das Gezeter von Afrikas Reineke weiter und weiter aus dem Tal hinaus. Da ertönten aber andere, Onguë anscheinend noch unangenehmere Töne, von jenseits aus der Klippenwand. »Ooff – off – off«. Tief, hohl, unheimlich. Das waren die Paviane, die sich sonst meistens im Nebental aufhielten, wo weiße und schwarze Menschen hausten und ihre Maisfelder und Bananen bauten. Da fand das Gesindel mehr als genug zu fressen und zu saufen, hier störten sie nur die Ruhe. Wütend schlug der lange Schweif der bunten Katze den Boden. Aber mit der Bande anzubinden – das war auch nicht ganz gefahrlos, denn das Gebiß alter Paviane steht, Omakuru (Gott) weiß es, dem des Leoparden nicht nach.

Schon einmal hatte Onguë einen ergebnislosen Kampf mit diesen Burschen gehabt. Beide Parteien hatten sich gehörig das Fell zerzaust und einander tiefe Bißwunden beigebracht; das war in Onguës Jugendtagen gewesen.

Nicht lange störten die Affen unseren alten Herrn, denn bald schon zogen sie über die Felsen dem Nachbartale zu. – – –

Lauschige Nacht! – hin und wieder schauern einzelne Bäume wie im Traume zusammen. Leise klagend nur schallt der geisterhafte Ton des Totenvogels aus den tiefen Nissen der Felsen. Und Onguë lag und träumte von alten Zeiten, von wilden Kampf- und Jagdzügen – von Liebe und schwülen Nächten, wenn die bunten Katzen mit eingezogenen Krallen sich mit den losen Pranken schlugen – mit schimmerndem Gebiß schmerzlos bissen – lautlos und geschmeidig im noch warmen Riviersand spielten.

Jetzt hatte er sich schon lange in die Einsamkeit zurückgezogen, hatte längere Zeit im Buschmannsparadiese gehaust, tief versteckt im Busch des Waterberges, doch dann zog es ihn zurück zu den Quellen des Steilabfalles. Und nun lebte er hier schon eine geraume Weile.

Die Menschen hatte er kennengelernt, die braunen und die weißen, wie oft hatte er nicht in schlechten Zeiten mit Glück seinem Nachbar jenseits der Felswand einige Ziegen und Schafe geraubt, wie oft hatten nicht jene vergeblich versucht, Onguë auf immer kalt zu machen und ihm das Handwerk zu legen! – vergeblich! – – –

Langsam verstrich die Nacht. Gegen Morgen lebte das Jaulen der Schakale etwas wieder auf. In den Bäumen da unten im Tale begannen Sandhühner und Frankoline ihren Morgengesang. Dann flutete das blendende Tageslicht leuchtend über die Felsen.

Als Morgenimbiß hatte sich Onguë schon ein paar Fetzen von den Keulen des Schweines gerissen und säuberlich unter wohligem Knurren verzehrt. Der Riß im Fell war leicht zusammengezogen und schmerzte nur noch wenig. Ein gutes Weilchen noch pflegte er der Ruhe und bummelte dann langsam ans Wasser, von wo er durch eine Schotterhalde aufs Plateau kletterte.

Sorglos ließ er seine Beutereste unter dem Felsen liegen, denn gegen Sicht vor den Raubvögeln war sie geschützt, und sonst kam am Tage wohl kaum eine vom Diebsgesindel der Hyänen oder Schakale dorthin.

Langsam zog er durchs Gras – planlos. Er stand dann nach einer längeren Zeit am Rande des Nebentales, ließ sich nieder und schaute von den Felsen hinab.

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Unendlich lang erstreckte sich das schmale Tal. Vom Morgenlicht beschienen schoben sich immer wieder kulissenartig die Felsmauern in die Schlucht hinein.

Dort am Hang lag unter dichten Bananenstauden das weiße, grasgedeckte Haus des Menschen. Leiser, blauer Rauch kräuselte sich in der Morgenluft, und das Blöken des auf Weide ziehenden Kleinviehs mischte sich mit dem Brüllen und Brummen der Rinder. Aufrechte dunkle Wesen gingen hinter den Herden, farbige Menschen, und trieben diese zum Talausgang hinaus.

Grün bewachsen war auch hier der Boden, genau wie in der Schlucht Onguës, und ein Wässerchen floß in sauberem Bett durch Garten und Maispflanzungen. Ein Bild des Friedens! –

Lange Zeit lag Onguë hier. Dann hörte er die Paviane am jenseitigen Felsenrand kreischend in die Höhe gehen, und ein paar Hunde der Menschen laut bellend den Gartenräubern nachjagen. Da zog er vor, sich zurückzuziehen und langte nach einigen Ruhepausen erst am frühen Nachmittag wieder in seinem Tale an.

Leise und geschickt begann er den Abstieg, kam um einen vorspringenden Felsklotz, rieb sich ein Weilchen den Rücken an dessen scharfen Kanten – und blieb dann wie gebannt stehen.

Dort unten gerade gegenüber seinem Stammplatz standen unter dem großen wilden Feigenbaum zwei Bastard-Gemsböcke (Pferde-Antilopen) mit ihren schönen geschweiften Hörnern, während der eine halb im Schatten, halb in der Sonne lag, rupfte der andere gemächlich einige junge Buschspitzen. –

»Nichts zu machen!«, sagte sich Onguë. Satt war er und hatte auch noch Fleisch im Vorrat. Übrigens war auch kein jüngeres Tier dabei, und mit den alten anzubändeln, war im allgemeinen nicht nach seinem Geschmack.

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Onguë, der Leopard

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Onguë, der Leopard

Einzelne kleinere Steinchen rutschten am Felseinbruch der jenseitigen Wand herunter, vorsichtig kletterte dort das ganze Rudel zu den beiden herunter. Zwei Jährlinge dabei, die kaum unten angekommen im leichten Galopp an den Alten vorbei an »ihr« Wasser eilten, würdig hinterher zog ein steinalter Bulle, weit bogen sich seine langen kräftigen Hörner nach rückwärts und der zottige Bart zog sich am ganzen Hals bis zur Brust hinunter. Seit Jahren schon stand die kleine Herde von jetzt etwa zehn Tieren in dieser Gegend, heimliche Gesellen waren es, und oft hatten sie den weißen Menschen, der ihren Spuren folgte, genarrt.

Onguë wollte nichts von ihnen, zog also im raschen Schritt seiner Felswohnung zu. Raum merkte man seinem Gang noch die gestern erhaltene Wunde an.

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Neugierig hatten die Antilopen aufgeblickt, als der bunte Geselle durch Gras und Felsen dahineilte. Ja, die beiden Zungen waren sogar ein Stück hinterhergebummelt und beschnüffelten die Spuren, bis das Prusten des Leittieres, einer alten Kuh, sie zurückrief. Nachdem sie Wasser geschöpft, zog das ganze Rudel unter den schattigen Bäumen, deren Zweige sich auf lange Strecken ineinanderrankten, dem Ausgang des Tales zu.

Fast unmittelbar hörte dort das grüne Gras, der grüne Baumwuchs auf. Ein unendlich dichter grauer Dorngürtel zog sich hier zu Füßen des Waterberges entlang. Dichte, spitze Sansivieren stachen fußhoch aus dem Sandboden hervor, daß auf den ersten Blick ein Durchkommen schier unmöglich schien. Aber das Leittier kannte sich aus, und bald waren die Antilopen im dichten Busch verschwunden.

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Langsam kamen am östlichen Himmel einzelne kleine Wolken herauf, eilten gen Westen, warfen kurze, kühlende Schatten über das Tal, sammelten sich schnell zu größeren Klumpen. Gegen den späten Nachmittag hing über dem Waterberg eine schwere dicke Wolkenwand; unheimlich tiefblau, während die Sonne die letzten Strahlen ins Tal gegen die Felswände warf. Unbeweglich hing die dunkle Masse über dem sonst noch im vollen Nachmittagsglanz liegenden Plateau. Da zuckte auch schon der erste Blitz grell ins Tal hinab, und rollender Donner folgte in hundertfachem Echo von Wand zu Wand geworfen. Mit unheimlicher Schnelle folgten Blitz auf Blitz, dröhnte ein einziger tosender Donner durch die Schlucht. Wild pfiffen einige kurze Windstöße durch die Felsrisse – und dann prasselte der Regen haltlos herunter.

Onguë hatte sich unter den Schutz des Felsens vor dem strömenden Regen geborgen, und nur einzelne Spritzer, die auf den Felsblock vor ihm hin und wieder durch einen Windstoß geschleudert wurden, erreichten sein Fell. Mit angelegten Lauschern folgte er den Vorgängen in der Natur. Raum konnte er vor dem herabströmenden Wasser die gegenüberliegende wand durchschimmern sehen, von der das Wasser in springenden Kaskaden herabstürzte.

Doch so schnell, wie es gekommen, verschwand das Wetter, und der heute fast kreisrunde Mond strahlte sein goldenes Licht vom klaren Nachthimmel herab in die ungezählten an Fels und Blättern hängenden Regentropfen.

Am nächsten Morgen noch saßen Hunderte von Regenvögeln, habichtähnliche Gesellen, in allen Bäumen dicht an dicht. Die Begleiter des ersten Regens.

In der folgenden Zeit kamen hin und wieder noch einzelne Schauer hernieder. Onguë merkte bald, daß das wild, das sonst häufiger seine Quelle aufgesucht hatte, sich auf die Flächen zog. Nur die Bastardgemsböcke kamen noch hin und wieder bei ihm durch.

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Verärgert streifte er eines Morgens durch das taufrische Gras. Solch nasser Gang behagte ihm wahrlich nicht, aber was wollte er machen, wenn der Magen knurrte? Kurz vor dem Aufstieg sah er Bewegung im Gras. Mit einem Satz war er heran und erhielt im selben Augenblick auch schon einen Schlag gegen die vorgestellte Pranke. Zischendes Fauchen ertönte. – Dann aber hatte Freund Onguë seinen Morgenimbiß. Mit hartem Prankenschlag streckte er den großen Leguan (Waraneidechse) zu Boden. Noch im Sterben teilte das Tier kräftige Schläge mit seinem Schwanze aus.

»Viel ist's ja nicht, aber besser als gar nichts«, dachte der Alte, und verzehrte seine Beute in Gemütsruhe. Dann streifte er weiter zum Tale der Menschen.

Noch lagen die Tiere im Kraal. Der Rauch stand in langen filigranartigen Säulen vor den Pontocks und Hütten in der frischen Morgenluft. Onguë schien sich etwas zu überlegen – ob er versuchte? Langsam schob er sich vor, glitt die Felsen hinab und hielt unbeweglich beobachtend unweit des Kraales an. Gerade als er sich wieder weiter vorarbeiten wollte, klang vom jenseitigen Felsen das Geschrei der Paviane, – laut gellend, alles weckend, wütend blickte der gescheckte Räuber zu seinen Feinden hinüber, die störend in seinen Beutezug eingriffen.

Da zerriß ein Schuß die Morgenstille, hallte in allen Schluchten wieder. Laut wie ein Menschenkind klagend griff der Affe da oben auf dem Felsblock an seine Brust, stürzte dann kopfüber die Felsen hinab und schlug dumpf auf den harten Boden. Schimpfend zog die ganze Herde ab.

Doch der Farmer hatte – schon im Schuß – an dem Gebühren der Gartenräuber gesehen, daß irgend etwas an der anderen wand ihre Aufmerksamkeit erweckt und ihr Schimpfen veranlaßt hatte. Nach dort blickend sah er nun, wie der Leopard gerade im scharfen Trabe durch das Gras abging. Klatsch! – schlug auch schon eine Kugel dicht über diesem an die Felsen, dann war er verschwunden.

Schon als er das Plateau erreicht hatte, konnte sich Onguë des Gefühls einer gewissen Genugtuung nicht erwehren, daß den Störern seines Jagdzuges eine verdiente Lehre erteilt war. Und so bummelte er halb ärgerlich, halb erfreut, weiter durchs Buschfeld.

Gegen Mitternacht bei hellem Mondschein lag Onguë wieder an der Stelle, wo ihn am frühen Morgen die Affen gestört hatten. Ergebnislos war er den Nachmittag durch den Busch gezogen, nichts hatte er erhascht, nicht einmal einen gewöhnlichen Klippdachs. Lautlos glitt er dahin.

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»Böh ä–ä, Böh ä–ä« klang das Meckern der Ziegenramme zu ihm herunter. Dann ein Toben und Stampfen im Kraal, ein Aufschrei der gerissenen Ziege und Onguë setzte mit ihr über den Busch des Kraals zurück. Fest packte er hinter den Blättern das Rückgrat, und mit hocherhobenem Kopf trug er seine Beute zum Aufstieg, zerrte und trug sie den steilen Felsen hinauf und verschwand.

Wild hatten die Hunde aufgekläfft bei dem Getobe im Kraal, stürmten herbei und berochen mit gesträubtem Nackenhaar die Fährte, zogen sich dann aber wütend knurrend zurück.

Am andern Morgen sah der Farmer an der Fährte den Besuch des Leoparden, folgte ihm den Hang entlang, doch verlor er im Felsgewirr die Spur.

Abends wurde ein Lamm in einem kleinen frischgeschlagenen Kraal weiter oben in der Schlucht angebunden. Ein einfaches Schakaleisen als Notbehelf wurde in den offen gelassenen Eingang gelegt. Fest wurde dies mit einer Kette an einen nicht zu großen, gekappten Dornbusch befestigt. Alles war zum Empfang bereit.

Doch Onguë kam nicht – wenigstens diese Nacht hatte er genug, denn am Abend hatte er zufällig noch ein kleines Blaubockchen erwischt. Er war also vollkommen gesättigt und schlief den Schlaf der Gerechten.

Die übernächste Nacht aber machte er sich wieder auf den Weg. Einfacher konnte er kaum zu seiner Mahlzeit kommen!

Schon als er oben am Rande der Menschenschlucht stand, hörte er ein einsames junges Meckern durch die Nacht dicht unter seinem Abstieg. Weiter hinten antwortete in bestimmten Pausen eine ältere Stimme: die Mutter.

Einige Zeit verging, da stand Onguë dicht vor dem Kraal, konnte sogar das weiße Lamm entdecken. Grünlich leuchteten die hellen Katzenaugen durch die Mondnacht. Langsam schlich er näher – schob die Pranke vor – da schlug das Eisen seine Tatze fest. Klagend knurrte der Alte auf, biß wütend vor Schmerz in die quälende Fessel. Alles Zerren und Reißen fruchtete nichts, das Eisen hielt. Doch vom Fleck kam er, wenn auch unter großen Schmerzen. Das Lämmlein aber starb fast vor Angst unter dem Fauchen da draußen.

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Langsam kroch Onguë zurück, und zog Eisen, Kette und Busch hinter sich her, kletterte unter Zerren und Ziehen den steinernen Abhang ein Stück hinauf. Dann saß er fest. Der Busch hatte sich zwischen zwei Felsblöcke geklemmt. Da gab Onguë nach und fügte sich in sein Schicksal. Leise miauend streckte er sich hinter einem Felsblock nieder und erwartete so den Morgen. – –

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Ewig lang kam ihm die Zeit vor, bis der Mond verschwand und die Sterne erblaßten. Kaum dämmerte aber das Frühlicht über den Felswänden, da hörte er Menschenstimmen und japsende Hunde. Zum Sprung kauerte der Alte sich nieder. Glühender Haß leuchtete aus seinen Augen. Da kam der Mensch um die Felsecke! Alles vergessend setzte Onguë zum Sprung an – schnellte ab – überschlug sich und stürzte zu Boden, wie der Blitz war er hoch! – »Frei!« – Wenn auch die Pranke glühender Schmerz durchzuckte! – wieder setzte er an zum Sprung. Da fuhr das heiße Blei aus dem Feuerrohr durchs bunte Fell. Doch der Haß verleiht Riesenkräfte. Und wieder sprang die gewandte Katze den Menschen an, schlug ihm die Pranke aufs Haupt, riß ihm Haare und Hautfetzen herunter und grub die Zähne ihm tief in die Schulter. Schwer stürzte der Mensch auf den felsigen Boden. Doch da waren auch schon die Hunde über dem Leoparden. Der ließ von seiner Beute. Mit zerschmettertem Genick schleuderte er den ersten Hund ins Geröll. Da erblickte Onguë weitere Menschen, braune, heranstürzen. verwirrt äugte er einen Augenblick um sich, setzte im Sprung über die Hunde hinweg und hinaus in die Felsen. Fast hatte er die Höhe erreicht, da surrte ein Pfeil vom Buschmannsbogen, schlug ihm unterm Ohr in den Kiefer. Einen Augenblick taumelte Onguë. Schon war er wieder auf und im Busch verschwunden.

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Der Farmer wurde ins Haus gebracht, die Wunden ausgewaschen und verbunden, während die Buschleute mit den Hunden die Spur aufnahmen. Nächtelang warf das Licht der Krankenstube seinen Schein auf die leise rauschenden Bananenblätter des Gartens. Manch schwüle Nacht wälzte sich der Mensch im Fieber auf seinem Bett, bis er nach Wochen matt und entkräftet zum ersten Mal wieder im schattigen Garten sitzen konnte. –

Und Onguë? – Bis dicht an seine Höhle war er gekommen. Dort fand ihn der Buschmann, fest verbissen die Zähne in der zerrissenen Pranke. Lange Streifen Blut aus der Schußwunde sickerten über das Felsgeröll. Doch der Giftpfeil, der den Tod gebracht, saß mit zerbrochenem Schaft im Kiefer. So starb Onguë den Heldentod im Kampf ums Dasein zwischen Mensch und Tier.

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