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IV.

Einige Tage später, als am Morgen in New-Orleans die neuen Zeitungen erschienen, erregte folgender Artikel in denselben große Aufmerksamkeit unter den Bewohnern der Stadt:

»Bei den Herren Charles Weston & Parker, Esplanadestraße Nr. 137 ist die schönste Quadrone zu verkaufen, welche jemals auf diesem Markte erschien. Den Eigenthümern, welche sich schmeicheln, stets die vorzüglichsten Sclaven geliefert zu haben, gereicht es zum besondern Vergnügen, auf dieses ausgezeichnete, wohlerzogene, noch gänzlich unverdorbene Mädchen Liebhaber aufmerksam zu machen, da ihnen vielleicht niemals wieder die Gelegenheit geboten wird, ein solches Prachtexemplar von einer Quadrone zu erstehen. Vormittag von acht bis eilf Uhr ist Kauflustigen die Besichtigung des Mädchens freigestellt, später nicht mehr, da alsdann unsere regelmäßigen öffentlichen Verkäufe von Farbigen beiderlei Geschlechts beginnen, zu welchen wir uns gleichfalls einem verehrten Publikum empfehlen und die Versicherung beifügen, daß wir stets darauf bedacht sein werden, das uns bis jetzt geschenkte Vertrauen durch eine Auswahl der besten Artikel zu verdienen.
Charles Weston & Parker, Sclavenhändler.«

Kaum war es acht Uhr, als sich die Esplanadestraße ungewöhnlich belebte und alte und junge Männer aus der vornehmen Welt sich nach dem Hause obiger Herren begaben, um die gepriesene Quadrone in Augenschein zu nehmen.

Die Thür des großen, prächtigen Wohngebäudes der Sclavenhändler blieb verschlossen, doch das Thor neben demselben, welches durch eine sehr hohe Mauer in den Hofraum zwischen den Nebengebäuden führte, war weit geöffnet und der geräumige Platz dahinter füllte sich schnell mit Neugierigen. Zu beiden Seiten des Thores waren sehr schöne männliche und weibliche Sclaven von der dunkelsten schwarzen bis zu der leichtesten gelben Hautfarbe aufgestellt, alle reinlich und wohlgekleidet und, wie es schien, in der heitersten, glücklichsten Stimmung, denn sie lachten, scherzten und neckten sich untereinander, sangen und sprangen und thaten Alles, um die Aufmerksamkeit der vorübergehenden Männer auf sich zu ziehen. Auch in dem Hof selbst vor den Gebäuden, die denselben umgaben, waren Reihen von Sclaven und Sclavinnen zur Schau aufgestellt, die sich bemühten, heiter zu erscheinen, und namentlich in ein grinsendes Lachen verfielen, sobald einer der Neger, welche, sie beaufsichtigend, vor ihnen auf- und niedergingen, seinen Blick auf sie richtete.

Die Herren Weston und Parker empfingen selbst die eintretenden Männer und wählten, da der Andrang zu groß war, nur diejenigen unter ihnen heraus, von denen sie zu glauben berechtigt waren, daß sie wirklich mit der Absicht kamen, die angezeigte Quadrone zu kaufen. Diese wurden nun in das Wohngebäude nach einem, mit reichem Teppich, schweren seidenen Vorhängen und kostbaren Möbeln decorirten Zimmer geführt, in welchem sich Leonta, von zwei starken Negerfrauen bewacht, befand. Ihr wundervolles Haar war sorgfältig in schweren Flechten an ihrem Hinterkopf befestigt und hing in reichen Locken zu beiden Seiten über ihren entblößten, zarten Nacken und vollen Busen zwischen dem weit ausgeschnittenen, vorn bis auf den Gürtel geöffneten, leichten, bunten Gewand herab, welches ihr kaum bis über das Knie reichte und aus den kurzen offnen Aermeln ihre makellos geformten Arme sehen ließ. Es war dies Gewand die einzige Bekleidung, die ihren schönen Körper umgab, mit Ausnahme der zierlichen Schuhe, welche ihre kleinen Füße umschlossen. Sie saß in der Mitte des Zimmers auf einem Sessel ohne Rücklehne, hielt ihre gefalteten Hände vor ihren Busen, ihren kleinen Kopf darniedergebeugt, und ließ die Thränen, die unter ihren langen Wimpern hervorquollen, in ihren Schooß fallen.

Es war wohl ein Dutzend Männer mit Weston in das Zimmer getreten und dieser schritt zu Leonta hin, nahm sie bei'm Arm, und ersuchte sie mit freundlichen Worten, aufzustehen.

Während die Sclaven gewöhnlich von ihrem Verkäufer dazu angehalten werden, bei den Besichtigungen und Untersuchungen heiter und lustig zu erscheinen und, wo es nöthig ist, mit der Peitsche dazu gezwungen werden, so sah Weston in den Thränen und in der dumpfen Verzweiflung, die auf Leonta's ganzer Erscheinung lag, eine Erhöhung ihres Werthes und eine Empfehlung mehr für einen Liebhaber. Leonta wurde nun von allen Seiten betastet und Fragen an sie gerichtet, von denen sie jedoch nicht eine beantwortete. Nach genauer Beschauung entfernten sich die Kauflustigen, um mit Parker das Geschäft weiter zu bereden, während andere Reflectanten bei der Quadrone eingeführt wurden. Mit jedem Tage mehrte sich deren Zahl, denn sobald die Zeitungen den Ruhm von der Schönheit der Quadrone im Lande verbreitet hatten, eilten die reichen Plantagenbesitzer Louisiana's nach New-Orleans, um sich gegenseitig das Mädchen streitig zu machen.

Der Preis aber, den die Eigner für Leonta forderten, war zu enorm, als daß sich bald ein Käufer gefunden hätte, denn sie hielten denselben auf zwanzigtausend Dollars fest. Eine Woche war verstrichen und Hunderte von Kauflustigen hatten hohe und niedrige Gebote gethan, ohne daß man über den Preis einig geworden wäre. Der Zudrang von Schaulustigen war eines Morgens von acht bis elf Uhr wieder sehr groß gewesen, und mit dem Erscheinen dieser Stunde hatte der öffentliche Sclavenverkauf begonnen.

Eine sehr geräumige Halle, die von allen Seiten her durch Fenster erhellt wurde, war in einem der Nebengebäude geöffnet, und die laute Stimme des Verkäufers rief die Kauflustigen in dieselbe herein. In der Mitte des großen Raumes befand sich ein ungeheurer Eichenklotz, neben welchem der Verkäufer mit dem Hammer in der Hand stand, und um den sich die Käufer herbeidrängten. Im Hintergrunde der mit Quadern geplatteten Halle waren einige vierzig Sclaven aufgestellt, die heute meistbietend verkauft werden sollten. Der Verkäufer hatte einem der schwarzen Aufseher zugerufen, Neger herbeizuführen, und dieser trieb nun eine schöne schwarze junge Frau, die einen Jungen und ein Mädchen von sechs und vier Jahren an ihren Händen mit sich fortzog, zu dem Eichenklotz heran. Sie erstieg denselben und hob ihre Kinder gleichfalls zu sich herauf. Der Verkäufer pries nun mit lauter Stimme die vortrefflichen Eigenschaften der Negerin, zeigte auf die einzelnen kräftigen Formen ihres Körpers und rühmte ihre stets heitere Laune. Das grinsende Lachen, welches sich hierbei auf den Zügen der Sclavin einstellte, und die Thränen, welche sie sich vergebens bemühte, in ihren großen dunkeln Augen zurückzuhalten, zeugten zwar augenblicklich von dem Gegentheil dieser Beschreibung, der Verkäufer aber ließ sich in seiner Rede nicht stören und fing nun an, die Mutter und die beiden Kinder zu dem Preis von sechshundert Dollars auszubieten. Zufällig befand sich augenblicklich Niemand unter den Umstehenden, der eine Negerin mit Kindern zu kaufen wünschte, und so ließ der Verkäufer dieselben von dem Klotz heruntertreten und wollte dann den Jungen allein wieder hinaufheben.

»Ach Herr!« stammelte die Sclavin niedersinkend, schlang ihre nackten Arme um den Jungen und preßte ihn an ihre Brust. Ein herzutretender kolossaler Neger aber riß den Knaben von ihr los, hob ihn mit einer Hand auf den Klotz und führte die Mutter, die ihre kleine Tochter auf dem Arm hielt, aus dem Gedränge. Das stille Weinen derselben brach jetzt in ein lautes Jammergeheul aus und schallte in herzzerreißenden Schreien durch die Halle, der knallende Ton einer Peitsche aber ließ sie bald verstummen. Der Knabe wurde für dreihundert Dollars verkauft, und dann trat der große Neger mit dem kleinen Mädchen auf dem Arm durch die Menge und stellte das weinende Kind auf den Klotz. Auch dieses wurde verkauft, denn Weston, der mit Parker nahe an dem Ausgang der Halle stand, hatte dem Verkäufer zugewinkt, dasselbe für zweihundert Dollars loszuschlagen.

In diesem Augenblick trat ein eleganter schöner junger Mann in den Eingang und wurde von den beiden Sclavenhändlern mit auffallender Artigkeit und Zuvorkommenheit begrüßt.

»Ei, ei, Herr Lavallée, Sie kommen zu günstiger Stunde,« sagte Parker zu ihm, indem er ihm die Hand reichte; »Sie werden sicher schon von der herrlichen Quadrone gehört haben, die wir besitzen. Bei der entferntesten Voraussicht auf das Vergnügen, Sie bei uns zu sehen, würden wir dieselbe gar nicht zum Verkauf angekündigt haben. Niemand anders, als Sie, darf das Mädchen kaufen.«

»Ich läugne es nicht, daß mich die Neugierde, die Quadrone zu sehen, hierhergetrieben hat, obgleich ich nicht daran denke, sie zu kaufen. Sie wissen, ich handle eigentlich nur mit reinem Ebenholz, mit den wirklichen Negern, die von Afrika kommen, und sehe kein großes Unrecht darin, diese Halbmenschen zur Arbeit unterzubringen; die Mulatten aber, und namentlich die Quadronen zu kaufen und zu verkaufen, will nicht ganz mit meinen Ansichten von Menschenrechten übereinstimmen.«

»Wir haben Sie seit einem Jahre nicht bei uns gesehen. Ist das Geschäft gut gewesen?« fragte Parker.

»Ich bin zufrieden; mehrere Ladungen mit herrlichen Negern wurden mir glücklich in Havannah abgeliefert, ein Schiff aber, welches fünfhundert Sclaven für meine Rechnung an Bord hatte, wurde von einem englischen Kreuzer auf der hohen See verfolgt, der Capitain meines Schiffes wollte sich nicht gefangen nehmen lassen, da er dann sofort gehangen worden wäre, und zog es vor, auf einem kürzern Wege aus der Welt zu gehen. Er warf Feuer in die Pulverkammer und sprengte sich mit Mann und Maus in die Luft. Ich habe viel dabei verloren, doch das Geschäft kann schon einen solchen Verlust verschmerzen. Lassen Sie mich aber die Quadrone sehen, wenn es Ihre Zeit erlaubt; ich bin sehr darauf gespannt.«

»Kommen Sie mit mir, Weston wird hier bei'm Verkauf bleiben,« sagte Parker und führte den Fremden in das Wohngebäude nach dem Zimmer, wo sich Leonta befand. Auf dem weichen Teppich waren sie eingetreten und hatten sich dem Sopha, auf welchem die Quadrone ruhte, genähert, ohne daß sie ihre Gegenwart gewahr worden wäre, denn ein wohlthätiger Schlummer hatte sich ihrer erbarmt, und ließ sie augenblicklich ihr Schicksal vergessen. Die beiden Negerinnen standen beim Erscheinen ihres Herrn auf und wollten die Schlafende wecken; Lavallée aber gab ihnen einen Wink, es zu unterlassen, und blieb regungslos vor dem Lager der Unglücklichen in Anstaunen versunken stehen. Sitzend war sie zur Seite gegen das Polster des Sophas gesunken, ihr schöner Kopf ruhte auf demselben und ihre Arme hingen neben ihr herab. Die Flechten ihres üppigen Haares hatten sich gelöst, und ihre Enden reichten bis auf den Fußboden hinab, während ihre reichen Locken auf ihren Busen fielen und ihn zum großen Theil verhüllten. Ihre noch feuchten Wangen, die Thräne, die noch unter ihren langen Wimpern glänzte, und ein tiefer, schluchzender Athemzug, der ihrer Brust entstieg, zeugten davon, daß sie weinend in den Schlummer gesunken war, und die bleiche Farbe, die auf ihren wunderbar reizenden Zügen lag, verrieth den tiefen Seelenschmerz, der ihr Inneres erschüttert hatte.

Lavallée stand tief ergriffen vor dem schönen, unglücklichen Mädchen und sein mitleidiger Blick, sowie die Bewunderung, die auf seinem Antlitz zu lesen war, ließen die Bewegung erkennen, die sich seiner bemeisterte.

Er war ein schöner Mann, groß, schlank und kräftig gebaut, mit reichem schwarzen Lockenhaar, hoher freier Stirn, lebendigen schwarzen Augen und edel geformten sonngebräunten Gesichtszügen, die den französischen Creolen, den in Amerika von französischen Eltern geborenen Mann, bekundeten. Unter seinem umgeschlagenen Halskragen war ein schwarzseidenes Tuch nachlässig in einen Knoten verschlungen und hing über den sauber gefalteten Busenstreif seines schneeweißen Hemdes herab, auf dem ein großer Brillant in einer Tuchnadel blitzte. Der graue leinene Rock, den er trug, lag zurück über seine Schultern geschlagen und ließ seine breite Brust sehen, die von keiner Weste bedeckt war, während Beinkleider von gleichem Stoffe von seinen Hüften getragen wurden und weit auf seine zierlichen gelben hirschledernen Schuhe herabhingen.

Noch stand er schweigend und staunend vor der schlafenden Quadrone, als diese die Augen aufschlug und seinem Blick begegnete. Sie fuhr zusammen, zog ihr offenes Gewand, so viel als möglich war, über ihren Busen, und ein tiefes Carmin überflog ihre Wangen. Sie bebte und schlug die Augen nieder.

»Wer war Dein früherer Herr, schönes Mädchen? « fragte Lavallée mit unverkennbarer großer Theilnahme. Leonta aber zitterte und schwieg, und Thränen fielen von ihren Wimpern in ihren Schooß.

»Ihr weißer Vater hat sie an uns verkauft; er hatte Geld nöthig,« antwortete Parker statt ihrer.

Ein Schrei erstickte auf den Lippen der Quadrone, sie wurde bleich, preßte beide Hände krampfhaft auf ihr Herz und sank ohnmächtig wie ein Marmorbild in das Sopha zurück.

Die Negerinnen brachten frisches Wasser herbei und Lavallee wusch die Schläfe und die Hände des ohnmächtigen Mädchens lange Zeit vergebens, doch endlich kehrte das Leben in sie zurück und abermals begegnete ihr Blick dem Fremden, der sie in seinem Arm hielt und ihre Stirn kühlte.

»Sei ruhig, schönes Mädchen, ich werde Dich retten,« sagte Lavallée leise zu Leonta und warf einen flüchtigen Blick nach Parker, der an die Thür getreten war und einen Neger mit einer Antwort an Weston abfertigte.

Die Quadrone richtete ihre großen Augen mit einem Blick auf den Fremden, in dem sich die ganze Schönheit, der ganze Reichthum ihrer reinen, dankbaren Seele spiegelte; doch war es nur ein Blick, dann senkten sich die langen Wimpern, die ihre Augen überschatteten, wieder und preßten neue Thränen hervor. Lavallée drückte ihr die Hand, wendete sich rasch von ihr ab, und verließ mit Parker das Zimmer.

»Was sagen Sie zu dem Mädchen?« fragte dieser, als sie hinaus in den Hof traten.

»Sie ist schön, das ist nicht zu läugnen. Was ist Ihr Preis?« erwiderte Lavallee.

»Zwanzigtausend Dollars,« sagte Parker mit großer Bestimmtheit.

»Das ist zu viel, die Summe zahlt Ihnen Niemand dafür,« antwortete Lavallee; »ich gebe Ihnen fünfzehntausend Dollars. Wollen Sie, so sagen Sie es jetzt, ich reise in einer halben Stunde von hier ab.«

»Unmöglich, sie kostet uns selbst nicht viel weniger.«

»So haben Sie sie zu hoch bezahlt und können froh sein, wenn Sie Ihr Geld wieder bekommen. Sie wissen wohl, mir ist der Werth von Sclaven bekannt. Es wird Ihnen Niemand geben, was ich Ihnen bot. Nochmals, wollen Sie den Handel abschließen?«

»Wir können es nicht, da kommt mein Associé, fragen Sie ihn selbst,« antwortete Parker und winkte Weston, der an dem Eingang der Halle stand, von woher immer noch die laute Stimme des Verkäufers ertönte. Lavallée aber wandte sich eilig nach dem Thor, indem er sagte:

»So wollen wir es auf sich beruhen lassen, lieber kaufe ich das Mädchen nicht. Leben Sie wohl.«

Parker jedoch sprang mit Weston, dem er einige Worte zugeflüstert hatte, ihm nach; sie hielten ihn in der Straße zurück und Ersterer sagte:

»Sie müssen die Quadrone kaufen, legen Sie noch Etwas zu.«

»Nicht einen Cent,« erwiederte Lavallée und machte abermals eine Bewegung zum Fortgehen, als Weston ihm in den Weg trat und sagte: »Sie sollen sie zu Ihrem Gebot haben, wir rechnen aber daraus, daß Sie sich gelegentlich, wenn Sie Neger hier am Platze verkaufen wollen, an uns wenden und uns die Commission daran verdienen lassen.«

»Das soll geschehen,« antwortete Lavallée mit glänzend-freudigem Blick; »lassen Sie uns in Ihr Comptoir gehen, damit Sie mir den Kaufbrief ausfertigen und Ihr Geld empfangen.«

Parker führte ihn nach dem Geschäftslokal, schrieb dort das Document über den Verkauf aus und erhielt dagegen von dem Käufer eine Anweisung von fünfzehntausend Dollars auf die Bank von New-Orleans.

Hätten die beiden Verkäufer gewußt, daß der junge Creole nicht allein ihre volle Forderung, sondern selbst die doppelte Summe für das Mädchen gezahlt haben würde, sie hätten sicher nicht so schnell zugeschlagen; er war aber ein noch gewandterer Kaufmann, als sie, und wußte sehr gut, daß Käufer selten waren, die einen solchen Preis für eine Sclavin anlegen könnten und würden.

Arthur Lavallée besaß ein ungeheures Vermögen, das er in nicht vielen Jahren mit dem Sclavenhandel erworben hatte. Sein eigentlicher Wohnort war Havannah und dorthin, oder nach einer andern spanischen Besitzung in Westindien, wurden ihm die Neger gebracht, die seine Agenten an der Goldküste von Guinea für ihn kauften und die auf seinen Schiffen durch den Ocean geführt wurden. Obgleich die Einfuhr von Schwarzen in den spanischen Colonieen verboten war, so wurde dieselbe doch ohne Schwierigkeiten bewerkstelligt, da Lavallée sich mit den dortigen Beamten verstand und diesen eine gewisse Abgabe für den Kopf heimlich entrichtete. Theils verkaufte er die Sclaven an dortige Plantagenbesitzer, theils aber schmuggelte er sie nach den Vereinigten Staaten, namentlich nach den südlichen Ländern, wo Baumwolle, Reis und Zucker gebaut wurde. Er war jetzt von Havannah herübergekommen, um von den großen Plantageneignern Louisiana's Bestellungen auf Neger zu sammeln, deren er einen bedeutenden Vorrath in Westindien besaß und von denen er in der Kürze noch einige Ladungen erwartete. Das Glück war ihm beim Beginn seines Geschäfts hold gewesen, und sein kühner, unternehmender Geist hatte die vielen Risico's, denen es unterworfen war, überwunden. Er war in der Ueberzeugung aufgewachsen, daß der Handel mit schwarzen Menschen kein Unrecht sei, und an die Klagen und den Jammer, den er so oft beim Empfangen, sowie beim Verkaufen seiner Waare anhören mußte, hatte er sich gewöhnt; dennoch war sein Herz nicht unempfindlich, nicht hart geworden, und gern gewährte er seinen Mitmenschen im Unglück seine Hülfe, zu welchen er allerdings die Schwarzen, mit denen er handelte, nicht zählte. Der Verkauf von Quadronen aber war gegen seine Ansicht von Recht, und die erste Veranlassung, weshalb er Leonta zu sehen eilte, lag in der Voraussetzung, daß an ihr eine große Grausamkeit begangen würde, und in dem Wunsche, zu helfen, wenn es in seiner Macht stände. Fern aber war er davon gewesen, den Eindruck zu vermuthen, den sie auf ihn machte, und als er sie verließ, war er unbedingt entschlossen, sie, was sie auch kosten würde, zu kaufen, ohne sich eine Rechenschaft darüber zu geben, was er mit ihr thun wolle.

Sie war nun sein Eigenthum, und dieser Gedanke hatte etwas unbeschreiblich Beglückendes für ihn. Er gab Parker den Auftrag, sie sofort selbst in einem verschlossenen Wagen nach dem St. Louis-Hotel zu bringen, wo er wohnte und wo er ihn erwarten wollte, machte aber ausdrücklich die Bedingung, daß Niemand es erführe, was aus der Quadrone geworden sei. Dann eilte er zu der nächsten Straßenecke, bestieg dort einen Fiacre und fuhr davon.

Parker sandte einen Neger fort, um einen Wagen zu holen, und begab sich dann zu Leonta zurück. Mit Erstaunen erkannte er die Veränderung, die in der kurzen Zeit mit ihr vorgegangen war. Ihre Thränen waren getrocknet, in dem Glanz ihrer Augen lag unverkennbarer Trost und Hoffnung, und als er zu ihr trat und ihr mittheilte, daß Herr Lavallée sie gekauft habe, preßte sie beide Hände fest gegen ihr Herz und sandte einen Blick des Dankes nach oben.

»Herr Lavallée ist einer der reichsten Sclavenhändler in Havannah und wird Dich sehr gut behandeln,« sagte er zu ihr, beauftragte dann eine der Negerinnen, einen andern Anzug für Leonta herbeizuholen und sie anzukleiden, und verließ das Zimmer.

Das Wort Sclavenhändler hatte abermals das Blut zu Leonta's Herzen zurückgedrängt und sie für den Augenblick des Athems beraubt, das freundliche Bild des jungen Mannes aber, das sich ihr tief in die Seele gedrückt hatte, rief ihr Glauben an ihn und Hoffnung zu. Sie wurde schnell in schwarze Seide gekleidet, ihr Antlitz mit einem dichten schwarzen Schleier verhüllt, Parker führte sie aus der Thür des Wohnhauses, vor welchem ein Wagen hielt, bestieg denselben mit ihr und fuhr rasch dem St. Louis-Hotel zu. Dort unter dem großen Portal stand Lavallée, und als der Wagen anhielt, öffnete er den Schlag, hob Leonta heraus und führte sie an seinem Arm in den ersten Stock des ungeheuern Gebäudes, wo er eine Reihe prächtig möblirter Zimmer bewohnte.

»Betrachte Dich hier zu Hause, Leonta,« sagte Lavallée, indem er ihre kleine Hand in seine Linke nahm und den Schleier von ihrem schönen Kopf entfernte; »Latone, meine alte Dienerin, und Robin, mein Diener, werden Deine Befehle wie die Meinigen vollziehen. Nach dem Mittagsessen werde ich mit Dir ausfahren, damit Du Dir selbst Deine Toilette auswählen kannst. Vertrauen zu mir gebe Dir jetzt die Ruhe, die Dir so nöthig ist. Dort ist Dein Schlafgemach, wo Du alle Bequemlichkeit finden wirst, und dies ist Dein Wohnzimmer. Ein heiterer Blick von Dir mag mir bei meiner Rückkehr als Beweis dienen, daß Du Glauben in mich setzest.« Mit diesen Worten strich er der Quadrone, die stumm vor sich niederblickend und unbeweglich dastand, über das glänzende Lockenhaar, drückte ihr nochmals die Hand und verließ das Zimmer.

Einige Augenblicke später trat Latone, eine alte Negerin, herein, ging zu Leonta und fragte sie mit freundlicher Unterwürfigkeit, ob sie ihr dienlich sein könne, und als diese ihr für ihre Bereitwilligkeit dankte, gab sie ihr die Versicherung, daß sie gern ihrer Befehle harre, weil sie wisse, daß es ihrem guten Herrn Freude mache.

Kaum hatte die Alte das Gemach wieder verlassen, als Leonta plötzlich aus ihrer Erstarrung erwachte, sich auf ihre Kniee niederwarf, die Hände und ihre Blicke flehend nach Oben richtete, und ein Thränenstrom ihren Augen entquoll.

»Rette Du mich, o gütiger, allmächtiger Gott, von Schmach und Untergang!« flehte sie laut, rang ihre Hände und blickte ängstlich in dem prächtigen Gemach umher.

So sehr die Handlung Lavallée's sie auch mit Vertrauen zu ihm erfüllte, so wurde doch auch Furcht vor ihm in ihr rege; seine Güte war so auffallend groß und ungewöhnlich für die Farbige, sie konnte sich des Gedankens nicht erwehren, daß er mehr von ihr wünsche, als sie, vor Verderben zu bewahren, mehr, als sie ihm freiwillig gewähren würde, und mit Schrecken und Schaudern dachte sie daran, daß sie sich unbedingt in seiner Gewalt befand. Dann aber hatte seine Theilnahme, die Milde, womit er sie behandelte, nicht verfehlt, Gefühle für ihn in ihrer Brust zu erwecken, die mehr als Dankbarkeit umfaßten und diese, sowie seine edle Erscheinung, die fortwährend lebendig vor ihrer Seele stand, bekämpften bald siegreich die in ihr aufgestiegene Bangigkeit. Er hatte gewünscht, sie bei seiner Rückkehr heiter zu finden, sie wollte so vor ihm erscheinen, und wenn es ihr das Leben gekostet hätte. Sie trat vor den großen Wandspiegel und blickte mit Erstaunen auf ihre eigne Erscheinung. Ihre volle Gestalt hatte sie nie in ihrem Leben so deutlich vor sich gesehen, denn das Bild, welches ihr die Fläche des Flusses in ihrer Heimath gezeigt, war stets verschwommen und verkürzt, und der Spiegel, den sie zu Hause besessen, war sehr klein gewesen. Auch hatte sie nie ein so schön geschnittenes und reich verziertes Kleid getragen, namentlich noch niemals ein seidenes, auf dessen Rechnung sie die sie selbst überraschende Schönheit legte, die sie von ihrem eignen Engelsbild jetzt vor sich sah. Nur ihr Haar hatte sie früher viel schöner geordnet, es war von jeher ihre Freude gewesen, und jetzt schien es ihr rauh und geschmacklos aufgesteckt. Schnell sprang, sie in das Nebenzimmer, nahm dort einen Kamm von der Toilette, eilte zu dem großen Spiegel zurück und löste nun die schweren Flechten, so daß die reiche Lockenfülle ihr über Brust und Nacken herabfiel und ihre Gestalt bis über die Kniee hinab verhüllte. Dann theilte sie die glänzenden seidenweichen Massen mit ihren zierlichen Fingern, zwängte sie schnell und geschickt in schöne Flechten ein, befestigte dieselben in schweren Rollen an ihrem Hinterkopf und ließ die vollen Locken, die über ihre Schläfe herabfielen, durch ihre zarten Hände gleiten. Es kam ihr vor, als ob es ihr niemals früher so gut gelungen wäre, ihr Haar zu ordnen, als gerade diesmal; hätte sie nur eine Granatblüthe zur Hand gehabt, um sie aus den Locken hervorsehen zu lassen!

Wie lange, dachte die Quadrone, wird wohl Lavallée ausbleiben? Er hatte es nicht gesagt, wann er zurückkehren würde. Sie schritt an eins der hohen, bis auf den Fußboden hinabreichenden Fenster, stellte sich hinter den schweren gelbseidenen Vorhang und blickte neben demselben vorbei in die Straße hinunter. Geschäftig drängten sich auf den breiten Trottoirs die Fußgänger hin und her und die Straße war von Güterwagen, von stattlichen Carrossen und von Reitern belebt. Viele junge Männer, unter denen sich die französischen Creolen durch Eleganz hervorthaten, zogen vorüber, doch nicht Einer von ihnen kam Lavallée in Schönheit und Anstand gleich. Leonta blieb lange unbeweglich an dem Fenster stehen und hielt ihre Augen auf das ihr ganz neue Schauspiel gerichtet, aber immer noch, obgleich schon einige Stunden verflossen waren, wollte ihr Herr nicht erscheinen. Jetzt erblickte sie weit in der Straße hinauf in dem Gedränge einen breitrandigen Strohhut, der anders auf des Mannes Kopf saß, als die vielen, die sie zugleich gewahrte, sie drückte ihre Wange fest an die Fensterscheibe, um besser seitwärts sehen zu können; bald erkannte sie auch das reiche schwarze Lockenhaar, welches unter dem Hut hervorquoll; es war Lavallée, der sich mit eiligen Schritten hin und her durch die Menge wand und seine lebendigen Augen spähend auf die Fenster von Leonta's Zimmer geheftet hielt.

Das Herz der Quadrone schlug schneller, als vorher, sie zog sich hinter den Vorhang zurück, wandte sich nach der Thür um, und lauschte auf den Tritt ihres Wohlthäters. Endlich hörte sie ihn nahen, die Thür wurde rasch geöffnet, und Lavallée trat freudig bewegt herein und mit den Worten auf Leonta zu: Endlich kann ich wieder bei Dir sein, süßes Mädchen, und doch habe ich meine Geschäfte nur zur Hälfte besorgt.«

Die Quadrone ging ihm mit einem seelenvollen Lächeln entgegen und legte ihre kleine Hand in die seinige, die er ihr entgegenhielt.

»Hast Du Dich ausgeruht, Leonta?« fragte er, indem er mit Freude den Ausdruck gewahrte, der um ihren schönen Mund spielte; »kommt Dir der freundliche Empfang auch von Herzen?«

»Von ganzer Seele, Herr! Wer könnte mir willkommener sein, als mein Wohlthäter, mein Retter?« erwiderte die Quadrone und erglühte hoch, indem sie die Augen senkte.

Lavallée ging nicht, wie gewöhnlich, zu der öffentlichen Tafel zu Tisch, sondern ließ das Mittagsessen durch seine Diener in dem anstoßenden Salon auftragen und führte Leonta dorthin, um ihm gegenüber Platz zu nehmen und mit ihm zu, speisen. Nach Tisch, als er sich mit ihr in dem Sopha niedergelassen hatte und der Kaffee ihnen gereicht wurde, bat er sie mit großer Schonung, ihm ihre Schicksale mitzutheilen, welchen Wunsch sie mit thränenfeuchten Augen erfüllte. Die Erzählung und die Bewegung, mit der die Quadrone sie vortrug, erschütterte ihn tief; das gräßliche Unglück, welches sie betroffen, zog ihn nur noch mehr zu ihr hin, und als sie verstummte und weinend in ihren Schooß niederblickte, ergriff er leidenschaftlich ihre Hand, preßte seine Lippen darauf und schwur, daß ihr Leben von nun an für immer ein zufriedenes, ein heiteres sein solle.

Er hatte einen Wagen kommen lassen und fuhr mit Leonta nach verschiedenen Kaufläden, wo sie sich die reichste Garderobe auswählen mußte, doch beschränkte er sich bei dieser Fahrt auf den französischen Theil von New-Orleans, weil unter dessen Bevölkerung weniger Vorurtheil gegen afrikanisches Blut herrscht, als unter den Amerikanern, und weil es hier nicht auffiel, einen jungen Mann an der Seite einer dunkeln Schönheit zu sehen.

Abends, als der Mond sein Licht über den Strand am Flusse warf und der Abendwind kühl und wohlthuend darüber hinzog, wandelte er mit dem schönen Mädchen am Arm zwischen den vielen Spaziergängern hin und Beide fühlten sich unbeschreiblich glücklich, ohne an ihre Zukunft zu denken. Leonta war in eine ganz neue Welt versetzt, und zwar durch einen Mann, dem sie zu einem unbegrenzten Dank verpflichtet war, und dessen Persönlichkeit eine so warme Zuneigung in ihr erweckt hatte, wie sie ihr bis jetzt fremd geblieben war.

Lavallée wurde von dem Zauber, der die Quadrone umgab, unwiderstehlich zu ihr hingezogen, und aus Achtung vor ihrem innern Werthe verzichtete er gern auf die unumschränkte Gewalt, die er über sie besaß, um nur seiner Persönlichkeit die Zuneigung eines so von der Natur ausgezeichneten Wesens, wie Leonta war, zu verdanken.

Tage verstrichen und Wochen waren dahingezogen, ohne daß in dem äußern Leben Lavallée's und der Quadrone die mindeste Aenderung eingetreten wäre, anders war es aber mit ihren Gefühlen, die sich unbemerkt ihrer Herrschaft entzogen hatten. Das Herz der Quadrone erglühte im Stillen von Tag zu Tag mehr für ihren Wohlthäter, für den aufmerksamen, liebevollen täglichen Gefährten; ohne ihn fühlte sie sich verlassen, ja unglücklich, und in seiner Nähe hatte sie keine Wünsche mehr. Sie konnte Stunden lang seinen lieben Worten lauschen – seine Stimme war Musik für ihr Ohr – mit ihren Blicken an seinen männlich funkelnden Augen hängen, es gab für sie nichts Schöneres auf der Welt, und bei ihm, so wie entfernt von ihm gehörten ihm alle ihre Gedanken, ihre ganze Seele. Doch verrieth sie ihm weder durch Wort, noch durch That, was ihr Inneres bewegte, und oft erschrak sie vor sich selbst, wenn sie fühlte, daß ihr in seiner Gegenwart das Blut in die Wangen schoß, oder wenn sie das Klopfen ihres Herzens hörte.

Lavallée war in heißer Leidenschaft für Leonta entbrannt, und nur gewaltsam konnte er ihren Sturm bewältigen und sich dem vorgesteckten Ziele gegenüber erhalten. Oft brach er in ihrer Gegenwart in ausgelassene Fröhlichkeit aus, zu andern Zeiten saß er stumm und gedankenvoll ihr gegenüber und wagte es kaum, ihr in die dunkeln, himmelstrahlenden Augen zu schauen. In den letzten Tagen hatte er sogar ihre Gesellschaft mehr vermieden, als gewöhnlich, da er nur zu gut fühlte, wie seine Leidenschaft drohte, seines Willens Herr zu werden.

Es war Abend, Leonta saß in dem Sopha und harrte mit Sehnsucht auf den wohlbekannten Schritt ihres innig geliebten Freundes, der sie heute gleich nach dem Mittagsessen verlassen hatte und noch nicht zurückgekehrt war. Schon brannten die Wachskerzen auf den silbernen Armleuchtern vor den Wandspiegeln, schon hatte die Tischglocke die Gäste des Hauses zum Abendessen gerufen, und immer noch befand sich die Quadrone mit ihren Gedanken an den Geliebten allein, als plötzlich rasche Fußtritte auf dem Corridor ertönten und Lavallée in stürmischer Hast in das Zimmer trat. Er verschloß die Thür hinter sich, stürzte auf Leonta zu, warf sich ihr zu Füßen und ergriff ihre bebende Hand.

»Es muß klar zwischen uns werden, Leonta!« sagte er, auf das Heftigste bewegt, »nicht länger kann ich es verschweigen, was nur die Brust zu zersprengen droht. Ich liebe Dich, Leonta, mit einer Gluth, die mich verzehrt, mit einer Leidenschaft, der ich nicht länger zu widerstehen vermag. O sage mir, himmlisches Mädchen, ob mir die Seligkeit Deiner Gegenliebe werden soll? Es giebt keinen Himmel für mich, als den an Deinem Herzen!«

Bei diesen Worten sprang er auf, schlang seinen Arm um ihren Nacken und wollte seinen Mund zu ihren Lippen führen, die Quadrone aber wich ihm aus und entwand sich seiner Umarmung.

»Herr« – sagte sie aufspringend, »ich bin Deine Sclavin, mein Körper gehört Dir, mein Leben aber mir, und jede Nadel, jede steinerne Wand befähigt mich, darüber zu verfügen. Wenn Du mich liebst, so ehrst Du mich und wirst meine Ehre gegen Jedermann, auch gegen Dich selbst beschützen.«

Sie war einen Schritt zurückgetreten und Lavallée stand, wie aus einem Fiebertraum erwachend, ihr gegenüber, als sie die Hände vor ihrem Busen faltete und sagte: »Herr, vergieb Deiner Sclavin, wenn sie wünscht, Deiner Zuneigung werth zu bleiben!« Dabei sah sie ihn wehmüthig und flehend an und ihre Thränen fielen über ihre Wangen herab.

»Ich liebe Dich ehrlich und aufrichtig, Leonta, und kann Dir zu Liebe selbst mein Glück opfern. Gute Nacht, süßes Mädchen, vergieb mir, wenn ich Dich heißer liebte, als ich es sollte.«

Hiermit hatte er die Thür erreicht und geöffnet, doch die Quadrone eilte ihm nach, ergriff seine Hand, drückte ihre vollen Lippen in einem glühenden, langen Kusse darauf und benetzte sie mit ihren Thränen.

»Gute Nacht, Leonta, Du bist mir jetzt noch theurer, als bei meinem Eintreten, « sagte er, und verschwand rasch durch die Thür.

Die Quadrone wankte zum Sopha zurück, warf sich auf dasselbe nieder, und senkte ihr mit den Händen bedecktes Gesicht auf das Polster. Sie weinte bitterlich und schluchzte laut während der ganzen Nacht, und der neue Tag blickte durch die Fenster auf ihre thränenfeuchten Augen. Sie kühlte dieselben mit frischem Wasser, ordnete ihre Toilette und suchte sich so zu sammeln, daß sie ruhig und gefaßt beim Frühstück erscheinen könne. Die alte schwarze Dienerin zeigte ihr aber an, daß ihr Herr nicht daran Theil nehmen würde, indem ihn ein Geschäft für heute von der Stadt entfernt halte. Diese Nachricht traf Leonta wie ein Blitzstrahl, sie warf sich vor, den Mann, der sie so sehr mit Wohlthaten überhäuft hatte, undankbar von sich gestoßen zu haben. O hätte sie ihm nur wenigstens gesagt, wie heiß, wie unendlich sie selbst ihn liebte! Wieder brach sie in lautes Weinen aus und verbrachte den Tag in Angst, in Vorwürfen gegen sich selbst und Verzweiflung. Der Abend brach herein, Latone zündete die Lichter an und Lavallée war noch nicht erschienen. Die Unruhe, der Schmerz der Quadrone stieg von Minute zu Minute, – endlich – endlich hörte sie den ersehnten Tritt, sie rannte nach der Thür, riß sie weit auf und Lavallée trat freundlich, doch ruhig und gelassen zu ihr herein.

Leonta ergriff bebend seine Hand mit den Worten:

»Gott im Himmel sei gelobt!«

Lavallee aber führte sie nach der Console, auf welcher ein Armleuchter stand, und sagte, indem er ein Papier aus der Tasche hervorzog und es auf den Tisch niederlegte:

»Du bist frei, Leonta, hier ist Dein Freibrief und hier sind fünfzigtausend Dollars in einer Anweisung auf die hiesige Bank, die Dich aller Sorgen, aller Gefahren überheben. Jetzt müssen wir scheiden, das Schiff, welches mich nach Havannah zurückführen soll, verläßt in einer halben Stunde die Stadt. Denke an meine Liebe und bleibe ihrer werth!«

Die Quadrone war bleicher und bleicher geworden, ihre Augen öffneten sich immer weiter, ihr Blick wurde mit jedem Worte, welches Lavallée sprach, entsetzter, ihr Mund war halb geöffnet, ihre Lippen bebten und ihr Herz setzte seine Schläge aus. Bei den letzten Worten aber, mit denen der Creole in die Mitte des Gemachs zurückgetreten war, stürzte sich Leonta plötzlich zu seinen Füßen nieder, erfaßte mit beiden Händen die seinige und rief in höchster Verzweiflung:

»Halt, Arthur, höre mich, – nimm mir das Leben nicht! Ich liebe Dich, wie niemals ein Mann von einem Weibe geliebt wurde; ohne Dich will ich nicht, kann ich nicht leben. Stoße mich nicht von Dir, zerreiße jene Papiere, sie enthalten mein Todesurtheil. Erbarmen, Arthur – Erbarmen!«

Sie fiel zurück und breitete ihre Arme nach Lavallée aus; er hob sie in seliger Ueberraschung zu sich empor und preßte sie an seine Brust. Lange standen die Glücklichen in stummer Umarmung verschlungen da, und ihre Küsse, ihre Freudenthränen dienten ihnen statt der Worte. Endlich trennten sie sich für einen Augenblick, schauten sich gegenseitig, als wollten sie den Himmel ihrer Seligkeit sehen, in die Augen und fielen sich dann von Neuem wieder und wieder in die Arme.

Schlaf nahte sich in dieser Nacht weder dem Lager Lavallée's, noch dem der Quadrone; Beiden war es unmöglich, auch nur für einen Augenblick das beseligende Bewußtsein ihres Glückes, welches ihnen so unerwartet zu Theil geworden war, sich durch den Schlummer rauben zu lassen, und als die Morgenröthe den Horizont färbte und der neue Tag die Welt begrüßte, bewillkommneten sie ihn Beide als den glücklichsten ihres bisherigen Daseins.

Heute frühstückten sie zusammen und der Himmel ihres vereinten häuslichen Lebens begann. Lavallée theilte der Geliebten jetzt seinen Entschluß mit, sein Geschäft aufzugeben und mit ihr nach dem Lande seiner Vorfahren überzusiedeln, wo der Werth des Menschen nicht nach der Farbe seiner Haut bestimmt würde. In der hingebenden Umarmung Leonta's und in ihren Freudenthränen, ihren Küssen fand er ihre Zusicherung, wie gern sie ihm folgen würde.

Noch beredeten sie das Glück ihrer Zukunft, als sich Parker dringend bei Lavallée anmelden ließ. Dieser eilte in das Nebenzimmer, wohin er den Sklavenhändler zu führen befohlen hatte, und erhielt dort von demselben die Nachricht, daß Leonta's Vater angekommen sei und sie gegen die Kaufsumme zurückverlange. Lavallée bedachte sich nur einen Augenblick, dann ersuchte er Parker, dem Herrn Crawford mitzutheilen, daß er die Quadrone an ihn verkauft habe, und daß der Pflanzer sich hierher begeben möge, um mit ihm zu unterhandeln.

Leonta war tief ergriffen, als sie hörte, daß ihr Vater in der Stadt sei, doch ihre Freude kannte keine Grenzen, als sie vernahm, daß er das Geld, wofür er sie verkauft hatte, zurückzahlen wolle, um sie zu befreien. Es war kaum eine halbe Stunde verflossen, als Crawford sich anmelden ließ und von Lavallee in dem Nebenzimmer empfangen wurde. Dringend und flehend richtete er nun seine Bitte um Rückverkauf seines Kindes an den Creolen, legte mit zitternder Hand das Geld auf den Tisch und zog sich von demselben zurück, als sei es glühendes Metall.

»Ich bin bereit, Ihnen die Quadrone für diesen Betrag zu verkaufen, mache aber eine unerläßliche Bedingung dabei,« antwortete Lavallee dem Alten.

»Alles will ich zugestehen, fordern Sie meine ganze Habe, ja mein Leben!« rief Crawford und ergriff bebend die Hand des Creolen.

»Die Bedingung ist,« antwortete dieser, »daß Sie sofort vor Gericht einen Freibrief für Ihr Kind ausstellen. Sind Sie es zufrieden, so kommen Sie mit mir, damit wir keine Zeit verlieren.«

Freudig ergriff Crawford seinen Hut und verließ mit Lavallée das Haus, um die ihm gestellte Bedingung zu erfüllen. Das Document ward ausgefertigt, und als der Creole es empfing, händigte er Crawford den Kaufbrief über dessen Tochter aus.

Bald hatten sie das St. Louis-Hotel wieder erreicht. Lavallée öffnete das Zimmer, wo sich Leonta befand, und das verkaufte und wiedergekaufte Kind warf sich unter Freudenthränen an die Brust des Vaters. Das Erstaunen Crawford's, Leonta so wiederzufinden, ging bald in eine glückliche Ueberraschung über, da Lavallée sie dem Pflanzer als seine Braut vorstellte und ihm seinen Entschluß, sie in Frankreich zu seiner rechtmäßigen Frau zu machen, mittheilte. Crawford gab den Liebenden seinen Segen, und nachdem sich der erste Sturm des allseitigen Glücks gelegt hatte, trat Leonta mit einem Papier in der Hand zu den beiden Männern und warf einen fragenden Blick auf den Geliebten. Dieser winkte ihr seine Genehmigung zu, und die Quadrone übergab ihrem Vater die Anweisung auf fünfzigtausend Dollars zum Geschenk, welche Lavallée für sie bestimmt hatte.

Wenige Tage später steuerte ein kleines, schönes Schiff unter frisch aufgeblähtem weißen Segel über die grünen Wogen des Golfs der Bucht zu, neben welcher der Geburtsort Leonta's lag. Er trug diese mit ihrem Geliebten und ihrem Vater nach ihrer Heimath. Noch einmal wollte sie die treue Pflegemutter, so wie die geliebte kleine Anna sehen und von den vielen Plätzen, an die sich das Glück ihrer Jugend knüpfte, die ihr Leid gesehen, welches sie von ihnen entfernt hatte, Abschied nehmen.

Unter Thränen stand nach Verlauf einer Woche die schöne Quadrone, von dem Arm ihres Geliebten umfangen, auf dem Verdeck des Schiffes und winkte ihren zurückbleibenden Lieben und dem Heimathland ihr letztes Lebewohl zu; denn das Schiff trug sie nach Havannah und von da bald nach Frankreich, wo sie in ihre vollen Menschenrechte eintrat und von Lavallée zur glücklichsten Frau gemacht wurde.

Wer, in dem südlichen Theil jenes herrlichen Landes, hat wohl nicht von der schönen Quadrone Leonta und von der glücklichen hochgeachteten und unermeßlich reichen Familie Lavallée gehört!

 

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